Archiv April 2019
Kolumne vom 01.04.2019 – Nr.554
Don Winslow
Jahre des Jägers
Art Keller, der berühmte US-Drogenfahnder, steht vor der Aufgabe seines Lebens: die amerikanische Anti-Drogen-Politik ist gescheitert, die Menge des jährlich importierten Heroins hat sich vervielfacht. Die mächtigen mexikanischen Drogenkartelle versuchen, die amerikanische Regierung zu unterwandern – an deren Spitze ein umstrittener neuer Präsident steht. Art Keller folgt den Spuren des verschwundenen legendären Drogenbosses Adan Barrera und findet sich in einen brutalen und gnadenlosen Kampf gegen beide Seiten verstrickt. Er muss feststellen, dass Drogen- und Waffengeschäfte unfassbare Dimensionen angenommen haben. Dabei kommt der Feind aus einer ganz unerwarteten Richtung. Es beginnt ein entfesselter Krieg mit epischem Ausmaß, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse schon längst verschwunden sind.
Nach den preisgekrönten Bestsellern „Tage der Toten“ und „Das Kartell“ ist „Jahre des Jägers der Abschluss von Don Winslows Drogenepos. Die zerstörerische Kraft der Drogen auf der Seite der Konsumenten ist bekannt, die andere, die der Produzenten, kennt man aus den Nachrichten. Blutige Massaker stehen fast an der Tagesordnung. Der Kampf um die Vorherrschaft im Drogengeschäft hat Hunderttausende Opfer gefordert. Dieser Roman vermittelt, wie schon seine Vorgänger, noch einmal dieses unglaubliche bedrückende Gefühl, das Menschenleben, wenn es um die Drogenbarone und ihr Geschäft geht, genau eine Kugel wert sind und nicht mehr. Art Keller ist eine Figur, die man nicht vergessen wird. Wer Don Winslows Trilogie über den mexikanischen Drogenkrieg nicht gelesen hat, hat ein Stück moderne Literaturgeschichte verpasst!
Droemer, 991 Seiten; 26,00 Euro
Ferdinand von Schirach
Kaffee & Zigaretten
Das Buch verwebt autobiographische Erzählungen, Aperçus, Notizen und Beobachtungen zu einem erzählerischen Ganzen, in dem sich Privates und Allgemeines berühren, verzahnen und wechselseitig spiegeln. Es geht um prägende Erlebnisse und Begegnungen des Erzählers, um flüchtige Momente des Glücks, um Einsamkeit und Melancholie, um Entwurzelung und die Sehnsucht nach Heimat, um Kunst und Gesellschaft.
Da ich weder rauche noch Kaffee trinke, war ich gespannt, ob mich Bestsellerautor Ferdinand von Schirrach zumindest literarisch auf irgendeine Art für beides begeistern würde können. Zum Glück für mich war der Titel dann doch nicht Programm, sonst wäre das Buch für mich wahrlich zu einer Art Horrorroman mutiert. Aber auch so bin ich doch enttäuscht vom großartigen Stilisten Ferdinand von Schirach. Für mich lesen sich die kleinen Geschichten und Notizen – er schafft es, 48 Kapitel auf sage und schreibe nur 187 Seiten unterzubringen – wie eine Ansammlung von dem, was dem Autor so über die Jahre größtenteils Belangloses eingefallen ist. Mach mal ein Buch daraus, dachte er sich, der Verlag verlegt es bestimmt. Ich bin ja Bestsellerautor! Geschrieben, geschehen. Wäre auf dem Manuskript nicht Ferdinand von Schirach gestanden, hätte der Lektor das Buch ohne Kommentar zum Autor zurückgeschickt. Mehr muss man zu diesem Werk nicht mehr sagen.
