Dezember 3, 2024

Kolumne 08.06.2020

616

BuchKolumne 8.06.2020 Nr. 616

Peter Seewald – Benedikt XVI.
Burhan Sönmez – Labyrinth
Thomas Wheeler – Cursed – Die Auserwählte
Sofia Lundberg – Ein halbes Herz
Don Winslow – Broken

Peter Seewald – Benedikt XVI.

Er hat den Aufbruch der Katholischen Kirche in Rom vor Ort mitgestaltet; er hat als Professor in Tübingen die Studentenunruhen um 1968 herum erlebt; er war mehr als 20 Jahre lang einer der engsten Vertrauten von Papst Johannes Paul II. und in dieser Stellung Zeuge der politischen Umwälzungen in Osteuropa; und er hat 2013 mit seinem Rücktritt ein Zeichen gesetzt, das das Amt des Papstes ein für alle Mal verändert hat. Kurzum: Joseph Ratzinger ist eine Person der Zeitgeschichte. Dass er als Deutscher zum Papst gewählt wurde, war ein Jahrhundertereignis.

Ein durch und durch faszinierendes Werk! Das liegt am Leben des Joseph Ratzinger, aber vor allem an Peter Seewald. Sein Erzählstil ist fesselnd, er geht ins Detail, ohne dabei ausladend zu werden, kommt zügig voran im Jahrhundertleben des Joseph Ratzinger. Was das Buch umso lebendiger macht ist, dass Peter Seewald nicht nur Joseph Ratzinger im Blick hat, sondern auch viel Zeitgeschichtliches mit einbaut. Informativ und lehrreich, aufschlüsselnd, hinterfragend, klärend. Der Mensch Joseph Ratzinger ist eine durchaus streitbare Persönlichkeit, das Buch von Peter Seewald nicht. Es ist die fesselnde Lektüre eines Jahrhundertlebens! Die Hauptkapitel sind: „Der Junge“, „Der Meisterschüler“, „Konzil“, „Der Lehrer“, „Rom“ und „Pontifex“.

Droemer, 1.150 Seiten; 38,00 Euro

Burhan Sönmez – Labyrinth

Boratin, ein junger Musiker öffnet nach einem Selbstmordversuch in einem Istanbuler Krankenhaus die Augen. Er kann sich an nichts erinnern, nicht einmal an seine eigenen Lieder. Für ihn besteht kein Zweifel daran, dass die einzige Wahrheit sein geschundener Körper ist. Nicht wissend, ob das Vergessen nun Fluch oder Segen ist, begibt er sich nach draußen, auf die Suche nach sich und seiner Geschichte, mitten hinein in die flirrende Metropole am Bosporus, die ihm in ihrer Gebrochenheit und ihrer Geschichtsvergessenheit zum Erschrecken ähnlich ist.

Der türkische Autor Burhan Sönmez hat mit „Istanbul, Istanbul“ einen sehr eindringlichen Roman geschrieben. Da war der Name Programm, man lernte die Stadt und seine Menschen kennen. Auch bei seinem neuen Roman „Labyrinth“ ist der Name Programm. Man bewegt sich als Leser mit Boratin in einem Art Labyrinth, das erst nach und nach Wahrheiten und Gewissheiten offenbart. Istanbul selbst ist aber hier eher nur eine Randfigur. Viel spielt sich um die Figur Boratin und in seinem Kopf ab. Man geht mit ihm auf die Suche nach Antworten und auf Fragen des Lebens. Das Ganze ist nicht besonders fesselnd, auch wenn es immer wieder interessante Aspekte gibt, und auch die Tiefe fehlt. Der Roman hat nur gut 150 Seiten ohne dabei irgendwann mal richtig spannend zu werden. Es plätschert so dahin am Bosporus.

btb, 158 Seiten; 18,00 Euro

Thomas Wheeler – Cursed – Die Auserwählte

England steht in Flammen: Die Roten Paladine ermorden jeden, der sich nicht vor die Kreuze beugt. Als Nimues Dorf überfallen wird, verliert sie alles – nur eines bleibt ihr: ein geheimnisvolles Schwert, das sie zu einem gewissen Merlin bringen soll. Doch als Berater des korrupten Königs Uther hat Merlin ganz eigene Pläne für das Schwert der Macht. Begleitet von dem jungen Söldner Arthur legt Nimue sich mit den gefährlichsten Männern des Landes an, um ihr unterdrücktes Volk in die Freiheit zu führen

