BuchKolumne 22.02.2021 Nr. 653
Graham Moore – Verweigerung
Eva Siegmund – Sodom – Utopia Gardens 1
Lars Kepler – Der Spiegelmann
Joseph Croitoru – Al-Aqsa oder Tempelberg
Sören Urbansky – An den Ufern des Amur
Graham Moore – Verweigerung
Es ist das spektakulärste Gerichtsverfahren des Jahrzehnts: Jessica Silver, Erbin eines Immobilienmoguls, verschwindet, und ihr Lehrer Bobby Nock wird des Mordes angeklagt. Der Afro-Amerikaner führte eine geheime Affäre mit Jessica. Die Jury ist gespalten, bis die junge Geschworene Maja alle von einem Freispruch überzeugt. Jetzt, 10 Jahre später, wird der ganze Fall neu aufgerollt. Als einer der Geschworenen tot aufgefunden wird, gerät Maja ins Visier der Polizei und wird zur Hauptverdächtigen.
Der Amerikaner Graham Moore ist ein wandlungsfähiger Krimi- und Thriller-Autor! Nach „Der Mann, der Sherlock Holmes war“ und „Die letzten Tage der Nacht“, die begeisterten LeserInnen hinterließen, lässt er nun „Verweigerung“ folgen. Und streift dort im Revier der großen Gerichtsthriller-Autoren. Mit großem Erfolg. „Verweigerung“ weiß immer wieder zu überraschen! Graham Moore streut mehrerer Twiste ein, die auch von den Figurenzeichnungen und ihren Darstellungen erzeugt werden, da man nach und nach die Geschworenen einzeln kennen lernt, und zwar im Rückblick während der Verhandlung, und so einen völlig neuen Blick auf alles gewinnt. Mit „Verweigerung“ bekommt man gleich zwei packende Gerichts-Thriller auf einmal. Einmal den, der 2009 spielt, und bei dem man nicht weiß, ob Bobby Nock nun schuldig ist oder nicht, und einmal den in der Gegenwart, in der auch ein Mord geschieht und plötzlich Maja als Täterin verdächtigt wird. Hängt vielleicht sogar alles zusammen? Die Story bleibt bis zur letzten Seite megaspannend und überrascht dann zum Ende mit einer verblüffenden Auflösung. Genial!
Eichborn, 394 Seiten; 22,00 Euro
Eva Siegmund – Sodom – Utopia Gardens 1
Berlin in einer nahen Zukunft: Wer sich nicht scheut, gegen rigorose Gesetze zu verstoßen, kann seinen Körper mithilfe illegaler Prothesen in eine tödliche Waffe verwandeln. Diese Kriminellen werden „Cheater“ genannt. Seit ein Cheater Birols Vater ermordet hat, kennt der junge Mann nur noch ein Ziel: den „Käfig“ – das Hauptquartier der Polizei von Berlin Mitte. Als Polizist kann Birol endlich selbst Jagd auf den Mörder seines Vaters machen. Doch im „Käfig“ sind die Dinge keineswegs so, wie er es sich erhofft hat. Birols neues Team besteht aus der zum Strafdienst verurteilen Kratzbürste Raven und der schüchternen Polizeischülerin Laura, und seine älteren Kollegen sind entweder faul oder korrupt. Oder beides. Als der erste tote Cheater auftaucht, ahnen weder Birol noch Raven oder Laura, wie eng dieser Mord mit ihren eigenen dunklen Geheimnissen verknüpft ist – und mit dem Utopia Gardens. Der größte Club der Welt, in dem Nacht für Nacht die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, bildet das Zentrum eines gewaltigen Sturms, der sich über Berlin zusammenbraut.
Die Deutsche Eva Siegmund wagt einen Blick in eine düstere Zukunft, in ein düsteres Deutschland. Die Idee zu „Utopia Gardens“ ist vollauf gelungen! Die Umsetzung zeigt aber noch einiges Verbesserungspotenzial auf. Eva Siegmund verhaspelt sich im Kleinen und vergisst dabei, das große Ganze im Blick zu behalten. Zu wenig erfährt man von der düsteren Zukunft, in der der Roman spielt. Auch machen die Charaktere und deren Platz in der Geschichte keine gute Figur. Sie sind da, aber es passiert zu wenig. Ein paar Cliffhanger innerhalb der Geschichte, hätten nicht geschadet. So liest man, ist teils angetan, aber andererseits fragt man sich, wann kommt die richtig große Spannung denn nun. Und dann ist das Buch zu Ende. Mit etwas Spannung dann doch. Vielleicht wird im zweiten Teil „Gomorrha“ alles besser, der bereits am 01.03.2021 erscheint.
Knaur, 368 Seiten; 12,99 Euro
Lars Kepler – Der Spiegelmann
Eine Schülerin verschwindet auf dem Heimweg spurlos. Jahre später wird sie auf einem Spielplatz mitten in Stockholm ermordet aufgefunden. Das Mädchen wurde an einem Klettergerüst qualvoll gehängt. Eine Hinrichtung. Eine Machtdemonstration. Kommissar Joona Linna ist von der Kaltblütigkeit des Täters alarmiert und ermittelt unter Hochdruck. Das Mädchen ist wahrscheinlich nicht das einzige Opfer. Als es gelingt, einen Mann aufzuspüren, der den Mord gesehen haben muss, ist der Zeuge nicht in der Lage, darüber zu sprechen. So traumatisch sind offenbar seine Erinnerungen. Jonna Linna bittet Erik Maria Bark, den Hypnotiseur, um Hilfe … Hohes Tempo und nervenaufreibende Spannung von der ersten bis zur letzten Seite!
