Kolumne vom 24.11.2014
Sebastian Fitzek
Passagier 23
Martin Schwartz, Polizeipsychologe, hat vor fünf Jahren während eines Urlaubs auf dem Kreuzfahrtschiff „Sultan of the Seas“ Frau und Sohn verloren. Niemand konnte ihm sagen, was genau geschah. Das nimmt Martin seither sehr mit. Mitten in einem Einsatz bekommt er den Anruf einer alten Dame, die sich als Thrillerautorin bezeichnet: Er müsse unbedingt an Bord der „Sultan“ kommen, es gebe Beweise dafür, was seiner Familie zugestoßen ist. Nie wieder wollte Martin den Fuß auf ein Schiff setzen – und doch folgt er dem Hinweis und erfährt, dass ein vor Wochen auf der „Sultan“ verschwundenes Mädchen wieder aufgetaucht ist. Mit dem Teddy seines Sohnes im Arm …
Sebastian Fitzek wäre nicht Sebastian Fitzek, wenn nicht auch sein neuer Psychothriller „Passagier 23“ von Anfang bis Ende fesseln würde! Und bei Sebastian Fitzek gilt das auch noch über das Ende hinaus. Mit „Passagier 23“ schippert man nicht gemütlich über das Meer, sondern man darf froh sein, wenn man überhaupt noch einmal einen Fuß von dem Schiff machen kann. Die Story ist sehr reizvoll, das liegt vor allem am Setting. Ein Kreuzfahrtschiff als Killerhochburg, das hat schon was. Gehen Sie an Bord von „Passagier 23“. Aber seien Sie gewarnt, nur wenn Sie gute Nerven haben, werden Sie diese Lesereise überstehen!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Simon Jäger, Sebastian Fitzeks Stammvorleser, macht auch aus diesem Thriller wieder eine gute Darbietung. 19,99 Euro.
Droemer, 426 Seiten; 19,99 Euro
Richard Dübel
Zorn des Himmels
Frankfurt, im Jahre des Herrn 1342. In der Ferne ballen sich dunkle Wolkentürme zusammen, Wetterleuchten erhellt den Himmel und Gerüchte von Überflutungen im Südosten des Reiches kursieren in den Straßen und Gassen der Stadt. Die junge Fährmannstochter Philippa ahnt nicht, dass der heranziehende Sturm ihr Leben für immer verändern wird. Sie verliebt sich in einen Mann – einen Mann, der einen Mordanschlag auf den Kaiser planen soll. Und während sich der Zorn des Himmels über Frankfurt entlädt und eine Katastrophe ohne Gleichen einläutet, muss Philippa eine Entscheidung treffen, die über Leben oder Sterben des Kaisers bestimmt …
Richard Dübel schreibt ausgezeichnete historische Romane! Und das schon seit vielen Jahren. Er gehört in Deutschland zu den besten. Auch sein neuer Roman „Zorn des Himmels“ hört sich gut an und liest sich auch streckenweise gut, aber er hat nicht wenige Längen und die Spannung ist auch nicht im Übermaß vorhanden. Die Figuren können nicht richtig packen, da wird es dann schwer, seinem neuen Roman die volle Punktzahl zu geben. Immer noch besser als der Durchschnitt, aber von Richard Dübel ist man besseres gewohnt.
Lübbe, 393 Seiten; 19,99 Euro
Graeme Simsion
Der Rosie-Effekt
Don Tillmans „Ehefrau-Projekt“ hat geklappt. Er lebt mit Rosie in New York. Dann sagt ihm Rosie: Wir sind schwanger. Das bringt Don schon durcheinander. Denn das „wir“ widerspricht den Grundlagen der Biologie. Doch Don stürzt sich in die Aufgabe. Er entwickelt einen wissenschaftlich exakten Schwangerschafts-Zeitplan für Rosie. Aber seine ungewöhnlichen Recherchemethoden führen erstmal dazu, dass er verhaftet wird. Was Rosie auf keinen Fall erfahren darf. Also muss Don improvisieren, seinen Freund Gene einspannen und Lydia, die Sozialarbeiterin, davon überzeugen, dass er ein Superdad sein wird. Bei alledem übersieht er fast das Wichtigste: seine Liebe zu Rosie.
