September 14, 2024

Kolumne 29.07.2024 Nr. 832

      BuchKolumne 29.07.2024 Nr. 832

Jay Kristoff – Das Reich der Verdammten
Daphne Palasi Andreades – Brown Girls
Michael Crichton / James Patterson – Eruption
James Baldwin – Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort
David Goldblatt – Künstliche Beziehungen

Hörbuch der Woche:

Iny Lorentz – Zwischen Liebe und Verrat

 Jay Kristoff – Das Reich der Verdammten

Nachdem Gabriel de León den Orden der Silberwächter verlassen hat, begibt er sich zusammen mit seiner mysteriösen Verbündeten Liathe auf die Suche nach dem Ursprung der Vampirherrschaft: Er soll den Gral zu einem Weisen des uralten Volks der Esani bringen, um zu erfahren, wann der Fluch begann – und wie er sich beenden lässt. Doch verfolgt von den Kindern des Ewigen Königs und der Heiligen Inquisition, ist kein Schritt gefahrlos, denn Verrat lauert hinter jeder Ecke. Und dass Gabriel und seine Gefährten in einen Krieg hineingezogen werden, der seit Jahrhunderten in der Dunkelheit ausgefochten wird, verbessert ihre Erfolgsaussichten auch nicht gerade.

Das schrieb ich damals über den ersten Band „A Tale of Blood and Darkness“: „Wow! Wow! Wow! „Das Reich der Vampire“ ist eine Saga, die einen süchtig, süchtig, und ja, süchtig macht! Eine Saga, die große fantastische Vorbilder für sich vereinnahmt. „Das Reich der Vampire“ ist eine bombastische Mischung aus „Interview mit einem Vampir“, „The Walking Dead“ und „Games of Thrones“!“ Und ja, es geht im zweiten Band „A Tale of Pain and Hope“ genau so weiter. Ein großes, ein mächtiges, ein unglaublich faszinierendes und düsteres literarisches Fantasy-Gemälde! Was Jay Kristoff hier über 1.000 Seiten zwischen zwei Buchdeckel gepresst hat, ist eine Welt, in einem Ton, die ihresgleichen sucht. Die Charaktere, ob gut oder böse, sind alle so bestechend und plastisch dargestellt, dass einem schwindelig wird beim Erforschen ebendieser. Eine packende Sequenz folgt der nächsten in diesem Epos. Seien Sie gewarnt, liebe LeserInnen, Sie werden sich in diese Düsternis verlieben! „Das Reich der Verdammten“ ist mehr als ein Buch. Durch die vielen Illustrationen, die über die 1.000 Seiten verteilt sind, bekommt man noch einmal einen ganz anderen Blick auf diese Welt und ihre Figuren.

TOR, 1.005 Seiten; 24,00 Euro

Daphne Palasi Andreades – Brown Girls

Queens, New York. Hier kämpft eine Gruppe von Mädchen darum, die Migrationsgeschichten ihrer Familie mit der amerikanischen Kultur in Einklang zu bringen. Rastlos durchstreifen sie die Stadt, die niemals schläft, singen aus voller Kehle Mariah Carey, sehnen sich nach Jungs, die unerreichbar sind, und brechen den erreichbaren die Herzen. Eins ist für sie klar: Sie wollen für immer Freundinnen bleiben. Doch das Älterwerden macht auch vor ihnen keinen Halt und all die neuen Wünsche und Träume stellen die Freundschaft vor ungeahnte Herausforderungen.

Die junge US-Autorin Daphne Palasi Andreades feiert mit „Brown Girls“ ihr literarisches Debüt. Gelobt u. a. von der „New York Times“. Und auch ich möchte zuerst mit meinem Lob für diesen kleinen Roman anfangen. „Brown Girls“ hat einen frischen und modernen literarischen Sound! Manche Sätze lesen sich wie Songzeilen, die man immer wieder hören möchte. Auch das Thema, den „Brown Girls“ eine starke literarische Stimme zu geben, ist toll. Doch als Ganzes wirkt der Roman doch sehr unfertig. Ein Debüt, an dem man hätte noch viel arbeiten müssen, bevor man es veröffentlicht. Der Roman ist eigentlich gar kein Roman, sondern eher eine Sammlung von gut 100 Kurzgeschichten, die natürlich eine Handlung beinhalten, aber jedes Kapitel besteht meist nur aus zwei, drei Seiten. So kommt, außer den Sound-Sätzen, kaum richtiger Lesefluss auf. Auch bleiben einem die eigentlich gut angelegten Charaktere sehr fremd. Was hätte z. B. eine Jodie Picoult aus solch einer Grundstory gemacht. Einen Bestseller, den man immer wieder lesen möchte. Bei diesem Buch ist das anders. Man möchte einzelne Sätze oder Kapiteln gerne mehrmals lesen, aber nicht das ganze Buch.

Luchterhand, 240 Seiten; 20,00 Euro

 Michael Crichton / James Patterson – Eruption

John MacGregor, wagemutiger Wissenschaftler des Hawaiian Volcano Observatory und passionierter Surfer, steht vor der schwersten Aufgabe seiner Karriere. Der Mauna Loa, der größte aktive Vulkan der Erde, wird in nur wenigen Tagen ausbrechen. Doch unterhalb des Vulkans lauert ein von der Army streng gehütetes Geheimnis, das jedes Leben auf dem Planeten zu vernichten droht, sollte die Lava es freisetzen. Zusammen mit der unerschrockenen Vulkanologin Jenny Kimura und einem Team aus Experten kämpft Mac gegen die Naturkatastrophe und darum, alles zu retten, was er liebt: das Inselparadies, dessen Menschen und nicht zuletzt die gesamte Welt.