Der Spiegelmann war DER Jahresbestseller in Schweden 2020! Und es ist der achte Band aus der Joona-Lina-Reihe. Warum „Der Spiegelmann“ in Schweden so abgehoben ist, ist nicht schwer nachzuvollziehen. „Der Spiegelmann“ ist harter Thriller-Stoff! Er fordert einen als LeserIn psychisch und physisch. Lars Kepler, das schwedische Autorenehepaar, hat jede Menge psychologische Kniffe in die Story eingebaut, genauso wie nicht minder wenige Grausamkeiten, die den „Spiegelmann“ schon fast zum Horror-Thriller machen. Lars Kepler besitzt einen unerhört hohen Drang die Story rasant zu erzählen. Für Thriller-Liebhaber ein Paradies! „Der Spiegelmann“ wird Ihnen garantiert mehrere schlaflose Nächte bereiten!
Lübbe, 624 Seiten; 22,00 Euro
Tempelberg für die Juden, drittwichtigstes Heiligtum für die Muslime: Der Komplex aus Felsendom, Al-Aqsa-Moschee und Klagemauer ist der geheimnisvollste und umstrittenste heilige Ort der Welt. Das Buch erzählt seine 3000-jährige Geschichte und schildert, wie der Streit um Jerusalems heilige Stätten seit dem 19. Jahrhundert immer weiter eskaliert ist. Inzwischen planen jüdische Eiferer einen „dritten Tempel“, der Widerstand der Muslime wird mit Polizeigewalt unterdrückt. Der uralte Ort des Gebets wird zur Zeitbombe.
Gehört hat wohl jeder schon einmal von der Al-Aqsa-Moschee, von der Klagemauer, vom Tempelberg. Oder Berichte im TV gesehen. Zahlreiche vielleicht den Ort auch schon bereist. Aber kennen Sie die Geschichte hinter diesem geschichtsträchtigen Ort? Joseph Croitoru erzählt sie Ihnen aufspannende Weise in diesem Buch. Die Hauptthemen sind: „Der Tempelberg in den drei abrahamitischen Religionen“, „Die spätosmanische Zeit (19. und frühes 20. Jahrhundert)“, „Jerusalem unter britischer Herrschaft (1917 – 1948)“, „Die heiligen Stätten unter jordanischer Herrschaft (1948 – 1967)“, „Tempelberg und Klagemauer unter israelischer Kontrolle (ab 1967)“ und „Der heilige Felsen als Hindernis für den Frieden (seit 1993)“.
C. H. Beck, 365 Seiten; 26,95 Euro
Sören Urbansky – An den Ufern des Amur
Wo der Nordosten Chinas sibirisch wird und der Südosten Russlands zunehmend chinesisch, stehen die beiden autoritären Imperien Rücken an Rücken zueinander. Bis zum Zweiten Weltkrieg kämpften hier die Sowjetunion und Japan um die Vorherrschaft. Das Buch berichtet von prosperierenden chinesischen Metropolen und erstarrten russischen Orten auf der anderen Seite des Flusses – vor wenigen Jahrzehnten war das Gefälle noch umgekehrt. Der Autor besucht Städte wie Harbin im Nordosten Chinas, einst „Moskau des Ostens“, und Wladiwostok, das erträumte russische San Francisco, und ist zu Gast bei einfachen Menschen, die fließend Chinesisch und Russisch sprechen und ihre Soljanka mit Stäbchen schlürfen. Er kommt den Profiteuren und Verlierern der Grenze ganz nahe.
Es gibt zahlreiche Bücher über Russland und China, aber keines, dass die beiden Länder an einer ganz besonderen Grenze so beleuchtet. Das, was Sören Urbansky zu erzählen hat, gibt einen tiefen Einblicke in die Seele der Menschen und in die Herzen beider Länder. Die Hauptthemen sind: „Promenade durch das Paris Sibiriens“, „Die durstigen Chinesen vom Baikalsee“, Lenin und Lamas in Burjatien“, „Weltpolitik am mongolischen Snookertisch“, „Das Notstromaggregat am Chalch“, „Ein Kosakendorf in China“, „Der Prostituiertenfriedhof am Amur“, „Entlang der rauen Seidenstraße“, „Der Bibliothekar hinter Schwertfarn“, „Ein Einkaufsparadies an der Steppengrenze“, „Die mandschurische Bonanza“, „Im russischen Atlantis“, „Die langen Schatten von Mandschurko“, „Xis Zeitungsleser, Kims Blumenmädchen“, „Der afrikanische Enkel der Wehrbauern“, „Russische Gedächtnisschwächen“, „Ein Hektar Sumpfland geschenkt“ und „Kein russisches San Francisco“.
C. H. Beck, 375 Seiten; 26,00 Euro