Wer glaubte, nach „Das Rosie-Experiment“ würde es keinen gleichwertigen Nachfolgeroman vom Australier Graeme Simsion geben, der hat sich gewaltig getäuscht. „Der Rosie-Effekt“ ist genauso schön und zu Herzen gehend wie der Vorgängerroman. Don ist einfach eine Marke und Rosie das perfekte Gegenstück. Die beiden bleiben dem Leser wahrlich unvergessen. Was sie in „Der Rosie-Effekt“ wieder alles erleben, lässt den Wunsch entstehen, dass noch ein weiteres Lebensabenteuer der beiden folgen soll. Unglaublich intelligente und wahnsinnig witzige Komik!
Krüger, 442 Seiten; 19,99 Euro
Joshua Ferris
Mein fremdes Leben
Paul O’Rourke ist ein Zahnarzt mit gut gehender Praxis an der Park Avenue in Manhattan. Eines Tages stellt Paul fest, dass jemand in seinem Namen eine Website, eine Facebook-Seite und einen Twitter-Account eingerichtet hat. Das bringt nach und nach die reale Welt des Paul O’Rourke aus dem Gleichgewicht …
Man kann viel besitzen, aber nichts davon haben. Man kann eigentlich glücklich sein, sucht aber nach etwas, was man nie finden wird. Nur zwei Punkte, die auf die Hauptfigur Paul zutreffen. Joshua Ferris ist nach seinem aufsehenerregenden Roman „Ins Freie“ mit „Mein fremdes Leben“ wieder eine literarisch fein gezeichnete Betrachtung eines Mannes unserer heutigen Zeit gelungen.
Luchterhand, 382 Seiten; 19,95 Euro
Tasmina Perry
Drei Tage Manhattan – Begleitung gesucht
Eine ältere Dame sucht eine nette Begleitperson für Abenteuer in Manhattan. Reisezeit 22. bis 26. Dezember. Amy Parrett, die junge New Yorkerin in London, meldet sich bei der eleganten 72-jährigen Georgia Hamilton. Im winterlichen Weihnachten erfährt Amy dann die Geschichte von Georgia und lernt auch für ihr eigenes Leben.
Ein wunderschöner Roman für die Vorweihnachtszeit! Er macht Lust auf das Fest der Liebe. Und von der bekommt man in diesem Roman gleich mehrere Facetten aufgezeigt. Die Geschichten von Amy und Georgia fesseln und bezaubern! „Drei Tage Manhattan – Begleitung gesucht“ – ich würde mich anbieten für diese Reise.
Bloomsbury, 430 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Eric Berg
Das Küstengrab
Zum ersten Mal nach 23 Jahren kehrt Lea in ihr Heimatdorf auf der Insel Poel zurück. Doch der Besuch endet in einem schrecklichen Unglück. Bei einem rätselhaften Unfall kommt Leas Schwester ums Leben, Lea selbst wird schwer verletzt und leidet seither an Amnesie. Vier Monate nach dem Unfall reist Lea gegen den Rat ihrer Ärztin erneut nach Poel. Sie will herausfinden, was sie im Mai auf die Insel führte und wie es zu dem Unfall kommen konnte. Sie selbst kann sich an diese Zeit auf Poel nicht erinnern und ist auf die Hilfe ihrer alten Freunde angewiesen. Doch die Jugendfreunde scheinen ein Geheimnis vor Lea zu verbergen …
Eric Berg hat mit seinem Thrillerdebüt (er schreibt unter Eric Walz auch historische Romane) „Das Nebelhaus“ einen sensationellen Erfolg gelandet. „Das Küstengrab“ ist anders. Es zieht einen nicht so in die Geschichte wie einst „Das Nebelhaus“. Langsamer. Manchmal zu langsam. Aber umso mehr es auf das Ende zugeht, umso mehr Spannung kommt auf und der Showdown ist dann großartig. Vor allem der letzte Satz, mit dem das Hörbuch endet. Peng! Hörbuchsprecherin Nana Spier kann nicht nur lustig und romantisch, sondern sie kann auch Thriller. Sie gibt der Figur der Lea eine eigene Stimme. Sie fängt Leas widersprüchliche Empfindungen stimmlich gut ein.
Auch als Paperback erhältlich bei Blanvalet, 14,99 Euro.
