Kolumne 29.09.2014
Ian Rankin
Schlafende Hunde
John Rebus ist zurück im aktiven Polizeidienst. Allerdings muss der zum Detective Sergeant degradierte Rebus nun seinem ehemaligen Schützling Siobhan Clarke zuarbeiten. Die beiden untersuchen gerade einen Autounfall, als bekannt wird, dass die Staatsanwaltschaft einen 30 Jahre zurückliegenden Fall aus Rebus‘ Vergangenheit neu aufrollen will, der ungeheure Sprengkraft entfalten könnte. Damals war Rebus‘ Team beschuldigt worden, Beweise in einem Mordfall manipuliert zu haben. Der mutmaßliche Mörder, ein Polizeispitzel, kam ungestraft davon. Mit den internen Ermittlungen beauftragt ist ausgerechnet Malcolm Fox, der Rebus nicht über den Weg traut und doch auf seine Hilfe angewiesen ist.
Ian Rankin lässt seinen Kult-Ermittler John Rebus nicht ruhen. Zum Glück für die Leser. Aber das ist noch nicht alles, er vereint gleich zwei seiner Krimihelden, John Rebus und Malcolm Fox, in diesem Roman. Und man darf natürlich auch nicht Siobhan Clarke vergessen. Alleine diese drei Figuren geben dem Krimi viel Tiefe. „Schlafende Hunde“ ist ein spannender Kriminalroman der die schottische Gesellschaft von heute zeigt. Hierbei vertieft sich Ian Rankin in ein Thema, das Schottland und Europa in letzter Zeit in Atem gehalten hat: die schottische Unabhängigkeit.
Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Das unverwechselbare Schauspieler-Ass Jürgen Tarrach ist mit seiner kräftigen Stimme die Idealbesetzung für diesen Kriminalroman.19,99 Euro.
Manhattan, 464 Seiten; 19,99 Euro
Katja Kessler
Silicon Wahnsinn
Als ihr Mann für ein Jahr ins kalifornische Silicon Valley muss, sagt Katja Kessler ihrem gemütlichen Leben in Potsdam kurzentschlossen Tschüss und findet sich über Nacht mit vier kleinen Kindern und sieben großen Koffern in einem Mini-Apartment am Highway wieder. Mit einem Mal heißt Alltag: Kolibris vor dem Küchenfenster, der Duft von Eukalyptus in der Luft, Popo-Vermessungs-Roboter in der Jeans-Abteilung. Aber schnell wird auch klar: Hier läuft leider gerade verdammt viel schief …
Die Society-Reporterin Katja Kessler hat ja schon einige Bücher geschrieben, in Erinnerung geblieben sind sie einem nicht. So wird es auch mit ihrem neuen „Silicon Wahnsinn“ sein. Das Buch hat Stellen, da muss man schon mal laut auflachen, aber meistens ist es schon sehr flach und total unlustig. Frau Kessler versucht aber immerzu lustig zu sein. Da bekommt man beim lesen Kopfschmerzen. Wie Schatzi das nur aushält? Deswegen ist Schatzi, „BILD“-Chef Kai Diekmann, wohl auch oft weg. Interessant ist der Alltag in den USA, wenn er dann auch mal im Buch vorkommt. Den erzählt Frau Kessler stellenweise ganz nett. Aber es sind auch hier Erlebnisse dabei, die muss man in keinem Buch niederschreiben. Sie sind einfach langweilig. Und Frau Kessler schreibt auch über Themen, über die man in Society-Kreisen wohl so spricht. „Duhu“, da wird das Buch dann schon mal zum Horrorroman! Hervorzuheben ist die schöne Aufmachung des Buches vom Marion von Schröder Verlag.
Marion von Schröder, 442 Seiten; 14,99 Euro
Michael Kleeberg
Vaterjahre
Karlmann Renns, Freunde und Familie nennen ihn Charly, stellt sich viele Fragen über das Leben. Über seine Frau, seine Tochter, seinen Sohn, seine Freunde, den Beruf, seine Therapeutin, die Kindergartenmütter, über Sex, Liebe, den Sinn des Lebens. Er wird immer älter und reifer und hat dabei vieles zu bewältigen. Trotz Frieden und Wohlstand braucht auch Charly, dieser moderne Jedermann, Trost. Wer kann ihn spenden? Frau und Kinder, die sie selbst trostbedürftig sind, oder doch eher die Dinge? Denn „die Dinge können nicht sterben“.
Michael Kleebergs Erzählstil klingt wie Musik in den Ohren des Lesers. Seit dem ersten literarischen Auftritt von Charly in „Karlmann“ ist die Hauptfigur in die Jahre gekommen. Das gleiche Leben, aber alles hat sich verändert. Michael Kleebergs Figuren, vor allem Charly, haben so viel Leben in sich. Man erwischt sich immer wieder dabei, die gleichen Gedanken zu haben, wie Charly. „Vaterjahre“ ist eine sehr erwachsene und gehobene literarische Ausführung der Männerromane, die derzeit auf dem Markt sind, wie z. B. Tommy Jaud. Jaud schreibt komisch-verrückte Geschichten, auch Kleeberg tut das in Teilen. Aber bei ihm ergibt sich die leiste Komik einfach aus Charlys Leben. Kleeberg schreibt mit so viel Tiefe, Hintersinn, Eleganz, Wahrheit und Ehrlichkeiten, dass es einem schon Gänsehaut verursacht. Er porträtiert den Mann aus der Masse von heute mit seinen ganzen Alltagsproblemen nahezu in Perfektion. Dazu Kleebergs Stil, das macht aus „Vaterjahre“ einen ganz großen Roman. Eine absolute Meisterleistung! Deutsche Literatur mit Tiefe, Aussagekraft, modern und trotzdem traditionell.