Luchterhand, 187 Seiten; 20,00 Euro
Kira Licht
Gold & Schatten
Gerade erst nach Paris gezogen, verliebt sich die sechzehnjährige Livia Hals über Kopf in Maél. Seine Welt sind die düsteren Katakomben unter den Straßen der Stadt. Die beiden kommen sich schnell näher, doch der draufgängerischen Maél geht immer wieder auf Abstand. Was hat er zu verbergen? Und warum um alles in der Welt kann Livia plötzlich Botschaften hören, die Bäume und Pflanzen zuflüstern? Ist sie dabei, den Verstand zu verlieren? Als es Livia schließlich gelingt, die einzelnen Fäden miteinander zu verknüpfen, kann sie kaum glauben, welches Geheimnis sich ihr offenbart. Denn dass sie Maél kennengelernt hat, war alles andere als ein Zufall…
„Gold & Schatten“ ist das erste Buch der Götter, einer Dilogie rund um die griechische Götterwelt mitten in Paris. Kira Licht hat mich gleich von Anfang an für sich eingenommen. Spannung, Romantik, Witz, gekonnt eingesetzte Fantasy-Elemente, anziehende Charaktere, alles war gleich da. Dazu das pulsierende Paris als weiteren „Charakter“. Eine sehr gute Wahl. Und Kira Licht beschreibt nicht nur ihre nicht perfekten Charaktere perfekt, sondern auch die Umgebung. Zum Ende hin wird die Spannung immer mehr und der Cliffhanger ist echt fies. Die Vorfreude auf den nächsten Band ist groß.
One, 541 Seiten; 17,00 Euro
Wiebke Lorenz
Einer wird sterben
Eines Morgens steht es plötzlich da. Das schwarze Auto. Mitten in der ruhigen Blumenstraße in einem gehobenen Wohnviertel. Darin ein Mann und eine Frau, die reglos dasitzen. Stundenlang, tagelang. Nach und nach macht diese stumme Provokation die Anwohner nervös. Allen voran Stella Johannsen, die sich immer und immer wieder die eine Frage stellt: Was wissen sie? Über die schreckliche Nacht vor sechs Jahren, als Stella und ihr Mann Paul einen schweren Unfall hatten. Einen Unfall, bei dem ein Mensch starb. Sind sie deswegen hier? Was werden sie tun? Und wie viel Zeit bleibt Stella noch?
Wiebke Lorenz hat mich schon mit ihren Psychothrillern „Alles muss versteckt sein“ und „Bald ruhest du auch“ begeistert. Sie hat bewiesen, dass sie nicht „nur“ sehr gute Liebeskomödien, sondern auch sehr gute Psychothriller schreiben kann. Ihr neuestes Werk knüpft an die Qualität der Vorgänger an. „Einer wird sterben“ ist ein Psychothriller mit Nägelkaugarantie und mit spannenden Wendungen! Wiebke Lorenz hat wieder einen Psychothriller-Volltreffer gelandet.
Scherz, 349 Seiten; 14,99 Euro
Felix Bork
Oh, eine Pflanze!
Pflanzen sind die Grundlage unseres Lebens. Sie machen Sauerstoff und uns glücklich. In diesem Buch findest du Arten, die du in unserer heimischen Natur entdecken kannst. Wie sie aussehen, wo sie leben und wie sie Sex machen. Und dann geh raus und schau sie dir genau an, denn Pflanzen sind beeindruckend und wunderschön.
Oh, was für ein verrückt-schönes Buch! Mal kein Buch mit Pflanzenfotos, sondern mit lustigen, informativen und einprägsamen Zeichnungen. „Oh, eine Pflanze!“ wird alle humorvollen Pflanzefreunde begeistern. Selten war Pflanzenlernen lustiger. Nach „Oh, ein Tier!“ und „Und was isst du dann?“ überzeugt Felix Bork auch mit „Oh, eine Pflanze!“.
Eichborn, 304 Seiten; 30,00 Euro
Hörbuch der Woche
Sebastian Pufpaff
Krassvieldrinpaket 2012 – 2018
Das einzigartige Pufpaff-„Krassvieldrinpaket“ beinhaltet Unerhörtes, Ungehörtes und bisher Vernachlässigtes. Der Künstler zeigt sich endlich von seiner menschlichen Seite, die von den drei großen „G“ unserer Zeit dominiert wird: Freiheit, Spaß und Zeit für sich und Andere. Frei nach dem Motto: Auch fünf Streifschüsse erlegen einen Hirsch, ist vielleicht nicht alles ein Treffer, aber dafür immer treffend. Die Programme „Warum“ und „Auf Anfang“ endlich unzensiert, ungeschminkt und ehrlich dreckig.
