Kolumne vom 01.10.2018 – Nr.528
John Connolly
Stan
Ein Greis blickt zurück auf sein Leben. Es beginnt vor dem Ersten Weltkrieg, als ein junger britischer Komiker nach Amerika fährt. Auf der Bühne hat er wenig Glück. Aber dann dreht er in einem Dorf Namens Hollywood seinen ersten Film. Wenige Jahre später ist er ein Weltstar, zusammen mit seinem besten Freund. Die beiden werden bis zu Ollies Tod untrennbar sein, danach wird er nie mehr einen Film drehen, sondern bis zuletzt Dialoge für Ollie und sich schreiben. Dieses Leben erzählt Connolly vor der faszinierenden Kulisse der Traumfabrik, die so voller Glanz und Schatten war.
Eine Roman-Biographie voller Witz, Eleganz, Tempo und literarischer Klasse! Dass der irische Bestsellerautor John Connolly, bekannt durch seine Krimis und Thriller, auch eine literarische Roman-Biographie schreiben kann, daran denkt man nicht sofort. Aber er hat mit „Stan“ wahrlich ein tolles Buch über das Leben von Arthur Stanley Jefferson oder Stan Laurel geschrieben. Für Stan Laurel ist, als er um Aufmerksamkeit und Ruhm kämpft, Charlie Chaplin lange Zeit der Fixpunkt am Komikeruniversum. Da möchte er hin, aber nicht so sein wie der Mensch Chaplin, denn Chaplin ist menschlich ein „Monster“ und „versucht jede junge Frau zu ficken, die den Fehler begeht, zu lange an einem Ort stehen zu bleiben“. Für Stan ist es ein harter und steiniger Weg bis zum späteren Star, als den ihn die Welt nun kennt. Ihn zeichnet auch immer seine Bescheidenheit aus und das Denken daran, dass der Ruhm auch ganz schnell wieder vorbei sein kann. Zu viele Niederschläge hatte er erleben müssen. Auch sein Privatleben ist nicht auf Rosen gebettet. Er hat auch dort einige Klippen, vor allem mit den Frauen, zu umschiffen. Auch den Lebensweg des „Dicken“ Babe Hardy erlebt man in „Stan“ in Teilen mit. Für Cineasten und „Dick-und Doof“-Fans ist „Stan“ ein Fest von einem Buch! Ein kleines Manko hat das Buch dann doch: die vielen Namen der damaligen Filmindustrie, die John Connolly zwar niederschreibt, sie aber nicht mit Leben erfüllt. Sie bleiben daher nur Namen ohne Gesichter.
Rowohlt, 527 Seiten; 24,00 Euro
Dr. med. Heike Melzer
Scharfstellung – Die neue sexuelle Revolution
Das Internet ist dabei unser aller Leben, die Liebe und unsere Sexualität nachhaltig zu verändern: Dank der ständigen digitalen Verfügbarkeit von Reizen löst sich Sexualität zunehmend aus ihrer Einbettung in der Partnerschaft. Neue sexuelle Funktionsstörungen breiten sich rasant aus. Die Grenzen von Beziehungen werden durchlässig. Kinder konsumieren Pornografie häufig Jahre vor dem ersten Kuss. In therapeutischen Praxen häufen sich die Klagen Betroffener, deren Phantasien und Verhaltensweisen sich dermaßen verselbstständigen, dass sie dabei sind, alles, was ihnen bisher lieb und teuer war, zu gefährden. Wie verändert sich unser Sexleben und damit auch die Gesellschaft durch Netzpornos, Dating-Apps, Sex-Toys und käuflichen Sex?
„Scharfstellung“ ist nicht so „scharf“, wie es der Titel verspricht! Wer nicht in einer 100-% -glücklichen Beziehung lebt oder komplett dem Sexualleben abgeschworen hat, für den wird dieses Buch nicht viel Neues oder Überraschendes bieten. Die Zusammenfassung der einzelnen Hauptthemen in einem Buch ist ganz nett, und bietet hier und da interessante Einblicke, aber ansonsten ist „Die neue sexuelle Revolution“ nicht mehr ganz so neu. Die Hauptthemen sind: „Masturbation & Sextroversion“, „Scharfmacher der Nation: Pornos“, „Es rappelt in der Kiste: Sex-Toys“, „Die Wahre Liebe: Prostitution“, „Lust ohne Alltagslast: Casual Dating“, „Beobachtungen aus der Praxis: Sexualität im Wandel“, „Verführt, verschärft, versext: Sex- und Pornosucht“ und „Kinder und Jugendliche: Aufklärung geht heute anders“.
Tropen, 234 Seiten; 16,95 Euro
Veikko Bartel
Mörderrinnen
Warum töten Menschen? Was lässt sie diese letzte Grenze überschreiten? In über 30 Tötungsdelikten hat Veikko Bartel schon vor Gericht verteidigt, in diesem Buch erzählt er die vier spektakulärsten, anrührendsten, grausamsten Fälle. Er schildert die Hintergründe, die hasserfüllten Reaktionen der Öffentlichkeit und die biographischen Tragödien, die sich hinter den Taten verbergen, den Zynismus und die Resignation der Justizbehörden. Sein Buch stellt die Frage nach Gerechtigkeit und zeigt mit jedem Fall: Die Realität ist spannender als jeder Krimi.
Veikko Bartel lässt den Leser tief in die Seele von Frauen blicken, die zu Mörderinnen wurden! „Mörderinnen“ ist ein Buch, das mehr zeigt als die „bloße“ Tat, es zeigt das Innenleben der Frauen, was sie dazu getrieben hat zu töten oder es versucht haben, und wie ihr Fall vom Rechtsstaat abgeurteilt wurde. Spannend und rasant erzählt! Das Buch enthält vier Geschichten: „Elvira P: – Die Kindsmörderin“, „Hertha F. – Die Gattenmörderin“, „Gina S. – Die Sadistin“ und „Natascha G. – Die Giftmörderin“. Dabei sind „Die Sadistin“ und „Die Giftmörderin“ mit jeweils um die 60 Seiten die längsten Geschichten. Veikko Bartel arbeitet heute nicht mehr als Strafverteidiger, sondern als Dozent für Steuerrecht. Ich denke, das ist eher ungewöhnlich. Irgendwann schienen ihm die Mordfälle dann doch zu viel zu werden.
Mosaik, 231 Seiten; 18,00 Euro
Thomas Drexel
Best of Low Budget Häuser
Die 50 schönsten Low-Budget-Häuser der letzten Jahre in diesem Buch zeigen unterschiedlichste Wege zum architektonisch hochwertigen und gleichzeitig kostengünstigen Bauen. Singlehaus oder Familiendomizil, Satteldach oder Flachdach, Holz oder Beton: hinsichtlich Größe, Bauformen und Materialien illustrieren die Projekte eine riesige Bandbreite. Jeder kostenbewusste Bauherr erhält eine Vielzahl an Vorbildern und Ideen, bis hin zu Hinweisen zur Wahl des richtigen Architekten. Jedes Projekt wird mit kompakten Texten, bautechnischen Informationen, Baudaten und Kostenangaben (Brutto-Gesamtkosten), Plänen und Fotos vorgestellt.
