BuchKolumne 14.08.2023 Nr. 782
Regina Scheer – Bittere Brunnen
Claire Holroyde – Komet – Countdown zum Weltuntergang
Jamie Oliver – Billy und der geheimnisvolle Riese
Javier Cercas – Blaubarts Burg
JP Delaney – Die Fremde in meinem Haus
Regina Scheer – Bittere Brunnen
Eine Alternative zum Kapitalismus ist möglich, eine Welt ohne Krieg, Armut und Ausbeutung: davon ist die junge Jüdin Hertha Gordon, später Walcher, überzeugt, als sie sich in den 1910er-Jahren den Sozialisten anschließt und in den Kampf stürzt. Hautnah erlebt sie den großen Traum von der Revolution, aber auch das Scheitern und schmerzhafte Ende der Illusionen mit. Die Autorin kannte Hertha Walcher (1894‒1990) seit ihrer Kindheit und führte über viele Jahre Gespräche mit ihr. Sie bietet einen sehr privaten Blick auf eine beeindruckende Frau, die nach Moskau reiste, um Dokumente zu überbringen, und dort Lenin und Stalin begegnete; die Spezialistin in der Herstellung von Geheimtinte war, deren Weggefährten Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Wilhelm Pieck, Bertolt Brecht, Willy Brandt hießen. Ein entbehrungsreiches Leben im Dienst einer großen Idee, von unzerstörbarer Hoffnung, von Verbundenheit und Hilfsbereitschaft, aber auch von erbittertem Streit unter Menschen, die doch das gleiche Ziel verfolgen.
Was für ein Buch, was für ein Leben! „Bittere Brunnen – Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution“ ist eine Geschichte, eine Biografie, die sich so spannend liest wie ein Kriminalroman in Kombination mit einem großen dramatischen Gesellschaftsroman. Regina Scheer hat mit ihrem Buch wahrlich Großes vollbracht. Das wurde auch schon vor einigen Monaten mit einem Preis gewürdigt. „Bittere Brunnen“ erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse. Die Preisvergaben der Buchmessen sind oft sehr weit weg von wirklich guten, spannenden und gern lesbaren Büchern, ganz anders ist das bei diesem Buch. Dieses Buch verdient einen Preis! Dieses Buch verdient es, ein Bestseller im Hardcover zu sein und im Taschenbuch zu werden. Ein deutsches Jahrhundertleben in berauschendem Stil erzählt!
Penguin, 698 Seiten; 30,00 Euro
Claire Holroyde – Komet – Countdown zum Weltuntergang
Ein riesiger Meteorit rast auf die Erde zu. Die einzig mögliche Rettung: Eine Atombombe muss die Flugbahn des Meteoriten umlenken. Es ist bereits eine Sekunde vor 12 und allen ist klar: Damit dies gelingt, müssen sämtliche Regierungen der Welt ihre besten Leute schicken. Während der Kampf gegen die Zeit läuft, bricht allerorten das Chaos aus. Der bevorstehende Weltuntergang führt zum Zusammenbruch sämtlicher Gesellschaftssysteme und Technologien, Kriege, Plünderungen und Hunger sind die Folge. Hiervon unberührt bleibt lediglich die Crew eines Forschungsschiffes, das von allem abgeschirmt mit einem Klimaforschungsauftrag in der Arktis unterwegs ist.
Wenn man diese Story hört, denkt man natürlich sofort an den Hollywood-Blockbuster „Armageddon“ mit Bruce Willis als Retter der Erde in der Hauptrolle. Und wenn man als Autorin solch eine Geschichte entwirft, muss man sich natürlich auch an dieser kolossalen Story messen lassen. Daran scheitert Claire Holroyde dann auch kolossal. Das liegt vor allem auch daran, dass bei den ganzen einzelnen Erzählsträngen, die die Autorin in diesem Buch unterbringt, 1.000 Seiten nötig gewesen wären, um dies intensiv und lebensnah zu schildern. Doch Claire Holroyde reißt so viel an, geht aber nirgendwo richtig in die Tiefe, sodass man nur schwer Zugang zu den Personen und der Story bekommt. Durch diese, doch etwas konfuse Storyline, geht auch noch die Spannung verloren. und das bei diesem Thema! Fast ausgeschlossen, doch Claire Holroyde schafft es. Was hätte ein Stephen King oder ein Neal Stephenson aus dieser Story gemacht? Ein tatsächlich kolossal spannendes Lese-Erlebnis!
dtv, 474 Seiten; 12,95 Euro
Jamie Oliver – Billy und der geheimnisvolle Riese
Niemand darf Waterfall Woods betreten, das Wissen auch Billy und seine Freunde ganz genau. Die Leute im Dorf erzählen sich Schauergeschichten von dem Wald hinter der alten Mauer und schon seit Jahrzehnten hat sich kein Mensch mehr in seine Nähe gewagt. Doch als Billy, Anna, Jimmy und Andy eines Tages einen geheimen Zugang entdecken, sind alle Warnungen schnell vergessen: das Abenteuer ist einfach zu verlockend. Sofort spüren die Freunde, dass sie eine magische Welt betreten haben, einen Zauberwald, in dem die seltsamsten Kreaturen wohnen, darunter ein ganzes Volk von Elfen, das dringend die Hilfe der Kinder braucht.