Random House Audio, 2 MP3 CDs, 677 Minuten; 14,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 17.11.2014
Andreas Eschbach
Der Jesus-Deal
Wer hat das originale Jesus-Video gestohlen? Stephen Foxx war immer überzeugt, dass es Agenten des Vatikans gewesen sein müssen und dass der Überfall ein letzter Versuch war, damit ein unliebsames Dokument aus der Welt zu schaffen. Es ist schon fast zu spät, als er die Wahrheit erfährt: Tatsächlich steckt eine Gruppierung dahinter, von deren Existenz Stephen zwar weiß, von deren wahrer Macht er aber bis dahin nichts geahnt hat. Die Videokassette spielt eine wesentliche Rolle in einem alten Plan von unglaublichen Dimensionen. Es soll das Ende der Welt sein, so wie wir sie kennen.
Andreas Eschbach ist einer der größten und erfolgreichsten deutschen Thriller-, Krimi- und Science-Fictionautoren! Und das schon bald zwei Jahrzehnte lang. Nun setzt er seinen, schon fast zum Klassiker gewordenen Thriller, „Das Jesus-Video“, mit „Der Jesus-Deal“ fort. Wer schon diesen ersten Roman mochte, wird auch hier an den Seiten kleben. Und auf die, die „Das Jesus-Video“ noch nicht kennen, kommen gleich zwei spannende Bücher mit einer einfallsreichen und intelligenten Story in Folge zu. „Der Jesus-Deal“ ist ein Buch-Deal, den Sie sich nicht entgehen lassen sollten!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Andreas Eschbach Stammvorleser, das deutsche Schauspieler-As Matthias Koeberlin, liest wieder gekonnt und spannend. 19,99 Euro.
Lübbe, 724 Seiten; 22,99 Euro
Judith Merchant
Die Lügen jener Nacht
Als sie zur Hochzeit ihrer Studienfreundin geladen wird, ist Mimi zunächst skeptisch – hat sie doch den Kontakt lange sträflich vernachlässigt. Doch sie wird herzlich im alten Bonner Freundinnenkreis aufgenommen, und spätestens nach der Junggesellinnenparty im nächtlichen Römerbad ist es, als sei sie nie fortgewesen. Am Hochzeitsmorgen aber bringt ein entsetzlicher Todesfall alles ins Wanken. Misstrauen breitet sich in der eingeschworenen Gruppe aus, und langsam beschleicht Mimi ein Verdacht: Hat man sie nur zur Hochzeit eingeladen, um ihr einen Mord in die Schuhe zu schieben?
„Die Lügen jener Nacht“ überzeugt mit einer spannenden und wendungsreichen Story, einem einnehmenden Schauplatz und einer Heldin, der man glaubt, was sie tut. Allerdings hat Judith Merchant Elemente eingebaut, die in einem Spannungsroman nichts zu suchen haben. Ellenlange Unwichtigkeiten, die die Story nur aufblähen, zu ihrem eigentlichen Hergang aber überhaupt nicht nötig waren. Das bremst die ansonsten gute Geschichte immer wieder unnötig aus. Hier wäre weniger mehr gewesen. 100 Seiten weniger und dem Buch würde nichts fehlen
Knaur, 444 Seiten; 14,99 Euro
Ulla Hahn
Spiel der Zeit
Hilla Palm, Arbeiterkind vom Dorf, ist als Studentin in Köln angekommen. Im turbulenten Jahr 1968 versucht sie hier heimisch zu werden, erkundet die Welt der Sprache, genießt die Freiheit des Denkens, sehnt sich nach Orientierung im Leben und muss doch erkennen: Ich bin meine Vergangenheit. Erst als sie ihrer Liebe begegnet, findet sie die Kraft für einen neuen Blick auf alte Verletzungen.
„Spiel der Zeit“ ist nach „Das verborgene Wort“ und „Aufbruch“ der dritte Roman ihres sehr persönlichen Epos. Und was kann man dieser großen deutschen Literatin zurufen? Bravo, Ulla Hahn! „Spiel der Zeit“ ist ein Roman, den man garantiert so schnell nicht wieder vergisst. Sätze wie Gedichte wechseln sich mit bildhaften Erzählungen ab. Ein Roman der so lebendig ist. Auch trifft Ulla Hahn die Schilderung der damaligen Zeit gut. Manchmal übertreibt sie es dann doch etwas mit ihren Beschreibungen von dem und jenem. Aber Ullas Hahn Buch ist ein Gesamtkunstwerk. Sicher keine einfache literarische Kost, dafür aber mit einem langen Nachgang.
Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Die Autorin liest selbst. Bei so einem persönlichen Text eine gute Wahl. Ulla Hahn holt viel aus ihrem wunderbaren Stil mit ihrer Stimme heraus. 24,99 Euro.
DVA, 557 Seiten; 24,99 Euro
Hape Kerkeling
Der Junge muss an die frische Luft
Hape Kerkeling und seine Kindheit. Er Erzählt über die frühen Jahre im Ruhrgebiet, Bonanza-Spiele, Gurkenschnittchen und den ersten Farbfernseher; das Auf und Ab einer dreißigjährigen und sehr turbulenten Karriere. Und noch viel mehr.
Mit „Ich bin dann mal weg“ hat Hape Kerkeling alle Bestmarken aufgestellt, die man im Buchmarkt aufstellen kann. Nun kehrt er als Autor mit seinen Kindheits- und Lebenserinnerungen zurück. Ganz anders als sein Vorgängerbuch, aber doch irgendwie gleich. Denn wo Kerkeling draufsteht, ist Kerkeling drin. Und das verspricht klugen Humor, Weisheiten und eine flott erzählte Geschichte.
Piper, 311 Seiten; 19,99 Euro
Erik Axl Sund
Schattenschrei
Die Ermittlungen der Kommissarin Jeanette Kihlberg zeigen Erfolge. Zwei Frauen scheinen als Mörderinnen identifiziert. Aber damit ist das Verbrechen noch nicht aufgeklärt. Und auch, was die unauffindbare Victoria Bergman mit den Morden zu tun hat, ist noch unklar. Aber das ist noch lange nicht alles …
Der letzte Teil der herausragenden schwedischen Psychothriller-Trilogie! Und wieder fesselt das Duo mit einer tiefgehenden Story und spannenden Wendungen. Man ist so gespannt, was den Figuren der Geschichte noch alles passiert. Erwartung erfüllt. Diese Trilogie wird lange in Erinnerungen bleiben!
Goldmann, 444 Seiten; 12,99 Euro
Hörbuch der Woche
Petra Hammesfahr
An einem Tag im November
An einem Nachmittag im November verschwindet die fünfjährige Emilie Brenner. Spurlos, denn obwohl die Nachbarn sie noch mit ihrem neuen Fahrrad sahen, ist sie einfach verschwunden. Ein Albtraum für die Eltern, die eine Vermisstenanzeige allerdings viel zu spät aufgeben, und auch für Kommissar Klinkhammer, der aus bitterer Erfahrung weiß, dass bei verschwundenen Kindern jede Minute zählt. Noch ahnt er nicht, dass seit Monaten in der Nachbarschaft Dinge geschehen, die an jenem Tag im November unweigerlich zur Katastrophe führen.
Ein sehr emotionaler und aktueller Spannungsroman! Petra Hammesfahr schildert das Leben von Jungendlichen in der Schule sehr anschaulich. Die Unterdrückung durch andere, die Macht des Stärkeren, und das Versagen der Eltern und der Schule, um den Schwächeren zu helfen. Die Angst der Jungendlichen, wenn sie bedroht und schikaniert werden. Das alles geht einem schon sehr nah. Der Kriminalfall rückt hier ins zweite Glied. Aber auch der zeigt, was plötzlich, einfach so, passieren kann. Regina Lemnitz erzählt sehr einnehmend. Auch wenn sie mit ihrer Stimme nicht so viele Möglichkeiten hat, jeder Figur gerecht zu werden, so macht sie das doch mit vielen Emotionen in der Stimme wieder weg.
Auch als Hardcover erhältlich bei Diana, 19,99 Euro
Random House Audio, 6 CDs, 454 Minuten; 19,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne 03.11.2014
Nele Neuhaus
Die Lebenden und die Toten
Kriminalkommissarin Pia Kirchhoff will gerade in die Flitterwochen fahren, als sie ein Anruf erreicht: In der Nähe von Eschborn wurde eine ältere Dame aus dem Hinterhalt erschossen. Kurz darauf ereignet sich ein ähnlicher Mord: Eine Frau wird durch das Küchenfenster ihres Hauses tödlich getroffen. Beide Opfer hatten keine Feinde. Warum mussten ausgerechnet sie sterben? Der Druck auf die Ermittler wächst schnell. Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein fahnden nach einem Täter, der scheinbar wahllos mordet – und kommen einer menschlichen Tragödie auf die Spur.
