







BuchKolumne 27.01.2025 Nr. 850
Carolin Otto – Berchtesgaden
Anika Decker – Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
Heinz Strunk – Zauberberg 2
Katharina Seck – Was wir nicht kommen sahen
Riley Sager – Lake – Das Haus am dunklen Ufer
Hörbuch der Woche:
Karin Smirnoff nach Stieg Larsson – Vergeltung
Carolin Otto – Berchtesgaden

Berchtesgaden, Frühjahr 1945. Die Lieblingsstadt des Führers kapituliert, die US-Amerikaner übernehmen die Regierung. Trotz ihres bescheidenen Englischs tritt die 19-jährige Sophie eine Stelle beim Military Government an, wo sie zum ersten Mal mit der ganzen Wahrheit über die deutschen Verbrechen konfrontiert wird. Sie trifft dort Menschen, die den Blick auf ihre eigene Familie verändern. Da ist ihr Chef, der jüdische Emigrant Frank Rosenzweig, der auf Nachricht überlebender Verwandter hofft, und seine Freundin, die glamouröse Kriegsreporterin Meg. Der einst zum Tode verurteilte Bürgermeister Rudolf Kriss. Und der schwarze GI Sam, in den Sophie sich verliebt. In Berchtesgaden kreuzen sich ihre Wege auf schicksalhafte Weise
Der Krieg ist vorbei! Doch was bedeutet das wirklich? Was geht in den Menschen vor, die plötzlich wieder frei sind von der NS-Herrschaft? Dem geht Carolin Otto in ihrem Roman „Berchtesgaden“ nach. Und das tut die Autorin so an einem besonderen Ort, eben nicht Berlin oder einer anderen großen Stadt, sondern im eher beschaulichen Berchtesgadener Land, dort wo Hitler und Konsorten sich ihr Refugium erschaffen hatten. Dieser „heilige“ NS-Ort hat nun seinen Glanz verloren. Die Menschen holen sich ihn wieder zurück. Und vorherigen Herrscher werden von den Amerikanern abgeurteilt. Carolin Otto lässt in diesen Geschehnissen Charaktere wandeln, bei denen die LeserInnen diese Zeit danach hautnah miterleben können. Ein Stück deutscher Geschichte – fesselnd verfasst! Ein Zitat zur Hitler-Briefmarke einer Figur ist mir sehr im Gedächtnis geblieben: „Wer nach Stalingrad einen Brief verschicken wollte, hat meist einen Hitler von hinten lecken und dafür zahlen müssen.“
Lübbe, 543 Seiten; 24,00 Euro
Anika Decker –
Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben

Nina: bald 50, geschieden, Mutter von zwei Kindern. Ihren gegenwärtigen Zu-stand beschreibt sie mit leichten Aggres-sionen, Unruhe, aufkommendem Zy-nismus und Brustspannen. Nicht, dass sie ihrem Ex-Mann die Ehe mit der blut-jungen Influencerin und „Zwillings-Mama“ missgönnen würde, ihr sind le-diglich einige Details aufgefallen, die auch jetzt noch in ihrem Kopf herum-geistern, beispielsweise ihre Anderthalb-Zimmer-Wohnung im Vergleich zur re-präsentativen Villa ihres angeblich bank-rotten Ex-Mannes. Doch dann geschieht, was Nina einfach nicht glauben möchte: Sie verliebt sich in den zwanzig Jahre jüngeren David und bringt damit ihre fragile Lebenskonstellation ordentlich ins Wanken …
Anika Decker hat mit ihrem Romandebüt „Wir von der anderen Seite“ gleich einen Bestseller gelandet. Setzt sie mit ihrem neuen Roman diesen Siegeszug fort? Alleine der Buchtitel ist ja schon die halbe Miete, aber dahinter verbirgt sich auch eine ganz besondere Geschichte. So ehrlich, so wahrhaftig, so bitter-süß, so leidenschaftlich und abstrus zugleich, aber auch dramatisch, traurig und mit einer sehr ernsten Note versehen, einfach das wahre Leben. Mit der Hautfigur Nina ist Anika Decker eine vollkommene Identifikationsfigur für viele LeserInnen gelungen. Mal klebt an ihren Lippen, wenn sie von ihrer Geschichte erzählt. Aber auch ihre Schwester Lena bekommt ihre Kapitel, und Lena ist so ganz anders als Nina. Lena will unbedingt dazugehören, zu den Berliner Vorzeigemüttern. Messerscharf und köstlich analysiert Anika Decker gewisse Gesellschaftsschichten, die Liebe und patriarchisches Verhalten!