Lachen auf höchstem Niveau, das bietet einem Sebastian Pufpaff! Zwei Programme, 4 CDs, und ein endloses Schmunzeln oder lautes loslachen sind garantiert. Sebastian Pufpaff nimmt sich Themen an, die wir alle kennen. Von Beziehungen, vom Alltag, Politik, Flüchtlinge, der Umwelt und noch so viel mehr. Ich könnte hier so viel erwähnen, aber greife mal zwei Sachen heraus. Das es in Dresden so viele Flüchtlinge gibt (satte 3 %), dass man sie erstmal vor allen Häusern wegschaufeln muss, um überhaupt auf die Straße zu kommen. Pufpaff live! Oder wie er von vier Mädchen einem Waterboarding unterzogen worden ist, mit einem Tempo und einer Tüte Capri Sonne. Der Titel der CDs ist wahrlich Programm: „Krassvieldrinpaket“. Hörprobe
WortArt / Random House Audio, 4 CDs, 300 Minuten; 19,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 08.04.2019 – Nr.555
John Grisham
Das Bekenntnis
Oktober 1946 in Clanton, Mississippi. Pete Banning ist einer der angesehensten Bürger der Stadt. Der hochdekorierte Kriegsveteran hat es als Oberhaupt einer alt eingesessenen Familie mit dem Anbau von Baumwolle zu Reichtum gebracht. Er ist ein aktives Mitglied der Kirche, ein loyaler Freund, ein guter Vater, ein verlässlicher Nachbar. Doch eines Morgens begeht Pete Banning einen Mord. Er fährt zur Kirche und erschießt den Pfarrer. Die Gemeinde ist erschüttert, und es gibt nur eine einzige Frage: Warum? Pete Banning aber schweigt. Und auch als ihm die Todesstrafe droht, bricht er sein Schweigen nicht. Ein Aufsehen erregender Prozess beginnt, an dessen Ende in Clanton nichts mehr ist, wie es zuvor war.
John Grisham zieht einen gleich mit der ersten Seite und mit einem Satz mitten ins: „Es war Zeit für den Mord“. Wie soll man da nicht weiterlesen wollen? Doch das ist wahrlich nur der Anfang einer großen Geschichte um Recht und Gerechtigkeit, um Sinn und Sinnlosigkeit der Todesstrafe, um Wahrheit und Lüge, um Familie und Liebe. Eine Geschichte, die mich berührt und mitgerissen hat! John Grisham versteht es von Anfang an die Spannung hochzuhalten, vergisst dabei nie die Entwicklung seiner Charaktere und den geschichtlichen Hintergrund. Die Geschichte ist in drei Hauptkapitel unterteilt. Der erste Teil enthält den Mord, die Gerichtsverhandlung und das, was folgt. Der zweite Pete Bannings Zeit im Zweiten Weltkrieg. Der dritte, was danach alles folgt und der noch für einige Überraschungen sorgt. „Das Bekenntnis“ hat alles, was man von einem echten Grisham erwartet, und doch ist der Roman anders als viele andere Grisham-Geschichten und enthält noch so viel mehr, mit dem man gar nicht rechnet.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Random House Audio. Es gibt nur einen, der John Grishams Geschichten begnadet gut lesen kann: Charles Brauer! 24,00 Euro. Hörprobe
Heyne, 591 Seiten; 24,00 Euro
Nicolas Maleski
Ein unerwarteter Brief
Franck lebt mit seiner Familie in ländlicher Idylle. Während seine Frau Gisèle als Tierärztin das Geld verdient, ist er seinen drei Töchtern ein liebevoller Vater, kümmert sich um den Haushalt, und herrscht als Hobbygärtner über ein wahres Pflanzenparadies. Er liebt seine Frau, der Sex ist gut, das Leben ist schön – bis zu dem Tag, als ein anonymer Brief ins Haus flattert: Gisèle betrüge ihn mit einem Arbeitskollegen. Franck bewahrt zunächst Ruhe. Aber er sieht Gisèle neuerdings mit anderen Augen. Mit ungeahnten Folgen für ihre Ehe …
Eine Geschichte, die vor dem Leser erblüht! Farbenfroh, stürmisch, dramatisch. So dachte ich es mir nach der Beschreibung zumindest. Ein ganz großes Manko des Romans des französischen Debütanten Nicolas Maleski ist die Hauptfigur Franck. Hobbygärtner, da kann eigentlich nichts falsch sein, doch an Franck ist vieles falsch. Er ist ein großer Unsympath, was das Lesen des Romans nicht einfacher macht. Die Entwicklung der Geschichte ist auch eine ganz andere, als ich mir das vorgestellt habe. Schöne Beschreibung, schönes Buchcover, ungenügender Roman.
