BuchKolumne 15.02.2021 Nr. 652
Mary Adkins – Das Privileg
Karl Ove Knausgard – Aus der Welt
Stephan Ludwig – Zorn – Zahltag
Matt Haig – Die Mitternachtsbibliothek
Daniel Holbe / Ben Tomasson – Blutreigen
Mary Adkins – Das Privileg
Auf dem Campus einer Südstaaten-Universität kreuzen sich die Lebenswege dreier Frauen. Die schüchterne Annie stammt aus einer Kleinstadt und blüht an der renommierten Carter University auf. Bea studiert Jura und hat als Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters früh gelernt, dass Recht nicht unbedingt Gerechtigkeit bedeutet. Stayja arbeitet als Kellnerin im Campus-Café. Seit ihre Mutter erkrankt ist, reicht das Geld kaum, um die Miete zu bezahlen. Ihre Schicksale verbinden sich auf unerwartete Weise durch die Begegnung mit dem wohlhabenden Studenten Tyler Brand. Tyler, der bei Stayja täglich so charmant seinen Kaffee kauft; der Annie auf einer Party sexuell genötigt haben soll; und von Bea juristisch beraten wird.
Die Amerikanerin Mary Adkins hat mit ihrem Debütroman „Wenn du das hier liest“ bereits eine größere Leserschaft begeistern können. Nun folgt mit „Das Privileg“ ihr zweiter Roman. Und er ist noch viel besser als ihr Debütroman. „Das Privileg“ ist ein moderner Campus-Roman, der auf eindringliche Art die Geschichte drei junger Frau verbindet und das Thema von sexueller Nötigung nicht reißerisch, sondern mit Sinn und Verstand einfließen lässt. Mary Adkins stellt langsam Annie, Bea und Stayja vor. Man bekommt einen Einblick in das Leben und Denken der drei jungen Frauen, bevor es dann zu dem „Vorfall“ kommt, der das Leben und auch das Denken von allen drei für immer verändern wird. Während der Lektüre stellt man sich selbst immer wieder Fragen, glaubt man dieser Seite oder der anderen, was ist richtig und was falsch, welche Handlung darf sein, welche nicht, wie reagiert das Umfeld, die Gesellschaft auf das Geschehene. „Das Privileg“ ist eine ungeheure intensive Geschichte, die mich bis zur letzten Seite stark beschäftigt hat!
Kindler, 429 Seiten; 20,00 Euro
Karl Ove Knausgard – Aus der Welt
Hoch oben im Norden Norwegens spielt diese Geschichte, kurz vor der Jahrtausendwende. Der junge Henrik Vankel arbeitet hier als Aushilfslehrer. Selbsthass, Einsamkeit und Schamgefühle bestimmen sein Leben. Schon lange ist er aus der Welt gefallen, schon lange versteht er die Zeichen seiner Mitmenschen nicht mehr – schon lange verschwimmen ihm Traum und Realität. Bis ihm eines Tages klar wird, dass er sich verliebt hat. In eine seiner Schülerinnen. Eine eigentlich unmögliche Liebesgeschichte. Ist dies wirklich die Rettung – oder der Auftakt zum endgültigen Zusammenbruch?
Der Norweger Karl Ove Knausgård ist eine literarische Naturgewalt! Sein autobiographisches Projekt mit den Büchern „Sterben“, „Lieben“, „Spielen“, „Leben“ und „Träumen“ hat zu Begeisterungsstürmen hingerissen. Nun erscheint mit „Aus der Welt“ das gefeierte Romandebüt von Karl Ove Knausgård aus dem Jahr 1998 endlich auf Deutsch. Ich war sehr gespannt darauf! Der Verlag schreibt: „Es ist das sprachmächtige Debüt eines jungen Schriftstellers, eine erbarmungslose Erkundung des männlichen Egos und der Selbstzerstörung, aber auch eine literarische Feier von überbordender Phantasie.“ Dem kann ich mich nicht anschließen. So gerne ich das tun würde. Die Geschichte hört sich vielversprechend an, aber Karl Ove Knausgård Sprachgewalt ist hier eher ein Gewaltakt am Leser, denn der Norweger schreibt Sätze, Absätze, Seiten lang so viel Unbedeutendes und Unwichtiges, was so wirklich gar nichts zum Fortgang der Geschichte beiträgt, das dies wahrlich aus der Welt ist. Über 900 Seiten dauert die Geschichte an, 500 Seiten hätten bei weitem ausgereicht um eine wirklich gute Geschichte zu erzählen. So ist es nur ein Versuch eines damals jungen und unbekannten Schriftstellers.