Der siebte Fall der Ermittler Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein. Nele Neuhaus lässt keine Ermüdungserscheinungen aufkommen. Auch der siebte Fall des Duos ist wieder intelligente Krimiliteratur, die dem Leser spannende Lesestunden verspricht. Vor allem die Privatleben der beiden Hauptfiguren hat Nele Neuhaus überaus fein gezeichnet. Wie schon in den vorherigen Romanen, wachsen einem die Figuren von Buch zu Buch mehr ans Herz. In diesem Fall wird ein aktuelles Thema aufgegriffen, um das Nele Neuhaus einen guten und schlüssigen Kriminalfall aufgebaut hat. Das Gesamtpaket weiß zu überzeugen. Die Fälle der beiden sind größtenteils vom ZDF bereits erfolgreich und sehenswert verfilmt worden.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Hörbuch Hamburg. Julia Nachtmann, die Stammsprecherin der Neuhaus-Krimis, liest auch den neusten Roman wieder eingängig. Nele Neuhaus und Julia Nachtmann – ein perfektes Team! 19,99 Euro.
Ullstein, 554 Seiten; 19,99 Euro
Andrea Sawatzki
Von Erholung war nie die Rede
Im Nachhinein kann man Gundulas Entscheidung, mit ihrer Schwiegermutter Susanne in die Ferien zu fahren, als durchaus leichtsinnig bezeichnen. Aber die Verlockung eines Familienurlaubs im Oktober war stärker gewesen als ihre Vernunft. Nach einer alles andere als reibungslosen Überfahrt blickt sie jetzt zum ersten Mal aus ihrem Hotelzimmerfenster – in den Regen. Norderney. Was hat sie erwartet? Jedenfalls nicht, dass sie ihr Gepäck selbst von der Fähre hertragen muss. Und das ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die familiären Schicksalsschläge, die Gundula in diesem Urlaub über sich ergehen lassen muss.
Die bekannte und von mir geschätzte Schauspielerin Andrea Sawatzki hat nach „Tief durchatmen, die Familie kommt“ mit „Von Erholung keine Spur“ ihren zweiten Roman um Alltagsfigur Gundula Bundschuh geschrieben. Eine Geschichte, die manchmal angenehm zu lesen ist, aber oft wirkt sie sehr gewollt, unwitzig und wie eine Niederschrift aus Andrea Sawatzkis Leben, und was ihr dort alles nicht passt. Die Autorin hat zwei Kinder und drei Hunde, im Roman werden daraus drei Kinder und zwei Hunde. Das ist dann schon etwas plump, aber so „Jungautoren“ wie die Schauspielerin sollen ja schreiben, was sie verstehen. Und hier ist die Autorin wohl in ihrem Element. Was hervorzuheben ist, sind die Dialoge. Die sind oft sehr spitz und gut pointiert. Da merkt man das Talent der Schauspielerin, die schon viele Drehbücher gelesen hat.
Piper, 272 Seiten; 18,99 Euro
Ernst Engelberg
Bismarck
Ernst Engelbergs Biographie Bismarcks war schon damals bei Erscheinen eine geschichtspolitische Sensation: Es war das einzige große historische Werk, das zeitgleich in Ost- und Westdeutschland publiziert wurde. Durch seinen neuen, vielschichtigen Blick auf Charakter und Überzeugungen des ersten deutschen Reichskanzlers überwand es alle geschichtsideologischen Gräben. Dieses Buch zeigt eindrucksvoll die einzigartige Persönlichkeit Bismarcks und seine herausragenden politischen Werke, die letztlich tragische Züge annahmen. Denn es war Bismarcks größte Leistung, die Schaffung des Deutschen Reiches, die am Ende jenes Altpreußen aufhob, in dem er verwurzelt war.
Wer vom großen Otto von Bismarck bisher noch nichts gelesen hat, dem sei dieses Meisterstück wärmstens empfohlen. Die Neuauflage zeigt den Menschen Otto von Bismarck von Kindesbeinen an; dem jungen, ungestümen Otto, dem zwischen dem 20. und 25. Lebensjhr viel misslang; Otto und das nicht leichte Unterfangen mit der Liebe; seine ersten Schritte in der Politik, die dann wegweisend sein würden, für alles was kam; dem Entgegentreten von Krisen, Konflikten und der Revolution; die Wichtigkeit der Wirtschaft für das Wachsen eines Staates; und noch so viel mehr bis zum Ruhestand von dem großen Otto von Bismarck. Großartig! Zugleich ist das Bismarck-Buch ein Buch über die Entwicklung unseres heutigen Landes. Auch unter diesem Aspekt ist das Buch sehr spannend.
