November 21, 2024

Kolumne 09.09.2024 Nr. 838

 

      BuchKolumne 09.09.2024 Nr. 838

Max Bentow – Eulenschrei
Adeline Diedonné – Bleib
Abby Jimenez – Part of Your World
Yaroslav Hrytsak – Ukraine – Biographie einer bedrängten Nation
Steve Ayan – Seelenzauber – Das Jahrhundert der Psychologie

      Hörbuch der Woche

Arne Strobel – Stalker

  Max Bentow – Eulenschrei

Eine Frau, ermordet in einem Baumhaus. Ein männliches Opfer, getötet in seinem Auto. Eine Schauspielerin, tot aufgefunden in ihrer Badewanne. Profilerin Carlotta Weiss und Kommissar Nils Trojan tappen im Dunklen: was ist die Beziehung zwischen diesen Menschen, die einem scheinbar wahllos wütenden Mörder zum Opfer gefallen sind? Einen ersten Hinweis erhalten sie, als auch noch der Maler Robert Lumen gewaltsam ums Leben kommt: auf dem Speicher seines Hauses ist das Bildnis einer mysteriösen jungen Frau mit einer Eule versteckt. Ist sie das Bindeglied zwischen den Opfern? Als Carlotta sich wie die Porträtierte kleidet und ein zwielichtiges Etablissement aufsucht, das Lumen und die Frau möglicherweise verbunden hat, kommt sie dem Täter gefährlich nahe.

Wollen Sie im Psychothriller in der 1. Klasse fahren? Dann lesen Sie die Bücher von Max Bentow! Hier bekommen Sie besten Psychothriller-Komfort geboten und rasen durch die Seiten, die vor Spannung nur so vibrieren. Nach dem zuletzt spektakulären „Engelsmädchen“ (der 11. Fall für Nils Trojan) geht es genau so weiter mit „Eulenschrei“. Diesmal gibt es zwei Hauptfiguren als Ermittler. Neben Nils Trojan hat auch ganz offiziell Carlotta Weiss ihren ersten Einsatz. Es gibt Morde über Morde. Abgetrennte Körperteile und reichlich Süßes! Max Bentow baut die Spannung Bissen um Bissen auf. Der Bissen vom Lebkuchenmann. Liebe LeserInnen, seien Sie gewarnt! Zu viel Süßes kann den Tod bedeuten. Das Team um Profilerin Carlotta Weiss und Kommissar Nils Trojan verspricht doppelte Spannung und doppelte Psychothriller-Power!

Goldmann, 492 Seiten; 18,00 Euro

    Adeline Diedonné – Bleib

Eine Frau und ihr Geliebter verbringen das Wochenende in einem Chalet in den französischen Alpen. Doch mit einem Mal ist er tot. Außer sich vor Schmerz bleibt die Erzählerin mit seinem Körper zurück. In den Tagen, die folgen, weicht sie ihm nicht von der Seite. Schläft bei ihm, spricht mit ihm, fährt mit ihm auf dem Rücksitz durch die Berge. Und sie beginnt, seiner Ehefrau zu schreiben. In den Briefen erzählt sie die Geschichte einer großen Liebe – und die Geschichte einer Frau, die lernt, selbstbestimmt zu leben.

Adeline Dieudonné, 1982 in Brüssel geboren und in Frankreich als Autorin gefeiert, konnte gleich mit ihrem Debütroman „Das wirkliche Leben“ einen internationalen Bestseller landen. Auch ich war begeistert! Nun folgt ihr dritter Roman (ihr viertes Buch) „Bleib“. Und nun muss ich noch einmal aus meinen vorherigen Rezensionen zu der Autorin und ihren Büchern zitieren: „Doch wie bei zahlreichen gehypten jungen AutorInnen scheint auch Adeline Dieudonné eine literarische Eintagsfliege gewesen zu sein. Schon ihr zweites Buch „Bonobo Moussaka“ war eine große Enttäuschung! Beim zweiten Roman „23 Uhr 12“ erkannte man, dass das wirkliche Autorenleben Adeline Dieudonné schneller eingeholt hat, als ihr lieb sein kann. „23 Uhr 12“ ist wieder ein schmaler Roman … wie es scheint hat die Autorin nicht das schriftstellerische Handwerkszeug, einen guten und großen Roman zu entwerfen.“ Nun also „Bleib“. Was für eine Geschichte! Wow! Wenn sie z. B. eine Jodi Picoult geschrieben hätte, aber bei einer Adeline Dieudonné wirkt ihre wahrhaft unkonventionelle Idee oft wie Stückwerk, bei dem ich immer wieder dachte: „Ich will nicht bleiben, ich will weglaufen.“ Die Geschichte selbst ist aufwühlend, fordernd, sie regt zum nachdenken an. Doch wie die Autorin diese anspruchsvolle Romanidee präsentiert … da muss ich wieder auf das schriftstellerische Handwerkszeug zurückkommen, dass die Autorin etwas verbessert hat, aber auch nicht mehr. Wenn sie über die Beziehungen ihrer Hauptfigur zu M. oder Romain schreibt, war ich voll bei ihr. Doch kaum baut sie hier Gefühle auf, würgt sie dies auch schon wieder ab und verliert sich in leeren Gedanken oder Dingen, die für den Fortgang der Geschichte keinen Wert haben. Ein Satz wird mir aber im Gedächtnis bleiben, denn dieser drückt das Frauenbild aus, das noch zahlreiche Männer haben: „Man fordert von uns, zerbrechlich und wehrlos zu sein. Nicht zu viel Raum einzunehmen. Rehe sollen wir sein.“ Erschütternd, aber so ist es wohl. Viel mehr literarisch davon und ich hätte unbedingt und ganz lange bleiben wollen!