Luchterhand, 926 Seiten; 26,00 Euro
Stephan Ludwig – Zorn – Zahltag
Hauptkommissar Claudius Zorn und seine Freundin, Oberstaatsanwältin Frieda Borck, sind zusammengezogen. Trautes Heim, Glück allein. Doch ein heikler Fall verlangt Frieda vor Gericht alles ab. Und auch Zorn und Schröder werden ins Landgericht gerufen, zur Leiche einer Frau, die seit drei Tagen in einer Toilettenkabine lag. Wie konnte ihr Tod so lange unbemerkt bleiben? In einem öffentlichen Gebäude? Noch dazu, da die Frau eine wichtige Zeugin in Friedas Prozess war? Als sich die Anzeichen häufen, dass es sich entgegen der ersten Annahme nicht um eine natürliche Todesursache handelt, werden Zorn und Schröder hellhörig. Und schon folgen die nächsten Leichen.
Die Kult-Kommissare Zorn & Schröder feiern mit „Zorn – Zahltag“ ihr zehntes Jubiläum! Der 10. Fall der beiden Kommissare hat dann auch einiges zu bieten. Von Anfang an sehr undurchsichtig und daher umso spannender. Erst ganz langsam lichtete sich der Nebel und offenbart die wahren Hintergründe. Und bei diesem kommt man als LeserIn doch in einen Gewissenskonflikt. Der Humor fehlt natürlich auch nicht, denn Zorn ist mit seiner Unlust zur Arbeit soundso einer der Ausnahmekommissare in der deutschen Krimi-Literatur! Und die Dialoge zwischen Zorn und Schröder sind wieder großes Kabarett. Auch die privaten Geschichten von Zorn und Frieda machen gute Leselaune. Einen Zorn-Thriller zu lesen ist ein hoch spannender und höchst unterhaltsamer Lesegenuss!
Fischer, 384 Seiten; 10,99 Euro
Stell dir vor, auf dem Weg ins Jenseits gäbe es eine riesige Bibliothek, gesäumt mit all den Leben, die du hättest führen können. Buch für Buch gefüllt mit den Wegen, die deiner hätten sein können.
Hier findet sich Nora Seed wieder, nachdem sie aus lauter Verzweiflung beschlossen hat, sich das Leben zu nehmen. An diesem Ort, an dem die Uhrzeiger immer auf Mitternacht stehen, eröffnet sich für Nora plötzlich die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch in der Mitternachtsbibliothek bringt sie in ein anderes Leben, in eine andere Welt, in der sie sich zurechtfinden muss. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?
Der Engländer Matt Haig ist ein Autor mit einem besonderen Händchen für zauberhafte Geschichten! Und das stellt er auch in seinem neuen Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ unter Beweis. Oh, welch wunderbare Geschichte „Die Mitternachtsbibliothek“ doch ist! Man findet sich in Noras „Leben“ wieder und denkt dabei auch oft an das eigene, und welchen Weg es eingeschlagen hätte, wenn man anders abgebogen wäre. Doch ist man selbst glücklich mit dem Leben das man führt, mit umso strahlenderen Augen kann man dieses Buch lesen und Noras Wege mitgehen.
Droemer, 318 Seiten; 20,00 Euro
Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Es liest die bekannte Schauspielerin Annette Frier. Und Frier macht Freude beim Hören! Annette Frier liest mit Begeisterung, das spring auf die HörerInnen über. 19,95 Euro.
Matt Haig – Die Mitternachtsbibliothek – Hörprobe 3:00 Min.
Daniel Holbe / Ben Tomasson – Blutreigen
Mord auf dem Bad Vilbeler Markt. Die Vorbereitungen für das alljährliche Volksfest laufen auf Hochtouren. Da trifft bei der Polizei eine Nachricht mit einer Drohung ein: Auf dem Volksfest soll ein Attentat auf die Ordnungshüter verübt werden. Sofort werden alle Kräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt, das LKA wird angefordert, darunter Sabine Kaufmann, und zur Verstärkung muss auch Ralph Angersbach anrücken. Sabine und Ralph versuchen mit ihren Kollegen das Schreckliche zu verhindern. Zunächst scheint nahe zu liegen, dass die Drohung mit den Ermittlungen zusammenhängt, die gerade in Bad Vilbel durchgeführt werden und bei denen es um den Verdacht der Bestechung und Korruption bei der Vergabe der Lizenzen für die Schausteller geht. Doch dann führen die Spuren plötzlich in eine ganz andere Richtung.
„Blutreigen“ ist nach „Giftspur“, „Schwarzer Mann“, „Sühnekreuz“ und „Totengericht der fünfte Fall für das Team Sabine Kaufmann und Ralph Angersbach. Daniel Holbe mit Ben Tomasson zeigen auch in ihrem fünften Buch, das es das Ermittlerteam noch immer drauf hat. „Blutreigen“ ist flott erzählt und geizt nicht mit Spannungsmomenten. Ein Kriminalroman, wie er sein muss!
Knaur, 380 Seiten; 9,99 Euro