BuchKolumne 07.10.2024 Nr. 842
Andreas Eschbach – Die Abschaffung des Todes
Ben Aaronovitch – Eine Nachtigall in New York
David Wagner – Verkin
Michael Tsokos – Mit kaltem Kalkül
Simone de Beauvoir – Die Mandarins von Paris
Hörbuch zur Kolumne
Iny Lorentz –
Die Wanderhure – Intrigen in Rom
Andreas Eschbach – Die Abschaffung des Todes
Drei hochkarätige Unternehmer aus dem Silicon Valley wollen ein zweites ‚Manhattan Projekt‘ ins Leben rufen. Nur ist das Ziel noch ehrgeiziger als damals die Entwicklung der Atombombe: Sie wollen den Tod abschaffen. Der Journalist James Windover entdeckt jedoch, dass die Unternehmer, während sie von Investoren Milliarden sammeln, insgeheim versuchen, einen Schriftsteller zum Schweigen zu bringen – weil sie eine Story fürchten, die er geschrieben hat. Was steht darin, dass das Projekt gefährden könnte? James begibt sich auf die Suche nach dem Mann und gerät rasch selbst in tödliche Gefahr.
Andreas Eschbach ist einer der visionärsten Autoren unserer Zeit! Mit jedem neuen Buch beweist er das aufs Neue. Zuletzt mit „Freiheitsgeld“ oder „NSA“. Nun geht er das ewige Leben an mit „Die Abschaffung des Todes“. Was für eine Geschichte! Andreas Eschbach zieht wieder alle Register seines Könnens. Ein geniales Teufelswerk des ewigen Lebens! Ist es erstrebenswert ewig zu leben? Diese philosophische Frage schwebt über dem ganzen Roman. Andreas Eschbach lässt dabei aber nicht nur die Philosophie einfließen, sondern auch viele technischen Möglichkeiten, die bereits machbaren und die vielleicht nie machbaren. Kann auch der Geist in einem Gefängnis leben? Diese Frage werden Sie nach der Lektüre verstehen. Gleichzeitig ist der Roman auch eine Geschichte über einen faktenbasierten Journalismus, und zwar nur Fakten, und sonst nichts. Dröge kann das sein, da diesem Journalismus die Emotionen fehlen, aber Fakten sind nun mal Fakten. Und es zeigt, dass eine gute, eine verdammt gute Geschichte, die Welt verändern kann. Zum Guten, aber auch zum schlechten. „Die Abschaffung des Todes“ zu lesen und zu erleben ist wie, wenn Sie durch Ihr Gehirn eine Achterbahn durchrasen lassen. Seien Sie also gewarnt!
Lübbe, 654 Seiten; 26,00 Euro
Ben Aaronovitch – Eine Nachtigall in New York
New York, 1920er-Jahre: Augustus Berrycloth-Young, Absolvent der Zauberschule Casterbrook, ist unangenehm überrascht: Denn unangekündigt steht sein alter Schulkamerad Thomas Nightingale vor der Tür und reißt ihn aus seinem behaglichen Leben. Nightingale ist auf geheimer Mission nach New York geschickt worden, um ein verzaubertes Saxofon ausfindig zu machen, das seltsame Kräfte entfaltet, wenn es gespielt wird. Und ausgerechnet Augustus soll ihm helfen, dabei will er eigentlich nur das Dolce Vita genießen. Auf der Suche machen die beiden Männer die Jazzclubs der Metropole unsicher und machen unfreiwillig mit der nicht-magischen und korrupten Polizei Bekanntschaft.
dtv, 207 Seiten; 12,00 Euro
David Wagner – Verkin
Eine Katze vom anatolischen Vansee, das eine Auge blau, das andere braun, wird nach Berlin gebracht. Auf einem für sie organisierten Willkommensfest lernt der Erzähler dieses Romans die Überbringerin kennen und fragt sich: Wer ist diese türkisch-armenische Frau namens Verkin, die in ihrem metallisch glitzernden Kleid wie eine Raumfahrerin wirkt? Wenig später reist er nach Istanbul, um an einem neuen Buch zu schreiben, im Gepäck deutsche Wurstwaren, die er Verkin als Dank für die Katze mitbringen soll. Kaum angekommen, wird er schon verführt: von den Geschichten aus ihrem märchenhaften Leben.
„Verkin“ ist ein wahrlich schillernder Roman! Oft zumindest, und das war für mich am Ende das Problem, den Daum wirklich zu heben. Das Feuilleton ist aus dem Häuschen über David Wagners „Verkin“, die LeserInnen sehen das ein bisschen anders. Die LeserInnen haben doch eine sehr geteilte Meinung zu diesem Buch. So wie ich auch. Verkin ist eine sehr ambivalente Persönlichkeit. Einerseits denkt man wow, anderseits nervt sie einen auch irgendwie. So zwiespältig die Figur, so zwiespältig meine Rezension zu diesem Buch. Der geschichtliche Hintergrund (Türkei und darüber hinaus) ist David Wagner meist gut gelungen, aber auch hier gibt es eben Lücken, die die Geschichte nicht voranbringen. Überbordende Spannung darf man nicht erwarten, Langeweile aber auch nicht. „Verkin“ schillert auf seine ganz eigene Art!