Für Architektur-Interessierte und anstehende Häuslebauer ist dieses Buch eine wahre Fundgrube von frischen und preiswerten Ideen! Welche neuen Möglichkeiten gibt es sein Wunschhaus, dass nicht von der Stange kommt, zu einem akzeptablen Preis in die Tat umzusetzen? Dieses Buch gibt Aufschluss. Sie erwarten Häuser von 80.000 € bis 300.000 €. Von ganz klein bis passabel luxuriös.
DVA, 288 Seiten; 30,00 Euro
Robert Kirkland / Jay Bonansinga
The Walking Dead – Der Anfang
Die Apokalypse: Eine weltweite Plage lässt die Toten wiederauferstehen und Jagd auf Menschenfleisch machen. Die wenigen Überlebenden fliehen in Angst und Schrecken – bis auf einen. Der Mann, den sie später nur den „Governor“ nennen werden, beschließt, sich dem Grauen entgegenzustellen. Dies ist seine Geschichte …
„The Walking Dead“ ist DIE weltweite Serien-Sensation! Eine Serie, die weit mehr als Horror zu bieten hat. Sie zeigt tiefgründige Charaktere im Auge des Untergangs der uns bekannten Welt. Grandios! Kult-Autor Robert Kirkland hat mit Jay Bonansinga auch ganz starke Romane zur Serie verfasst. „Der Anfang“ ist der erste Doppelband der Reihe, der die Folgen „Der Aufstieg des Governor“ und „Der Weg nach Woodbury“ enthält. Auch ein zweiter Doppelband mit dem Titel „Der Governor“ ist bereits erscheinen. Er enthält die Folgen „Der Fall des Governor“, den ersten und zweiten Teil.
Heyne, 864 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Heather Morris
Der Tätowierer von Auschwitz
1942 wurde Lale Sokolov nach Auschwitz deportiert. Seine Aufgabe war es, Häftlingsnummern auf die Unterarme seiner Mitgefangenen zu tätowieren, jene Nummern, die später zu den eindringlichsten Mahnungen gegen das Vergessen gehören würden. Er nutzte seine besondere Rolle und kämpfte gegen die Unmenschlichkeit des Lagers, vielen rettete er das Leben. Dann, eines Tages, tätowierte er den Arm eines jungen Mädchens – und verliebte sich auf den ersten Blick in Gita. Eine Liebesgeschichte begann, an deren Ende das Unglaubliche wahr werden sollte: Sie überlebten beide.
Die wahre Geschichte des slowakischen Juden Lale Sokolov hat mich zugleich sehr erschüttert und berührt! Über die Gräueltaten der Nazis in Auschwitz habe ich in den letzten 17 Jahren schon sehr viele Bücher gelesen. Die Wenigen, die es geschafft haben, dort zu überleben und es dann schafften, darüber zu berichten. So auch Lale Sokolov, der im Lager eigentlich schon zweimal praktisch tot war, aber es durch schicksalhafte Fügung schaffte, dem Tod zu entkommen. Der Lale, der der Tätowierer von Auschwitz war und sich unsterblich im täglichen Horror in seine Gita verliebte. Die Liebe zu ihr, die wenigen Treffen die im Lager möglich waren, ließen ihn weiter an seine Maxime glauben: überleben. „Der Tätowierer von Auschwitz“ ist ein Buch, das man gelesen haben muss! Und ein Hörbuch, das man gehört haben sollte. Sprecher Julian Mehne versucht mit seiner einnehmend, weich dahintragenden Stimme etwas vom Schrecken der Geschichte zu nehmen. Hörprobe
Auch als Paperback erhältlich bei Piper, 16,00 Euro.
Osterwold Audio, 2 MP3 CDs, 439 Minuten; 18,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 08.10.2018 – Nr.529
Nicholas Sparks
Wo wir uns finden
Die 36-jährige Hope Anderson steht vor schicksalhaften Entscheidungen. Sie ist seit mehreren Jahren mit ihrem Partner zusammen, weiß aber nicht, ob er wirklich die Liebe ihres Lebens ist. Zusätzlich wurde bei ihrem Vater gerade eine tödliche Krankheit diagnostiziert, was schwierige Fragen für ihre eigene Zukunft aufwirft. Kurz entschlossen nimmt sich Hope eine Woche frei und zieht sich in das idyllische Strandhaus der Familie zurück, um Klarheit in ihr Leben zu bringen. Doch dann trifft sie den sympathischen Abenteurer Tru, der alles durcheinanderwirbelt. Für beide ist es Liebe auf den ersten Blick, sie verbringen herrliche romantische Tage miteinander. Aber beide stehen unter dem Druck familiärer Verpflichtungen, die ihrer Beziehung entgegenstehen. Und so drohen Hope und Tru sich zu verlieren, bevor sie sich richtig gefunden haben.
„Wo wir uns finden“ ist eine ganz besondere Lovestory, da sie von der Grundgeschichte her auf einer wahren Begebenheit beruht. Oder etwa doch nicht? Lassen Sie sich überraschen. Auf jeden Fall spielt der Autor selbst darin eine tragende Rolle. „Wo wir uns finden“ ist eine Lovestory aus den 1990ern, die so, in unserer heutigen, technologisierten Welt, nicht mehr möglich wäre bzw. ganz anders verlaufen würde. Weltbestsellerautor Nicholas Sparks hat wieder etwas ganz Besonderes geschrieben. Die Seiten fliegen nur so dahin. Man lebt mit Hope und Tru, erlebt die Gefühle, lässt sich mitreißen von ihrer beiden Geschichten und Gefühle. „Wo wir uns finden“ zeigt, dass man immer an die große Liebe im Leben glauben sollte! Doch es zeigt auch, dass selbst die Liebe zwei verliebter Menschen manchmal nicht ausreichen kann, da das Leben andere Pläne hat.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Random House Audio. Alexander Wussow lässt mit seiner weichen und sanften Stimme die Gefühlswelt des Nicholas Sparks prächtig aufleben. 19,99 Euro. Hörprobe
Heyne, 380 Seiten; 20,00 Euro
Lukas Rietzschel
Mit der Faust in die Welt schlagen
Philipp und Tobias wachsen in der Provinz Sachsens auf. Im Sommer flirrt hier die Luft über den Betonplatten, im Winter bricht der Frost die Straßen auf. Der Hausbau der Eltern scheint der Aufbruch in ein neues Leben zu sein. Doch hinter den Bäumen liegen vergessen die industriellen Hinterlassenschaften der DDR, schimmert die Oberfläche der Tagebauseen, hinter der Gleichförmigkeit des Alltags schwelt die Angst vor dem Verlust der Heimat. Die Perspektivlosigkeit wird für Philipp und Tobias immer bedrohlicher. Als es zu Aufmärschen in Dresden kommt und auch ihr Heimatort Flüchtlinge aufnehmen soll, eskaliert die Situation. Während sich der eine Bruder in sich selbst zurückzieht, sucht der andere ein Ventil für seine Wut. Und findet es.
