BuchKolumne 14.09.2020 Nr. 630
Christoph Peters – Dorfroman
Zora del Buono – Die Marschallin
Charlotte McConaghy – Zugvögel
Markus Heitz – Die Meisterin – Spiegel & Schatten
Markus Gürne / Bettina Seidl – Das Wirtschaftsvirus
Christoph Peters – Dorfroman
Alles scheint noch vertraut in Hülkendonck, einem Dorf am Niederrhein. Als wären die dreißig Jahre, in denen der Erzähler hier nicht mehr lebt, nie gewesen. Sein Besuch bei den Eltern beschwört die Vergangenheit wieder herauf: die idyllische Weltfremdheit der 70er Jahre, den Beginn einer industriellen Landwirtschaft, die das bäuerliche Milieu verdrängt. Und den geplanten Bau des „Schnellen Brüters“, eines neuartigen Atomkraftwerks, das die Menschen im Ort genauso tief spaltet wie im ganzen Land. Es ist jene Zeit, in der der Erzähler zu ahnen beginnt, dass das Leben seiner Eltern nicht das einzig mögliche ist – und in der er Juliane kennenlernt, eine Anti-Atomkraft-Aktivistin, die ihn in die linke Gegenkultur einführt.
Ich verfolge Christoph Peters Autorenkarriere schon seit über 10 Jahren. Nicht alle seine Romane konnten mich überzeugen, ganz im Gegenteil. Doch bei seinem neuen Roman ist alles anders. Der „Dorfroman“ ist Christoph Peters‘ Meisterstück! Christoph Peters wählt geschickt zwei Erzählperspektiven seines Ich-Erzählers, die als Kind in den 1970er Jahren und dann viele Jahre später als Erwachsener (auch mit zahlreichen Rückblicken in seiner spätere Jugend), als er in das kaum mehr wieder zu erkennende Dorf seiner Kindheit zurückkehrt. Ihm gelingt es vorzüglich dabei den jeweils richtigen Ton zu treffen. Er erzählt vom beschaulichen Flair eines Dorflebens in den 1970er, deren Bewohner, die die große weite Welt zwar im Fernsehen in den Nachrichten sahen, die bei ihnen bisher aber nie angekommen war, bis zu dem Ereignis, dem Bau eines Atomkraftwerks, von der ersten Liebe, dem Aufbegehren gegen die „verstaubten“ Ansichten der Eltern und dem Erforschen von Neuem. Und später vom leisen Abgesang des Dorflebens und den starken Veränderungen in vielen Jahrzehnten.
Luchterhand, 414 Seiten; 22,00 Euro
Zora del Buono – Die Marschallin
Die Slowenin Zora lernt ihren späteren Ehemann, den Radiologieprofessor Pietro Del Buono, am Ende des Ersten Weltkriegs kennen. Sie folgt ihm nach Bari in Süditalien, wo sie, beide überzeugte Kommunisten, ein großbürgerliches und doch politisch engagiertes Leben im Widerstand gegen den Faschismus Mussolinis führen. Zora ist herrisch, eindrucksvoll, temperamentvoll und begabt, eine Bewunderin Josip Broz Titos, dem sie Waffen zu liefern versucht und dem ihr Mann das Leben rettet. Sie will mehr sein, als sie kann, und drückt doch allen in ihrer Umgebung ihren Stempel auf. Ihr Leben und das Leben ihrer Familie, ihrer Kinder und Enkelkinder, vollziehen sich in einer Zeit der Kriege und der Gewalt, erbitterter territorialer und ideologischer Kämpfe, die unsere Welt bis heute prägen.
Die Geschichte hört sich vielversprechend an, meine Begeisterung war geweckt. Doch schnell kam die Ernüchterung. Zora del Buono erzählt eine wahre Geschichte, die ihrer Großmutter, als Roman verpackt. Die Autorin hätte mehr Roman als wahre Geschichte wählen sollen. Denn ihr Erzählstil wirkt schnell ermüdend, es kommt nur selten das Gefühl auf, das einen die Geschichte mitnimmt. Die Hauptprotagonistin, die Großmutter der Autorin, ist nun mal so wie sie ist, aber sie war mir wenig sympathisch. Auch ist das Geflecht aus weiteren Figuren viel zu groß und auch die Zeitspanne für einen am Ende doch viel zu kurzen Roman. So viel wie Zora del Buono in den Roman packt, da hätten 800 packende Seiten daraus werden können. Doch so erfährt man zwar viel, und das ist auch immer wieder mal interessant, aber richtig abgeholt hat mich die Geschichte nie
C. H. Beck, 380 Seiten; 24,00 Euro
Charlotte McConaghy – Zugvögel
Franny hat ihr ganzes Leben am Meer verbracht, die wilden Strömungen und gefiederten Gefährten den Menschen vorgezogen. Als die Vögel zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin den letzten Küstenseeschwalben zu folgen. Inmitten der exzentrischen Crew eines der letzten Fischerboote macht sie sich auf den Weg in die Antarktis. Schutzlos ist die junge Frau den Naturgewalten des Atlantiks ausgeliefert, allein die Vögel sind ihr Kompass. Doch wohin die Tiere sie auch führen, vor ihrer Vergangenheit kann Franny nicht fliehen. Ihr folgt das Geheimnis eines Verbrechens, die Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe. Und schon bald entwickelt sich die Reise zu einem lebensbedrohlichen Abenteuer.