Rowohlt, 397 Seiten; 26,00 Euro
Die Spezialeinheit „Extremdelikte“ um Dr. Sabine Yao untersucht auch diesmal wieder ungewöhnliche Todesfälle: Zwei in schwarze Samtkleider gehüllte und bizarr entstellte Tote, die im Wald an einem Gestell hängen, geben ebenso Rätsel auf wie ein Tatort in einer Bauwagensiedlung, wo ein Toter zwischen Kinderspielzeug, fetischartigen Utensilien und Perücken liegt. Noch weiß keiner der Ermittler, dass der jordanische Ex-Geheimdienstler Khalaf unter Hochdruck nach dem verschwundenen achtjährigen Yasser sucht. Ihm vertrauen die Bewohner der Neuköllner High-Deck-Siedlung mehr als der Polizei. Khalaf findet heraus, dass Yasser nicht das erste verschwundene Kind aus der Siedlung ist – und dass hinter diesem Fall etwas Grauenvolles steckt. Als eine Kinderleiche gefunden wird, beginnt Sabine Yao zu erkennen, dass fernab der sichtbaren Berliner Strukturen eine urbane Schattengesellschaft existiert, die einen Blick hinter die Kulissen kaum verzeiht. Ermittlerin Monica Monti, Leiterin der vierten Mordkommission des Berliner LKA, folgt dagegen ihrem Instinkt.
Ein True-Crime-Thriller, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt! „Mit kaltem Kalkül“ ist nach „Mit kalter Präzision“ der 2. Fall für die Rechtsmedizinerin Sabine Yao. Bestseller-Autor Michael Tsokos jagt die LeserInnen durch die Geschichte! Er kennt dabei kein Erbarmen, was die Nerven oder den Mageninhalt der LeserInnen betrifft. Neben dem aufwühlenden Fall sorgt auch Sabine Yaos Familienleben für dramatische Ereignisse. Aber wie oft bei einem Tsokos-Thriller sind, Nebenstränge wirklich nur Nebenstränge. Michael Tsokos richtet den Fokus voll auf die Ermittlungen der Rechtsmedizin und die der Polizei. Die Einblicke, die er den LeserInnen dabei gewährt, sind so klar dargestellt, dass man dem Geschehen folgt, als wäre man selbst Teil der Ermittlungen. Gänsehautgarantie! Ein Rechtsmedizin-Thriller, wie ihn nur Michael Tsokos schreiben kann!
Knaur, 362 Seiten; 16,99 Euro
London: Ein Serienmörder hält die Stadt in Atem. Seine Opfer sind ausschließlich Studentinnen. Er foltert und vergewaltigt sie und präsentiert die grausam zugerichteten Leichen den Behörden. Am Tatort hinterlässt er zudem einen Strauß Rosen und mit Blut geschriebene Botschaften.
Der Privatdetektiv Vincent und die Polizistin Lucy heften sich an seine Fersen, doch der Mörder ist ihnen immer einen Schritt voraus und spielt mit ihnen. Die Presse nennt ihn bald darauf „den Schänder“. Vincent und Lucy werden immer verzweifelter, da die Opfer keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Jede Studentin könnte sein nächstes Ziel sein. Doch dann finden sie eine mögliche Spur zu ihm. Sie entscheiden sich zu einem riskanten Plan…
Simone de Beauvoir – Die Mandarins von Paris
Paris nach dem Ende der deutschen Besatzung. Des Mandarins, das sind die Caféhaus-Intellektuellen, die sich über Politik und Literatur die Köpfe heißreden. Und mittendrin Anne Dubreuilh, die feststellen muss, dass sie als Akademikerin bei den langen Abenden voller Zigarettenrauch und Alkoholdunst wohl mitreden darf, aber dennoch den schmerzhaften Riss spürt, der zwischen männlich und weiblich, zwischen öffentlich und privat verläuft.
Die Neuordnung der Linken, die Zeit der großen politischen Umbrüche und vor allem des Feminismus in einer Zeit, in der patriarchale und nationalistische Tendenzen wieder erstarken: Der Roman hat eine gewisse Aktualität, trotz seines „hohen“ Alters. Die Neuübersetzung dieses Klassikers ist überaus gut gelungen. Ein epochaler Roman! Simon de Beauvoir (1908 – 1986) fängt in ihrem preisgekrönten Roman „Die Mandarins von Paris“ (erstmals 1954 in Frankreich erschienen) authentisch das Klima im Nachkriegsfrankreich ein. Eine großartige Geschichte mit fulminanten Figuren. Mehr als 1.000 Seiten lang ein geschichtlicher und literarischer Hochkaräter!
Rowohlt, 1.021 Seiten; 45,00 Euro