April 19, 2024

Kolumne vom 31.12.2018

Kolumne vom 31.12.2018 – Nr.541


Daniel Beer

daumen rauf

Das Totenhaus

Das Totenhaus

In endlosen Kolonnen zogen sie auf monatelangen Märschen gen Sibirien: die Verbannten des Zarenreichs. Männer, Frauen und Kinder, ganze Familien waren es, die unter extremen Bedingungen in sibirischen Arbeitslagern schuften mussten. Die Eishölle musste besiedelt, die Rohstoffe sollten ausgebeutet werden – eine riesige Aufgabe, die nur mit verurteilten Sträflingen zu bewältigen war. Das Buch erzählt vom Alltag, von Verzweiflung und Hoffnung der Menschen, die oft nichts anderes verbrochen hatten als Kritik an der Herrschaft der Zaren zu üben – wie Dostojewski oder Lenin. Und er zeigt, wie in diesem Mikrokosmos von liberalen Intellektuellen eine Keimzelle der Revolution von 1917 entstand: Viele der Verbannten wurden zu Trägern dieses Umsturzes, der das Zarenreich zu Fall brachte.

Über die Russische Revolution habe ich schon zahlreiche Bücher gelesen. So war es für mich spannend zu erfahren, einen ausführlichen Bericht darüber zu lesen, was einer der Vorboten war, die zur Revolution führten. Und das zeigt der Historiker Daniel Beer in seinem Buch „Das Totenhaus“ eindrucksvoll und eindringlich auf. „Das Totenhaus“ ist eine spannende und sehr interessante Lektüre! Man spürt das Leid der Menschen hautnah, was sehr schmerzvoll ist, und man erfährt viel über Sibirien und dessen Besiedelung. Eine gewollte und ungewollte Besiedelung. Das Buch enthält unter anderem folgende Schwerpunktthemen: „Ursprünge der Verbannung“, „Die Minen von Nertschinsk“, „Die Dekabristenrepublik“, „Die Gefängnisfestung“, „General Kuckucks Armee“, „Die Insel Sachalin“, „Die Peitsche“, „Der schrumpfende Kontinent“, „Der Schmelztiegel“.

S. Fischer, 624 Seiten; 28,00 Euro


Hao Jingfang

daumen runter

Wandernde Himmel

Wandernde Himmel

2096: Die Erde hat eine Kolonie auf dem Mars gegründet, um neuen Lebensraum zu erschließen. Doch die will unabhängig sein: Während die Mars-Bewohner den Raubtierkapitalismus der Erde verdammen, halten die Erdenmenschen den roten Planeten für ein System unkontrollierter Alleinherrschaft. Zur Verständigung zwischen den Völkern sendet der Mars hundert Jahre später einige Jugendliche auf die Erde – darunter auch die kürzlich verwaiste Luoying, eine Enkelin des Mars-Machthabers. Ihr Bruder bleibt zurück. Fünf lange Jahre dauert es, bis die nun erwachsene Frau den loyalen und erfolgreichen Rudy in der roten Heimat wiedersieht. Die Weltenwanderin Luoying muss sich entscheiden: Für oder gegen das starre System – mit möglicherweise tödlichen Konsequenzen nicht nur für sie selbst.

Die hübsche Chinesin Hao Jingfang fällt auf. Sie ist nicht nur beruflich blitzgescheit, sondern hat auch als Autorin Erfolge zu feiern. Sie gewann den Hugo Award, einer der wichtigsten Preise für Science-Fiction-Literatur, und ihre Bücher verkauften sich in China schon über eine Million Mal. Gespannt war ich auf ihr neuestes Werk „Wandernde Himmel“. Die Idee dazu klang gut, leider ist die Umsetzung sehr langatmig geworden. Großes Spannungspotenzial darf man nicht erwarten, eher schon einen philosophischen Science-Fiction-Roman, der trotz Zukunftsliteratur Bezug auf das heutige China nimmt. Und die Frage stellt: Welches System ist erstrebenswerter, Kapitalismus oder Sozialismus? Wer es sehr ruhig mag in diesem Genre, der kann dem Roman vielleicht etwas abgewinnen, aber sonst wird man es schwer haben mit den über 700 Seiten.

Rowohlt Polaris, 726 Seiten; 16,99 Euro


Erin Kelly

daumen rauf

Vier. Zwei. Eins.

Vier. Zwei.Eins.Im Sommer 1999 erleben Kit und Laura eine totale Sonnenfinsternis in Cornwall. Beide sind jung und verliebt. Dann glaubt Laura etwas gesehen zu haben. Eine brutale Vergewaltigung. Doch der Mann bestreitet alles. Die Frau schweigt. Seine Aussage gegen die von Laura. Monate nach der Gerichtsverhandlung steht die Frau plötzlich vor Lauras und Kits Tür. Schleicht sich auf merkwürdige Weise in ihr Leben. Nur Kit scheint zu sehen, was Beth Taylor wirklich ist: eine Bedrohung. 15 Jahre später leben Laura und Kit unter falschem Namen an einem geheimen Ort. Etwas liegt noch immer im Dunklen, Laura fürchtete es, und sie ahnt, dass sie nur einen Teil des Bildes sieht. Doch dann steht Beth Taylor plötzlich vor Lauras Tür. Und jetzt drängt die Wahrheit mit aller Macht ans Licht …

Ein Thriller mit Nervenkitzel-Garantie! Der Nervenkitzel zieht sich aus dem hervorragenden Aufbau der gut durchdachten Story Die Geschichte wird aus den Sichtweisen von Laura und Kit erzählt. Das erzeugt zusätzlich Spannung. Und Erin Kelly wechselt nicht nur die Figuren ab, sondern die Geschichte wird auch noch auf zwei Zeitebenen erzählt. Gegenwart und Vergangenheit wechseln ab und lassen den Leser immer mehr von den Figuren und den wahren Geschehnissen erfahren. „Vier. Zwei. Eins“ – Meins! Ein Buch, das Sie so schnell nicht wieder hergeben wollen. Mit einem Ende, das einen umhaut.