„Cursed – Die Auserwählte“ von Thomas Wheeler ist eine Neuerzählung der Artus-Sage, mit zahlreichen Schwarz-Weiß- und Farb-Illustrationen von Comic-Legende Frank Miller. Nach der Vorlage dieses Buches ist auch eine Netflix-Serie entstanden. Die Artus-Saga im frischen neuen Gewand, das bietet „Cursed“, und verleitet einem am Ende zu sagen: Wow, was für eine Neuinterpretation! Der Heldin Nimue will man auf Schritt und Tritt folgen. Es gibt reichlich Spannung, Action und heldenhafte Momente! Dazu die Illustrationen von Frank Miller. Sie machen aus dem Buch gleich einen halben Kinofilm. Als Leser ist man ein Auserwählter, um diese Geschichte lesen zu dürfen!

TOR, 447 Seiten; 24,00 Euro

Sofia Lundberg – Ein halbes Herz

Ihre Kamera ist ihr Schutzwall gegen die Welt – denn obwohl die schwedische Fotografin Elin Boals eine glänzende Karriere in New York absolviert, hat sie sich zurückgezogen in ihren ganz eigenen Kosmos. Niemandem gewährt sie Zugang zu ihrem Inneren, nicht einmal ihrer Familie. Als sie völlig unerwartet einen Brief aus ihrer Heimat Gotland erhält, brechen die Erinnerungen mit Macht über sie herein. Denn Elin hütet ein tragisches Geheimnis – eine tiefe Schuld, die sie damals dazu trieb, die Insel für immer zu verlassen. Und nun spürt sie, dass sie an den Ort ihrer Kindheit zurückkehren muss, wenn sie jemals wirklich glücklich werden will.

Die Schwedin Sofia Lundberg hat mir ihrem Debütroman „Das rote Adressbuch“ große Aufmerksamkeit erregt. Nun liegt ihr zweiter Roman „Ein halbes Herz“ vor. Spannend, berührend, verschlungen – ein Buch, dass ein ganzes Herz für sich einnimmt! Glaubhafte Charaktere und ein flüssiger Stil runden „Ein halbes Herz“ ab. Sofia Lundberg hat nach „Das rote Adressbuch“ mit „Ein halbes Herz“ nun einen weiteren Roman geschrieben, den man unbedingt lesen sollte!

Goldmann, 413 Seiten; 20,00 Euro

Don Winslow – Broken

In diesem Buch schickt der Autor einige seiner beliebtesten Charaktere wie Ben, Chon und O aus „Zeit des Zorns“ in eine Welt voller Schwerverbrecher und Kleinkrimineller, besessener Polizisten, denen Job und Leben zusetzen, Privatdetektive, Kopfgeldjäger und Flüchtiger. Doch auch das aktuelle politische Klima in den USA findet sich thematisch wieder, als ein texanischer Grenzschützer sein Handeln aufgrund der unhaltbaren Zustände in den Sammellagern hinterfragen muss.

Sechs Geschichten voller Verbrechen und Korruption, Schuld und Gerechtigkeit, Verlust und Verrat, Rache und Vergebung von Bestsellerautor Don Winslow. Wer gute Thriller-Literatur lesen will, der liegt mit einem Buch von Don Winslow immer richtig! Mit seinen wahrlich übergroßen Thrillern „Tage der Toten“, „Das Kartell“ und „Jahre des Jägers“ hat er seine Leser gefesselt. Nun erscheint mit „Broken“ ein Storyband, der in kürzerer Form alles vereint, was man von einem Don Winslow kennt. Die Geschichten sind: „Broken“, „Crime 101“, „The San Diego Zoo“, „Sunset“, „Paradiese“ und „The Last Ride“.

HarperCollins, 511 Seiten; 20,00 Euro