Ein – leider – aktueller Roman, der genau wegen dieser Aktualität zahlreiche lesenswerte Komponenten enthält. Lukas Rietzschel (Jahrgang 1994) schildert durchaus eindrucksvoll und bedrückend wie ein Dorf nach und nach dem Untergang entgegen geht. Das was das aus den Menschen, vor allem im Osten machen kann, sieht man ja nun täglich in den Nachrichten und bei den Wahlen. Das Thema hätte also riesengroßes Potenzial gehabt um daraus einen ganz großen Roman über das Deutschland nach 2015 zu machen. Gelungen ist dieses Unterfangen Lukas Rietzschel nicht. Zu wenig griffige Handlung, zu wenig Spannung, zu wenig, was die große Bühne des Themas geboten hätte. „Mit der Faust in die Welt schlagen“ bleibt so eher ein kleiner Roman zu dem Thema.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Random House Audio. Der junge Christoph Letkowski ist eine gut gewählte Stimme für diese Geschichte. Eine authentische Lesung! 20,00 Euro. Hörprobe
Ullstein, 317 Seiten; 20,00 Euro
Elizabeth Jane Howard
Die Jahre der Leichtigkeit
Die Cazalets. Eine großbürgerliche Familie im England der späten Dreißigerjahre – unruhige Zeiten. Aus dem Familiensitz Home Place in der malerischen Grafschaft Sussex wird unerwartet ein Zufluchtsort für mehrere Generationen. Zusammen mit ihren Familien kehren die Cazalet- Brüder Hugh, Edward und Rupert wie jeden Sommer in das Haus ihrer Kindheit im Herzen von Sussex zurück. Vor ihnen liegen herrlich lange Ferienwochen. Doch die unbekümmerte Stimmung ist trügerisch: Der Zweite Weltkrieg wirft seine Schatten voraus, und auch innerhalb der Familie schwelen Konflikte.
Die Engländerin Elizabeth Jane Howard (1923 – 2014) hat mit der Cazalets-Saga eine absolut umwerfende Geschichte erschaffen! Sie erzählt so einfach Dinge wie Einkaufen, bei Tisch sitzen, sich mit den Kindern oder den Tieren beschäftigen, kochen, in Urlaub fahren oder gar nur das Aufstehen mit so viel Charme, und ja, mit so viel Leichtigkeit, dass es nur so eine Freude ist. Bei einer anderen Autorin würde man vielleicht vor Langeweile gähnen, bei Elizabeth Jane Howard freut man sich auf jede neue Zeile. Genau so verhälft es sich, wenn es an den regen Austausch der Figuren geht. Ihre Charaktere haben alle ihre ganz eigene Stimme. Mal lieb, mal störrisch, man ernst, mal traurig, mal weise, mal weniger gescheit. Es macht große Freude den Charakteren und den Dialogen zu folgen. „Die Jahre der Leichtigkeit“ ist der erste Band der Saga um die Familie Cazalet, in dem, wie es der Titel schon sagt, noch die Leichtigkeit das Geschehen bestimmt, auch wenn die ersten Vorboten des nahenden Krieges schon zu spüren sind. Der zweite Band „Die Zeit des Wartens“ folgt schon im November 2018.
dtv, 573 Seiten; 16,90 Euro
Dante Alighieri
Die göttliche Komödie
Die „Divina Commedia“ ist der Klassiker der italienischen Literatur schlechthin und zugleich ihr grandioser Auftakt. Dante Alighieris Jenseitsreise mit de berühmten drei Stationen „Inferno“, „Purgatorio“ und „Paradiso“ ist eine überwältigende Gesamtschau der Weltgeschichte, die zwischen den Epochen steht und die Renaissance in ihrem kommenden Glanz bereits erahnen lässt.
Über eines DER Werke der Weltliteratur schlechthin muss man nicht mehr viele Worte verlieren. Gehört haben wahrscheinlich schon fast alle davon, gelesen wohl weitaus weniger. Das sollte sich nun ändern. Mit der wunderschönen Neuausgabe von Manesse mit 48 Illustrationen von Gustave Doré und reich kommentierte von Ida und Walther von Wartburg erschließen sich Dantes Werk und Welt hier in ihrer ganzen Fülle. Wer Weltliteratur gelesen haben will, der sollte „Die göttliche Komödie“ unbedingt hinzufügen.
Manesse, 1.200 Seiten; 36,00 Euro
Lew Tolstoi
Für alle Tage – Ein Lebensbuch
Lew Tolstoi hat große Gedanken und Einsichten, „den Verstand stärkende und das Herz erfüllende“ Erkenntnisse nach Themen sortiert den 365 Tagen des Jahres zugeordnet, um sich jeden Tag aus dieser Quelle seines Denkens und Handelns zu vergewissern. In diesen Zitaten und Reflexionen kommen seine Grundüberzeugungen zum Ausdruck: Gewaltlosigkeit, Ablehnung des Krieges und des Kriegsdienstes, Achtung und Respekt auch vor den Tieren, Bedürfnislosigkeit und die Nützlichkeit der Landarbeit, Ablehnung des Eigentums und bedingungslose Nächstenliebe, Ablehnung der kirchlichen Institutionen – um nur einige der wichtigsten Punkte zu nennen.
Der wunderschönen Ausgabe von „Der göttlichen Komödie“ sollten Sie auch noch diese nicht weniger schöne Prachtausgabe von Lew Tolstois „Für alle Tage“ hinzufügen. Auch hier schenkt der Verlag, C. H. Beck, dem Leser ein prächtig gestaltetes Buch. Lew Tolstoi hat hier wahrlich ein „Lebensbuch“ verfasst. Die hier versammelten Zitate und Kurzgeschichten sind so weise und intelligent, so hinterfragend und vorausblickend, so ehrlich und von Herzen kommend. Dieses Buch ist ein mächtig großer Schatz für Ihr Bücherregal! Es handelt sich um die nun frisch erschienene 4. Auflage, nachdem die letzte von 2011 länger vergriffen war. Für die interessierten Leser von Weltliteratur ist „Für alle Tage“ ein großes Glück.
C. H. Beck, 760 Seiten; 58,00 Euro
Hörbuch der Woche
Sofia Lundberg
Das rote Adressbuch
Doris wächst in einfachen Verhältnissen im Stockholm der Zwanzigerjahre auf. Als sie zehn Jahre alt wird, macht ihr Vater ihr ein besonderes Geschenk: ein rotes Adressbuch, in dem sie all die Menschen verewigen soll, die ihr etwas bedeuten. Jahrzehnte später hütet Doris das kleine Buch noch immer wie einen Schatz. Und eines Tages beschließt sie, anhand der Einträge ihre Geschichte niederzuschreiben. So reist sie zurück in ihr bewegtes Leben, quer über Ozeane und Kontinente, vom mondänen Paris der Dreißigerjahre nach New York und England – zurück nach Schweden und zu dem Mann, den sie einst verlor, aber nie vergessen konnte.