Scherz, 476 Seiten; 14,99 Euro


Lydia Conradi

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Tausend Nächte und ein Tag

Tausend Nächte und ein Tag1899, ganz Berlin ist im Orient-Fieber, denn der Archäologe Robert Koldewey hat soeben das mythische Babylon aus dem Wüstensand gegraben. Auch die junge Senta ist den jahrtausendealten Kulturen verfallen, doch als Frau ist ihr der Zugang versperrt. Sie beschließt, eine eigene Expedition auszustatten, begleitet von dem Assyriologen Winfried, der sie liebt, und dem undurchschaubaren Briten Christopher. Auf der strapaziösen Reise in das umkämpfte Land zwischen den Strömen brodeln gefährliche Leidenschaften. Die Lage spitzt sich zu, als die Gruppe von Beduinen als Geiseln genommen wird. Einzig Faysal, der Sohn des Sheik, sieht in den Europäern mehr als ein Faustpfand.

Eine berauschende und spannende Geschichte, die einen in eine andere Zeit entführt und nach und nach verführt! Mit „Tausend Nächte und ein Tag“ ist der deutschen Autorin Lydia Conradi ein prächtiger Roman gelungen. Sie beschreibt die Zeit von damals genau und man fühlt sich als Teil der Geschichte.

Pendo, 477 Seiten; 20,00 Euro


Yella Cremer

daumen rauf

Yoni Massage

Yoni Massage Yella Cremer

Besserer Sex? Heilsame Berührungen, die echte Intimität und neue Lust entstehen lassen? Yoni-Massage ist ein wundervoller Weg dorthin. Bei dieser Form der Genitalmassage steht die Frau im Mittelpunkt. Der Partner kann ihr mit liebevollem Abenteuergeist helfen, ihr erotisches Potenzial neu zu entdecken, alte körperliche und emotionale Wunden zu heilen, sich ihm tiefer hinzugeben und mehr Spaß am Sex zu haben als je zuvor.

Männer aufgepasst! Dieses Buch sollten Sie sich kaufen, wenn Sie Ihrer Freundin oder Frau einen echten sexuellen Mehrwert bieten wollen. Unter anderem sind folgende Themen enthalten: „Tantrische Grundlagen der Yoni-Massage“, „Deine innere Haltung für die Yoni-Massage“, „Grundlagen der Anatomie“, „Gute Kommunikation“, „Die Vorbereitungen“, „Mögliche Positionen“, „Vorbereitende Ganzkörpermassage“, „Die Knospe öffnen“, „Den Tempel betreten“, „Yoni-Selbstmassage“.

Arkana, 251 Seiten; 20,00 Euro


Hörbuch der Woche

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S. K. Tremayne

Mädchen aus dem Moor

Mädchen aus dem Moor

Seit man ihr gesagt hat, sie habe im Dartmoor Selbstmord begehen wollen, scheint Kath Redways Leben langsam, aber sicher in einen finsteren Abgrund zu trudeln: An den Vorfall selbst kann sie sich nicht erinnern, auch die Woche davor scheint aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Kath glaubt, sie sei glücklich gewesen, doch verhält ihr Mann Adam sich nicht seltsam abweisend? Welches Geheimnis verbirgt ihr Bruder vor ihr? Und was treibt ihre kleine Tochter Lyla nachts draußen im Moor? Verliert Kath den Verstand – oder ist sie einer furchtbaren Wahrheit auf der Spur?

Der Titel „Mädchen aus dem Moor“ klingt zwar gut, hat mit der eigentlichen Geschichte aber wenig zu tun. Doch das ist fast schon das größte Manko an diesem Psychothriller. „Mädchen aus dem Moor“ lebt von der Atmosphäre des Dartmoors, das der Engländer S. K. Tremayne sehr anschaulich beschreibt, und von dem großen Geheimnis, das sich über das ganze Buch spannend hinweg trägt. Ein reißerischer Psychothriller erwartet einen nicht, sondern eine ruhige, aber die Spannung haltende Story. Das Ende ist überraschend, aber auch der Weg dorthin glänzt mit einigen Überraschungen. S. K. Tremayne ist der Autor der Erfolgsthriller „Stiefkind“ und „Eisige Schwestern“. Vera Teltz liest die ruhigen Momente stimmungsvoll, zieht aber an, wenn die Spannung steigt. Eine Lesung passend zur Geschichte – es wird nie langweilig. Hörprobe 10 Min.

Mädchen aus dem Moor

Auch als Paperback erhältlich bei Knaur, 14,99 Euro.

Argon Hörbuch, 6 CDs, 439 Minuten; 19,95 Euro


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