Michael Crichton (1942 – 2008) ist sicher einer der populärsten und wichtigsten Roman-Autoren der letzten 50 Jahre! Sein „Jurassic Park“ veränderte die Buchwelt und das Kino. Sein neuer Roman „Eruption“ zeigt wieder die Stärken dieses Ausnahmeautors, auch wenn er schon lange verstorben ist. Wenn man solch einen Ausnahmeautor hat, und ein nicht fertiges Manuskript, braucht es auch einen ganz Großen, um dieses zu Ende zu bringen. James Patterson ist in einer Reihe mit Michael Crichton, und daher genau der richtige Autor, um dieses Buch zu einem fulminanten Ende zu bringen. Wo ich wieder zum Kino komme, denn so liest sich „Eruption“. Würde „2012“-Regisseur-Legende Roland Emmerich noch einen seiner unvergleichlichen Katastrophen-Blockbuster drehen, würde „Eruption“ wohl ganz oben auf seiner Liste stehen! Der Aufbau der Story ist so, wie man es von einem Michael Crichton kennt, die schriftstellerische Umsetzung, wie man es von einem James Patterson kennt. Schnell und rasant erzählte Kapitel. Da bleibt kein Stein oder kein Lavatropfen auf dem anderen. Die Eruption ist aber nur ein Teil der Geschichte, die andere ist die, die durch Corona in unser aller Blickfeld gerückt wurde. Mehr sei nicht verraten. Vielleicht noch so viel: eine Stubenfliege hat die Macht, die ganze Menschheit auszurotten. Daher ist dieser Katastrophen-Thriller auch gleichzeitig ein Appell an die Menschheit: alles hängt mit allem zusammen auf unserem wunderbaren Planeten. Beginnt man an einem Ende etwas zu zerstören, wird am ganz großen Ende die ganze Welt zerstört werden.

Goldmann, 492 Seiten; 25,00 Euro

James Baldwin – Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort

Von den Straßen Harlems auf die Bühnen der Nation: Leo Proudhammer steigt zu einem der größten schwarzen Schauspieler seiner Zeit auf. Als ihn mitten während einer Vorstellung ein Herzinfarkt trifft, unterzieht er sein Leben einer Inventur. Von der Kindheit im Harlem der 1940er Jahre über die Jahre der brotlosen Kunst bis hin zum Durchbruch auf der Bühne. In einer Welt der Unterdrückung und Zwänge ist es immer wieder die Liebe, die ihm Halt gibt, über alle Schranken hinweg: zum älteren Bruder Caleb, der unschuldig ins Gefängnis geht. Zur weißen Schauspielerin Barbara King, zart schwebend und kompliziert, oder zum zornigen, stolzen Black Christopher.

James Baldwin lesen ist immer ein literarisches Erlebnis! dtv gibt nach und nach seine Werke in einer schönen neuen Edition heraus. Nun ist der vierte Roman „Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort“ (1968 erstmals in den USA erschien) von James Baldwin (1924 – 1987) dran.. Ein Roman der atmet, eine Geschichte, die das schwarze Amerika in seiner reinsten Form zeigt! Eine Künstlergeschichte und zugleich eine ganz universelle. Was ist wichtig im Leben: der Ruhm oder das normale Leben und die Liebe? Was gibt einem am Ende mehr? Denn jeder von uns hat nur ein Leben, und das sollte man, wenn möglich, glücklich gestalten. Doch was ist der Weg zum Glück? Ist es der Ruhm? Oder ist dieser der Untergang? James Baldwin hat mit diesem Roman ein literarisches Schwergewicht verfasst!

dtv, 669 Seiten; 28,00 Euro



Ebenfalls neu erschienen „Kein Name bleibt ihm weit und breit“. Sein ganz persönliches Buch über sich als Schriftsteller und Aktivist, über die 1960er und 1970er Jahre.

dtv, 272 Seiten, 22,00 Euro.

 Nathan Devers – Künstliche Beziehungen

Gedankenlos klickt Julien Libérat auf einen Link im Netz und lässt den Liebeskummer und sein erbärmliches Vorortzimmer hinter sich. Berauscht von den Möglichkeiten der KI, stürzt er sich in die fabelhafte „Antiwelt“, wo er sich unter dem Namen Vangel neu erfindet und mit seinem Boxergesicht ein stürmisches Leben führt. Adrien Sterner ist der Entwickler dieses Metaversums, er duldet keine anderen Götter neben sich. Als Vangel zum Superstar wird, sieht er sich zunehmend bedroht und muss handeln.

Der junge Franzose Nathan Devers wagt mit seinem Roman „Künstliche Beziehungen“ eine Symbiose aus Literatur und künstlich erschaffenen Welten herzustellen. Eine Symbiose, die gelungen ist! In einer klaren und frischen Sprache treibt Nathan Devers seine Geschichte voran. Die reale Welt geht in die künstlich erschaffene über um am Ende, oder am Anfang, wieder im realen Absturz zu landen. „Künstliche Beziehungen“ ist moderne Literatur in KI-Qualität!

S. Fischer, 333 Seiten; 26,00 Euro