November 21, 2024

Kolumne 01.11.2021

BuchKolumne 01.11.2020 Nr. 689

Tana French – Der Sucher
Antje Rávik Strubel – Blaue Frau
Harlan Coben – Nichts bleibt begraben
Helmut Walser Smith – Deutschland
Stephan Malinowski – Die Hohenzollern und die Nazis

Tana French – Der Sucher

Tana French - Der Sucher

Cal Hooper, ehemaliger Cop aus Chicago, hat sich in den Westen von Irland geflüchtet. Die Natur scheint friedlich, im Dorf nimmt man ihn freundlich auf. Da springt sein langjährig trainierter innerer Alarm an: Er wird beobachtet. Immer wieder taucht ein Kind bei ihm auf. Auf den umliegenden Farmen kommen auf seltsame Weise Tiere zu Tode. Stück für Stück gerät Cal in eine Suche, die ihn tief in die Dunkelheit führt.

Tana French schafft es, das Unspektakuläre spektakulär zu erzählen! Sie saugt einen als LeserIn auf ganz mystische Weise ins Buch hinein. Liegt es an der wunderbar schönen, aber auch kargen irischen Landschaft? Oder an den Charakterzeichnungen, die punktgenau sind? Nicht zu viel, nicht zu wenig. Tana French versteht ihr Handwerk. Cal und sein neues Leben, von der Chicagoer Metropole aufs irische Land gezogen, verfolgt man gespannt und mit großem Interesse. Zu Beginn liest sich „Der Sucher“ wie ein irischer Heimatroman, doch von Seite zu Seite spürt man das Unheil heraufziehen. Ich habe bisher alle Tana French Romane gelesen. Jeder hat mich auf seine Weise begeistert. Auch „Der Sucher“ lässt mich begeistert zurück. Ein Spannungsroman mit einer sehr exquisiten Note!

Scherz, 496 Seiten; 22,00 Euro

Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Wolfgang Wagner, Schauspieler und Hörbuchsprecher, verleiht Cal die richtig herbe Stimme. Ein Hörbuch, das durch seinen Sprecher die Stimmung der Geschichte wunderbar einfängt. 19,95 Euro.

Tana French – Der Suchert – Hörprobe 3:47 Min.

Antje Rávik Strubel – Blaue Frau

Antje Rávik Strubel - Blaue Frau

Adina wuchs als letzter Teenager ihres Dorfs im tschechischen Riesengebirge auf und sehnte sich schon als Kind in die Ferne. Bei einem Sprachkurs in Berlin lernt sie die Fotografin Rickie kennen, die ihr ein Praktikum in einem neu entstehenden Kulturhaus in der Uckermark vermittelt. Unsichtbar gemacht von einem sexuellen Übergriff, den keiner ernst nimmt, strandet Adina nach einer Irrfahrt in Helsinki. Im Hotel, in dem sie schwarzarbeitet, begegnet sie dem estnischen Professor Leonides, Abgeordneter der EU, der sich in sie verliebt. Während er sich für die Menschenrechte stark macht, sucht Adina einen Ausweg aus dem inneren Exil.

Die „Blaue Frau“ hat den Deutschen Buchpreis 2021 erhalten. Der Roman muss also einer er besten, wenn nicht der beste aus dem Jahr 2021 einer deutschen Autorin oder eines Autors sein. Doch wie schon so oft die Jahre zuvor zeigt die Jury des Buchpreises mit dieser Auszeichnung ihre absolute Inkompetenz! Die Autorin Antje Rávik Strubel ist eine liebreizende Persönlichkeit, doch das ist ja nicht der ausschlaggebende Punkt der Verleihung. Und das Thema des Romans, die sexualisierte Gewalt gegen Frauen, ist ein unglaublich wichtiges, was gesellschaftlich und auch literarisch gar nicht oft genug diskutiert oder verarbeitet werden kann. Aber auch ein Thema eines Romans alleine ist ja noch keine Auszeichnung wert. Es geht alleine um die Qualität des Romans, und die ist schwach. Die Autorin hat an diesem Buch 7 Jahre geschrieben. 7 Jahre! Da muss normal ein Opus magnum herauskommen. Nein, das ist die „Blaue Frau“ nun wahrlich nicht. Die Autorin verliert sich allzu oft in literarischen Stilblüten, die manchmal schön zu lesen sind, aber meist nur nerven. Auch ist von einem kräftigen und stringenten Plot weit und breit keine Spur. Die Hauptfigur arbeitet sich selbst an der Geschichte ab, aber nicht ihr Trauma auf. Die „Blaue Frau“ ist träge, langatmig, einfach traurig. Es gibt so viele deutsche Autorinnen und Autoren die den Deutschen Buchpreis für ihr Werk 2021 verdient hätten, Antje Rávik Strubel definitiv nicht.