DVA, 511 Seiten; 24,99 Euro
Dirk Rohrbach
Highway Junkie
Dirk Rohrbach ist süchtig. Nach den Straßen in die endlose Weite Nordamerikas. Er liebt dieses Land. 40 Reisen in 25 Jahren hat er dorthin gemacht. Nun sattelt er sein Rad und durchquert den Kontinent vom Atlantik zum Pazifik. Immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Begegnungen.
Mit dem Bike quer durch Amerika, für viele ein Traum. Dirk Rohrbach hat diesen Traum gelebt. Für alle die sich das nicht erfüllen können, sei dieser Bild- und Textband empfohlen. Wunderschöne Aufnahmen und knackige Texte lassen einen hautnah diese Reise miterleben.
National Geographic, 224 Seiten; 29,99 Euro
Isabel Völker
Mein Kind hat deine Läuse
Alle Eltern kennen sie, die hochemotional geführten Diskussionen in Kita-Foren, auf Elternabenden und in seitenlangen E-Mails, die jeder politischen Debatte Konkurrenz machen. Der Grund: Der Kampf um das Beste für das eigene Kind.
Hoch peinlich und hoch komisch was die Eltern in ihren Mails da von sich geben. Es zeigt, mein Kind, mein Kind und mein Kind, das sind die drei Dinge, die gegenüber anderen Eltern zählen. So peinlich-komisch und wahrhaftig das Buch auch ist, so stimmt es doch auch nachdenklich, mit was man sich heutzutage alles auseinandersetzen muss oder kann, wenn man ein Kind hat.
Berlin Verlag, 254 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Kerstin Gier
Silber – Das zweite Buch der Träume
Liv ist erschüttert: Secrecy kennt ihre intimsten Geheimnisse. Woher nur? Und was verbirgt Henry vor ihr? Welche düstere Gestalt treibt nachts in den endlosen Korridoren der Traumwelt ihr Unwesen? Und warum fängt ihre Schwester Mia plötzlich mit dem Schlafwandeln an? Albträume, mysteriöse Begegnungen und wilde Verfolgungsjagden tragen nicht gerade zu einem erholsamen Schlaf bei, dabei muss Liv sich doch auch schon tagsüber mit der Problematik einer Patchwork-Familie samt intriganter Großmutter herumschlagen. Und der Tatsache, dass es einige Menschen gibt, die noch eine Rechnung mit ihr offen haben – sowohl tagsüber als auch nachts …
Ein verrücktes, schönes, liebevolles und spritziges Fantasy-Abenteuer aus der Feder einer der deutschen Bestsellerqueens, Kerstin Gier! Silber – Das zweite Buch der Träume ist der zweite Teil der Trilogie. Kerstin Gier entwickelt die Geschichte und die Figuren aus Teil 1 sehr schön weiter. Es kommen auch neue Figuren hinzu und, als zweiter Teil einer Trilogie, werden Fragen beantwortet und neue gestellt. Aber das macht die Sache natürlich noch spannender. Absolut gelungen! Das gilt noch mehr für das Hörbuch. Voller Elan und furiosen Stimmwechseln gelesen von Simone Pahl. Sie bringt viel Spritzigkeit in die Geschichte und die Figuren. Ohr-Kino-Qualität!
Auch als Hardcover erhältlich bei FJB, 19,99 Euro..
Argon Hörbuch, 8 CDs, 573 Minuten; 16,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne 22.09.2014
Stephen King
Mr Mercedes
Eine wirtschaftlich geplagte Großstadt im Mittleren Westen der USA. Ein Wahnsinniger rast mit einem gestohlenen Mercedes durch die wartende Menge von Arbeitssuchenden. Es gibt viele Tote und Verletzte. Der Mörder entkommt. Noch Monate später quält den inzwischen pensionierten Detective Bill Hodges, dass er den Fall des Mercedes-Killers nicht aufklären konnte. Auf einmal bekommt er Post von jemandem, der sich selbst der Tat bezichtigt und ein noch diabolischeres Verbrechen ankündigt. Hodges erwacht aus seiner Rentnerlethargie. Im Verein mit ein paar merkwürdigen Verbündeten setzt er alles daran, den geisteskranken Killer zu stoppen.
Mr King hat mit Mr Mercedes meisterliches vollbracht. Ein spannender Thriller, der einen in die Psyche des Täters und des Ex-Cops entführt. Und Stephen King wäre nicht Stephen King, würde dieser eher einfache Plot nicht zu einem werden, der durch die Erzählweise Kings zu etwas ganz Großartigem wird. Alles, was King beschreibt, hat Hand und Fuß. Bei ihm sitzt jede Beschreibung, von den Menschen, den Taten und von den Dingen. Unnachahmlich. „Mr Mercedes“ ist der erste Teil einer Trilogie. Teil 2 soll 2015 und Teil 3 2016 erscheinen. Stephen King schreibt immer noch so, wie ein Stephen King eben schreibt: GENIAL!
