BuchKolumne 03.07.2023 Nr. 776
Nicola Lagioia – Die Stadt der Lebenden
Olivie Blake – The Atlas Paradox
Ellery Lloyd – Der Club – Dabeisein ist tödlich
Kristin Baver – Star Wars – 100 Objekte
Julie Dubois – Lorbeerglanz
Nicola Lagioia – Die Stadt der Lebenden
Im März 2016 quälen Manuel Foffo und Marco Prato, zwei junge Männer aus gutem Hause, in einer Wohnung am Stadtrand von Rom stundenlang den jungen Luca Varani zu Tode. Der Fall schockiert und ist für die Medien ein gefundenes Fressen. Sind die Mörder pervers? Kokainsüchtig? War es gar ein Werk des Teufels? Nicola Lagioia begleitet den Fall zunächst als Reporter: Er sammelt Dokumente und Zeugenaussagen, trifft die Eltern von Luca Varani und beginnt einen Briefwechsel mit einem der beiden Täter. Für seine Recherche begibt sich Lagioia in die Nacht Roms. Eine Stadt, die unbewohnbar und doch voller Leben ist, die von Korruption und Drogen zerfressen ist und doch gleichzeitig in der Lage, ihren Bewohnern ein Gefühl der Freiheit zu vermitteln. Eine Stadt, die zu jenem Zeitpunkt zwar keinen Bürgermeister hat, aber zwei Päpste. Aus anfänglicher Faszination für das grundlos Böse wird eine differenzierte Aufarbeitung enttäuschter Erwartungen, sexueller Verwirrung, Suche nach Identität und Orientierungslosigkeit.
In Nicola Lagioias Heimat Italien war „Die Stadt der Lebenden“ ein großer Bestseller. Die Stimmen über das Buch sehr positiv. Ich war gespannt, auf diese Geschichte. Ein literarisch-dokumentarisch erzählte Geschichte, die einen mit seiner Klarheit, Kühle, Schmutzigkeit und Ruchlosigkeit in seinen Bann zieht! Nicola Lagioias Stil ist einfach, aber in der Einfachheit liegt oft die Schwierigkeit. So wirkt diese wahre Geschichte wie ein derber Kriminalroman, der zugleich ein Gesellschaftsporträt Italiens und Roms ist, literarisch auf hohem Niveau. Er seziert den Kriminalfall, die beteiligten Personen, die Tat, das Drumherum, und alles, was folgte bis ins kleinste Detail. Die geheime, und doch so prominente, Hauptdarstellerin der Geschichte ist Rom. Man sieht die Schönheit der Stadt vor Augen, aber vor allem das Dreckige, das Unheilvolle und die Verdorbenheit. Dazu im Buch: „Nach einer Woche in Rom würde selbst der Präsident der Vereinigten Staaten zu einem stinknormalen Arschloch. Wer Illusionen braucht, der sollte langes Verweilen in der Stadt vermeiden.“
btb, 510 Seiten; 25,00 Euro
Olivie Blake – The Atlas Paradox
Mehr Geheimnisse. Verrat. Verführung. Herzen werden gebrochen, Allianzen geschmiedet und wieder zerbrochen, und die Alexandrinische Gesellschaft wird als das enthüllt, was sie ist: eine mächtige Organisation, die von einem Mann geführt wird, der unsere Welt revolutionieren möchte. Doch die Gesellschaft verfügt auch über mächtige Feinde, die von sich behaupten, eine bessere Alternative zu sein. Die MagierInnen werden sich für eine der beiden Seiten entscheiden müssen. Und allen ist klar: Von dieser Entscheidung hängt nicht nur ihr eigenes Schicksal ab.
„The Atlas Six“ von Olivie Blake hat hohen Wellen geschlagen. Ein Fantasy-Bestseller, der viele LeserInnen begeistert hat. Nun folgt mit „The Atlas Paradox“ die Fortsetzung, in dem sich sechs talentierte MagierInnen den tödlichen Prüfungen der Alexandrinischen Gesellschaft stellen. Zum ersten Teil urteilte ich: „Spektakulär, wortgewandt, fesselnd – ‚The Atlas Paradox‘ bringt einen ins Schwitzen und hält das Lesefieber hoch!“ Mein Urteil zum ersten Band kann ich für „The Atlas Paradox“ nicht bestätigen. „The Atlas Paradox“ ist ein harter Brocken. Olivie Blake hat schon fast ein wissenschaftliches Sachbuch geschrieben, aber keinen fantastischen Roman, der forsch vorangeht. Die Charaktere haben mich grundsätzlich wieder begeistert, aber die Spannung und das Ereignisreiche ist in diesem zweiten Band doch deutlich geschrumpft. Trotzdem will ich dem dritten Band „The Atlax Complex“, der im Juni 2024 erscheint, noch eine Chance geben.
