Kolumne 01.09.2014
Hillary Rodham Clinton
Entscheidungen
Hillary Rodham Clinton erzählt, welche Krisen und Herausforderungen sie während ihrer vierjährigen Amtszeit als amerikanische Außenministerin zu meistern hatte. Und sie spricht darüber, was sie aus diesen Erfahrungen für die Zukunft ableitet. Nach der verlorenen Präsidentschaftskandidatur 2008 wollte sie eigentlich wieder für den Staat New York in den Senat zurückzukehren. Aber zu ihrer Überraschung bat sie ihr bisheriger Konkurrent um die Nominierung der Demokratischen Partei und jetzt neugewählte Präsident Barack Obama, in seinem Kabinett das Außenamt zu übernehmen. Clintons Erinnerungen sind die Geschichte dieser historischen vier Jahre und der schweren Entscheidungen, die sie und ihre Kollegen zu treffen hatten.
Hillary Rodham Clinton hat lange nach einem Titel für ihr Buch gesucht. Mit „Entscheidung“ hat sie eine gute Wahl getroffen. Denn auch für den Leser ist es eine sehr gute Entscheidung, dieses Buch zu lesen. Es gewährt einem intensive Einblicke in die Politik Amerikas und der Welt. Hillary Rodham Clinton versteht es ausgezeichnet, einen mit am Tisch sitzen zu lassen, wenn wichtige Entscheidungen gefällt werden. Zu sehen, wie kleine und große Politik in der heutigen globalen Welt funktioniert. Ihre Erinnerungen enthalten so viele spannende Geschichten – politische, menschliche und historische. „Entscheidungen“ bieten fast 900 Seiten Lesestoff – jede Seite davon habe ich genossen!
Droemer, 895 Seiten; 28,00 Euro
Jonathan Lethem
Der Garten der Dissidenten
Wegen der Affäre mit einem schwarzen Polizisten wird Rose Zimmer aus der kommunistischen Partei Amerikas ausgeschlossen. Zuvor war bereits ihr deutsch-jüdischer Ehemann Albert als Spion in die DDR verbannt worden. Dennoch hält Rose stur und tyrannisch an ihren politischen Überzeugungen fest. Ihre Tochter Miriam kann vor Roses erdrückendem Einfluss nur in die aufkommende New-Age-Bewegung fliehen. Miriams Sohn wächst dagegen in einer Welt auf, in der gesellschaftliche Ideale bloß noch belächelt werden. Und doch kämpfen all diese Menschen darum, ihre utopischen Träume in einem Amerika zu verwirklichen.
Ich habe mich sehr auf die Geschichte gefreut, da sie sich interessant anhört und in einer spannenden Zeit spielt. Doch sehr schnell musste ich merken, dass der in New York geborene Jonathan Lethem mehr für sich schreibt, als für seine Leser. Wenn er einen Preis bekommen wollte, dass man eine Geschichte nicht einfach und verständlich erzählt, sondern kompliziert und mit überbordenden Wortwust, dann muss man ihm gratulieren. Diesen Preis würde er für „Der Garten der Dissidenten“ erhalten. Wer also auf qualvolle Lesestunden aus ist, der kann sich dieser eigentlich guten Geschichte, hingeben.
Tropen, 476 Seiten; 24,95 Euro
Rainer Löffler
Blutdämmerung
Der Himmel ist blau, die Sonne brennt, das Wasser im See schimmert türkis. Im nahe gelegenen Wäldchen singen die Vögel. Unter Wasser dann: Stille. Kühle. Frieden. Ewiger Frieden. Nicht zum ersten Mal wird Martin Abel, bester Fallanalytiker des Stuttgarter LKA, nach Köln beordert. Im See am Ginsterpfad wurde von Hobbytauchern eine Leiche entdeckt – eine junge Frau, gekleidet wie für eine Hochzeit. Und sie war nur die erste. Nun sind es schon fünf – fünf tote Bräute. Was ihnen angetan wurde, ist so verstörend, dass es nicht an die Öffentlichkeit dringen darf …
Nach dem spannungsvollen Bestseller „Blutsommer“ legt Rainer Löffler nun eindrucksvoll nach, mit „Blutdämmerung“. Wieder ein Thriller, der einen gleich auf den ersten Seiten packt. Hier versteht es Löffler, wie schon in „Blutsommer“, die Spannung Seite um Seite zu steigern. Aber sein großes Plus ist auch sein Personal. Martin Abel und alle anderen Figuren sind sehr gut ausgearbeitet, und so sind ihre privaten Geschichten nicht weniger spannend als die Thrillerhandlung. „Blutdämmerung“ ist wieder ein Thriller-Hit!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Audio Media. Martin Umbach, der u. a. Russell Crowe synchronisiert, gibt diesem Thriller mit seiner herben Stimme genau die richtige Stimmung. 19,99 Euro.