Heyne, 590 Seiten; 22,99 Euro
Jasmin Ramadan
Kapitalismus und Hautkrankheiten
Teresa Kugler ist rastlos, promiskuitiv und liebt niemanden außer ihren Bruder Ture. Beide sind eigenwillig. Immer wenn Teresa sich unter Druck gesetzt fühlt oder sie Erinnerungen an die Kindheit überkommen, wird sie von einer imaginären Schleimschicht befallen. Zuflucht sucht sie bei Ture, der ihr rät, die Ursache ihrer Neurose zu ermitteln. Denn er ist sicher: Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Zerwürfnis ihrer Eltern, dem Wegzug der eng befreundeten Familie Tinn, mit denen sie in den Achtzigern eine wichtige Zeit in Nicaragua verbracht hatten, und Teresas verirrtem Dasein. Teresa beginnt, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Jasmin Ramadan enttäuscht nach ihrem fulminanten Debütroman „Das Schwein unter den Fischen“ auch mit ihrem zweiten Roman „Kapitalismus und Hautkrankheiten“ nicht. Was Ramadans Bücher ausmacht, ist ihr Stil und die Art, eine Geschichte zu erzählen. Was diesen Roman dann trotzdem eine richtig gute Bewertung kostet, ist die Story an sich. Die plätschert so vor sich hin. Sie konnte mich nicht dauerhaft packen. Jasmin Ramadan geht auf unwichtige Sachen zu lange ein und die guten sind dann zu kurz. Trotzdem bleibt Jasmin Ramadan eine Stimme in der jungen deutschen Literatur, die heraussticht.
Tropen, 218 Seiten; 18,95 Euro
Paul Hoffman
Die Stunde des Erlösers
Thomas Cale hat die Augen lange Zeit vor der Wahrheit verschlossen. Seit er aber weiß, dass seine brutale Kampfausbildung nur einer Sache diente, und zwar, Gottes größten Fehler auszumerzen und die Menschheit zu zerstören, wird er von dem gejagt, der ihn einst zum Engel des Todes machte. Aber Thomas Cale ist schwach. Seine Seele liegt im Sterben. Der Tag der Abrechnung rückt unaufhaltsam näher. Cales Rachegelüste ziehen ihn deshalb zurück zur Ordensburg. Er will sich endlich dem Menschen stellen, den er am meisten hasst, und Bosco, den Erlösermönch, konfrontieren. Doch Cale muss erkennen, dass er selbst die Inkarnation von Gottes Zorn ist. Nur er kann entscheiden, ob er seine Bestimmung erfüllt. Das Schicksal der Menschheit liegt damit ganz in seinen Händen …
Der dritte Teil der außergewöhnlichen Fantasy-Trilogie des Engländers Paul Hoffman. Nach „Die linke Hand Gottes“ und „Das letzte Gefecht“ ist „Die Stunde des Erlösers“ nun der krönende Abschluss. Cale und seine Geschichte ist ganz große Fantasy-Literatur! Weit weg von dem, was man normal aus dem Fantasy-Genre kennt. Paul Hoffman bringt historisches und geschichtliches mit ein, und vermischt dies mit seinen spektakulären Einfällen. Was dabei herauskommt fordert den Leser durchaus, aber wer hochwertige Fantasy, abseits bekannter Pfade lesen will, für den ist diese Trilogie genau das richtige.
Goldmann, 607 Seiten; 17,99 Euro
Tanja Kinkel
Manduchai – Die letzte Kriegerkönigin
Manduchai wird zur Königin der Mongolen, Wan die wahre Herrscherin auf dem Drachenthron. Ihre Wege verlaufen sehr unterschiedlich, und das Schicksal scheint häufig gegen sie zu sein. Doch als sich die beiden nach Jahren der Intrigen und Kriege gegenüberstehen, wissen sie, dass es in ihren Händen liegt, ob das Töten weitergeht …
Ein farbenprächtiges Panorama der damaligen Zeit, voller Spannung und Verwicklungen, starken Figuren und einem atemberaubenden Schauplatz. Tanja Kinkel beweist erneut, warum sie zu Deutschlands führenden Autorinnen des historischen Romans zählt. „Manduchai“ lässt einen begeistert zurück.
Droemer, 590 Seiten; 22,99 Euro
Paige Toon
Diesmal für immer
Meg könnte mit ihrem Freund Christian und ihrem kleinen Sohn Barney glücklich leben. Aber Megs Leben ist eine Lüge. Alle denken, Christian wäre Barneys Vater, doch das stimmt nicht. Das Kind ist vom berühmtesten Rockstar der Welt. Und als sie Johnny nach langer Zeit wiedertrifft, wird es noch komplizierter …
Wollen Sie glückliche Stunden verbringen? Dann lesen Sie Paige Toon. Ihre Liebesgeschichten sind anrührend, herzlich, ehrlich, weise, und zeigt, wie das (Liebes)Leben so spielen kann. „Diesmal für immer“ ist die Fortsetzung des Bestellers „Du bist mein Stern“. Die bekannten Figuren nehmen einen gleich wieder mit auf eine Reise der Gefühle.