Eine wunderschön erzählte Geschichte über das Leben, die Liebe, das Älterwerden und das Sterben! Anhand dieser Geschichte wird einem das Leben so richtig bewusst. Doris hat in ihrem Leben so viel erlebt, Schönes wie Tragisches, sie war eine Schönheit, doch im Alter ist diese Erinnerung daran nur noch eine Episode in ihrem Leben. Die Schönheit ist vergänglich, die Liebe kann vergehen oder nie wiedergefunden werden, und das Leben läuft von Beginn an dem Tod entgegen. Um das alles als Leser genau so alles miterleben zu können, erzählt Sofia Lundberg abwechselnd von der alten und der jungen Doris. Hier nur noch ein dahinvegetieren, jede Bewegung ein einziger Schmerz, und dort das pralle Leben voller aufregender Ereignisse und Schönheit. Wunderbar werden die alte und die junge Doris gelesen von Beate Himmelstoß und Susanne Schroeder. Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei Goldmann, 20,00 Euro.
Der Hörverlag, 6 CDs, 442 Minuten; 20,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 15.10.2018 – Nr.530
Adam Zamoyski
Napoleon – Ein Leben
Der Sohn aus einer armen Familie wird mit 26 Jahren General, kaum zehn Jahre später ist er Herr über Europa. Monarchen zittern vor ihm, die Völker bejubeln ihn als Herold einer Zeitenwende. Doch der korsische Komet verglüht so rasch, wie er aufgestiegen ist. Dieses wuchtige Buch erzählt Napoleons Leben.
Der englische Autor und Historiker Adam Zamoyski hat mit seinen Büchern „1812“ und „1815“ bereits historische Sachbuchbestseller abgeliefert. Er kennt sich also schon hinreichend mit Napoleon Bonaparte aus, aber natürlich musste er für dieses Buch noch weitreichend recherchieren. Er widmet sich darin nun auch vorzugsweise Napoleons Aufstieg bis zu den ersten großen Schlachten, die weiteren sind dann nur noch am Rande beschrieben, und natürlich seinem Abstieg. Eine allumfassende Biografie, aber eben kein Schwerpunkt auf die großen Schlachten, die er geschlagen hat. Folgende Kapitel sind u. a. enthalten: „Ein scheuer Messias“, „Inselträume“, „Der Kadett“, „Frankreich oder Korsika“, „Jungendlieben“, „Herr über Italien“, „Ägypten“, „Pest“, „Der Konsul“, „Caesar“, „Der Befreier Europas“, „Der Weg zum Imperium“, „Austerlitz“, „Kaiser des Westens“, „Der Herr Europas“, „Der Sonnkaiser“, „Kaiser des Ostens“, „Zenit“, „Blendende Macht“, „Der Rubikon“, „Nemesis“, „Schale Siege“, „Vereinsamung“, „Der Geächtete“. „„Napoleon – ein Leben“ ist eine lebendige und fesselnde Darstellung vom Leben Napoleon Bonapartes!
C. H. Beck, 863 Seiten; 29,95 Euro
Joseph Knox
Dreckiger Schnee
Isabelle Rossiter, die Tochter eines einflussreichen Politikers, ist von zu Hause ausgerissen. Detective Aidan Waits, bei seinen Vorgesetzten in Ungnade gefallen, soll sie wiederfinden. Seine Suche auf den nächtlichen Straßen Manchesters führt ihn in einen Sumpf von Drogen und Gewalt: Offenbar setzt ein mächtiger Dealer minderjährige Mädchen als Drogen-Kuriere ein, und nicht nur eine von ihnen ist verschwunden. Aidan Waits dämmert, dass Isabelle mit voller Absicht untergetaucht ist, um ihr Leben zu retten. Und auch sein eigenes hängt am seidenen Faden. Ein zwielichtiges Spiel in den Grauzonen des Gesetzes beginnt.
Der junge und fesche Joseph Knox ist Buchhändler und landete mit seinem Debütthriller in seiner Heimat England gleich einen Bestseller. Die Story hörte sich okay an, nichts was mich nun sofort packen würde. Und so war dann auch die Geschichte selbst. Sie ist durch und durch okay, aber richtig gepackt hat sie mich nie. Der Einstieg war interessant und auch im letzten Viertel wurde es wieder spannender, dazwischen herrschte oft viel Langatmigkeit und die Spannung blieb dabei auf der Strecke. Das Setting mit Manchester konnte mich durchaus begeistern, weniger aber die Hauptfigur des Detective Aidan Waits. Ich hatte nur selten das Gefühl, dass ich wissen will, wie es mit ihm und seiner Ermittlung weitergeht.
Knaur, 431 Seiten; 14,99 Euro
Jessica Fellowes
Die Schwestern von Mitford Manor – Unter Verdacht
London, 1920: Für die 19-jährige Louisa geht ein Traum in Erfüllung. Sie bekommt eine Anstellung bei den Mitfords, der glamourösen und skandalumwitterten Familie aus Oxfordshire. Endlich kann sie der Armut und dem Elend der Großstadt entfliehen und dafür auf ein herrschaftliches Anwesen ziehen. Louisa wird Anstandsdame und Vertraute der sechs Töchter des Hauses, allen voran der 17-jährigen Nancy, einer intelligenten jungen Frau, die nichts mehr liebt als Abenteuer und gute Geschichten. Als Florence Nightingale Shore, eine Krankenschwester und Freundin der Familie, am helllichten Tag ermordet wird, beginnen Nancy und Louisa eigene Ermittlungen anzustellen. Schnell erkennen sie, dass nach den Wirren des Krieges jeder etwas zu verbergen hat.
Jessica Fellows hat mit der „Die-Schwestern-von-Mitford-Manor“-Reihe eine großartige 1920er-Saga erschaffen! Aufregend und überraschend und voll lebendiger Figuren. Die Spannung kommt auch nicht zu kurz. Jessica Fellowes, bekannt durch ihre Begleitbücher zum Serienhit „Downton Abbey“ fühlt sich in der damaligen Zeit zu Hause. Das lässt sie den Leser spüren, durch viele Details und Atmosphäre. Jessica Fellows wandelt mit der „Die-Schwestern-von-Mitford-Manor“-Reihe auf den Spuren einer Lucinda Riley! „Unter Verdacht“ ist nämlich nur der erste Band der Reihe, weitere folgen. Wie bei Lucinda Riley mit ihrer „Schwestern“-Reihe.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Random House Audio. Aufregend und spielerisch gelesen von Schauspiel-Ass Juliane Köhler! 16,99 Euro. HörprobePendo, 496 Seiten; 16,99 Euro
Paolo Giordano
Den Himmel stürmen
Teresa lebt mit ihren Eltern in Turin, doch die Sommerferien verbringt sie jedes Jahr bei der Großmutter in Apulien, mit den Nachbarjungen Bern, Tommaso und Nicola. Die vier Freunde sind unzertrennlich, bis zwischen Bern und Teresa etwas Neues entsteht: die erste große Liebe. Aber im Jahr darauf ist Bern nicht mehr da. Zutiefst enttäuscht verbannt Teresa Apulien aus ihrer Erinnerung. Erst zum Begräbnis der Großmutter fährt sie wieder hin. Am Rande des Friedhofs steht ein Mann in einem langen Mantel: Bern. Sie gehen aufeinander zu. Doch Bern verschwindet ein zweites Mal aus Teresas Leben.
