September 14, 2024

Kolumne 12.08.2024 Nr. 834

 

      BuchKolumne 12.08.2024 Nr. 834

Justin Cronin – Ferryman
Paula Irmschler – Alles immer wegen damals
Eve Babitz –  Sex & Rage
John Katzenbach – Die Familie
Dr. Rahul Jandial – Warum wir träumen

      Hörbuch der Woche

Moritz Matthies – Arsch voll Geld

  Justin Cronin – Ferryman

Die Inseln von Prospera liegen in einem riesigen Ozean, idyllisch abgeschieden vom Rest der Menschheit. Die Bewohner genießen ein unbeschwertes Leben voller Privilegien, umsorgt von dienendem Hilfspersonal. Neigt sich die Lebenszeit der Prosperaner dem Ende zu, werden sie auf eine geheimnisvolle Nachbarinsel geschickt, um dort neu gebootet zu werden und ein weiteres Leben zu beginnen. Proctor Bennett ist der Fährmann, der die Prosperaner dorthin geleitet. Er hat seine Arbeit nie in Frage gestellt, bis er eines Tages eine kryptische Nachricht erhält. Sie bestätigt, was er insgeheim immer befürchtet hat – denn sie birgt eine Wahrheit, die das Schicksal der Menschheit auf ewig verändern wird.

Justin Cronin ist ein visionärer Autor, wie es nur wenige auf dem Planeten gibt! Über seine „Passage“-Trilogie (Der Übergang) schrieb ich einst: „Ein literarischer Horror-Endzeit-Thriller, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat, mit gewaltiger Spannung und gewaltiger Dramatik.“ Es hat über ein Jahrzehnt gedauert, bis er nun wieder einen großen Roman vorlegt. „Ferryman“ ist visionär! Der Autor hält, was er verspricht. Und wie damals ist neben mir auch Stephen King wieder sehr begeistert von Cronins neuem Werk. „Ferryman“ gibt Rätsel auf, ist geheimnisvoll, dramatisch, weckt Emotionen, spielt mit den LeserInnen, hat eine klare und fesselnde Sprache. In dieser Geschichte hat jeder einen Chip im Arm, man wird älter, und wenn nicht mehr genug Prozente übrig sind, geht es ab auf die Fähre ins Nirwana. Für das Bringen auf die Fähre ist der Ferryman zuständig. Doch dieser in Person von Proctor Bennett hat gerade seinen eigenen Vater auf die Fähre gebracht und ist nun im Zwiespalt. Ist das richtig, was er tut? Und was tut er da eigentlich? Was geht auf Prospera wirklich vor sich? Diese Fragen werden Sie sich immer öfter stellen. Ist vielleicht alles nur ein Traum? Oder ist alles ganz anders? Und welche kleine Rolle spielt Jane Austen? Verwirrend? „Ferryman“ ist gespickt von Überraschungen. Justin Cronin hat das große Ganze unserer Menschheit in einen fesselnden Roman gepackt!

Goldmann, 713 Seiten; 28,00 Euro

    Paula Irmschler – Alles immer wegen damals

Der Hund ist jetzt da, nun muss man sich eben um ihn kümmern, sagt Mutti. So wie die Kinder, die waren damals auch plötzlich da und man musste sich eben kümmern. Das will ihre Tochter Karla in jedem Fall anders machen. Also ist sie von Leipzig nach Köln geflohen, hat den Kontakt zur Mutter abgebrochen, das ist einfacher als mit Gerda zu diskutieren. Aber jetzt hadert Karla mit der Ausbildung, kämpft mit der Miete, und mit ihrer Freundin könnte auch mal der nächste Schritt kommen. Ob es eine gute Idee von Karlas Geschwistern war, den beiden zu ihren Geburtstagen – zum 30. und 60. – eine gemeinsame Reise nach Hamburg zu schenken?

Paula Irmschler konnte mit ihrem Debütroman „Superbusen“ einen Bestseller landen. Auch mich konnte sie damit überzeugen. Ich schrieb zu dem Buch: „Der frische und freche -Superbusen- von Paula Irmschler ist sehr lesenswert!“ So war ich gespannt auf ihren zweiten Roman „Alles immer wegen damals“. Eine Mutter-Tochter-Geschichte oder besser eine Tochter-Mutter-Geschichte. Die Story lässt sich gut an. Paula Irmschler hat in speziellen Momenten auch diesen Ton, der einen Sätze gleich mehrmals lesen lässt. Abwechselnd lässt sie Karla und Gerda zu Wort kommen. Daraus entsteht dann der roten Faden, der die Geschichte spannend vorantreibt. Nein, so ist es leider nicht. Denn den sucht man in der Geschichte vergebens. Der Aufbau lässt zu wünschen übrig, und auch die Spannung, die das Buch dann langsam zu einem bravurösen Ende führt. Die Geschichte läuft. Und sie läuft. Und läuft. Man erlebt einzelnen Szenen, die richtig gut sind, auch die Tiefe ist dann da, aber das kommt eben nur vereinzelt vor. „Alles immer wegen damals“ wollte „alles“, und dass „immer“, doch das gelingt Paula Irmschler „wegen“ Mängeln im Aufbau im heute und im „damals“ nur unzureichend.

dtv, 316 Seiten; 24,00 Euro

  Eve Babitz – Sex & Rage

Eve Babitz zählt zu den aufregendsten Wiederentdeckungen der letzten Zeit. Lange wurden ihre gleichzeitig scharfsinnigen und leichthändigen Texte übersehen. Erst kurz vor ihrem Tod wurde eine Generation auf sie aufmerksam, die heute so jung ist, wie Eve Babitz zu Beginn ihrer Karriere. In „Sex & Rage“ erzählt sie von Glamour und tiefen Abgründen – und von einer Muse, die in den 1970er Jahren die Unverfrorenheit besitzt, selbst Künstlerin zu werden. Man folgt der jungen Jacaranda, aufgewachsen am Strand von Los Angeles, wie sie sich durch die Höhen und Tiefen des Lebens trinkt, tanzt und feiert.