Krüger, 429 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Hugh Howey
Level
Im Jahr 2049 wird der junge amerikanische Architekt Donald Keene von Senator Thurman mit dem Bau einer riesigen unterirdischen Anlage beauftragt. Noch ahnt er nicht, über welch brisantes Wissen seine Auftraggeber verfügen. Eine Katastrophe steht bevor, die die Erde unbewohnbar machen wird. Die Menschen sollen in fünfzig unterirdischen Silos Zuflucht suchen. In ihnen wird das Leben autoritär organisiert und streng reglementiert. Und es fordert Opfer. Als ein Aufstand ausbricht, muss der Wärter Troy alle Bewohner in den sicheren Tod schicken. Doch Troy weiß mehr über die Silos, als alle vermuten …
Hugh Howeys Debütroman „Silo“ ist auf dem Buchmarkt eingeschlagen wie eine Bombe! Was für eine dramatisch schreckliche, und super spannend geschriebene Geschichte über unsere Zukunft. „Silo“ zu toppen, kaum möglich. Mit seinem Nachfolgeroman „Level“, der eigentlich der Vorgänger ist, ist Hugh Howey das auch nicht gelungen, aber er hat dass Level gehalten. Auch hier ist der Blick in die Zukunft, und was dann wird, unglaublich spannend und vielfältig beschrieben. Eine weitere Fortsetzung sehnt man herbei. Wer „Silo“ mochte, muss „Level“ unbedingt lesen und hören. Das Hörbuch liest Peter Bieringer, der auch schon „Silo“ gelesen hatte. Er beherrscht ein gutes Repertoire an Stimmen und weiß die Feinheiten der Geschichte, mit geschickter stimmlicher Präsenz, zu betonen.
Auch als Hardcover erhältlich bei Piper, 19,99 Euro.
Osterwold Audio, 2 MP3 CDs, 660 Minuten; 19,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne 08.09.2014
Guillaume Musso
Vielleicht morgen
Boston: Harvard-Professor Matthew Shapiro hat Erfolg im Beruf, er müsste eigentlich glücklich sein. Er ist es aber nicht. Jedenfalls nicht mehr, seit der Tod seiner Frau ihn und ihre gemeinsame Tochter einsam zurückließ. New York: Auch die junge Sommelière Emma Lovenstein hat sich mit ihrer Anstellung in einem Sterne-Restaurant beruflich ihren Traum erfüllt. Doch der Erfolg hilft ihr nicht über die Trennung von ihrem Liebhaber François hinweg. Er hat sie am Ende nur betrogen. Seitdem ist das Lächeln aus Emmas Leben verschwunden. Bis zu dem Tag, als Matthew auf einem Flohmarkt etwas kauft, das ihr Leben für immer verändern wird: Einen gebrauchten Laptop mit der Signatur „Emma L.“ …
Guillaume Musso ist ein Zauberer der Worte. Ein Zauberer der Gefühle. Und er zaubert dem Leser ein Gefühl des Glücks ins Gesicht. Bei seinem neuen Roman „Vielleicht morgen“ setzt er das wieder prächtig um, und bringt auch noch Thriller- und Science-Fiction-Elemente ein. „Vielleicht morgen“ – eine spannende und temporeiche Liebesgeschichte der anderen Art. Die Idee, die Guillaume Musso entworfen hat, bietet unglaublich viele Möglichkeiten. Er nutzt viele davon. Und er zeigt, wie unterschiedlich die Liebe sein kann. Nicht immer ist sie so, wie es scheint. Der Franzose Guillaume Musso hat auch wieder Figuren entworfen, mit denen man sich schnell identifizieren kann. Als Leser leidet, liebt und ärgert man sich mit ihnen.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Osterwold Audio. Der bekannte Schauspieler Heikko Deutschmann macht aus dem Musso Roman wieder ein magisches Fest für die Ohren.19,99 Euro.
Pendo, 471 Seiten; 14,99 Euro
Terry Hayes
Faceless
Ein Hotel in New York: In einer Badewanne voll Säure liegt die entsetzlich entstellte Leiche einer Frau. Es gibt keine Fingerabdrücke, keine DNA-Spuren, keine Hinweise auf den Täter. Die Polizei tappt im Dunkeln. Ein Undercover-Agent des US-Geheimdienstes soll helfen, Codename Pilgrim. Er findet eine Spur, diese führt an die türkische Küste zur undurchsichtigen Polizistin Leyla. Dann stößt Pilgrim auf eine terroristische Verschwörung, in Amerika soll ein verheerender Anschlag begangen werden. Um die Anschlagspläne zu vereiteln, muss der Agent einen gefährlichen Kampf gegen die Zeit gewinnen.
Ein packender Thriller! Wenn da nur nicht die zahlreichen Längen wären, würde „Faceless“ auch durchgängig packen. Denn das ist das Problem des Thrillers. Durch ausschweifende Beschreibungen schaltet Terry Hayes immer wieder ganz stark vom fünften in den ersten Gang herunter. Und da ist man dann immer kurz vorm Einschlafen. 300 Seiten weniger, der Thriller hätte eine 1 bekommen. Trotzdem überzeugt der Spionagethriller „Faceless“ mit einer guten Geschichte und durchaus der ein oder anderen überraschenden Wendung. Man geht also mit gemischten Gefühlen raus, aus dieser rasanten und auch schleppend vorankommenden Thrillerfahrt.
Page & Turner, 796 Seiten; 14,99 Euro
Silvia Avallone
Marina Bellezza
Die bildhübsche Marina Bellezza will eine berühmte Sängerin werden, im Fernsehen und den Medien präsent sein. Ihre Jugendliebe Andrea kann das nicht verstehen. Er möchte nur die Alm seines Großvaters bewirtschaften. Sie können nicht mit, aber auch nicht ohne einander. Was sie verbindet, ist der übermächtige Wunsch, der Gegenwart zu entkommen. Und damit auch dem langweiligen Provinzstädtchen Biella, in dem beide groß wurden. Doch ihre Wege nehmen andere Abzweigungen, als die beiden eingeplant haben …
Ein Liebesroman wie ein Gedicht! Mit einer furiosen, erfrischenden, bildreichen und modernen Sprache erzählt. Dem Leser ergeht es wie Andrea, auch ihm geht Marina schon bald nicht mehr aus dem Kopf. So schön, so elegant, so kurzsichtig, so eingleisig denkend. Marina ist kein Abziehbild, sondern eine Frau, die die verschiedensten Gefühle weckt. Man leidet mit Andrea und seinem Weg, weg von Marina, hin zu Marina. Wo wird die Reise enden? In „Marina Bellezza“ holen die großen Gefühle die kleinen ein und umgekehrt. Das Leben, die Liebe, Italien, „Marina Bellezza“ zeigt das alles. Die Italienerin Silvia Avallone hat nach ihrem eindrucksvollen Debüt „Ein Sommer aus Stahl“ genauso eindrucksvoll nachgelegt.