dtv, 465 Seiten; 23,00 Euro
Heinz Strunk – Zauberberg 2
Jonas Heidbrink, ein Erfolgsmensch. Schon vor dem dreißigsten hat er sein Start-up versilbert; arbeiten muss er sein Leben lang nicht mehr. Aber es geht Heidbrink nicht gut, überhaupt nicht. Und so fährt er eines kalten Januartages los Richtung Osten, in die mecklenburgi-sche Einöde, wo inmitten von Sümpfen ein schlossartiger Bau emporragt: das Sanatorium. Alles ausgesprochen nobel, aber eben doch: Klinik, für Menschen mit dem einen oder anderen Knacks. Schnell ist Heidbrink in das Korsett von Visiten und Anwendungen eingepackt, muss er sich entscheiden, ob er im Spei-sesaal seiner Misanthropie folgen oder Anschluss finden will. Die Menschen hier, Ärzte, Schwestern, Patienten, sind ihm fremd, doch bald sind sie seine Welt. Nur scheint die Klinik wirtschaftlich nicht rundzulaufen. Ein Nebengebäude wird geschlossen, das Personal reduziert sich. Und so reiht sich ein Monat an den anderen – bis es in den Sümpfen zu ei-nem rätselhaften Unglücksfall kommt.
Man nehme einen Autor, den das Feuilleton liebt, der aber seit Jahren restlos überschätz wird, dazu eine Geschichte eines Weltbestsellers, eines Welt-Autoren, eines Thomas Mann, nenne es „Zauberberg 2“ und fertig ist der mediale Hype und natürlich der nächste Bestseller. Und nun? Bitte nach vorne beugen, Tüte zur Hand nehmen, und übergeben. Das Buch soll todtraurig und todkomisch sein. Das Einzige was es ist, ist todlangweilig und so schlecht geschrieben, dass einem schlecht wird. Eine Hommage an den Klassiker von Thomas Mann sollte es werden, es wurde aber nur ein Berg literarischer Müll!
Rowohlt, 288 Seiten; 25,00 Euro
Katharina Seck – Was wir nicht kommen sahen

An einem ganz normalen Abend verabschiedet sich die 18-jährige Ada von ihrer Familie und beendet ihr Leben durch den Sprung von einer Brücke. Ihre Eltern Jenny und Dominik bleiben fassungslos zurück. Während Dominik sich vor seiner Trauer in Arbeit flüchtet, beginnt Jenny verzweifelt nach Antworten auf die Frage nach dem Warum zu suchen. Im Internet stößt sie auf eine Spur aus digitaler Gewalt, die sich gegen Ada richtete und der auch Jenny bald nicht mehr entrinnen kann.