Der promovierte Physiker und Autor des großen Bestsellers „Die Einsamkeit der Primzahlen“ legt seinen neuen Bestseller vor. „Den Himmel stürmen“ ist eine mitreißende, intensive, aufwühlende und nachdenklich stimmende Geschichte! Man erlebt mit Teresa und Bern eine Gefühlsachterbahn der besonderen Art. „Den Himmel stürmen“ zeigt, das man den Himmel mit seinen Gefühlen nicht für immer stürmen kann. Gefühle für einen Menschen bleiben nicht immer gleich – was schade ist, aber so ist leider das Leben.
Rowohlt, 527 Seiten; 22,00 Euro
Utta Seidenspinner
Wohnwahnsinn
Wie konnten deutsche Wohnungen zum Spielball globaler Investoren werden, und wer sind die Profiteure? Die Autorin kommt der Kostenexplosion der vergangenen Jahre systematisch auf die Spur. Entdeckt versteckte Milliarden-Transaktionen, die komplett am Finanzamt vorbeigehen, ein Geldwäschesystem namens „Russischer Waschsalon“, die italienische ‚Ndrangheta in Thüringen und trifft auf ägyptische Makler, die Berliner Wohnungen in Shopping Malls in Dubai verkaufen. Und sie findet Mieter, die in ehemals kommunalen Wohnsiedlungen in ständiger Angst vor der nächsten Mieterhöhung leben.
Ein Buch mit einem Thema, das derzeit in allem Munde ist! Wie kann ich als normaler Arbeiter eine normale Wohnung zu einem normalen Mietpreis finden? Oder mir ein Eigenheim bauen, das man noch zu Lebzeiten abbezahlen kann? Die Autorin liefert zu diesen Fragen Antworten und findet die Ursachen für den „Wohnwahnsinn“. Folgende Hauptthemen sind enthalten: „Ein Home zum Preis von einem Castle“, „Lieber Düsseldorf als Dubai – ausländische Investoren“, Geldwäsche im großen Stil?“, „Der Urknall – vom gemeinnützigen Wohnungsbau an die Börse“, „Was können wir tun?“, „Liebe auf den ersten Blick – Mein Traumhaus“ und „Was Sie tun können – Von Mieten bis Kaufen“.
Berlin Verlag, 202 Seiten; 18,00 Euro
Hörbuch der Woche
Juli Zeh
Neujahr
Lanzarote, am Neujahrsmorgen. Henning sitzt auf dem Fahrrad, will den Steilaufstieg nach Femés bezwingen und lässt seine Lebenssituation Revue passieren. Eigentlich ist alles in bester Ordnung. Er hat zwei gesunde Kinder und einen passablen Job. Mit seiner Frau Theresa praktiziert er ein modernes, aufgeklärtes Familienmodell, bei dem sich die Eheleute in gleichem Maße um die Familie kümmern. Aber Henning geht es schlecht. Er lebt in einem Zustand permanenter Überforderung. Familienernährer, Ehemann, Vater – in keiner Rolle findet er sich wieder. Seit Geburt seiner Tochter leidet er unter Angstzuständen und Panikattacken, die ihn regelmäßig heimsuchen wie ein Dämon. Als Henning schließlich völlig erschöpft den Pass erreicht, trifft ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war als Kind schon einmal hier in Femés.
Henning ist gefangen in seinem Leben, diese Gefühle kennen viele. Eigentlich liebt er seine Kinder, seine Ehefrau, seinen Job, dass was er geschaffen hat, doch seinem Unterbewusstsein wird es zu viel. Das hasst die viele Zeit, die für Kinder, Ehe und Familie verwendet werden müssen, und keine freie Minute mehr bleibt um durchatmen zu können, sich dem zu widmen, was einem selbst wichtig ist. Die Folge sind Panikattacken, ein Burn-out droht. Bis hierhin verdient der Roman Bestnoten. Ich dachte, eine Geschichte, die ehrlich anspricht, was man sich als Vater oder Mutter, Ehemann und Ehefrau normal nicht zu sagen traut, dass man alleine vielleicht ein besseres Leben hätte führen können. Alles schien auf ein yatessches Ehedrama hinauszulaufen. Genial, dachte ich weiter. Aber Bestsellerautorin Juli Zeh (Unterleuten) schafft es dann doch tatsächlich, die Geschichte komplett umzudrehen und sie ins Lächerlich zu führen. An Hennings angehender Depression, die zuvor perfekt aufgebaut wurde, soll plötzlich ein lange zurückliegendes Kindheitserlebnis mit seiner Schwester Luna, das viel zu viel Platz in der Geschichte einnimmt, schuld sein. Der Roman wäre so nicht mehr zu retten gewesen, aber das Hörbuch schaffte es. Und das liegt an der feinen und ruhigen Lesung vom bekannten Schauspieler Florian Lukas (u. a. bekannt aus der ZDF-Krimi-Reihe Friesland). Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei Luchterhand, 20,00 Euro.
Der Hörverlag, 4 CDs, 304 Minuten; 20,00 Euro
Kolumne vom 22.10.2018 – Nr.531
Richard Powers
Die Wurzeln des Lebens
Die Menschen sind miteinander verwurzelt wie ein Wald. Sie bilden eine Familie aus Freunden, die sich zum Schutz der Bäume zusammenfinden: der Sohn von Siedlern, die unter dem letzten der ausgestorbenen Kastanienbäume Amerikas lebten; eine junge Frau, deren Vater aus China eine Maulbeere mitbrachte; ein Soldat, der im freien Fall von einem Feigenbaum aufgefangen wurde; und die unvergessliche Patricia Westerford, die als Botanikerin die Kommunikation der Bäume entdeckte. Sie alle tun sich zusammen, um die ältesten Mammutbäume zu retten – und geraten in eine Spirale von Politik und Gewalt, die nicht nur ihr Leben, sondern auch unsere Welt bedroht.