Klett-Cotta, 566 Seiten; 24,95 Euro
Jonathan Tropper
Der Sound meines Lebens
Der einstige Rockstar Drew Silver spielt nur noch auf Hochzeiten und Geburtstagen, und wohnt in einem heruntergekommen Motel. Nach einem Zusammenbruch will er die lebensrettende OP nicht machen. Da hat er die Rechnung allerdings ohne seine Familie gemacht, die ihn nicht einfach abtreten lassen will..
Jonathan Tropper versteht es wie kaum ein zweiter männlicher Autor, in dem Genre der Dramödie alle Register zu ziehen. Seine Bücher sind immer halsbrecherische Gefühlswelten, die man durchlebt. Soll man lachen oder weinen? Bei Tropper geht das ineinander über. So auch in „Der Sound meines Lebens“.
Droemer, 377 Seiten; 19,99 Euro
Nina Ohlandt
Küstenmorde
Amrum. Ein alter Mann stirbt, kopfüber aufgehängt am Inselleuchtturm. Auch seine Frau wird brutal ermordet. Hauptkommissar John Benthien von der Flensburger Kripo ermittelt. Wer steckt hinter dem grausamen Doppelmord? War es ein Racheakt?
Eine neue deutsche Krimistimme – und was für eine! Nina Ohlandt packt über 500 Seiten voll mit Spannung, Stimmung, Stil und starken Charakteren. Mit Hauptkommissar John Benthien hat die Autorin eine Figur erschaffen, von der man gerne noch mehr erfahren will. „Küstenmorde“ – Krimifreuden!
Bastei Lübbe, 509 Seiten; 8,99 Euro
Hörbuch der Woche
Alfred Döblin
November 1918
Es sind die ersten Novembertage des Jahres 1918, der Kaiser ist nach Holland geflüchtet, der Krieg für Deutschland verloren. In einem elsässischen Städtchen warten Soldaten und Zivilisten auf Neuigkeiten. Sie hören die Kunde einer Revolution, ausgehend von Matrosen in Kiel und von dort weitergetragen in das ganze deutsche Reich. Die Geschichte erzählt u. a. vom verwundeten Oberleutnant Becker auf der Suche nach neuen Werten, und hören, wie die tief gespaltene Bevölkerung sich auf die Besatzung durch französische Truppen vorbereitet.
Alfred Döblin wird 1929 mit dem Roman „Berlin Alexanderplatz“ berühmt. 1939 erscheint der erste Band des Revolutionsromans November 1918. Das Hörspiel enthält „Bürger und Soldaten“, „Verratenes Volk“ und „Heimkehr der Fronttruppen“. Es zeigt, wie der Krieg mit einer dramatischen Niederlage zu Ende geht, die keine sein soll, und wie das Volk eine Revolution vorantreibt. Authentisch und spannend erzählt und gesprochen. Produziert wurde das Hörspiel von NDR Kultur und SWR2. Und wie! So spannend die Geschichte, so spannend wurde auch das Hörspiel inszeniert. Mit über 50 bekannten Stimmen, darunter Laura Maire, Sebastian Rudolph, Jakob Diehl, Hanns Zischler, Burgart Klaußner, Jens Wawrczeck, Dietmar Bär und Jan Hofer.
Der Hörverlag, 4 CDs, 262 Minuten; 24,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne 15.09.2014
Iny Lorentz
Die List der Wanderhure
Die Äbtissin Isabelle de Melancourt hütet in ihrem Waldkloster ein Geheimnis. Leopold von Gordean und seine Ordensritter sind überzeugt, dass es sich um das Versteck des heiligen Grals handelt. Sie überfallen das Kloster, morden und nehmen Isabelle und andere gefangen. Die Novizin Justina entkommt ihnen und macht sich auf den Weg, den Würzburger Fürstbischof Johann von Brunn um Hilfe zu bitten. Die Schergen des Großmeisters holen sie ein und wollen sie töten. Da greifen die ehemalige Wanderhure Marie und ihr Mann Michel ein. Die beiden ahnen nicht, dass Justinas Rettung für sie der Beginn eines gefahrvollen Weges ist, auf dem ständig der Tod lauert.
