Dezember 22, 2024

Kolumne 24.05.2021 Nr. 666

BuchKolumne 24.05.2021 Nr. 666

Lisa Krusche – Unsere anarchistischen Herzen
John Bude – Mord in Sussex
Annalena McAfee – Blütenschatten
Christian Handel – I am Elektra – Dein Leben ist mein
Dr. Matthias Marquardt – Erschöpft

Lisa Krusche – Unsere anarchistischen Herzen

Zwei junge Frauen: Charles und Gwen. Charles muss mit ihren Post-Hippie-Eltern von Berlin aufs niedersächsische Land ziehen und will da unter keinen Umständen hin. Auf einen Kiosk, eine Palme und das Internet ist zum Glück noch Verlass. Und Gwen? Sie wohnt ganz in der Nähe, in Hildesheim, und führt dort unbemerkt ein wildes, schmutziges Leben, um dem Wohlstand ihrer Eltern zu entkommen. Das Geld, das sie den Jungs aus der Tasche zieht, während sie mit ihnen schläft, spendet sie. Dass die beiden sich kennenlernen, ist definitiv überfällig.

„Unsere anarchistischen Herzen“ ist der Debütroman von Lisa Krusche, Jahrgang 1990. Eine Geschichte wie ein buntes Knallbonbon, prall gefüllt mit Lebenspower! Lisa Krusche dringt tief in die Seelen ihrer beiden Hauptfiguren Charles und Gwen ein. Ein Seelenstriptease der jungen Mädchen-Generation! Das sich die beiden erst ab der Mitte des Buches treffen und kennen lernen ist etwas schade, aber so bekommt man noch mehr Einblicke in die Leben beider Mädchen ohne ihr Zusammenspiel. Die Dialoge und auch der Smartphone-Austausch sind peppig und echt. Lisa Krusche spart auch nicht mit frischem Sprachgebrauch. Da gibt es dann so Sätze wie: „… meine Netzhäute stehen kurz vor dem Burnout …“ und „… ich gehe in die Hocke und heule eine Minipfütze Tränen auf den Toilettenboden, Mimosensee, in dem ich mein verstörtes Gesicht erblicke“. Nur zwei Beispiele von vielen. „Unsere anarchistischen Herzen“ wird sich auch in Ihr Leserherz schleichen!

S. Fischer, 445 Seiten; 23,00 Euro

 John Bude – Mord in Sussex

John Bude - Mord in Sussex

Im beschaulichen Sussex, an der Südküste Englands, widmen sich die ungleichen Brüder John und William Rother dem traditionellen Kalkabbau. Ihr friedliches Farmleben wird jedoch empfindlich gestört, als John Rother bei einer Urlaubsreise plötzlich verschwindet und sein verlassenes, blutbeflecktes Auto inmitten einiger Ginsterbüsche gefunden wird. Wurde er gekidnappt? Superintendent Meredith wird gerufen, um Licht ins Dunkel zu bringen, doch die Indizien sind mager. Erst als Anatomieprofessor Blenkings die Bühne betritt, kommt Schwung in die Angelegenheit, denn dessen Bauarbeiter entdecken bei der letzten Kalksteinlieferung einen menschlichen Knochen. Schnell wird klar, dass just diese Kalksteinlieferung von der Chalkland Farm stammt. Superintendent Meredith führt die Spuren passgenau zusammen und zieht den Kreis um die Verdächtigen immer enger..

Klett-Cotta bringt in ihrer charmanten Reihe regelmäßig Kriminalromane aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts heraus. Diesmal handelt es sich um „Mord in Sussex“ (englische Erstveröffentlichung 1936) von John Bude, das Pseudonym von Ernest Carpenter Elmore (1901 – 1957). Die Reihe vereint durchaus eingängiges Personal und knifflige Kriminalfälle. Doch auch diesmal wirkt das Ganze wieder etwas trocken und nur mäßig spannend. Es fehlt Esprit und Schwung. „Mord in Sussex“ unterhält somit nur stellenweise. Einige der Figurenzeichnungen haben mich aber überzeugt und bleiben mir sicher noch einige Zeit in Erinnerung.