S. Fischer, 428 Seiten; 24,00 Euro

Harlan Coben – Nichts bleibt begraben

Vor über zwanzig Jahren wurde Patricia Lockwood während eines Raubüberfalls entführt und schwer misshandelt. Ihr gelang die Flucht, doch ihr Peiniger wurde nie gefasst. Auch die damals gestohlenen Gemälde blieben verschollen. Bis in einem New Yorker Apartment neben einer Leiche eines der Bilder gefunden wird – und der Koffer, den der Entführer Patricia zu packen zwang. Zeit für Patricias Cousin, Windsor Horne Lockwood III, den Dingen auf den Grund zu gehen: Win, wie seine wenigen Freunde ihn nennen, ist hochintelligent, skrupellos und wild entschlossen, den Fall zu lösen. Einen Fall, der die dunkelsten Geheimnisse seiner Familie ans Tageslicht zu bringen droht.

Harlan Coben wie man ihn kennt und liebt! Ein Thriller, der keine Haltestation hat und bis zum Ende in rasendem Tempo an einem vorbeizieht. „Nichts bleibt begraben“ wartet mit einem sehr ungewöhnlichen Helden auf, mit dem man aber schnell auf Tuchfühlung geht und ihm dann auch an den Versen klebt. Dem einem oder anderen kann er aber sicher auch sauer aufstoßen mit seiner etwas abgehobenen Art. Windsor Horne Lockwood III, kurz Win, wird man auf jeden Fall so schnell nicht wieder vergessen. Zu erwähnen ist auch, dass das Buch der Myron-Bolitar-Reihe zugeordnet werden kann. „Nichts bleibt begraben“ – lassen Sie nichts unversucht, diesen Thriller zu lesen!

Goldmann, 432 Seiten; 16,00 Euro

Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Detlef Bierstedt, die deutsche Stimme von Hollywood-Star George Clooney, muss man einfach zuhören! 15,00 Euro.

Harlan Coben – Nichts bleibt begraben – Hörpobe: 5:00 Min

Helmut Walser Smith – Deutschland

Deutschland - Geschichte einer Nation

Um 1500 werden in den Karten der frühen Kartographen und Berichten von Abenteurern und Reisenden erstmals die Spuren einer Nation erkennbar, die Jahrhunderte später Goethe und Schiller hervorbringen wird, aber auch den größten Massenmord der Weltgeschichte zu verantworten hat. Ist dieses „Deutschland“ eine Nation mit einer festen Identität und einem angestammten „Volk“, oder ist es weit eher ein historischer Raum, in dem sich konkurrierende Vorstellungen davon, was Deutschland ist oder werden soll, permanent ablösen?

Wollen Sie die Geschichte Deutschlands kennenlernen? Wollen Sie eintauchen in ein Land, das so eine spannende und ereignisreiche Vergangenheit hat und zugleich lernen, was das alles bedeutet damals und heute? Dann lesen Sie „Deutschland – Geschichte einer Nation“ von Helmut Walser Smith. Die Hauptthemen sind „Deutschland zum ersten Mal sehen (1500)“, „Deutschland gleich als eym Spiegel (1500 – 1580)“, „Die Tränen der Stoiker (1580 – 1700)“, „Zerstückelung und Patriotismus (1700 – 1770)“, „Die Oberfläche und das Innere (1770 – 1790)“, „De l‘ Allemagne (1790 – 1815)“, „Die Entwicklung einer Nation (1815 – 1850)“, „Eine Nation nimmt Gestalt an (1850 – 1870)“, „Nation der Dinge (1870 – 1914)“, Sich für Deutschland opfern (1914 – 1933)“, „Andere für Deutschland opfern (1933 – 1941)“, Todesräume (1941 – 1945)“, „Ein lebendiger Begriff des Vaterlands (1945 – 1950)“ und „Die Präsenz des Mitgefühls (1950 – 2000)“.

C. H. Beck, 667 Seiten; 34,00 Euro

Stephan Malinowski – Die Hohenzollern und die Nazis

Stephan Malinowski - Die Hohenzollern und die Nazis

Seit über 100 Jahren haben die „Oberhäupter“ der Hohenzollern immer wieder mit Juristen, Historikern, Journalisten, Ghostwritern und PR-Beratern zusammengearbeitet, mit deren Hilfe sie das Bild der Familie in der Öffentlichkeit aufpolierten. Nun werden Rollen und Selbstdarstellung der wichtigsten Familienmitglieder von einem der besten Kenner der Materie erstmals analysiert und dargestellt.

„Die Hohenzollern und die Nazis“ liest sich wie ein spannender Geschichtskrimi! Stephan Malinowski erzählt historisch genau, behält dabei aber immer einen Ton, der das Buch lebendig und keinesfalls trocken macht. Der Autor zieht dabei den Bogen über drei Generationen von 1918 bis in die Gegenwart und beschreibt das politische Milieu, in dem sich ihre Akteure bewegten. Die Hauptkapitel sind: „Die Hohenzollern im Exil – Außenstellen der Gegenrevolution (1918 – 1923)“, „Guerilla – Hohenzollern gegen die Republik (1923 – 1931)“, „Fast ein König – Die Hohenzollern im Jahr 1932“, „Der zerbrechliche Rahmen – Die Hohenzollern im Jahr 1933“, „Abgründe – Die Hohenzollern im Dritten Reich (1934 – 1945)“ und „Tragödie und Farce – Die Hohenzollern und die Republik seit 1945“.

Propyläen, 752 Seiten; 35,00 Euro