Kolumne vom 03.02.2020 – Nr.598
Peter Henning
Die Tüchtigen
Die erfolgreiche Unterhaltungsschriftstellerin Katharina Weskott wird fünfzig und sieht das mit gemischten Gefühlen. Wird sich ihr Leben, ihre Selbstwahrnehmung durch diesen Einschnitt verändern? Wie werden andere sie sehen? Um Abstand zu bekommen und gebührend zu feiern, lädt sie gemeinsam mit ihrem Mann drei befreundete Paare für ein Wochenende in ein Luxushotel im niederländischen Zandvoort ein. Die Geschichten von acht Menschen, die jeder für sich am Scheideweg angelangt sind, getrieben von der Frage: Was ist noch möglich? Können sie noch einmal durchstarten? Oder droht der gesellschaftliche Abstieg? Acht Menschen, deren Leben sich innerhalb von 72 Stunden für immer verändern wird.
Peter Henning ist mit „Die Tüchtigen“ ein kleines Meisterwerk gelungen! Er betrachtet das Leben von Paaren in den mittleren Jahren, und wie ihre Beziehungen sich über die Zeit aufgerieben haben, und zugleich zeigt er an den Figuren, wie sich die Gesellschaft gewandelt und das Leben sich schnell verändert hat. Doch vor allem geht er auf das Innenleben der Paare ein. Eine Beziehung, eine Ehe, eine Großbaustelle. Alle acht Charaktere hadern unterm Strich mit ihrem Partner, mal mehr, mal weniger. Bei Peter Hennings Paarbetrachtung ist eine Beziehung auf längere Sicht nicht erstrebenswert, was ja auch leider zum Großteil die Realität abbildet. Der Satz im Buch trifft es ganz gut: „Männer und Frauen lagen im Krieg miteinander“. Am Ende bleibt bei den meisten Figuren fast nur noch Verachtung für den anderen übrig. Aber auch Freundschaften werden intensiv thematisiert. Und auch hier ist es nicht viel besser. Zu unterschiedliche Ansichten über das Leben und wie man es lebt, lassen keine Freundschaften auf Dauer zu. Am Ende ist man froh, wenn man alleine ist. Peter Henning rollt einen Teppich an Gefühlen und Emotionen aus. Ihm gelingt es, den vier Paaren immer ein eigenes Gesicht zu geben. Bei acht handelnden Personen, die eine ähnliche Konstellation aufweisen, kein ganz leichtes Unterfangen. Er meistert es beachtenswert. Peter Hennings Erzählstil lässt keine Zeit für Langeweile. Schnell wechselt er von einem Paar zum nächsten, hält die Spannung und die Geschwindigkeit hoch. „Die Tüchtigen“ gehört zu den besten Romanen aus dem Jahr 2019!
Luchterhand, 672 Seiten; 24,00 Euro
Shannon Dulap
We Will Fall
Die sechzehnjährige Izzy ist nicht gerade begeistert, als sie mit ihren Eltern von Manhattan nach Brooklyn ziehen muss. Wie soll sie hier Freunde finden? Alle Leute in ihrem Alter sind mit ihren Machtspielchen beschäftigt, in ihrer Hackordnung gibt es keinen Platz für Neue. Doch dann begegnet Izzy Tristan, dessen Cousin Marcus der Boss im Block ist. Izzy und Tristan verlieben sich auf den ersten Blick ineinander. Niemand ahnt, dass die beiden sich heimlich treffen, schon gar nicht Tristans Cousin. Doch als Marcus ausgerechnet Izzy als seine neue Freundin herauspickt, nimmt die Tragödie ihren Lauf.
Von Verlag wurde dieses Buch ganz groß angekündigt. Als ein neues „Romeo und Julia“ oder auch ein „Tristan und Isolde 2.0“. Izzy und Tristan sollten in eine Reihe mit ihnen treten. Doch weit gefehlt. Ganz, ganz weit! „We Will Fall“ ist eine Liebesgeschichte die durchaus berührt und mitreißend ist, aber nur an wenigen Stellen des Buches. Die Story fängt schon mal sehr träge und ermüdend an. Von Anfang an will kein Feuer aufkommen, doch das wäre bei dieser Art von Geschichte so wichtig. Aber mich konnte weder die Geschichte, auch oder vor allem, weil sie an den Klassiker angelehnt ist, noch Izzy und Tristan groß begeistern. „We Will Fall“ – mehr Schein als Sein!
Sauerländer, 364 Seiten; 17,00 Euro
Michael J. Sullivan
Göttertod
Die Zeit der Rache ist gekommen: Ausgestattet mit den mächtigen Waffen vom Volk der Dherg und angeführt von ihrem Helden, dem Göttertöter Raithe, gehen die Clans der Menschen zum Angriff über. Tatsächlich gelingt ihnen ein überraschender Sieg gegen ihre falschen Götter, die Fhrey – bis diese mit all ihrer magischen Macht zum vernichtenden Gegenschlag ausholen. In der Stunde der größten Not werden alte Abmachungen infrage gestellt und neue Bündnisse geschmiedet, und die Seherin Suri greift zu einer verzweifelten Maßnahme. Denn wenn alle Hoffnung verloren ist, werden neue Helden geboren. Doch zu welch furchtbarem Preis?
