BuchKolumne 09.08.2020 Nr. 677
Javier Cercas – Terra Alta
Alex Michaelides – Die verschwundenen Studentinnen
Siba Shakib – Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume
Klaus-Peter Wolf – Rupert Undercover – Ostfriesische Jagd
Peter Schwindt – Das Buch des Wisperns
Javier Cercas – Terra Alta
Er ist der Sohn einer Prostituierten, sein Zuhause ist die Unterwelt Barcelonas. Melchor Marín arbeitet für ein Drogenkartell und wird bei einer Razzia festgenommen. Als er im Gefängnis von der Ermordung seiner Mutter erfährt, beschließt er, nach dem Absitzen der Strafe Polizist zu werden.
Jahre später ist Melchor als bewährter Polizist in der kargen Landschaft der Terra Alta im Einsatz, wo er mit Frau und Tochter ein ruhiges Leben führt. Aber dann erschüttert ein Verbrechen die Region, ein altes Unternehmerpaar wird grausam ermordet. Ein brutaler Raubüberfall? Eine alte Fehde? Als das Kommissariat den Fall ungelöst abschließt, ermittelt Melchor auf eigene Faust.
Javier Cercas ist spanischer Bestseller-Autor und seine Werke sind mehrfach ausgezeichnet. „Terra Alta“ ebenso. Ein Kriminalroman, wie ein stürmisches, spanisches Gemälde! Die Geschichte ist verschlungen und ungewöhnlich erzählt für einen Kriminalroman. Es gibt immer wieder Brüche in der Geschichte, die aber so gar nicht stören, sondern die Geschichte gar von vielen anderen Romanen des Genres abheben. Melchor Marín ist ein Charakter, der ebenso Brüche in seinem Leben hat. Von der kriminellen Laufbahn, die im Gefängnis endet, wendet sich sein Leben mit dem Entschluss, dass er Polizist, Ermittler werden will. Javier Cercas erzählt einerseits die Kriminalgeschichte und anderseits abwechselnd im Rückblick Melchors Leben, das in Terra Alta mit der Liebe seines Lebens Olga und einem Kind belohnt wurde. Doch nichts wehrt ewig im Leben. Klar, konsequent, intelligent – Javier Cercas lässt mit „Terra Alta“ den Kriminalroman in neuem Licht erscheinen. Javier Cercas „Terra Alta“ hat etwas von Ferdinand von Schirachs „Der Fall Colini“. Und es geht weiter. „Die Erpressung – Terra Alta 2“ erscheint im Juli 2022.
S. Fischer, 429 Seiten; 24,00 Euro
Alex Michaelides – Die verschwundenen Studentinnen
An Marianas ehemaligem College in Cambridge wird eine Studentin tot aufgefunden, brutal ermordet. Auf dem Campus geht die Angst um. Die Trauma-Therapeutin macht sich auf den Weg, um ihrer dort eingeschriebenen Nichte beizustehen. Kaum angekommen, verschwinden zwei weitere Studentinnen. Ihre Nachforschungen führen Mariana tief in eine ebenso düstere wie unheimliche Parallelwelt am College. Hat der exzentrische Professor, der offenbar nicht nur einem ominösen Geheimbund vorsteht, sondern zudem einen unheimlichen, uralten Kult wiederzubeleben scheint, etwas mit dem Verschwinden der Mädchen zu tun? Während die Polizei den Fall schon abgeschlossen glaubt, öffnen sich für Mariana im wahrsten Sinne des Wortes die Tore zur Unterwelt.
Alex Michaelides, in Zypern geboren und in London lebend, hat mit seinem ersten Thriller „Die stumme Patientin“ einen Bestseller gelandet. Auch ich war sehr angetan. Umso mehr war ich auf seinen zweiten Thriller „Die verschwundenen Studentinnen“ gespannt. Doch kann sein zweites Buch bei weitem nicht an sein Debüt anknüpfen. Die Story klingt spannend, aber richtig Spannung kommt nur sehr dezent auf. Alex Michaelides verliert sich in Nebenschauplätzen und langweiligen Beschreibungen, die die Geschichte so nicht gebraucht hätte und sie auch nicht voranbringt. Mariana Andros ist zwar eine durchaus sympathische Hauptfigur, aber auch sie zeigt über die Länge des Buchs zahlreiche Schwächen. Und auch das Ende kann nicht überzeugen. „Die verschwundenen Studentinnen“ werden schnell wieder verschwinden.