dtv, 253 Seiten; 24,00 Euro

 Abby Jimenez – Part of Your World

Als Alexis Montgomery, die Tochter einer legendären Arztfamilie, bei einer Reifenpanne auf Daniel Grant trifft und mit ihm eine Nacht verbringt, sind zwei Dinge klar: Zwischen Alexis und Daniel besteht eine unerklärliche Anziehung – und niemals kann aus ihnen ein echtes Paar werden, weil sie beide Welten trennen. Daniel kommt vom Land, ist 28 und damit 10 Jahre jünger als Alexis, und alles, was ihr Leben ausmacht, ist ihm völlig fremd. Denn Alexis muss in die Fußstapfen ihrer Eltern treten, die das renommierte Royame Hospital in Minneapolis leiten. Sie beschließen, sich exklusiv zu daten – aber ohne Gefühle, ohne feste Beziehung. Doch allein schon beim Gedanken, Daniel eines Tages aufzugeben, droht Alexis‘ Herz zu brechen.

Wunderschön, zartbitter und zuckersüß zugleich, ereignisreich und mit Charakteren besetzt, die man einfach nur umarmen möchte. Abby Jimenez‘ „Part of Your World“ trifft voll ins Herz! Die US-Autorin hat in ihrer Heimat schon zahlreiche Bestseller-Romane geschrieben. Nun tut sie das – hoffentlich – auch bei uns, denn diese Geschichte verdient es, auch bei uns ganz viele Herzen im Sturm zu erobern. Im Frühjahr dieses Jahres ist bereits „Yours Truly“ bei uns erschienen. Die Autorin lässt die beiden Hauptfiguren meist abwechselnd die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen. So bekommt man einen flotten und abwechslungsreichen Einblick in die Gedanken- und Lebenswelten von Alexis und Daniel. Und diese Welten sind sehr unterschiedlich! Jeder der beiden hat mit etwas zu kämpfen, dass ihnen das Leben erschwert, doch Daniels Leben scheint bei weitem schöner und ausgeglichener zu sein, obwohl er viel weniger Besitz und auch keine so teure Ausbildung genossen hat. Abby Jimenez zeigt den LeserInnen zwei Welten, und man kann selbst entscheiden, in welcher man sich selbst lieber aufhalten möchte. Aber das erschwert auch die Liebe der beiden. Daniel möchte, dass Alexis seine Freundin wird, Alexis möchte Sex und schöne Stunden, aber kein Eindringen in ihre Welt. Aus gutem Grund, wie sie meint. Äußerst spannend! „Part of Your World“ ist ein Liebesroman in „Pretty-Woman“-Manier! Nur mit vertauschten Rollen. Alexis und Daniel sind echte Hingucker. Charakterlich und optisch. Ihre Lovestory hat mich vom ersten Blick ins Seitenfenster gepackt!

dtv, 429 Seiten; 15,00 Euro

Werbung auf denglers-buchkritik.de

London: Ein Serienmörder hält die Stadt in Atem. Seine Opfer sind ausschließlich Studentinnen. Er foltert und vergewaltigt sie und präsentiert die grausam zugerichteten Leichen den Behörden. Am Tatort hinterlässt er zudem einen Strauß Rosen und mit Blut geschriebene Botschaften.
Der Privatdetektiv Vincent und die Polizistin Lucy heften sich an seine Fersen, doch der Mörder ist ihnen immer einen Schritt voraus und spielt mit ihnen. Die Presse nennt ihn bald darauf „den Schänder“. Vincent und Lucy werden immer verzweifelter, da die Opfer keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Jede Studentin könnte sein nächstes Ziel sein. Doch dann finden sie eine mögliche Spur zu ihm. Sie entscheiden sich zu einem riskanten Plan… 