Weiterführend zum Thema ist erschienen: „Das private Leben der Bismarcks“ von Waltraut Engelberg. Hier wird intensiv auf das Privatleben der Bismarcks eingegangen. Erschienen bei Pantheon, 236 Seiten; 14,99 Euro.
Siedler, 864 Seiten; 39,99 Euro
Antonia Hodgson
Das Teufelsloch
London, 1927. Tom Hawkins liebt die Frauen, das Bier und das Glücksspiel – und landet eines Nachts im berüchtigten Schuldgefängnis. Tom erkennt schnell, dass man in der Hölle nur überlebt, wer sich nützlich macht. Er wird Ermittler in einem Gefängnismord. Das bereut er schnell …
Eintauchen in eine Welt, in der man unter keinen Umständen sein will, die einen als Leser aber wahnsinnig fesselt. Das kann man in „Das Teufelsloch“. Ein historischer Krimi mit einer überzeugenden Hauptfigur und einer absolut beängstigenden Atmosphäre
Knaur, 487 Seiten; 19,99 Euro
Regina Scheer
Machandel
Als Clara 1985 ihren Bruder Jan vor seiner Ausreise aus der DDR nach Machandel begleitet, findet sie in dem mecklenburgischen Dorf eine Sommerkate. Schon ihr Vater, einst von den Nazis verfolgt, hat schon in Machandel Zuflucht gefunden. Jetzt ist er im neuen Staat Minister. Nun kehrt sein Sohn diesem Staat den Rücken und Clara engagiert sich in der Bürgerbewegung.
Ein bewegender Roman über aufwühlende Zeiten in der deutschen Geschichte! Regina Scheer komponiert mit „Machandel“ eine Geschichte in einer exquisiten Sprache. Der Roman umfasst eine große Zeitspanne, von den 30er Jahren über den 2. Weltkrieg bis zum Fall der Mauer und in die Gegenwart.
Knaus, 478 Seiten; 22,99 Euro
Hörbuch der Woche
Judith Lennox
Ein letzter Tanz
Zu ihrem 75. Geburtstag hat sich Esme mit ihrer gesamten Familie in dem einstigen Herrenhaus Rosindell versammelt. Doch trotz der traumhaften Kulisse mag keine feierliche Stimmung aufkommen, zu viele traurige Erinnerungen stecken in den Wänden des alten Gemäuers … Alles begann mit einem Tanz, für Esme der schönste Tanz ihres Lebens – ausgerechnet Devlin, für den sie schon seit Kindertagen schwärmte, forderte sie auf der Verlobungsfeier ihrer Schwester Camilla auf. Sie war glücklich. Doch dies sollte sich als der größte Irrtum ihres Lebens erweisen, denn mit dem Tanz nahm eine unheilvolle Liebesgeschichte ihren Lauf …
„Ein letzter Tanz“ zeigt wieder die große Erzählkunst der Judith Lennox. Die Geschichte ist sehr vielschichtig und wird getragen durch seine fein gezeichneten Charaktere. Man leidet und freut sich mit ihnen. Man ärgert sich, versteht die Welt nicht mehr und ist verliebt. Als Leser und Hörer ist dieser „letzte Tanz“ etwas ganz Besonderes. Cathlen Gawlich liest mit großer Hingabe den neuen Lennox-Roman. Vor allem den Frauenfiguren in der Geschichte gibt sie stimmlich jeder ihr eigenes Gesicht. So wird die Geschichte noch lebendiger.
Auch als Hardcover erhältlich bei Pendo, 19,99 Euro.
Osterwold Audio, 8 CDs, 570 Minuten; 24,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 10.11.2014
Bill Bryson
Sommer 1927
Es ist die Geschichte eines Sommers, und doch ist es so viel mehr. Das Jahr 1927. Amerika ist bereits die wohlhabende Weltmacht. Es sind die goldenen Zwanziger: der Aktienmarkt boomt, das Fernsehen wird erfunden, die Filme sind nicht mehr stumm, und verrückte Pläne entstehen, wie der, vier Köpfe in den völlig unzugänglichen Mount Rushmore zu meißeln. Es ist die Zeit, in der ein junger Flieger namens Charles Lindbergh Ruhm und Ehre erlangt, aber auch die des Al Capone und des größten Schulmassakers aller Zeiten. Und in diesen Monaten werden durch fatale Entscheidungen die Weichen für die bevorstehende Weltwirtschaftskrise gestellt.