„Die List der Wanderhure“ ist zwar der sechste Roman der Reihe, aber chronologisch ist er der vierte. Hier kommen auch zwei Figuren vor, die vom Filmteam von „Die Rache der Wanderhure“ entworfen wurden. Iny Lorentz bieten wieder eine Menge historisches Abenteuerkino! Bei Iny Lorentz wird jedes Umblättern zum Ereignis. „Die List der Wanderhure“ wird nie langweilig, da auf den fast 700 Seiten immer was passiert. Das Personal überzeugt auch, und es ist nett zu sehen, wie zwei Figuren aus dem Film nun im Buch auftauchen. Marie und Michel gemeinsam agieren zu sehen, ist für die Leser der Reihe sehr schön. Das war auch das Ansinnen des Autorenteams. „Die List der Wanderhure“ bietet wieder viele vergnügliche Lesestunden.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Iny-Lorentz-Stammsprecherin Anne Moll gibt auch diesem historischen Abenteuer eine gute stimmliche Untermalung.19,99 Euro
Knaur, 675 Seiten; 19,99 Euro
Judith Hermann
Aller Liebe Anfang
Stella und Jason sind verheiratet, sie haben eine Tochter, Ava, sie leben in einem Haus am Rande der Stadt. Ein schönes, einfaches Haus, ein kleiner Garten, ein alltägliches ruhiges Leben, meist ohne Jason, der viel arbeitet. Aber eines Tages steht ein Mann vor der Tür dieses Hauses, ein Fremder, jemand, den Stella nie zuvor gesehen hat. Er sagt, er wolle sich einfach einmal mit ihr unterhalten, mehr sagt er nicht. Stella lehnt das ab. Der Fremde geht und kommt am nächsten Tag wieder, er kommt auch am Tag darauf wieder, er wird sie nicht mehr in Ruhe lassen. Es beginnt ein Alptraum …
Der gefeierte Literaturstar – warum auch immer – Judith Hermann hat eine Geschichte geschrieben, die eigentlich gar keine Geschichte ist. Sie ist eine lose Zusammensetzung einzelner Sätze. Es ist ja Frau Herrmanns erster Roman. Sie muss noch sehr viel lernen, um sich eine Romanautorin nennen zu dürfen. Man darf als Leser also keinen großen Inhalt in diesem Roman erwarten, sondern nur ein Hülle. Figuren – blass. Atmosphäre – nicht vorhanden. Spannung – gleich null. In Deutschland gibt es hunderte von Autoren, die zehnmal besser schreiben als Frau Hermann, doch Frau Hermann schafft es mit dem unverständlichen Glanz damaliger Zeit weit nach oben auf die Bestsellerliste. Wenn man diesen Roman als große Literatur bezeichnet, dann muss man auch die Western-Hefte von Bastei Lübbe als solche bezeichnen. Doch halt, die habe wenigstens eine spannende Geschichte zu bieten. Man würde die Autoren dieser Hefte damit in eine Schublade mit Frau Hermann stecken. Das wäre sehr ungerecht gegenüber diesen Autoren.
Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Die Autorin liest selbst. Wie das Schreiben, hätte sie auch das wem anders überlassen sollen. 19,99 Euro.
S. Fischer, 219 Seiten; 19,99 Euro
Rowan Coleman
Einfach unvergesslich
Der Name deiner erstgeborenen Tochter. Das Gesicht deines Mannes. Dein Alter. Deine Adresse. Was wäre, wenn du dich an all diese Dinge nicht mehr erinnern könntest? Was wäre, wenn es kein Gestern mehr gäbe, sondern nur noch den Zauber einzelner Augenblicke? Neuerdings weiß Claire nicht mehr, welcher Schuh zu welchem Fuß gehört. Oder wie das Gemüse heißt. Und manchmal geht sie im Pyjama spazieren. Sie weiß, dass das nicht normal ist. Doch das Leben ist zu kurz, um Trübsal zu blasen. Und so schreibt sie, noch bevor die letzte Erinnerung verblasst, all die großen und kleinen Momente der vergangenen Jahre nieder. Wohl wissend, dass diese Gedankenschnipsel schon bald das Einzige sein werden, was ihrer Familie von ihr bleibt …
„Einfach unvergesslich“, der Titel sagt es schon, dieses Buch werden Sie nicht mehr vergessen können. Der Engländerin Rowan Coleman ist mit diesem Buch ein echter literarischer Schatz gelungen. Ein Roman, der nur so übersprudelt vor Gefühlen. Den unterschiedlichsten. Traurig, schön, liebreizend, herzzerreißend, lachen, weinen, glücklich sein, zu Tode betrübt sein. All das und noch viel mehr erlebt man bei der Lektüre dieses Romans. Literatur kann kaum schöner sein, als einem solche Gefühle zu vermitteln. „Einfach unvergesslich“ – eben.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Osterwold Audio. Osterwold Audio hat für diesen fantastischen Roman ein fantastisches Leserquartett engagiert: Nina Petri, Vanida Karun, Achim Buch und Charlotte Schwab. Sie lesen die unterschiedlichen Figuren des Romans. 19,99 Euro.
Piper, 410 Seiten; 14,99 Euro
Peter James
Mörderische Obsession
Schauspielerin und Sängerin Gaia Lafayette steht vor der Rolle ihres Lebens. Der Filmagent Larry Brooker vor dem Geschäft seines Lebens. Und für Brighton ist der Film das Ereignis des Jahres. DS Roy Grace soll den Superstar beschützen, da sie Drohungen erhalten hat. Nicht Graces einziges Problem …
„Mörderische Obsession“ ist der achte Fall für Detective Superintendent Roy Grace. Wieder ein wahrer Thriller-Besteller mit einer ausgetüftelten Story und einprägsamen Figuren! Der Engländer Peter James hat es einfach drauf, rasend schnelle Thriller zu erzählen. Nicht umsonst werden seine Bücher in 33 Sprachen übersetzt.
Scherz, 410 Seiten; 14,99 Euro
Colin Cotterill
Grabgesang für Dr. Siri
Laos. Der brillante Leichenbeschauer Dr. Siri wird an einen Tatort gerufen. Eine junge Frau wurde nackt mit einem Degen in der Brust aufgefunden. Doch damit nicht genug. Es werden weitere Frauen mit einem Degen getötet. Und der Mörder hinterlässt eine Signatur. Ein rätselhafter Fall, genau das Richtige für Dr. Siri.