Seit ich vor über einem Jahrzehnt Richard Powers’ „Der Klang der Zeit“ gelesen habe, bin ich ihm literarisch verfallen! Und er hat mich seither auch mit seinen weiteren Büchern nicht enttäuscht. Nun ist sein neuer Roman erschienen. „Die Wurzeln des Lebens“ ist ein Roman von unglaublicher literarischer Schönheit! Wer Bäume und literarisch gute Geschichte liebt, wird dieses Buch als ganz großen Schatz betrachten. Das Buch atmet vor Glück und Unglück der Menschen und der Bäume. Es erzählt von vielen einzelnen Schicksalen, von dem der Menschen und der Bäume. Und ja, alle sind miteinander verwurzelt und kommunizieren miteinander. Mit „Die Wurzeln des Lebens“ hat Richard Powers einen der besten Romane des Jahres geschrieben!
S. Fischer, 618 Seiten; 26,00 Euro
Inger-Maria Mahlke
Archipel
„Es ist der 9. Juli 2015, vierzehn Uhr und zwei, drei kleinliche Minuten. In La Laguna, der alten Hauptstadt des Archipels, beträgt die Lufttemperatur 29,1 Grad. Der Himmel ist klar, wolkenlos und so hellblau, dass er auch weiß sein könnte“. Damit fängt es an. Und mit Rosa, die zurückkehrt auf die Insel und in das heruntergewirtschaftete Haus der vormals einflussreichen Bernadottes. Rosa sucht. Was, weiß sie nicht genau. Doch für eine Weile sieht es so aus, als könnte sie es im Asilo, dem Altenheim von La Laguna, finden. Ausgerechnet dort, wo Julio noch mit über neunzig Jahren den Posten des Pförtners innehat. Julio war Kurier im Bürgerkrieg, war Gefangener der Faschisten, er floh und kam wieder, und heute hütet er die letzte Lebenspforte der Alten von der Insel. Julio ist Rosas Großvater. Von der mütterlichen Seite. Einer, der Privilegien nur als die der anderen kennt.
Als großer europäischer Familienroman vom Verlag angekündigt und jetzt auch noch mit dem Deutschen Buchpreis 2018 ausgezeichnet, da war ich sehr gespannt, was mich mit „Archipel“ erwarten würde. Von einem „großen“ Roman ist nichts vorhanden, genauso fragwürdig bleibt für mich die Auszeichnung für den Deutschen Buchpreis, wenn man solch einen Roman als besten deutschen Roman auszeichnet. Es gibt soviel bessere Romane deutscher Autoren in diesem Jahr. Die Geschichte hat teils einen schönen Ton und auch Teneriffa wird gut dargestellt, aber das trügt nicht über die ermüdende Geschichte und deren Trägheit hinweg. Auch geht Inger-Maria Mahlke zu wenig auf die geschichtlichen Hintergründe ein. Da hätte es mehr Recherche bedurft und auch gut 300 Seiten mehr, um aus „Archipel“ wirklich einen „großen“ europäischen Familienroman zu machen. Aber auch nur, wenn diese dann 700 Seiten fesselnd und spannend gewesen wäre. Denn auch das geht „Archipel“ fast komplett ab.
Rowohlt, 432 Seiten; 20,00 Euro
Barbara Wood
Das goldene Tal
Die Schaller-Weingüter sind legendär im Weinland Kalifornien. Aber jetzt steht Nicole, Urenkelin der Gründer, finanziell unter Druck. Als dann noch in einem Weinkeller ein Skelett entdeckt wird, droht sie alles zu verlieren. Sie macht sich auf Spurensuche in die Vergangenheit. Ein Jahrhundert zuvor: 1912 bauen die Schallers, Winzer aus Deutschland, ihr neues Leben in Kalifornien auf. Schnell sind die Brüder Wilhelm und Johann erfolgreich. Doch als klar wird, dass Wilhelms junge Frau Clara eigentlich Johann liebt, entzweien sich die Brüder in tödlichem Hass. Der Riss, der durch die Familie geht, wird das Schicksal dreier Generationen bestimmen.
Barbara Wood gehört seit Jahrzehnten zu den Ikonen der Unterhaltungsliteratur! In ihren Romanen darf man als Leser große Abenteuer, dramatische Liebesgeschichten und ergreifende Schicksale erleben. Alles was ihre Romane ausmachen, hat sie auch in ihren neuen Roman „Das goldene Tal“ gepackt. Die Geschichte ist so „deutsch“ (deutsche Auswanderer in Kalifornien), sie hätte auch von einer deutschen Autorin geschrieben werden können. Vielleicht ein Dank der Autorin an ihre treuen deutschen Leserinnen und Leser. „Das goldene Tal“ ist eine süffige Geschichte, voller Spannung, Liebe, Dramatik und überraschenden Entwicklungen. Wie man es von Barbara Wood gewohnt ist, man wird ausgezeichnet unterhalten!
Krüger, 590 Seiten; 22,99 Euro
Jonas Langvad Nilsson
Jussi – Die vielen Leben des Jussi Adler-Olsen
Jussi Adler-Olsen: Seine Bücher um Kommissar Carl Mørck haben sich weltweit über 16 Millionen Mal verkauft, seine Fangemeinde ist riesig. Doch woher kommt die Fähigkeit, bestialische Morde und menschliche Abgründe so genau zu beschreiben? Die Biografie »Jussi« erzählt die Geschichte eines Jungen, der als Sohn eines Psychiaters in drei verschiedenen Heilanstalten aufwuchs, sich mit den dort lebenden Patienten anfreundete und ihre Krankheiten studierte. Es ist die Geschichte von Beharrlichkeit, harter Arbeit und einem kleinen bisschen Glück – sowie das Porträt eines Mannes, der einen eingeschlagenen Weg stets zu Ende geht.
Jeder Krimifan in Deutschland kennt den Dänen Jussi Adler-Olsen. Seine spannenden und dramatischen Geschichten um Kommissar Carl Mørck und sein Team sind zu seinen Lebzeiten schon Klassiker der Kriminalliteratur. Doch wer ist der Mann hinter dem Bestsellerautor? Dieses Buch gibt darauf nicht wenig überraschende Antworten. Ich greife mal einige Kapitel heraus: „Von Liebe erfüllt“, „Hart im Nehmen, großzügig im Geben“, „Eine Welle neuer Bekanntschaften“, „Ein Fax aus Hollywood“, „Wo ein Wille ist“, „Dunkle Seiten“, „Durch die Wand“, „Deadline“, „Auf dem roten Teppich“, „Gespenster“, „Paarlauf“.
dtv, 397 Seiten; 26,00 Euro
Wayne G. Hammond & Christina Scull
Die Kunst des Herr der Ringe
Als J. R. R. Tolkien „Der Herr der Ringe“ schrieb, hielt er das, was vor seinem inneren Auge stand, oft in Bildern und Zeichnungen fest. Sie reichen von groben Skizzen auf den Manuskriptseiten bis hin zu fein ausgearbeiteten Illustrationen. Nur ganz wenige waren für eine Publikation bestimmt. Die meisten dienten ihm allein als Hilfe beim Ausgestalten seines vielschichtigen Epos. Daher dokumentieren diese faszinierenden Bilder, geheimnisvollen Schriften und Karten Tolkiens Prozess des Schreibens und das Erschaffen einer ganzen Welt – Mittelerde.