Droemer, 351 Seiten; 14,99 Euro
Rena Rosenthal – Die Hofgärtnerin – Frühlingsträume
Oldenburg, 1891. Als Gärtnerin in der Natur zu arbeiten und die schönsten Blumen dieser Welt zu züchten, davon träumt Marleene schon ihr ganzes Leben. Doch ihr Wunsch scheint unerreichbar, denn eine Gärtnerlehre ist allein Männern vorbehalten. Aber Marleene gibt nicht auf: Kurzerhand schneidet sie sich die Haare ab und verkleidet sich als Junge – und bekommt eine Anstellung in der angesehenen Hofgärtnerei. Marleene ist überglücklich! Doch die anderen Arbeiter machen ihr den Einstieg alles andere als leicht, und es wird zunehmend komplizierter, ihre Tarnung aufrechtzuerhalten. Als sie dann auch noch die beiden charmanten Söhne der Hofgärtnerei kennenlernt, werden ihre Gefühle vollends durcheinandergewirbelt. Marleene muss sich entscheiden – folgt sie ihrem Traum oder ihrem Herzen.
Rena Rosenthal ist in der elterlichen Baumschule aufgewachsen, die Liebe zu Bäumen und Pflanzen wurden ihr sozusagen in die Wiege gelegt. Diese Liebe lässt sie nun in ihre Romansaga „Die Hofgärtnerin“ einfließen. „Frühlingsträume“ ist der erste Band der Saga, und der weiß gleich zu überzeugen. Ein süffiger, spannender und dramatischer Roman, der immerzu unterhält! Marleenes Weg und unbedingter Wille, ihr Leben mit Pflanzen zu verbringen ist magisch anziehend zu lesen. Der zweite Band „Der Hofgärtnerin“ erscheint im Frühjahr 2022. Und nach dem aufregenden ersten Band kann man diesen kaum erwarten.
Penguin, 680 Seiten; 11,00 Euro
Kriminaldirektorin Liane Brennecke hätte eigentlich Angst um ihr Leben haben müssen, aber dem war nicht so. Sie betrachtete sich im Spiegel. Sie war sich selbst fremd geworden. In diesem Folterkeller war etwas mit ihr geschehen. Etwas war aus dem Körpergefängnis geflohen und hatte sich in Sicherheit gebracht. Ein Seelenanteil von ihr war entkommen. Sie sorgte sich um ihre geistige Gesundheit. War sie kurz davor, verrückt zu werden, oder hatte sie diese Schwelle bereits in dem Rattenloch überschritten, indem er sie gefangen gehalten hatte? Um wieder ganz zu werden, musste sie ihn erledigen. Dazu brauchte sie einen Köder und ein Werkzeug. Niemand erschien ihr geeigneter als dieser Rupert alias Frederico Müller-Gonzáles.
Klaus-Peter Wolf hat den deutschen Kriminalroman auf ein neues Niveau gehoben! Seine Ostfriesen-Krimis um Kommissarin Ann Kathrin Klaasen sind eine Klasse für sich. Nun lässt er aber den beliebten Hauptkommissar Rupert ein zweites Mal in einem Soloroman an die Arbeit gehen. Rupert ist wieder Undercover – und die LeserInnen sind begeistert! Spannende Unterhaltung im typischen Wolf-Rupert-Stil. Rupert, bitte komm bald wieder in einem neuen Soloroman!
Fischer, 442 Seiten; 12,00 Euro
Peter Schwindt – Das Buch des Wisperns
Seit seiner Geburt weiß Hakim, dass sein Leben ein frühes Ende finden wird. Wenn es ihm nicht gelingt, einen tödlichen Familienfluch zu brechen, wird er an seinem 17. Geburtstag sterben. So durchkämmt er die halbe Welt auf der Suche nach einer mächtigen Handschrift: dem Buch des Wisperns, dessen Seiten die Geheimnisse um Leben und Tod enthüllen. Zur gleichen Zeit versucht Finn sich in einer Welt zurechtzufinden, die nicht die seine ist. Bei einem Sturz in einen Brunnen hat er scheinbar sein Gedächtnis verloren. Nur eine geheimnisvolle Glaskugel hat er aus dem Schacht mitgebracht. Sie verbindet ihn mit einem Leben, an das er sich nicht mehr erinnern kann. Und weit oben im Norden ist Berit mit den anderen Wikingermädchen und -frauen ihres Dorfes auf der Flucht vor einer unheimlichen Bedrohung, die ihrem Vater Jarl Thorulf und allen anderen Männern das Leben und die Seele gekostet hat. Alles, was Berit retten konnte, ist Traumsplitter, das Schwert ihrer Großmutter. Das Schicksal führt alle drei an der Küste Britanniens zusammen. Noch ahnen sie nicht, dass die Zukunft allen Seins von ihrem gemeinsamen Handeln abhängt. Denn eine uralte finstere Macht sucht ihren Weg in die Welt.
Peter Schwindt hat schon zahlreiche erfolgreiche Kinder- und Jungendbücher geschrieben. Nun startet er mit der „Gilead“-Trilogie eine neue Fantasy-Reihe. Diese startet mit „Das Buch des Wisperns“. Ein starker Auftakt! Die Wege von Hakim, Finn und Berit sind spannend gestaltet und jeder Erzählstrang bietet fesselnde Momente. Auch Peter Schwindts Welt hat einen schnell an sich gebunden. „Das Buch des Wisperns“ flüstert einen zu – lies mich!
Sauerländer, 363 Seiten; 17,00 Euro