BuchKolumne 18.01.2021 Nr. 648
Marc Raabe – Die Hornisse
Clara Maria Bagus – Die Farbe von Glück
Anatol Regnier – Jeder schreibt für sich allein
Alfons Kaiser – Karl Lagerfeld – Ein Deutscher in Paris
Alex Ross – Die Welt nach Wagner
Marc Raabe – Die Hornisse
„I love you all“, ruft der gefeierte Rockstar Brad Galloway seinen Fans in der Berliner Waldbühne zu. Plötzlich tritt eine unbekannte Frau ins Scheinwerferlicht und überreicht ihm einen mysteriösen Umschlag. Am nächsten Abend wird Galloways ausgeblutete Leiche ans Bett gefesselt im Gästehaus der Polizei gefunden. LKA-Ermittler Tom Babylon wird zum Tatort gerufen. Gemeinsam mit der Psychologin Sita Johanns fahndet er nach der unbekannten Frau. Die Spur führt dreißig Jahre zurück – zu einer heimtückischen Kindesentführung mit dem Decknamen „Hornisse“ – und zu einer Frau, die zwischen zwei Männern stand. Beide waren bereit zu töten. Einer sinnt noch heute auf Rache. Und das kann Tom Babylon alles kosten, was er liebt.
Nach „Schlüssel 17“ und „Zimmer 19“ ist „Die Hornisse“ der neuer Bestseller-Thriller aus dem Tom-Babylon-Universum! Den Berliner LKA-Ermittler plagen weiter die Geister aus der Vergangenheit und er hat zudem einen aktuellen, schwer durchschaubaren Fall zu klären. Marc Raabe erzählt wieder auf zwei Zeitebenen. Die Echtzeit, die eine hohe Schlagzahl im Stundentakt aufweist, und die aus der Vergangenheit, in der zahlreiche neue Erkenntnisse aus Tom Babylons Familienleben gelüftet werden. Zudem hängt Tom Babylons Familienleben auch sehr mit dem aktuellen Fall zusammen, der den Ermittler zu Fall bringen soll. Hohe Spannungsdichte durch und durch. Marc Raabes „Die Hornisse“ sticht zu! Ein Thriller, der keinen Halt kennt.
Ullstein, 541 Seiten; 14,99 Euro
Clara Maria Bagus – Die Farbe von Glück
Eine falsche Entscheidung, die das Leben dreier Familien für immer verändert: Ein Richter zwingt die Krankenschwester Charlotte, sein sterbenskrankes Neugeborenes gegen ein gesundes zu tauschen. Folgt sie seiner Drohung nicht, entzieht er ihr den Pflegesohn. Die Welt aller Beteiligten gerät aus den Fugen, doch hinter allem wirkt der geheimnisvolle Plan des Lebens.
„Die Farbe von Glück“ fand bisher viele positive Stimme, darunter war auch ein gewisser Markus Lanz. Wenn ein solcher „Buchkenner“ ein Buch so lobt, werde ich etwas skeptisch. Und ja, ich kann bei diesen vielen Lobpreisungen nicht mit einstimmen. Jemand, der viel mit esoterischen Welten anfangen kann, der wird diesem Buch mehr abgewinnen können, als ich während der Lektüre. Mich hat das nach einer gewissen Zeit mehr auf-, als angeregt. Angeregt, „Die Farbe des Glücks“ literarisch zu kosten. So ansprechend und tiefgehend das Grundkonstrukt der Geschichte ist, so nebulös ist die Umsetzung. Die Autorin hat zu wenig Zeit darauf verwendet, ihre Figuren und deren Handlungen lebendig und nachvollziehbar zu gestalten, und auch die Spannung bleibt auf der Strecke, dagegen verliert sich Clara Maria Bagus im mystischen Labyrinth. „Die Farbe von Glück“ leuchtet nur seitenweise aus dem Buch heraus.
Piper, 349 Seiten; 18,00 Euro
Anatol Regnier – Jeder schreibt für sich allein
Wer als Autor im Dritten Reich publizieren wollte, musste sich offiziell registrieren lassen als Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Aber was bedeutete das? Wieviel Anpassung wurde verlangt? Wie war das Verhältnis zum Staat und wie das Selbstverständnis als Repräsentant des deutschen Geisteslebens? Hielt man Kontakt zu emigrierten Kollegen? Und wie stellte man sich zur Verfolgung und Deportation der Juden?