Dieser prächtige Band versammelt alle Zeichnungen, Inschriften, Karten und Pläne J.R.R. Tolkiens zu seinem Hauptwerk. Von den 180 Illustrationen werden mehr als die Hälfte zum ersten Mal veröffentlicht, schreibt der Verlag. Enthalten sind u. a.: „Rückkehr nach Hobbingen“, „Das Auenland“, „Gandalfs Brief“, „Die Türen von Durin“, „Das Buch von Mazarbul“, „Die Erste Karte von Mittelerde“, „Helms Klamm und die Hornburg“, „Der Weg von Frodo und Sam“, „Minas Tirith“, „Mordor und der Dunkle Turm“, Schutzumschläge: Die Gefährten, Die Zwei Türme und Die Rückkehr des Königs“. Für alle „Herr-der-Ringe“-Fans eine perfekte Ergänzung für ihre Sammlung!
Klett-Cotta, 240 Seiten; 30,00 Euro
Hörbuch der Woche
Christine Mangan
Nacht über Tanger
Tanger 1956: Alice Shipley ist ihrem Mann John von England in das von politischen Unruhen aufgeheizte Marokko gefolgt. Doch die Hitze und die fremde Kultur machen es Alice schwer; während John sich immer mehr ins Nachtleben der pulsierenden Stadt stürzt und kaum mehr zu Hause ist, verkriecht sich Alice in der gemeinsamen Wohnung, gleitet in eine Depression. Da steht eines Tages Lucy Mason vor ihrer Tür, Alice‘ Zimmergenossin und Freundin aus Collegezeiten in Vermont, die sie seit einem mysteriösen Unfall ein Jahr zuvor nicht mehr gesehen hat. Die unabhängige und furchtlose Lucy entdeckt Tanger schnell für sich und versucht Alice aus ihrer Isolation zu befreien. Doch Alice beschleicht bald das ihr nur allzu vertraute Gefühl, von Lucys Fürsorge kontrolliert und erstickt zu werden. Als John plötzlich verschwindet, wird Alice von dem Unfall in Vermont eingeholt und sie fängt an, an Lucys Vertrauenswürdigkeit und ihrem eigenen Verstand zu zweifeln.
Ein Spannungsroman der besonderen Art! Gleichzeitig literarisches Erlebnis und ein Hauch psychologischer Thriller. Die Entwicklung der beiden Frauen von Freundinnen zu Feindinnen ist stimmig dargestellt. Dazu stimmt die Atmosphäre. Man erlebt Tanger, Marokko, das Afrika der 1950er Jahre ganz nah mit. Ich hatte bei der Geschichte immer die beiden Hollywood-Ikonen der damaligen Zeit vor Augen (auch wenn der Roman neu ist), Ingrid Bergman und Lauren Bacall. Die beiden exzellenten Darstellerinnen hätten jung gut in die Rollen gepasst. Die beiden Frauenfiguren Alice und Lucy werden prächtig gelesen von den bekannten Schauspielerinnen Bibiana Beglau und Friederike Kempter. Mal rau, mal zart, mal stürmisch, mal liebevoll. Eine abwechslungsreiche und genau durch diese beiden Stimmen spannende Lesung! Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei Blessing, 22,00 Euro.
Random House Audio, 8 CDs, 594 Minuten; 22,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 29.10.2018 – Nr.533
Volker Ullrich
Adolf Hitler – Die Jahre des Untergangs 1939 – 1945
Wäre der größte Zivilisationsbruch in der Geschichte – der Vernichtungskrieg in Osteuropa und der Mord an den europäischen Juden – ohne Hitler denkbar gewesen? Zeithistoriker Volker Ullrich zeigt, welchem Ausmaß der Diktator den Charakter der Kriegführung und die Entwicklung zum Holocaust bestimmt hat. Deutlich wird: Die monströsen Verbrechen waren nur möglich, weil Hitler sich bis zuletzt auf die Kooperation der Generalität und breiter Teile der Gesellschaft verlassen konnte. Der erste Band behandelt die Jahre des Aufstiegs bis 1939. Dieser zweite Band zeichnet die Jahre des Untergangs nach – von der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs bis zum apokalyptischen Finale 1945.
Ich habe in den letzten Jahren mehrere Bücher über Adolf Hitler auf denglers-buchkritik.de besprochen, auf zwei geht Volker Ullrich in seiner Einleitung sogar ein. Alleine das zeigt schon, dass er das ganze Projekt „Adolf Hitler“, dass ihn lange Jahre seines Lebens beschäftigt hat, sehr akribisch angegangen ist. Er wollte eine andere Sichtweise auf Adolf Hitler und das Deutschland zwischen 1939 und 1945 zeigen. Das ist ihm ausgezeichnet gelungen! Mit vielen Zitaten und Dialogen ausgestattet wird die Darstellung dadurch noch lebendiger. Volker Ullrich versteht es, bei allen Schreckensmomenten, die einem wieder ins Gedächtnis gerufen werden, einen Lesesog zu erzeugen. Es liest sich oft wie ein Kriminalroman, spannend und überzeugend geschrieben. Eine Auswahl der Kapitel: „Die Entfesselung des 2. Weltkrieges“, Polen 1939/40 – Auftakt zum Vernichtungskrieg“, „Unternehmen Barbarossa“, „Kriegswende 1941/42“, „Der Weg in den Holocaust“, „Unternehmen Overlord und Operation Bagration“, „Der 20. Juli 1944 und seine Folgen“, „Das Ende im Bunker“.
S. Fischer, 893 Seiten; 32,00 Euro
Rita Falk
Eberhofer, zefix!
„Eberhofer, zefix!“ enthält Geschichten vom Franzl: Stunk mit der Susi, ein dämlicher Mordfall im Ruhrpott, ein Wochenende in Österreich mit dem Simmerl, dem Flötzinger und mindestens 17 Stamperln Himbeergeist. Außerdem: Wie der Franz einmal sein Herz an ein vierbeiniges Wesen verlor. Und obendrauf gibt’s ein bayrisch-hochdeutsches Glossar, kommentiert vom Eberhofer persönlich.