Wer einmal einen Roman aus der Dr.-Siri-Reihe gelesen hat, ist den Büchern verfallen. Der muss alle lesen. Der in Thailand lebende Engländer wird mit jedem Buch besser. „Grabgesang für Dr. Siri“ hat wieder einen echt außergewöhnlichen Fall zu bieten. Genau passend für die außergewöhnliche Figur des Dr. Siri.
Manhattan, 381 Seiten; 17,99 Euro
Hörbuch der Woche
Sarah Lark
Der Klang des Muschelhorns
Neuseeland, Canterbury Plains, 1853. Auf Rata Station ist die nächste Generation herangewachsen: Cat und Ida sind stolz auf ihre wunderbaren Töchter Carol und Linda. Von den Nachbarn jedoch wird die Familie mit ihrer erfolgreichen Farm mit Unmut und Neid betrachtet. Dann ereignet sich ein schrecklicher Schicksalsschlag, Rata Station ist plötzlich in Gefahr. Werden Carol und Linda ihre gesicherte Zukunft und ihr Zuhause verlieren? Doch das ist noch lange nicht alles. Denn Ureinwohner, die Maori, haben auch ihre Pläne, und die können für so manchen tödlich enden …
Sarah Lark ist eine große Geschichtenerzählerin! Sie setzt mit „Der Klang des Muschelhorns“ den Roman „Die Zeit der Feuerblüten“ fort. Ein großer Abenteuerroman mit viel Liebe, Romantik, Gänsehautmomenten und spannenden Wendungen. Auch die Figuren sind bei Sarah Lark wieder bis ins Detail gestaltet, so kann man ihr Handeln noch besser verstehen. Katrin Fröhlich, die deutsche Stimme von Gwyneth Paltrow und Cameron Diaz, liest dieses große Abenteuer. Sie gibt, vor allem den weiblichen Figuren, viel stimmliche Kraft, und man spürt die Energie, die die Figuren haben. Katrin Fröhlich gibt dem „Klang des Muschelhorns“ einen tollen Klang.
Auch als Hardcover erhältlich bei Lübbe, 18,00 Euro.
Lübbe Audio, 8 CDs, 575 Minuten; 19,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne 01.09.2014
Hillary Rodham Clinton
Entscheidungen
Hillary Rodham Clinton erzählt, welche Krisen und Herausforderungen sie während ihrer vierjährigen Amtszeit als amerikanische Außenministerin zu meistern hatte. Und sie spricht darüber, was sie aus diesen Erfahrungen für die Zukunft ableitet. Nach der verlorenen Präsidentschaftskandidatur 2008 wollte sie eigentlich wieder für den Staat New York in den Senat zurückzukehren. Aber zu ihrer Überraschung bat sie ihr bisheriger Konkurrent um die Nominierung der Demokratischen Partei und jetzt neugewählte Präsident Barack Obama, in seinem Kabinett das Außenamt zu übernehmen. Clintons Erinnerungen sind die Geschichte dieser historischen vier Jahre und der schweren Entscheidungen, die sie und ihre Kollegen zu treffen hatten.
Hillary Rodham Clinton hat lange nach einem Titel für ihr Buch gesucht. Mit „Entscheidung“ hat sie eine gute Wahl getroffen. Denn auch für den Leser ist es eine sehr gute Entscheidung, dieses Buch zu lesen. Es gewährt einem intensive Einblicke in die Politik Amerikas und der Welt. Hillary Rodham Clinton versteht es ausgezeichnet, einen mit am Tisch sitzen zu lassen, wenn wichtige Entscheidungen gefällt werden. Zu sehen, wie kleine und große Politik in der heutigen globalen Welt funktioniert. Ihre Erinnerungen enthalten so viele spannende Geschichten – politische, menschliche und historische. „Entscheidungen“ bieten fast 900 Seiten Lesestoff – jede Seite davon habe ich genossen!
Droemer, 895 Seiten; 28,00 Euro
Jonathan Lethem
Der Garten der Dissidenten
Wegen der Affäre mit einem schwarzen Polizisten wird Rose Zimmer aus der kommunistischen Partei Amerikas ausgeschlossen. Zuvor war bereits ihr deutsch-jüdischer Ehemann Albert als Spion in die DDR verbannt worden. Dennoch hält Rose stur und tyrannisch an ihren politischen Überzeugungen fest. Ihre Tochter Miriam kann vor Roses erdrückendem Einfluss nur in die aufkommende New-Age-Bewegung fliehen. Miriams Sohn wächst dagegen in einer Welt auf, in der gesellschaftliche Ideale bloß noch belächelt werden. Und doch kämpfen all diese Menschen darum, ihre utopischen Träume in einem Amerika zu verwirklichen.
Ich habe mich sehr auf die Geschichte gefreut, da sie sich interessant anhört und in einer spannenden Zeit spielt. Doch sehr schnell musste ich merken, dass der in New York geborene Jonathan Lethem mehr für sich schreibt, als für seine Leser. Wenn er einen Preis bekommen wollte, dass man eine Geschichte nicht einfach und verständlich erzählt, sondern kompliziert und mit überbordenden Wortwust, dann muss man ihm gratulieren. Diesen Preis würde er für „Der Garten der Dissidenten“ erhalten. Wer also auf qualvolle Lesestunden aus ist, der kann sich dieser eigentlich guten Geschichte, hingeben.