Eve Babitz (1943 – 2021) ist die Joan Didion aus Los Angeles! Ihre Romane wurden in den USA 2019 wiederentdeckt und zu Bestsellern. Bei uns erscheint nun ihr autofiktionaler Roman „Sex & Rage“. Eve Babitz’ Stil hat einen Sound wie ein Rock ‘n’ Roll-Konzert am Strand von Malibu! Man spürt den literarischen Sand zwischen den Zehn. Sie schreibt Sätze, da kullert man mit den Augen. Wie: „Er entstieg dem Jaguar wie ein großes Erfrischungsgetränk, wie Gary Cooper in ‘Marokko’. Jede seiner Bewegungen erinnerte an frisches, süßes Quellwasser.“ Oder spritzige Dialoge wie: „Ich habe schon so viel von dir gehört“, sagte er. – „Oh … und ich so wenig von dir“, entgegnete sie. Dieser besondere Sound zieht sich durch das ganze Buch, die eine Geschichte erzählt, die in den 1960er in Los Angeles beginnt, ein Los Angeles, ein Hollywood, das wenig Glanz und Glamour zu bieten hat, sondern vielmehr von den Menschen erzählt, die den Wunsch haben, da hinzukommen. Sex, Partys, Drogen, Strand … und wieder von vorne. Das war das Leben, das Jacaranda & Co. in dieser Zeit führten. Doch Jacaranda machte irgendwann als Autorin Karriere und entwickelt eine New-York-Phobie. Von L. A. nach New York, für Jacaranda unvorstellbar. Aber wie immer in Jacarandas Leben fügten sich die Dinge irgendwie. Auch in den 1970ern. „Sex & Rage“ ist ein literarisches Rock-Konzert, das zum Headbanging animiert!

S. Fischer, 278 Seiten; 24,00 Euro

   John Katzenbach – Die Familie

In Miami hat sich Dr. Frederick Starks ein neues Leben aufgebaut – zum zweiten Mal. Denn bereits zwei Mal wurde Starks von psychopathischen Killern in ein tödliches Spiel verwickelt, das er selbst nur knapp überlebt hat. Seine Widersacher hält der Psychiater für tot und wähnt sich endlich in Sicherheit. Doch als die Polizei den Selbstmord eines seiner Patienten meldet, argwöhnt Starks sofort, dass der Mann in Wirklichkeit umgebracht wurde. Kurz darauf hackt ein Unbekannter, der sich Zerberus nennt, Starks‘ Computer und trägt ihm ein Rätsel auf: Binnen vierzehn Tagen muss Starks den Selbstmord eines der zwölf Patienten verhindern, die Zerberus ihm aufzählt. Scheitert er, sterben die beiden liebsten Menschen, die ihm noch geblieben sind.

Seit Jahrzehnten gehört John Katzenbach weltweit zu den führenden Psychothriller-Autoren! Ein Bestseller folgt den nächsten. Nun kehrt er noch einmal zu Dr. Frederick Starks zurück. Nach „Der Patient“ und „Der Verfolger“ folgt nun „Die Familie“. Ein würdiger Abschluss dieser fesselnden Trilogie. John Katzenbach versteht es, seine LeserInnen immer unter Strom zu halten, so elektrisierend-spannend sind seine Psychothriller!

Droemer, 636 Seiten; 17,99 Euro

  Dr. Rahul Jandial – Warum wir träumen

Der Gehirnchirurg und Neurowissenschaftler Rahul Jandial erklärt in seinem Buch unter anderem, dass unser Gehirn während wir träumen mindestens so aktiv ist wie während wir wach sind; dass unsere Träume Vorboten von Krankheiten sein können; dass wir alle lernen können, uns an die eigenen Träume zu erinnern und diese auch aktiv zu erleben; dass man wiederkehrende Albträume umschreiben kann, sodass sie weniger beängstigend sind, und dass Wissenschaftler:innen auf Basis unserer Träume ein psychologisches Profil von uns erstellen können.

Warum träumen wir? Wie träumen wir? Was träumen wir? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der renommierte Gehirnchirurg und Neurowissenschaftler Rahul Jandial. Dieses Buch wird Ihr Denken verändern! Der Autor geht auf viele unterschiedliche Bereiche ein. Die Hauptkapitel sind: „Träume sind unser entwicklungsgeschichtliches Erbe“, „Warum wir Albträume brauchen“, „Erotische Träume: Die Verkörperung des Begehrens“, „Träume und Kreativität: Wie Träume den Schöpfer ins uns erwecken“, „Traum und Gesundheit: Was unsere Träume über unser Befinden verraten“, „Luzide Träume: Wo wacher und träumender Geist sich überschneiden“, „Wie Sie luzides Träumen lernen können“, „Die Zukunft des Träumens“ und „Die Interpretation von Träumen“. Wenn Sie „Warum wir träumen“ aufmerksam lesen, werden die Erkenntnisse aus diesem Buch Sie bis in Ihren Schlaf verfolgen! Und das ist gut so. Denn dann werden Sie sich und Ihre Träume ganz neu kennenlernen.

Rowohlt, 304 Seiten; 26,00 Euro