Ich habe mitgefiebert, mitgelitten, habe gefroren, war dem Untergang nahe und bin mitgezogen, mit Fanny und den Vögeln. Eine Reise von der Arktis zur Antarktis, durch einen tosenden Ozean und begleitet von wilden Stürmen, eine Reise zu sich selbst und immer dem Ende nahe. „Zugvögel“ hat etwas von einem modernen „Moby Dick“ – auf eine ganz eigenwillige Art! Charlotte McConaghy erzählt fesselnd, springt immer wieder von der Gegenwart in die Vergangenheit und baut dadurch große Spannung auf. Die Gegenwart, die die Autorin beschreibt, ist eine hoffentlich nicht nahe Zukunft, in der die Tiere durch das unverantwortliche Handeln der Menschen sehr dezimiert worden sind. Auch den Küstenschwalben droht dieses Schicksal, Fanny versucht ihren Teil beizutragen, dass es nicht so kommt. Fanny ist eine Getriebene, so jung und doch schon so nah am Abgrund des Lebens. Schnell Sterben, sie hätte nichts dagegen. Warum sie so ist, schildert Charlotte McConaghy auf eindringliche Art. „Zugvögel“ ist ein so lebendiges und dramatisches Buch, eine Geschichte, die mich bis in meine Träume verfolgt hat!
S. Fischer, 399 Seiten; 22,00 Euro
Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Eva Meckbach, die auch das „Deutsche Haus“ von Annette Hess gelesen hat, nimmt einen mit auf Fannys Reise. Eindringlich und präsent! 24,95 Euro.
Charlotte McConaghy – Zugvögel – Hörprobe 2:59 Min.
Die Heilerin Geneve ist die letzte Nachfahrin der Scharfrichter-Dynastie Cornelius. Als in ihrer Wahlheimat Leipzig eine junge Frau ermordet wird, führt die Spur direkt zu Geneve. Die Ermordete war Mitglied des Londoner Wicca-Covens und extra nach Leipzig gereist, um Geneves Rat einzuholen – offenbar wollte sie die Heilerin zu einer antiken Spiegel-Scherbe befragen. Geneve kontaktiert ihren Freund, den Vatikan-Polizisten Alessandro Bugatti. Gemeinsam versuchen sie, den Mord an der jungen Wicca aufzuklären und Licht in die Hintergründe des Verbrechens zu bringen. Schnell sehen Geneve und Alessandro sich schier übermächtigen Gegnern gegenüber. Um gegen dieses tödliche Bündnis anzukommen, müssen sie einander bedingungslos vertrauen – doch ihrem Feind ist es längst gelungen, in Geneve Zweifel an Alessandros Aufrichtigkeit zu säen.
Nach „Die Meisterin – Der Beginn“ setzt Markus Heitz die Dark-Fantasy Reihe um die Scharfrichter-Dynastie mit Geneve Cornelius und Alessandro Bugatti in „Spiegel & Schatten“ fort. Das Buch knüpft direkt an den ersten Teil an. Nahtlos ist auch der Übergang der Spannung. Es hört spannend auf und setzt sich spannend fort. Die Mischung aus Fantasy und Historie überzeugt auch diesmal. Und die Charaktere lässt man nicht mehr von der Leine, wenn man sie einmal hat. Markus Heitz – Deutschlands Fantasy-Hero! Er kann es einfach nicht lassen, seine LeserInnen hervorragend zu unterhalten.
Knaur, 446 Seiten; 14,99 Euro
Markus Gürne / Bettina Seidl – Das Wirtschaftsvirus
Nicht nur Menschen haben sich mit Covid19 angesteckt, auch die Wirtschaft ist infiziert. Das Virus trifft durch Handelskriege und Zölle geschwächte Unternehmen, und Deutschland als Exportweltmeister bekommt das doppelt zu spüren. Jeder Einzelne von uns ist betroffen. Die Frage, wie es weitergeht, ist Gesprächsthema Nummer eins: Ist unsere Firma stark genug, das zu überstehen? Wie lange funktioniert das Modell Kurzarbeit? Verliere ich meinen Arbeitsplatz? Ist mein Erspartes in Gefahr, meine Altersvorsorge? Wie hilft uns eigentlich die EZB – oder hilft die nur den Banken? Wie viel Geld hat unser Staat noch in petto? Wird uns diese Krise so lange nachhängen wie schon die Finanzkrise? Müssen wir komplett neu denken? Weg vom immer schneller, besser, globalisierter?
Der kompetente und sehr sympathische Markus Gürne, bekannt aus „Börse vor acht“ in der ARD, stellt in seinem Buch „Das Wirtschaftsvirus“ Fragen und gibt Antworten auf wichtige Themen rund um die Wirtschaft, und erklärt, was das alles auch für Ihr Geld bedeutet. Für den, der sich bisher wenig für Finanzen, Wirtschaft und deren Zusammenhänge interessiert hat, wird dieses Buch Licht ins Dunkel bringen. Die Hauptthemen sind: „Corona – Ein Virus infiziert die Welt“, „Wirtschaftliche Zukunft auf Messers Schneide“, „Geld – Macht – Öl: Wir sind krank!“, „Der europäische Patient“, „Das asiatische Jahrhundert“, „Ist die Wirtschaft selbst der Virus?“, „Reset – In welcher Welt wollen wir leben?“, „Nicht kleckern, klotzen! Große Geschenke erhalten die Wirtschaft“, „Europas Zukunft – Zusammen statt allein“, „Die Risiken von morgen“, „Wie wird Deutschland zukunftsfähig?“ und „Was bedeutet Corona für Sparer, Rentner, Arbeitnehmer, Häuslebauer, Anleger und Staatsbürger?“.
Econ, 343 Seiten; 20,00 Euro