Rowohlt, 409 Seiten; 8,99 Euro
Theodor Michael
Deutsch sein und schwarz dazu
Theodor Michael, Mutter deutsch, der Vater aus Kamerun, hat fast ein Jahrhundert deutsche Geschichte erlebt. Zuerst gemocht, dann landeten die Schwarzen in der Nazizeit im KZ. Theodor Michael hat das alles überlebt, wurde aber dann verdächtig, weil er überlebt hatte. Am Ende wurde er Regierungsdirektor beim BND.
WAS für eine gelebte Geschichte! Kamerun galt damals als deutsches Schutzgebiet und man hat die Afrikaner gerne bei uns gesehen. Das war der Beginn von Theodor Michaels Geschichte. Was er dann alles in Deutschland erleben durfte und musste, liest sich wie ein spannender Fernsehfilm. Manchmal denkt man wirklich, das muss doch erfunden sein. Aber die Wirklichkeit schreibt die unglaublichsten Geschichten. Theodor Michael ist ein deutsches Vorbild! Die Hautfarbe spielt dabei überhaupt keine Rolle.
dtv, 199 Seiten; 14,90 Euro
Boris Reitschuster
Putins Demokratur
In Russland spricht man von „lupenreiner Demokratie“. Doch davon kann nicht die Rede sein. Putins Demokratur ist eine autoritäre Diktatur im westlichen Gewand. Putins Ideologie stammt noch aus der Giftkiste von KGB und KPdSU. Der Westen ist diesem Politik-Stil nicht gewachsen. In diesem Buch erfährt man vieles, was damals wie heute so einschlägt, dass der Autor gar bedroht wurde.
Oh, warum musste dieses Buch von 2006, die jetzige Ausgabe ist aktualisiert und erweitert, wieder so aktuell werden? Was sich da zwischen Russland, der Ukraine und Europa aufbaut ist schrecklich. Man kann nur hoffen, dass es noch eine politische Lösung gibt. In diesem Buch erzählt Russland-Kenner Reitschuster, wie Wladimir Putin ein sich öffnendes Land wieder schloss und Russland zu einem Staat machte, der eine ganz eigene Sicht auf eine Demokratie hat.
Econ, 413 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Arto Paasilinna
Der Mann mit den schönen Füßen
Aulis Rävänder ist ein erfolgreicher Unternehmer, Besitzer eines Schleppers, er hat viel zu tun, eine schöne Wohnung in einem teuren Stadtteil Helsinkis und – nicht zuletzt, seine langjährige Ehefrau und zwei Kinder. Er lebt sein Leben, bestimmt von der Arbeit, Tag ein, Tag aus, bis ihm seine Frau eines Tages eröffnet, dass sie einen anderen Mann kennengelernt hat und die Scheidung will. Fassungslos zieht sich Rävänder auf eine Insel zurück. Einsam wie er ist, ruft er bei der Telefonseelsorge an, verwählt sich, aber landet stattdessen bei der resoluten Geschäftsfrau Irene Oinonen. Ein Anruf mit Folgen. Und dann lernt er auch noch den Lover seiner Frau kennen …
Der finnische Kultautor Arto Paasilinna ist ja bekannt für seine skurrilen Geschichten. Drama und Komödie reichen sich die Hand. „Der Mann mit den schönen Füßen“ ist aber so was von abgedreht, einfach herrlich. Was als Beziehungsdramödie beginnt schlägt um in einen Krimikomödie, die mit einer aberwitzigen Story aufwartet und manch unerwartete Wendung mit sich bringt. Unterhaltungsgrad – sehr hoch! Großen Anteil daran hat Jürgen von der Lippe. Denn er liest dieses Hörbuch. Leider macht er das viel zu selten. Er sollte mehr Hörbücher lesen. Mit seiner witzigen Stimme macht er aus der Geschichte noch viel mehr. Er gibt der Komik noch mehr Schwung.
Auch als Hardcover erhältlich bei Lübbe, 18,99 Euro.
Lübbe Audio, 4 CDs, 298 Minuten; 14,99 Euro
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