TOR, 556 Seiten; 24,00 Euro
Ellery Lloyd – Der Club – Dabeisein ist tödlich
Auf einer vergessenen Insel vor der britischen Küste herrscht seit kurzem der Gipfel des Luxus: Nur die wahrhaft Reichen, Schönen und Berühmten haben Zugang zum elitären Private Member Club „Island Home“, wo sie geschützt vor neugierigen Augen ausgiebig feiern – und andere Dinge tun – können. Um bei der drei Tage dauernden Eröffnungsparty des Clubs dabei zu sein, würde so mancher Prominente sein Leben geben. Und mindestens einer tut das auch: Als sich am dritten Abend alle im spektakulären Unterwasser-Restaurant versammeln, wird ein Land Rover gesichtet. Unter der Wasseroberfläche. Und mit einer Leiche darin.
Ellery Lloyd ist das Pseudonym des britischen Autorenehepaars Collette Lyons und Paul Vlitos. Sie haben zusammen schon „Like Hate“ geschrieben. Nun folgt „Der Club – Dabeisein ist tödlich“. Und dieser Thriller hat hohe Aufmerksamkeit erregt, vor allem in Amerika, in dem die „Literatur-Ikone“ und einst großem Hollywood-Star Reese Whitherspoon das Buch empfohlen hat. Die Story ist natürlich auch wie gemacht für die Freunde der High Society. Aber ganz abgesehen davon, kommt das alte Agatha-Christie-Konstrukt wieder zum Einsatz. Abgelegene Insel, ein Toter (oder doch mehrere?), viele Verdächtige. Das alles geschieht aber nicht in einem kleinen englischen Dorf oder einem alten Herrschaftsanwesen, sondern Instagram tauglich auf einer schicken Insel, auf der Status und Schönheit alles ist. „Der Club – Dabeisein ist tödlich“ ist ein Agatha-Christie-Krimi in brutal neuem Gewand. Spannend, schick und tödlich.
Knaur, 382 Seiten; 16,99 Euro
100 Objekte, die die Spannung, das Geheimnis und die Mythologie von Star Wars™ einfangen. Erfahren Sie, wie diese Artefakte und viele andere Gegenstände die wichtigsten Charaktere und Ereignisse beeinflusst haben. Von kultigen Erbstücken wie der Maske von Darth Vader und Skywalker‘s Lichtschwert bis hin zu einem Gaderffii-Stab und dem Helm eines Klonkriegers – jedes sorgfältig ausgewählte Objekt hat seine eigene fesselnde Geschichte zu erzählen.
Alle Gegenstände sind in chronologischer Reihenfolge und mit farbigen Fotos veranschaulicht, während die begleitenden Texte auf die Hintergründe und die Geschichte der Objekte eingehen. Star Wars™ 100 Objekte bietet einen Einblick in die Requisiten aus den Lucasfilm-Archiven und ist eine wundervolle Möglichkeit, den Reichtum der zeitlosen Star Wars™ Saga zu erleben. Für Star-Wars-Fans ist dieses Buch ein Muss! Das erste, was mir bei der Lektüre einfiel war, ich beschäftige mich hier mit einer echten Zeit, die uns in einem Buch dargestellt wird. Die ferne Galaxie gab und gibt es wirklich und hier können die LeserInnen Objekte daraus bewundern. Daher ein ganz großes Lob für die Autorin, dies so darzustellen. Zusammenfassend kann ich sagen: Das Buch ist wie ein Besuch in einem Star-Wars-Museum, nur gemütlich zu Hause vom Sofa oder Lesesessel aus!
Dorling Kindersley, 256 Seiten; 24,95 Euro
Julie Dubois – Lorbeerglanz
Es ist Sommer im idyllischen Saint-André-du-Périgord, und Kommissarin Marie Mercier sieht freudig dem Besuch ihrer Familie aus Köln entgegen. Und erst ihre Großtante Léonie, die gleich nebenan wohnt. Als begnadete Köchin will sie zeigen, was sie kann. Doch die Vorfreude wird getrübt, als Marie vom Tod Pierre Boissets erfährt: Der allseits hochverehrte Besitzer eines Sternerestaurants wurde leblos am Ufer der Vézère aufgefunden – mit einem Dolch aus Stein in der Brust. Boisset besaß als passionierter Sammler prähistorischer Kunst rare Kostbarkeiten. Eine Leidenschaft, die ihm zum Verhängnis wurde? Schon bald kommt Marie einem folgenreichen Geheimnis aus seiner Vergangenheit auf die Spur.
Die deutsche Krimi-Leserschaft liebt Frankreich-Krimis. Und Julie Dubois stößt in dieses Krimi-Feld vor. Nach „Trüffelgold“ und „Kalte Blüten“ ist „Lorbeerglanz“ der dritte Fall für Kommissarin Marie Mercier. Die LeserInnen dürfen sich wieder auf viel Lokalkolorit, eigenwillige und amüsante Figuren und einen spannenden Fall freuen. Nicht nur Martin Walker kann einen guten Périgord-Krimi schreiben. Julie Dubois wandelt auf den Spuren eines Martin Walker!
Lübbe, 351 Seiten; 15,00 Euro