Das Internet kann so viel Freiheit und Informationen bieten, aber es kann auch zu einer tödlichen Psychofalle werden. Mobbing und Hass, es sind Worte, die ein Leben zerstören, und dann auch bis zum Tod führen können. Und keiner sah es kommen, daher auch der sehr gut gewählte Buchtitel. Jenny und Dominik leben ihr Leben, wie viele Eltern in Familien, vor allem wenn die Kinder älter werden, und dann ist der Tag da, als ihre Tochter plötzlich nicht mehr da ist. Getötet durch Mobbing und Hass im Internet. Durch den Hass auf Frauen im Netz. Dabei hört man die Stimmen von Ada, und wie es dazu kam, von Jenny, die auf der Suche nach der Wahrheit ist, und von der Anonymität, die einfach nur einen Menschen vernichten will. Ganz frei von Unschuld ist niemand, attestiert Ada: es ist wie eine Droge, immer mehr Likes, mehr Klicks und mehr Follower zu bekommen. Eine Geschichte, die mich aufgewühlt hat, die bei mir hat Tränen fließen lassen, die durch meinen Körper einen Stromschlag, wie durch einen Teaser verursacht, hindurchjagte! Ein Buch, das aufrütteln sollte!
Lübbe, 368 Seiten; 22,00 Euro
Riley Sager – Lake – Das Haus am dunklen Ufer
Schauspielerin Casey Fletcher hat einen schweren Verlust erlitten, außerdem ist ihre Karriere am Nullpunkt. Um wieder auf die Füße zu kommen, zieht sie sich in ihr Haus am Lake Greene in Vermont zurück. Hier gibt es nichts als Natur, Ru-he und Stille. Das ist nicht leicht auszu-halten, deshalb greift sie immer häufiger zum Bourbon – und zu einem Fernglas. Damit beobachtet sie nicht etwa Vögel, sondern das Paar auf der gegenüberlie-genden Seeseite. Katherine und Tom scheinen eine perfekte Ehe zu führen, doch schon bald bemerkt Casey, dass die Fassade bröckelt. Als Katherine kurz darauf spurlos verschwindet, ist Casey alarmiert und bald überzeugt, dass Tom seiner Frau etwas angetan hat.
Riley Sager ist einer der Top-Thriller-Autoren, wenn man auf das Unvorher-sehbare und unartig gut Twists steht! Nach zuletzt „Home“ und „Hope’s End“ lässt er nun „Lake“ folgen. Ein gemütli-cher Platz am See, ein Haus, die Ruhe, perfekt um zu entspannen. Nicht mit Riley Sager. Der Autor strapaziert Ihre Nerven bis aufs äußerste, weil er einen Spannungshöhepunkt nach dem ande-ren folgen lässt. Dabei baut er die Story langsam, ja fast gemütlich auf. Er lässt aber schon tief in die Psyche der Figuren blicken. Vor allem natürlich Case steht dabei im Mittelpunkt. Riley Sager ver-neigt sich mit diesem Buch vor dem Hit-chcock-Klassiker „Das Fenster zum Hof“. Ein Thriller, der Ihnen KEINE ruhi-ge Zeit garantiert!
dtv, 416 Seiten; 13,00 Euro
Das Kurz-und-Knapp-Trio
Phillip B. Williams
Ours – Die Stadt
Ours, eine Stadt nördlich von St. Louis in den 1830er Jahren. Ours, ein Zufluchtsort für die ehemals Versklavten, die Geretteten, die Verlorenen. „Ours – Die Stadt“ ist ein magischer Roman. 700 Seiten literarische Urgewalt!
S. Fischer, 700 Seiten,
28,00 Euro
Jan Haft
Unsere Wälder
Bestseller-Autor Jan Haft gewährt den LeserInnen einen anderen Blick auf unsere Wälder. Die Wälder, die so wichtig für uns Menschen, die Tiere und die Pflanzen sind. Also für unseren Planeten, für unser Überleben.
Penguin, 255 Seiten,
24,00 Euro
Olivie Blake
Für immer dein Feind
Die Star-Autorin Olivie Blake versetzt den Klassiker „Romeo & Julia“ in ein neues Zeitalter! Fantasy, Romance, Hexen, Mafia – fertig ist „Für immer dein Feind“. Sie werden dieses Buch lieben!
TOR, 464 Seiten,
25,00 Euro