Unglaublich! Überwältigend! Spektakulär! Nach der Lektüre dieses Buches werden Sie so viel neues und spannendes Wissen angehäuft haben, dass Sie damit auf jeder Party zum Superereignis werden. Wenn Sie sich denn alles merken können, von was der Geschichtengott Bill Bryson in „Sommer 1927“ erzählt. Man erfährt wie Charles Lindbergh den Flug über den Atlantik schaffte und wie zuvor viele andere kühne Piloten daran scheiterten; wie die Mississippi-Flut die USA unter Wasser setzte; wie ein Mordfall die Presse begeisterte, und später Autoren und das Kino massiv beeinflusste; dass die 1920er Jahre das Jahrzehnt der Träumereien war; wie wichtig Baseball zu Zeiten von Babe Ruth für das amerikanische Leben war; wie absurd die Prohibition war; wie der exzentrische Automobilmogul Henry Ford von Brasilien die Erlaubnis bekam, im Land einen praktisch autonomen Staat zu errichten; und noch so viel mehr.
Goldmann, 638 Seiten; 24,99 Euro
Philip Teir
Winterkrieg
Max Paul ist Soziologe an der Universität von Helsinki und zugleich erfolgreicher Buchautor. Er ist spezialisiert auf Sexualität und Ehe – seine eigene Ehe jedoch funktioniert schon lange nicht mehr. Während Max und seine Ehefrau Katriina in eine immer tiefere Krise geraten, hadern auch ihre erwachsenen Töchter mit ihrem jeweiligen Lebensmodell: die Lehrerin und zweifache Mutter Helen genauso wie die Kunststudentin Eva, die mit knapp dreißig ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat. Als Eva eine Affäre mit ihrem Dozenten anfängt und Max eine mit einer jungen Journalistin, spitzt sich die Lage zu.
„Winterkrieg“ wird als großer Gesellschaftsroman aus Finnland angekündigt. Ich habe mich sehr darauf gefreut. Doch die Geschichte hat hohes Gähnpotenzial. Ein lebendiger Roman ist etwas anderes. Die düstere Geschichte kommt nur ganz schwer in die Gänge, die Figuren wecken keine großen Sympathien, und den leichtem Witz und die Spannung muss man in Finnlands Wäldern suchen. „Winterkrieg“ hätte so gut werden können. Ein Roman über die Ehe und die Gesellschaft, der einen durch das ganze Buch trägt. Einer der besten des Genres ist hier der Amerikaner Richard Yates. Der Finnlandschwede Philip Teir kommt hier nicht annähernd heran.
Blessing, 382 Seiten; 19,99 Euro
Hjorth & Rosenfeldt
Das Mädchen, das verstummte
Die Bewohner von Torsby stehen unter Schock: Das Ehepaar Carlsten und seine zwei Söhne wurden ermordet. Kommissar Torkel Höglund und seine Kollegen von der Reichsmordkommission finden heraus, dass es eine Zeugin gegeben haben muss: Nicole, die zehnjährige Nichte der Carlstens. Ihre Fußabdrücke führen in den Wald. Und ihre Überlebenschancen schwinden stündlich. Kriminalpsychologen Sebastian Bergman berührt der Fall, Nicole erinnert ihn an seine eigene Tochter, die er nicht retten konnte. Bergman setzt alles daran, das Mädchen zu finden. Doch Nicole wechselt ihre Verstecke. Denn jemand will um jeden Preis verhindern, dass Nicole erzählt, was sie gesehen hat.
Hjorth & Rosenfeldt ist nach Klüpfel & Kobr und Preston & Child wohl das beste Autorenduo von Krimi- und Thrillerliteratur! „Das Mädchen, das verstummte“ ist das vierte Highlight der Reihe. Der Kriminalfall ist wieder spannend und komplex. Die Geschichte um Sebastian Bergman und die anderen Figuren aus den Vorgängerromanen „Der Mann, der kein Mörder war“, „Die Frauen, die er kannte“ und „Die Toten, die niemand vermisst“ wird ausgezeichnet weitergesponnen. Wie bei anderen großen Krimiautoren so ist auch bei Hjorth & Rosenfeldt das Leben der Protagonisten oft nicht weniger gut dargestellt als der Kriminalfall. Und von der vielschichtigen Figur des Sebastian Bergman lernt man diesmal eine weitere Seite kennen.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Audiobuch. Douglas Welbat liest den spannenden und komplexen Krimi mit großem Feingefühl für die Szenerie. 19,99 Euro.