Als Eberhofer-Leser und –Kritiker der ersten Stunde war ich natürlich auch gespannt auf das neue Werk von Rita Falk, auch wenn es dabei um keinen Roman handelt, sondern um vier kurze Kurzgeschichten. Diese Geschichten reichen in dem eh schon kleinen Büchlein nur von Seite 9 bis Seite 86. Das Glossar dann von Seite 89 bis Seite 119. Darin sieht man schon, viel bekommt der Leser nicht für sein Geld geboten. Außer er möchte kein Buch vom Eberhofer nicht zu Hause oder auch ein weiteres schönes Eberhofer-Cover im Regal stehen haben. Doch wenn das nicht die Beweggründe für einen Kauf des Buches sind, dann wird es schwierig, denn drei der vier Geschichten sind schon einmal veröffentlicht worden, somit ist nur eine neu. Auch wenn die Geschichten nun in einem Buch zusammengefasst sind, und durchaus ihren gewohnten Witz und Charme haben, ist dieses Buch als Ganzes doch mehr Ärgernis als Freude.
dtv, 119 Seiten; 8,00 Euro
Jennifer Kitses
Ein Tag, eine Nacht
Schwarzer Freitag für Helen und Tom: Binnen vierundzwanzig Stunden gerät das Fundament, auf das die beiden ihr Familienleben mit zwei quirligen Zwillingsmädchen gestellt haben, gefährlich ins Wanken. Nicht nur Schulden, Schlafmangel und Zeitnot fordern die beiden. Tom trägt zudem ein Geheimnis mit sich herum. Mit seiner früheren Chefin Donna hat er ein weiteres Kind. Als Donna einen Neuanfang in Europa wagen möchte, spitzen sich die Ereignisse Stunde um Stunde zu und Tom steht vor der schwersten Entscheidung seines Lebens: Soll er seine Tochter aufgeben oder Helen von ihr erzählen und damit vielleicht alles verlieren, was ihm wichtig ist?
Ein grandioser Eheroman, der mit einer packenden Geschichte, fabelhaften Charakteren und einem schnellen Erzähltempo glänzen kann! Die Amerikanerin Jennifer Kitses erinnert mit ihrem Debütroman „Ein Tag, eine Nacht“ dabei an Richard Yates, der die Klassiker unter den mitreißenden Eheromanen geschrieben hat. Auch ihr Roman lässt kaum Zeit zum Luft holen, so ist man gebannt von den Charakteren und ihrem Tun. Es gärt und brodelt unter der Oberfläche bei Helen und Tom. Jennifer Kistes zeigt wie schwierig es psychisch und physisch sein kann eine Ehe mit Kindern, dazu noch den Alltag und die Arbeit zu meistern. Aus den „eigentlich“ normalen Dingen des Lebens macht Jennifer Kistes wie einst Richard Yates einen Ehe-Alltags-Spannungsroman der Extraklasse! Hoffentlich führt sie diesen Weg fort und tritt die weibliche, moderne Nachfolge von Richard Yates an.
dtv, 306 Seiten; 22,00 Euro
Arne Dahl
Fünf plus drei
Sam Berger wird gejagt – für einen Mord, den er nicht begangen hat. Doch dann braucht der Geheimdienst seine Hilfe: Der unter dem Tarnnamen Carsten operierende Ex-Geheimdienstler hält ein Mädchen in seiner Gewalt. Und Sam Berger ist der einzige, der sie finden kann. Er setzt sich auf Carstens Fährte, der er nur allzu leicht folgen kann. Denn Carsten verfolgt einen perfiden Plan – er will, dass Berger das Mädchen findet: Sie ist der Schlüssel zu einem terroristischen Verbrechen, das ganz Schweden bedrohen könnte …
Der schwedische Bestsellerautor legt mit „Fünf Plus Drei“ den dritten Fall für das Ermittlerduo Berger und Blom vor. Erfreulich, dieser steht den ersten beiden sehr guten Fällen in nichts nach. Auch wenn es eher ein Sam-Berger-Buch ist, da Molly Blom weniger in die Story eingebunden ist. „Fünf Plus Drei“ bietet fünffach rasante Spannung! Ein Thriller, wie man ihn aus der Feder von Arne Dahl gewohnt ist – kompromisslos gut!
Piper, 405 Seiten; 16,99 Euro
Steve Brusatte
Aufstieg und Fall der Dinosaurier
Noch immer haftet den Dinosauriern das Image der schwerfälligen, primitiven Monster an, die zu groß waren, um zu überleben. Doch bevor sie von der Erdoberfläche verschwanden, beherrschten die faszinierenden Giganten über 150 Millionen Jahre lang unseren Planeten. Modernste Technologien und spektakuläre Funde erlauben nun neue Einblicke in ihre Erfolgsgeschichte.
Der Autor ist einer der führenden Paläontologen der Welt, bekennender „Jurassic-Park“-Fan und einer der bekanntesten Dinosaurier-Forscher weltweit. Hervorragende Voraussetzung also, um ein Buch wie „Aufstieg und Fall der Dinosaurier“ zu schreiben. Ein Buch, spannend wie ein Film aus der „Jurassic-Park“-und-„Jurassic-World“-Reihe! Wer ganz viel über die Dinos erfahren will, der wird mit diesem Buch ganz viel Freude haben. Enthalten sind u. a. folgende Themenschwerpunkte: „Der Anbruch des Dinosaurier-Zeitalters“, „Dinosaurier erheben sich“, „Dinosaurier werden zu den Herrschern der Welt“, „Der König der Dinosaurier“, „Dinosaurier sterben aus“.
Piper, 413 Seiten; 24,00 Euro
Hörbuch der Woche
Gabriel Tallent
Mein Ein und Alles
Die 14-jährige Turtle Alveston wächst weltabgeschieden in den nordkalifornischen Wäldern auf, wo sie jede Pflanze und jede Kreatur kennt. Auf tagelangen Streifzügen in der Natur sucht sie Zuflucht vor der besitzergreifenden Liebe ihres charismatischen und schwer gestörten Vaters. Erst als sie ihren Mitschüler Jacob näher kennenlernt und wahre Freundschaft erfährt, beginnt die Befreiung aus seinen Klauen.
Eine Geschichte, bei der man mehr als einmal kräftig schlucken muss! Was der Vater mit seiner Tochter macht, das schockiert. Martin vergewaltigt Turtle so oft er nur kann. Turtle lässt es über sich ergehen, genauso wie die Schikannen ihres Vaters, die sie physisch und psychisch extrem fordern. Trotz dieser schrecklichen Erlebnisse ist man gepackt davon, wie Krümel/Turtle ihr junges Leben mit diesem Vater meistert. Was sie alles macht, ist teils nicht weniger irre. Turtle liebt Waffen wie ihr Vater und ballert mit ihren 14 Jahren im Haus herum wie es ihr gefällt, und zerlegt zwischendrin mit der Motorsäge ein ganzes Zimmer. Nur zwei krasse Beispiele. Dagegen stehen die Zartheit und auch das Wilde der Natur. Das lockert die Geschichte etwas auf, soweit das möglich ist. Zum Ende hin entwickelt sich zwischen Turtle und ihrem Vater Martin ein Showdown wie in einem Western. Und ganz zum Schluss muss Turtle erkennen, dass sie zwar die Natur in ihrer Umgebung wie kaum eine andere kennt, aber selbst Natur, ein Garten zu erschaffen ihr extrem schwerfällt. Anna Thalbach wird zu Turtle. Sie kann diese Kleinmädchenstimme wie keine Zweite darbieten. Aber auch die Strenge des Vaters verkörpert sie glaubwürdig. Eine Lesung, die einen nicht weniger in den Bann zieht, wie die Geschichte selbst! Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei Penguin, 24,00 Euro.
Random House Audio, 2 MP3 CDs, 786 Minuten; 24,00 Euro
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