Lübbe, 317 Seiten; 18,00 Euro
Kent Haruf
Abendrot
Holt, eine Kleinstadt im Herzen Colorados. Zwei alte Viehzüchter müssen den Wegzug ihrer Ziehtochter verkraften. Ein Ehepaar kämpft in seinem verwahrlosten Trailer um ein Stückchen Würde und um seine Kinder. Ein elfjähriger Junge kümmert sich rührend um seinen kranken Großvater. So hart das Schicksal auch zuschlägt – die Menschen in Holt sind entschlossen, dem Leben einen Sinn abzutrotzen. Und begegnen einander dabei neu.
Kent Haruf (1943 – 2014) ist in Colorado geboren und alle seine sechs Romane spielen in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado. Darunter sind auch die Romane „Unsere Seelen bei Nacht“ und „Lied der Weite“. Beide Romane begeisterten viele Leser. Nun ist der dritte Roman aus Holt erschienen. „Abendrot“ (die Originalausgabe erschien 2004) ist nicht weniger einnehmend als die beiden Vorgänger. Eine Geschichte, die einen ans Herz geht! Das liegt vor allem an den sehr gut beschriebenen Figuren. Ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen des Alltags und des Lebens. Das ist doch langweilig. Keineswegs! Kent Haruf macht daraus ein Gemälde des normalen Lebens. So bitterschön wie das Abendrot.
Diogenes, 414 Seiten; 24,00 Euro
Michael Tsokos
Abgeschlagen
Rechtsmediziner Paul Herzfeld ist irritiert, als sich sein Vorgesetzter, Prof. Schneider, bei der Obduktion einer zerstückelten Frauenleiche überraschend schnell auf eine Machete als Tatwaffe festlegt. Tatsächlich taucht kurz darauf das blutverschmierte Mordwerkzeug in einer Kieler Parkanlage auf: eine kunstvoll verzierte Machete. Von den Medien wird Schneider sofort als rechtsmedizinisches Genie gefeiert, sein Aufstieg zum Direktor der Kieler Rechtsmedizin scheint reine Formsache. Doch dann gesteht der Hausmeister des Instituts Herzfeld, dass er die Machete schon einmal gesehen hat und dass die tote Frau für ihn keine Unbekannte ist …
Michael Tsokos True-Crime-Thriller „Abgeschnitten“, den er zusammen mit Deutschlands Thrillerstar Sebastian Fitzek verfasst hat, findet in der Vorgeschichte „Abgeschlagen“ einen packenden Nachfolger. Diesmal zusammen mit Journalist Wolf-Ulrich Schüler lässt Michael Tsokos das wahre Grauen wieder auf seine Leserinnen und Leser los. Mehr Michael Tsokos, mehr Paul Herzfeld, und das bitte schnell!
Knaur, 411 Seiten; 14,99 Euro
Volker Hagedorn
Der Klang von Paris
Berlioz, Rossini, Meyerbeer, Wagner, Chopin, Offenbach, Pauline Viardot – diese und viele andere Künstler leben, lieben, leiden in der musikalischen Hauptstadt des 19. Jahrhunderts und schreiben mit an der Partitur einer Metropole zwischen Revolution und Elektrizität, Eisenbahn und Kaiserreich. Man erlebt den Aufbruch in die Moderne, Napoleons Tod bis hin zum Zweiten Kaiserreich, wenn Rossini sich fotografieren lässt, Berlioz die Miete nicht zahlen kann, Meyerbeer Hollywood vorwegnimmt und Chopin im Zug fährt, wenn Balzac, Flaubert, Baudelaire die Oper besuchen und Offenbach die Zensur austrickst.