Wunderlich, 586 Seiten; 19,95 Euro
Thomas Wolfe
Von Zeit und Fluss
Als Harvardstudent und wacher Kundschafter im Menschengetümmel New Yorks lernt der junge Eugene Gant zu denken, zu fühlen, sich von falschen Vorbildern zu lösen und vor allem: sich selbst treu zu bleiben. Er will nicht in Routine erstarren. Eugene macht sich dann auf nach England, schließlich nach Paris. Dort erwarten ihn ungeahnte Verlockungen und Sinnesreize, aber auch bittere Enttäuschungen.
Ein sprachlich überbordender und literarisch sprudelnder Klassiker! Thomas Wolfe (1900 – 1938) wird von Manesse wieder entdeckt und in einer Neuübersetzung herausgegeben. Mit „Von Zeit und Fluss“ atmet man die damalige Zeit ein und Wolfes Figurenzeichnungen, sein Stil, kommen einem Gemälde gleich. Fast 1200 Seiten ein literarischer Hochgenuss!
Manesse, 1181 Seiten; 39,95 Euro
P. C. Cast und Kristin Cast
House of Night – Erlöst
Neferet, die Göttin der Dunkelheit, ist jetzt die uneingeschränkte Herrscherin in Tulsa und im House of Night. Weder Mensch noch Vampyr können ihr mehr gefährlich werden. Zoey Redbird ist die einzige, die mit Hilfe der alten Magie, in einen allerletzten Kampf ziehen kann.
Der 12. und letzte Band der Weltbestseller-Reihe! Was haben die Leserinnen und Leser in zwölf Bänden mitfühlen, mitlieben und mitleiden dürfen. Nun nimmt das Epos mit einem Krawumm ein Ende. Viele werden traurig sein. Es wird aber auch manche geben, die glücklich sind, dass die Reihe nun endlich abgeschlossen ist. Es hat Spaß gemacht, den Figuren über tausende von Seiten zu folgen!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Marie Bierstedt verzaubert wieder mit ihrer zauberhaften Stimme.19,99 Euro
FJB, 523 Seiten; 16,99 Euro
Hörbuch der Woche
Mika Waltari
Sinuhe der Ägypter
In der Einsamkeit der Verbannung, erfüllt von der Sehnsucht nach seiner Heimatstadt Theben, schreibt der ägyptische Arzt Sinuhe die Geschichte seines bewegten Lebens nieder: von der Kindheit in einfachen Verhältnissen über eine Karriere als Leibarzt des Pharaos und abenteuerlichen Reisen in alle Länder Kleinasiens bis hin zur Verbannung aus Ägypten. Sinuhes Lebensgeschichte ist Kultur- und Sittengeschichte des vorchristlichen Orients.
Ein historisch detaillierter Roman aus der großen Zeit von Ägypten. Ein Klassiker des Finnen Mika Waltari, der bereits 1945 das erste Mal veröffentlicht worden ist. Der Weg von Sinuhe ist farbenprächtig und fesselnd, voller Liebe, Leid, Kampf, Kraft, Mut, Krieg und Herrschern. Ein Roman, in dem wirklich viel passiert. „Sinuhe der Ägypter“ bietet noch mehr. Die Menschen bewegt nicht die Gegenwart, sondern nur die Vergangenheit und die Zukunft. Eine von vielen Weisheiten, die dem Leser in dieser epochalen Geschichte dargereicht bekommt. Stefan Kaminski, der Stimmen-Tausendsassa, gibt in diesem prachtvollen Roman jeder Figur sein ureigenes Gesicht. Wie soll es auch anders sein. Ein von Kaminski gelesenes Hörbuch kann man praktisch blind kaufen. Man wird nicht enttäuscht werden, denn er holt aus jeder Geschichte so viel mehr heraus.
Auch als Taschenbuch erhältlich bei Bastei Lübbe, 9,99 Euro.
Lübbe Audio, 2 MP3 CDs, 862 Minuten; 10,99 Euro
Denglers-buchkritik.de