Tropen, 476 Seiten; 24,95 Euro
Rainer Löffler
Blutdämmerung
Der Himmel ist blau, die Sonne brennt, das Wasser im See schimmert türkis. Im nahe gelegenen Wäldchen singen die Vögel. Unter Wasser dann: Stille. Kühle. Frieden. Ewiger Frieden. Nicht zum ersten Mal wird Martin Abel, bester Fallanalytiker des Stuttgarter LKA, nach Köln beordert. Im See am Ginsterpfad wurde von Hobbytauchern eine Leiche entdeckt – eine junge Frau, gekleidet wie für eine Hochzeit. Und sie war nur die erste. Nun sind es schon fünf – fünf tote Bräute. Was ihnen angetan wurde, ist so verstörend, dass es nicht an die Öffentlichkeit dringen darf …
Nach dem spannungsvollen Bestseller „Blutsommer“ legt Rainer Löffler nun eindrucksvoll nach, mit „Blutdämmerung“. Wieder ein Thriller, der einen gleich auf den ersten Seiten packt. Hier versteht es Löffler, wie schon in „Blutsommer“, die Spannung Seite um Seite zu steigern. Aber sein großes Plus ist auch sein Personal. Martin Abel und alle anderen Figuren sind sehr gut ausgearbeitet, und so sind ihre privaten Geschichten nicht weniger spannend als die Thrillerhandlung. „Blutdämmerung“ ist wieder ein Thriller-Hit!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Audio Media. Martin Umbach, der u. a. Russell Crowe synchronisiert, gibt diesem Thriller mit seiner herben Stimme genau die richtige Stimmung. 19,99 Euro.
Rowohlt, 409 Seiten; 8,99 Euro
Theodor Michael
Deutsch sein und schwarz dazu
Theodor Michael, Mutter deutsch, der Vater aus Kamerun, hat fast ein Jahrhundert deutsche Geschichte erlebt. Zuerst gemocht, dann landeten die Schwarzen in der Nazizeit im KZ. Theodor Michael hat das alles überlebt, wurde aber dann verdächtig, weil er überlebt hatte. Am Ende wurde er Regierungsdirektor beim BND.
WAS für eine gelebte Geschichte! Kamerun galt damals als deutsches Schutzgebiet und man hat die Afrikaner gerne bei uns gesehen. Das war der Beginn von Theodor Michaels Geschichte. Was er dann alles in Deutschland erleben durfte und musste, liest sich wie ein spannender Fernsehfilm. Manchmal denkt man wirklich, das muss doch erfunden sein. Aber die Wirklichkeit schreibt die unglaublichsten Geschichten. Theodor Michael ist ein deutsches Vorbild! Die Hautfarbe spielt dabei überhaupt keine Rolle.
dtv, 199 Seiten; 14,90 Euro
Boris Reitschuster
Putins Demokratur
In Russland spricht man von „lupenreiner Demokratie“. Doch davon kann nicht die Rede sein. Putins Demokratur ist eine autoritäre Diktatur im westlichen Gewand. Putins Ideologie stammt noch aus der Giftkiste von KGB und KPdSU. Der Westen ist diesem Politik-Stil nicht gewachsen. In diesem Buch erfährt man vieles, was damals wie heute so einschlägt, dass der Autor gar bedroht wurde.
Oh, warum musste dieses Buch von 2006, die jetzige Ausgabe ist aktualisiert und erweitert, wieder so aktuell werden? Was sich da zwischen Russland, der Ukraine und Europa aufbaut ist schrecklich. Man kann nur hoffen, dass es noch eine politische Lösung gibt. In diesem Buch erzählt Russland-Kenner Reitschuster, wie Wladimir Putin ein sich öffnendes Land wieder schloss und Russland zu einem Staat machte, der eine ganz eigene Sicht auf eine Demokratie hat.
Econ, 413 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Arto Paasilinna
Der Mann mit den schönen Füßen
Aulis Rävänder ist ein erfolgreicher Unternehmer, Besitzer eines Schleppers, er hat viel zu tun, eine schöne Wohnung in einem teuren Stadtteil Helsinkis und – nicht zuletzt, seine langjährige Ehefrau und zwei Kinder. Er lebt sein Leben, bestimmt von der Arbeit, Tag ein, Tag aus, bis ihm seine Frau eines Tages eröffnet, dass sie einen anderen Mann kennengelernt hat und die Scheidung will. Fassungslos zieht sich Rävänder auf eine Insel zurück. Einsam wie er ist, ruft er bei der Telefonseelsorge an, verwählt sich, aber landet stattdessen bei der resoluten Geschäftsfrau Irene Oinonen. Ein Anruf mit Folgen. Und dann lernt er auch noch den Lover seiner Frau kennen …
Der finnische Kultautor Arto Paasilinna ist ja bekannt für seine skurrilen Geschichten. Drama und Komödie reichen sich die Hand. „Der Mann mit den schönen Füßen“ ist aber so was von abgedreht, einfach herrlich. Was als Beziehungsdramödie beginnt schlägt um in einen Krimikomödie, die mit einer aberwitzigen Story aufwartet und manch unerwartete Wendung mit sich bringt. Unterhaltungsgrad – sehr hoch! Großen Anteil daran hat Jürgen von der Lippe. Denn er liest dieses Hörbuch. Leider macht er das viel zu selten. Er sollte mehr Hörbücher lesen. Mit seiner witzigen Stimme macht er aus der Geschichte noch viel mehr. Er gibt der Komik noch mehr Schwung.
Auch als Hardcover erhältlich bei Lübbe, 18,99 Euro.
Lübbe Audio, 4 CDs, 298 Minuten; 14,99 Euro
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