„Der Klang von Paris“ klingt auf jeder Seite auf ganz besondere Weise! Volker Hagedorn ist mutig und schreibt nicht nur trockene Fakten, sondern mischt diese mit lebendiger Fiktion. So bekommt dieses Buch seinen ganz besonderen Klang! Es ist in sechs Hauptkapitel unterteilt: „Ein junger Mann aus der Provinz (1821 – 1830)“, 18.000 Tote und etwas Salonmusik (1831 – 1836)“, „Unendlich viel für mein ganzes Leben (1839 – 1841)“, „Chopin, Barrikaden und ein Prophet (1846 – 1849)“, „Auf der größten Baustelle der Welt (1855 – 1859)“ und „Tannhäuser und die Kaiserdämmerung (1860 – 1867)“.
Rowohlt, 410 Seiten; 25,00 Euro
Hörbuch der Woche
Stephen King
Friedhof der Kuscheltiere
Die junge Familie Creed freut sich auf ihr neues Zuhause. Das weiße Haus ist von einem großen Garten umgeben, hinter dem sich unendlich weite Wälder erstrecken, alles ist wunderschön und idyllisch. Eines Tages wird jedoch der Kater der Creeds von einem Tanklaster überfahren und Louis Creed begräbt ihn auf einem Tierfriedhof im Wald. Und tatsächlich scheint zu stimmen, was man sich Unheimliches von dem alten Friedhof erzählt, denn schon bald kehrt der Kater zurück – etwas aggressiver, doch offensichtlich sehr lebendig. Über welche Kräfte verfügt der alte Friedhof? Und wird eine derartig wunderbare Erweckung auch bei einem Menschen möglich sein?
Endlich gibt es die ungekürzte Lesung von „Friedhof der Kuscheltiere“ auf CD, mit dem gruseligen Cover der anstehenden Neuverfilmung. Diese ist seit 04.04. in den deutschen Kinos zu sehen. „Friedhof der Kuscheltiere“ ist mit „Es“ eines der ganz großen Highlights aus Stephen Kings fantastischem Gesamtwerk! Und der Roman beruht in Zügen auch auf einer ganz persönlich erlebten Geschichte des Starautors. Daher wird alles noch schauriger und gruseliger. „Friedhof der Kuscheltiere“ ist ein Horrorroman, der mit so wenig beschriebenem Horror auskommt. Es spielt sich sehr viel auf der psychologischen Ebene ab. Und auf das Warten des Unausweichlichen, das erst ganz zum Schluss kommt und auch nur sehr wenig Platz in der Geschichte einnimmt. Ein genialer Roman muss auch einen dementsprechenden Sprecher haben. David Nathan, die deutsche Stimme von Hollywoodstar Johnny Deep, ist einer der besten deutschen, männlichen Hörbuchsprecher. Und der Stammvorleser von Stephen Kings Meisterwerken. Daher ist auch dieses Hörbuch ein ganz besonderer Genuss! Hörprobe 10 Min.
Random House Audio, 2 MP3 CDs, 1.012 Minuten; 12,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 15.04.2019 – Nr.556
Jilliane Hoffman
Nemesis
Ein Blitz in einem Kreis, eingebrannt in die Haut der Toten: Als Staatsanwältin C. J. Townsend das Branding auf der Schulter der Frauenleiche sieht, ist sie sicher: Das ist die Handschrift des Snuff-Clubs, der vor einigen Jahren ganz Florida in Atem hielt. Die Mitglieder bezahlen viel Geld, um per Live-Stream zu beobachten, wie Frauen brutal vergewaltigt und getötet werden. C. J. weiß alles über die perverse Inszenierung der Morde, von den Teilnehmern „das Spiel“ genannt. Und sie kennt die Namen der Mitglieder, zu reich und einflussreich, um jemals von der Justiz belangt zu werden. Wenn sie weitere Morde verhindert will, muss C. J. das Gesetz in die eigenen Hände nehmen.
Die Geschichte um C. J. Townsend spinnt Jilliane Hoffman extrem spannend fort! Wie sie aus der engagierten, eigentlich gesetzestreuen, aber bereits stark gepeinigten Star-Staatsanwältin eine einsame Rächerin macht, wow! „Nemesis“ ist ganz auf die Hauptfigur der C. J. ausgerichtet. Sie trägt die Geschichte und das auf beeindruckende Weise. Die Snuff-Videos und Streams fordern vom Leser starke Nerven, auch wenn die Autorin hier nicht zu sehr ins Detail geht. Jilliane Hoffman hat mit C. J. Townsend eine unglaublich starke Frauenfigur in der Thriller-Literatur erschaffen, die mit den Büchern „Cupido“, „Morpheus“, „Argus“ und nun „Nemesis“ das Zeug haben bald zu Klassikern des Genres zu gehören.