Michael J. Sullivan gehört zu den besten klassischen Fantasyautoren unserer Zeit! Seine Bücher sind Schätze des Genres. Seit einiger Zeit ist er mit einer neuen Reihe am Start. „The First Empire“ lässt das Fantasyherz höherschlagen! Michael J. Sullivan liefert die großen Motive, die man von solch einer epischen Saga erwartet. Nach „Rebellion“, „Zeitenfeuer“ ist nun „Göttertod“ erschienen. Auch der dritte Band lässt einen wieder durchweg mitfiebern. Michael J. Sullivan entwickelt die große Geschichte weiter, ebenso wie die vielen kleinen, auch lässt er seine Charaktere Entwicklungen durchlaufen und verliert dabei nie die Spannung aus den Augen.
Knaur, 510 Seiten; 10,99 Euro
Ken Krimstein
Die drei Leben der Hannah Arendt
Hannah Arendt: streitbare Jahrhundertdenkerin, zu früh, zu wütend, auf so einschüchternde Weise klug, zu jüdisch, nicht jüdisch genug. 1933 floh sie aus Nazi-Deutschland ins Exil, über Tschechien, Italien und die Schweiz zunächst nach Paris. Später dann in die USA. Von dort aus avancierte sie zu einer der großen Ikonen unserer Zeit.
Wow, was für eine coole Idee und was für ein cooles Buch! Wenn man betracht, dass es sich um ein Graphic Novel handelt. Zu einer beeindruckenden Persönlichkeit mit einem spannenden Leben in einer extrem bedrückenden Zeit. Da ist es dann natürlich vorbei mit der Coolness. Das Ken Krimstein aus solch einer Geschichte ein Graphic Novel macht, sehr beachtens- und lesenswert! Das Leben der Hannah Arendt begreift man nach der Lektüre auf eine ganz andere Art.
dtv, 243 Seiten; 16,90 Euro
Alex Rogers
Das große tiefe Blau
Die Ozeane bilden den größten Teil unseres Planeten, mit Bergen, höher als die höchsten Gipfel an Land, und Schluchten, die tiefer sind als der Mount Everest hoch ist. Doch nur ein Bruchteil dieser gewaltigen Welt unter Wasser ist erforscht. Der Autor hat auf zahllosen Expeditionen in die Tiefsee wundersame unbekannte Lebewesen am Grund des Pazifiks untersucht, Korallenriffe im Nordantlantik entdeckt und nachgewiesen, dass es entgegen bisheriger Annahmen auch in 6.000 Metern Tiefe vielfältiges Leben gibt.
Die Ozeane sind für den Menschen von so ungeheurer Wichtigkeit! Auf politischer Ebene hat man das weltweit aber immer noch nicht richtig begriffen. Alex Rogers, einer der international führenden Meeresforscher, holt das Verborgene ans helle Licht und in dieses Buch. „Das große tiefe Blau“ ist ein Buch in das man sich total vertieft und erst wiederauftaucht, wenn man Alex Rogers‘ großes Abenteuer Ozean beendet hat! Die Hauptthemen sind u. a.: „Heiße Quellen der Tiefsee“, „Der Schutz der Tiefseegärten“, „Begegnung mit dem Riff“, „Plastik und andere Umweltgifte“, „Der sich wandelnde Ozean“ und „Plädoyer für Hoffnung“.
dtv, 351 Seiten; 22,00 Euro
Hörbuch der Woche
Helena Marchmont
Vorhang auf für einen Mord – Bunburry 1
Willkommen in Bunburry! Selfmade-Millionär Alfie McAlister hat in dem malerischen Städtchen in den Cotswolds ein Cottage geerbt. Das kommt wie gerufen, will er London nach einer schlimmen persönlichen Tragödie doch so schnell wie möglich verlassen, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber von Ruhe und Abgeschiedenheit keine Spur: Kaum in Bunburry angekommen, steckt Alfie schon mitten in einem Mordfall. Denn Liz und Marge, zwei alte Ladys und die besten Freundinnen seiner verstorbenen Tante Augusta, verpflichten ihn kurzerhand dazu, sich mit ihnen auf die Suche nach dem Täter zu machen. Doch dann gibt es einen zweiten Toten und die drei Amateur-Detektive müssen all ihre Schauspielkünste aufbieten, um den wahren Mörder zu entlarven.
Helena Marchmont ist das Pseudonym der preisgekrönten schottischen Autorin Olga Wojtas. „Bunburry – Ein Idyll zum Sterben“ ist eine extrem charmante Krimireihe! Und Selfmade-Millionär Alfie McAlister ein äußerst sympathischer Zeitgenosse. Mit ihm das Landleben zu entdecken und auf Verbrecherjagd zu gehen macht großen Spaß! Schon in der ersten Folge „Vorhang auf für einen Mord“ bekommt man alles geboten, was die Reihe ausmacht. Ebenfalls bereits erschienen sind: „Oldtimer sterben jung“, „Schlechter Geschmack ist tödlich“ und „Tod eines Charmeurs“. Der vielseitige Hörbuchsprecher Uve Teschner gibt auch Alfie & Co. eine unverwechselbare Stimme! Er unterstreicht mit seiner Stimme den Charme der Krimireihe. Hörprobe 10:00 Min.
Lübbe Audio, 1 MP3 CD, 226 Minuten; 2,99 Euro
Denglers-buchkritik.de