Star-Koch Jamie Oliver schreibt sein erstes Kinderbuch! Was für eine Nachricht auf dem Buchmarkt. Das kann doch nur schiefgehen, denkt man. Aber nein, es kommt ganz anders. „Billy und der geheimnisvolle Riese“ ist ein wunderschöner und spektakulärer Abenteuerroman für Klein und Groß! Die Geschichte ist spannend erzählt und liebevoll gestaltet. Um das Ganze noch schöner zu machen, hat Mónica Armino das Buch mit so vielen Zeichnungen ausgestattet, dass es nur so eine Freude ist. „Billy und der geheimnisvolle Riese“ macht richtig viel Spaß! Und es soll nicht Billys letztes Abenteuer gewesen sein. Jamie Oliver scheint Freude daran gefunden zu haben, auch ganz andere Bücher zu schreiben. Das nächste Abenteuer wird mit Freude erwartet!
Dorling Kindersley, 348 Seiten; 16,95 Euro
Melchor Marin hat seinen Job als Polizist endgültig an den Nagel gehängt. Er arbeitet in der Terra Alta als Bibliothekar, die Bücher und seine 17-jährige Tochter Cosette erfüllen sein Leben. Als Cosette von einer Reise nach Mallorca nicht zurückkehrt, wird Melchor nervös. Ist es bloß die Laune eines Teenagers? Oder ist sie auf den wilden Partys der Insel in die falschen Hände geraten? Doch dann bricht der Kontakt zu seiner Tochter vollständig ab und Melchor muss handeln. Mit Hilfe seiner ehemaligen Polizeikollegen gelingt es ihm, die Spur aufzunehmen. Sie führt in die Villa eines Oligarchen, in der immer wieder junge Frauen verschwinden. Auf der verzweifelten Suche nach seiner Tochter sieht sich Melchor Marín mit der Korruption und Vetternwirtschaft der Urlaubsinsel konfrontiert. Doch er weiß sich zu helfen.
„Blaubarts Burg“ ist nach „Terra Alta“ und „Die Erpressung“ der letzte Teil der Terra-Alta-Trilogie des spanischen Bestseller-Autors Javier Cercas. Noch einmal dürfen die LeserInnen Melchor Marin bei seinem Treiben in Terra Alta begleiten. Was beim ersten Teil mit einer großen Rache begann, ist nun deutlicher ruhiger geworden, bis Melchors Tochter Cosette entführt wird. Vorbei ist das ruhige Leben an der Seite seiner neuen Liebe Rosa. Melchor muss noch einmal alle seine Fähigkeiten aktivieren und in Mallorca aufräumen. In einigen Jahren wird die „Terra-Alta“-Trilogie zu den modernen Klassikern der Spannungsliteratur zählen!
S. Fischer, 427 Seiten; 25,00 Euro
JP Delaney – Die Fremde in meinem Haus
„Hallo, ich bin Anna. Aber geboren wurde ich als Sky und ich glaube, dass du meine leibliche Mutter bist.“ Diese Nachricht trifft Susie wie ein Schlag in die Magengrube. Tatsächlich hat sie vor 15 Jahren als junge, mittellose Musikerin ihre Tochter zur Adoption freigegeben– und diese Entscheidung seitdem stets bitter bereut. Als Anna dann über ihre strengen Adoptiveltern berichtet, ist Susie überzeugt, dass das Mädchen Hilfe braucht. In der Hoffnung, ihren Fehler aus der Vergangenheit wieder gutzumachen, nimmt sie Anna bei sich auf. Doch das Mädchen verhält sich seltsam und verstrickt sich mehr und mehr in Lügen. Was sind die wirklichen Gründe für die Adoption vor 15 Jahren? Und wer hütet hier welches Geheimnis?
JP Delaney wurde mit „The Girl Before“ zu einem neuen Star in der Thriller-Szene. Es folgten „Believe Me“, „Tot bist du perfekt“ und „Du gehörst uns“. Ein Bestseller folgt dem nächsten. Und sein neuer Thriller „Die Fremde in meinem Haus“ reiht sich hier ein. JP Delaney führt die LeserInnen langsam in einen Strudel von spannenden Ereignissen. Das Thriller-Gesetz, lass deine LeserInnen nie von der Angel, beherrscht JP Delany ausgezeichnet. Man fragt sich immer: wie geht es weiter? Mit was wird man als nächstes überrascht? So muss ein Thriller geschrieben sein.
Penguin, 382 Seiten; 16,00 Euro