Der spät entdeckte Bestseller von Hans Fallada „Jeder stirbt für sich allein“ war der Antrieb für Anatol Rieger auf die Suche zu gehen, auf die Suche, wie sich bekannte deutsche Autoren nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verhalten haben. Die einen flohen aus Deutschland, ging ins Exil, die anderen folgten der Parteilinie, und wieder andere versuchten noch etwas von sich, ihrem Ich von vor 1933, in ihren Aussagen zu bewahren. Es gibt Einblick in die Biografien von Hans Fallada und Erich Kästner, Agnes Miegel und Ina Seidel, Gottfried Benn, Hanns Johst und Will Vesper. Einige Hauptkapitel sind: „Eine veränderte geschichtliche Lage“, „Eine Frage der Haltung“, „Emigration? Nicht für uns“, „Jahresende 1933“, „Leben am Rand“, „Wo ist der wahre Nationalsozialismus“, „Aspekte 1935“, „Dichtung – Bühne – Politik“, „Unter Frauen“, „Mephisto“, „Krieg“, „Zwei Frauen, ein Mann“, „Schatten der Vergangenheit“ und „Willkommen und Abschied“. Ein reflektierter und interessanter Einblick in das Leben von SchriftstellerInnen während der Nazi-Diktatur!
C. H. Beck 366 Seiten; 26,00 Euro
Karl Lagerfeld stilisierte sich selbst zum lebenden Logo und zu einem Mythos der Modewelt. Das Buch erklärt die vielen Rollen seines Lebens: den jugendlichen Außenseiter im norddeutschen Flachland, das weltgewandte Genie in Paris, den unermüdlichen Zeichner, begeisterten Fotografen, leidenschaftlichen Büchersammler und den preußisch disziplinierten Workaholic. Was steckt hinter dieser überlebensgroßen Figur, die trotz aller Kommunikationslust die eigene Lebensgeschichte geheim hielt?
Karl Lagerfeld war eine Ausnahmeerscheinung in der Modewelt, und nicht nur da! Ein Mann mit Stil, dessen Mode man große Aufmerksamkeit schenkte und darüber hinaus auch immer ein offenes Ohr, bei allem was er zu sagen hatte. Eine Biographie, die einen Mann zeigt, der aus bürgerlichen Verhältnissen kam und die Pariser Modewelt eroberte. Ein Mann, der für immer unvergessen sein wird! Die Hauptthemen sind: „1933 bis 1951 (u. a. Kindheit, Krieg, Partei, Schule, Demütigung)“, „1952 bis 1982 (u. a. Paris, Anfänge, Freunde, Aufschwung, Fendi, Deutsche)“, „1983 bis 1999 (u. a. Chanel, Fotos, Models, Journalisten, Zeichnungen, Bücher)“, „2000 bis 2019 (u. a. Diät, Logo, H & M, Werbung, Feinde, Kritik, Ende)“.
C. H. Beck, 383 Seiten; 26,00 Euro
Alex Ross – Die Welt nach Wagner
Beginnend mit dem Tod Wagners erzählt dieses Buch, was für uns zur Gegenwart geworden ist: Wir leben und sehen die Welt seit Wagner mit seinen Augen, seine Themen und Szenen prägen auch heute noch unser gesellschaftliches Bühnenbild. Wagner ist für Alex Ross ein deutsches Drama, das sich aus der Wirklichkeit, aber auch aus dem Wahn speist. Sein Buch ist eine Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, durchzogen von dem Erbe Richard Wagners – der widersprüchlich war, ungreifbar, vielleicht sogar unvollendet. Nur so ist auch seine Musik und sein Nachleben in Deutschland zu verstehen: Wir sind noch immer Wagner.
Ein Standardwerk über den großen Komponisten – von einem der angesehensten Musikkritiker der USA. Ein Buch, das einem zum Staunen bringt! Und das fast 900 Seiten lang. Selbst für LeserInnen die Wagner bisher vielleicht nur am Rande gestreift haben, bietet dieses Buch ein süffiges Leseerlebnis. Alex Ross hat mit der Liebe zum Detail gearbeitet und verliert sich dabei aber nie. Großes Lob! Die Hauptthemen sind: „Rheingold“, „Der Tristan-Akkord“, „Schwanenritter“, „Der Gralstempel“, „Die Heilige Deutsche Kunst“, „Nibelheim“, „Venusberg“, „Brünnhildes Fels“, „Feuerzauber“, „Nothung“, „Ring der Macht“, „Der Fliegende Holländer“, „Siegfrieds Tod“, „Walkürenritt“ und „Die Wunde“.
Rowohlt, 906 Seiten; 40,00 Euro