Klett-Cotta, 287 Seiten; 15,00 Euro

    Annalena McAfee – Blütenschatten

Annalena McAfee - Blütenschatten

Eve – eine Künstlerin mit einem Faible für Blumen und junge Männer – bereitet in London eine große Museumsretrospektive vor. Aber ihr Leben ist in Aufruhr: Ihre Ehe steht vor dem Aus, ihre Tochter ist eine Enttäuschung, ihre größte Rivalin setzt ihr zu, und ihre Affäre mit dem weitaus jüngeren Luka ist so berauschend wie gefährlich. Doch Eve ist alles andere als ein zartes Pflänzchen.

Annalena McAfee ist die Ehefrau von Weltbestseller-Autor Ian McEwan. Nach „Zeilenkrieg“ und „Zurück nach Fascaray“ ist „Blütenschatten“ ihr dritter Roman. Die Hauptfigur Eve ist in den 1970ern groß geworden. Die heute 60-jährige Malerin blickt mit etwas Wehmut zurück auf ein ereignisreiches, kunstgetriebenes und sexuelles Leben. Eve fühlt sich in der Gegenwart aber so gar nicht alt, und die Affäre zu ihrem dreißig Jahre jüngeren Lover stärkt sie dabei. Sie riskiert mit dieser Beziehung ihre Ehe, das Verhältnis zu ihrer ungeliebten Tochter und ihr öffentliches Ansehen. Aber das ist Eve alles egal, denn im Mittelpunkt steht ihr Arbeit, das Malen. An der kommt niemand vorbei, wenn man ihr das nehmen würde, wäre das ihr Tod. „Blütenschatten“ gewährt einen Einblick in die Londoner Kunstszene über die Jahrzehnte, und zugleich ist es ein Blick auf die Entwicklung von Beziehungen, Freundschaften und Familie. „Blütenschatten“ wird Sie überraschen – garantiert!

Diogenes, 325 Seiten; 24,00 Euro

    Christian Handel – I am Elektra – Dein Leben ist mein

Christian Handel - I am Elektra – Dein Leben ist mein

Als Elektra erwacht, kann sie sich an nichts erinnern. Dann erkennt sie das Bett, ihr Zimmer, das Ferienhaus ihrer Familie. Erst beim Blick in den Spiegel zuckt sie zusammen. Wem gehören die langen Haare, die dünnen Beine, die Narbe über dem Bauch? Langsam dämmert ihr, dass sie sich in einem fremden Körper befindet. Doch damit nicht genug. Irgendjemand ist nachts in ihrem Zimmer … und hinterlässt eine rätselhafte Botschaft: „Bereust du es?“

Christian Handel hat mit „Becoming Elektra“ eine elektrisierende Zukunftsvision mit starkem Personal vorgelegt. Die LeserInnen waren begeistert. Nun setzt er die Geschichte mit „I am Elektra“ auf genauso elektrisierende Weise fort. Ein Zukunfts-Thriller, der einen nicht mehr aus seinen Fängen lässt!

Ueberreuter, 373 Seiten; 17,95 Euro

  Dr. Matthias Marquardt – Erschöpft

Dr. Matthias Marquardt - Erschöpft

Fühlen Sie sich häufig matt? Müde? Ausgelaugt? Dann sind Sie nicht allein. Immer häufiger kommen Menschen in die Praxis von Dr. Matthias Marquardt, die sich kraftlos und erschöpft fühlen. Nicht nur gestresste Führungskräfte, sondern auch Eltern, Angestellte, Lehrer oder Kleinunternehmer. Das Gefühl der Erschöpfung zieht sich quer durch unsere Gesellschaft. Dabei sind die Ursachen selten rein körperlich, sondern resultieren aus unserem stetig ansteigenden Lebenstempo.

Erschöpfung ist ein gesellschaftliches Problem! Die Menschen waren auch schon in früheren Zeiten erschöpft, aber gefühlt hat unser Alltagsleben vom dritten in den fünften Gang hochgeschaltet, ohne jemals wieder einen Gang zurückzuschalten. Das hat Konsequenzen für Körper und Geist. Der Internist Matthias Marquardt nimmt die sozialen Krafträuber ins Visier und zeigt, welche Kraftquellen Sie ganz individuell nutzen können, um zu alter Stärke und Lebensfreude zurückzufinden. Ein Buch mit dem gewissen Mehr-Wert!

Lübbe, 319 Seiten; 18,00 Euro