Blick zum Buch

   Yaroslav Hrytsak – Ukraine – Biographie einer bedrängten Nation

In den letzten Jahren ist im Westen viel über die Geschichte der Ukraine geschrieben worden – aber zumeist von westlichen oder im Westen lebenden und lehrenden Historikern. Yaroslav Hrytsaks Werk bietet die Perspektive aus der Ukraine. Es seziert die Mythen der russischen Propaganda, bewahrt sich aber auch einen kritischen Blick für ukrainische Legenden und Übertreibungen. Wenn Staaten Pässe hätten, würde darin 1914 als Geburtsjahr der Ukraine eingetragen, schreibt Hrytsak. Gleichzeitig aber wäre diese moderne Staatsbildung nicht denkbar gewesen ohne die lange Geschichte der ukrainischen Nationsbildung. Daher setzt dieses Buch mit der Geschichte der Rus ein und spannt den Bogen bis in die Gegenwart, wo sich die Ukraine von einer ethnischen zu einer zivilgesellschaftlichen Nation gewandet hat, deren politische Kultur sich fundamental von derer Russlands unterscheidet.

So wie es ein Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen, so braucht es eine Welt, um die Geschichte einer Nation zu erklären. Yaroslav Hrytsak, einer der einflussreichsten ukrainischen Historiker der Gegenwart, bettet die Geschichte der Ukraine in die Geschichte Europas und ihre globalen Zusammenhänge ein und zeigt die vielfältigen Wechselwirkungen. Sein Buch wurde in der Ukraine zum Bestseller und erklärte der angegriffenen Nation, woher sie kam, was sie prägte und woran ihre Widerstandskraft gegenüber der russischen Aggression lag. Und es setzte ihr ein Ziel: die liberale Demokratie des Westens. Die Ukraine auf den Punkt gebracht. Genau das bietet dieses Buch! Yaroslav Hrytsak stellt die Ukraine und ihre Geschichte im globalen Kontext dar, und so weist der Historiker auch auf Folgendes hin: „So gesehen, verdient es Kolumbus, zu einer der Hauptfiguren der ukrainischen Geschichte gezählt zu werden.“ Das Buch zeigt klar und faktenreich die Ukraine und ihre Geschichte. Damit unterscheidet sich dieses Buch von den bisher erschienen über die Ukraine. Die Hauptkapitel sind: „Was sagt ein Name aus?“, „Die Rus“, „Der Kosakenstaat“, „Das lange 19. Jahrhundert“, „Ukraine, 1914 – 1945“, „Nachkriegs-Ukraine“ und „Die unabhängige Ukraine“. Zum Ende noch die Hoffnung des Autors, der den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit dem der kolossal überlegenen Persern gegen die alten Griechen vergleicht. Jeder der die Geschichte kennt weiß, wie dieser Krieg geendet hat.

C. H. Beck, 480 Seiten; 34,00 Euro

  Steve Ayan – Seelenzauber – Das Jahrhundert der Psychologie

Es ist jener Wandel im Denken, der die Psychologie zu einer der prägendsten Wissenschaften des 20. Jahrhunderts machte – und mit der Psychoanalyse einen intellektuellen wie gesellschaftlichen Trend auslöste. Die Abgründe der „Seele“ kannte man auch vor dieser Zeit. Doch die Vorstellung, man könne die Psyche heilen, den Menschen verbessern und seine Potenziale optimieren – diese Idee war neu und revolutionär.

„Seelenzauber – Aus Wien in die Welt: Das Jahrhundert der Psychologie“ führt die LeserInnen zurück in die Geburtsstunde der Psychotherapie im Wien des Fin-de-Siècle. Es erzählt die Geschichte von Visionären wie Freud, Jung, Adler und anderen, die das erfanden, was zu einer der Säulen der westlichen Zivilisation wurde: die Seele zu therapieren und zu heilen, um am Ende einen gesunden Geist im Menschen zurückzulassen. So einfach war es damals nicht, und so einfach ist es auch heute nicht. Aber in den letzten 125 Jahren hat sich in der Psychoanalyse viel, sehr viel getan. Mit diesem Buch steigt man hinab in den dunklen Keller der Psyche, den die oben erwähnten Protagonisten versuchten „aufzuräumen“ und „geordnet“ zurückzulassen. Kein einfaches Unterfangen, die Herangehensweisen waren revolutionär, aber in gewisser Form auch sehr faktenarm. Aber der Anfang war gemacht und so zog es hinaus in die Welt, dieses Wissen über die Heilung der Psyche. Die Hauptkapitel sind: „Das Unbewusste“, „Der Sex“, „Die Angst“, „Das Ich“, „Die Anderen“ und „Der Sinn“.

dtv, 398 Seiten; 26,00 Euro