Wunderlich, 521 Seiten; 22,95 Euro
Linus Geschke
Tannenstein
Wenn der Wanderer kommt, sterben Menschen. Elf in Tannenstein, einem abgelegenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Ein Tankwart im Harz, eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu. Der Killer kommt aus dem Nichts, tötet ohne Vorwarnung und verschwindet spurlos. Der Einzige, der sich ihm in den Weg stellt, ist Alexander Born: ein Ex-Polizist mit besten Kontakten zur Russenmafia. Einst hatte der Wanderer seine Geliebte getötet, jetzt will Born Rache – und wird Teil einer Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann: Tannenstein.
Das Buch beginnt mit einem Massaker ohne großen Sinn und Verstand. Und so zieht sich das auch immer wieder durch die ganze Geschichte. Natürlich hat das Buch seine spannenden Momente, aber das täuscht nicht über die arg konstruierte Story hinweg, die wenig Neues präsentiert. Auch die Figurenkonstellation ist sehr mäßig. Für den Helden der Story, Alexander Born, konnte ich mich nicht erwärmen. Wenn wenigstens andere Charaktere überzeugt hätten, aber auch hier herrscht große Ödnis. Und der Böse ist einfach nur böse, ohne großen charakterlichen Hintergrund. Wenn schon nicht der Held überzeugt, dann wenigstens der Böse. Auch das schafft „Tannenstein“ nicht.
dtv, 380 Seiten; 15,90 Euro
Romy Straßenburg
Adieu Liberté – Wie mein Frankreich verschwand
Europa und vor allem Frankreich haben sich in den letzten Jahren durch politische Umwälzungen, drastische Ereignisse und gesellschaftliche Spannungen extrem verändert. Romy Straßenburg hat diese Zeit unmittelbar miterlebt. Sie berichtet von gesellschaftlichen Missständen und persönlichen Eindrücken, von Liebe und Politik, Kultur und Terror. Ein Buch, dass das Lebensgefühl einer ganzen Generation von Franzosen, Deutschen – von Europäern – vermittelt.
Ein persönlicher und spannender Blick in die aktuelle Seele Frankreichs! Mit vielen was das Land und die Leute ausmacht. Da es ein sehr persönlicher Bericht ist, kommen natürlich einige Gruppen der Gesellschaft gar nicht vor, doch das schwächt das Buch nur wenig, wenn man sich einfach treiben lässt. Romy Straßenburg, Jahrgang 1983, stammt aus Berlin und zog mit 24 nach Frankreich. So bekommt man einen französisch-deutschen Blick auf alles. Enthalten sind unter anderem folgende Hauptkapitel: „Verflogener Zauber“, „Wie ich Charlie wurde“, „Champagnerzwang & Wickert-Keule“, „Freitag, der 13.“, „Nicht ohne mein Festival“. „Banlieue-Style“, „Beziehungskisten sind die schwersten Kisten“, „Reise nach Aleppo“, „Das Projekt Freiheit“, „Dreikäsehoch-Revolte“ und „Europe, mon amour“.
Ullstein, 238 Seiten; 18,00 Euro
Sebastian Fitzek
Fische, die auf Bäume klettern
Bestsellerautor Sebastian Fitzek stellt sich in diesem Buch den existentiellen Fragen: Was zählt im Leben? Wie findet man sein Glück? Welche Lebensziele sind richtig? Was lernt man aus Niederlagen? Und wie geht man mit seinen Mitmenschen um? In persönlichen Episoden erzählt er, was im Leben wichtig ist und wie ein glücklicher Lebensweg gelingen kann. Inspiriert wurde Sebastian Fitzek zu diesem Buch durch seine Rolle als Vater – und die Frage, was er seinen Kindern für das Leben mitgeben würde, wenn ihm nicht mehr viel Zeit bliebe.
Dass Sebastian Fitzek nicht nur ein großartiger Thrillerautor, sondern auch ein echt liebenswerter Kerl ist, das weiß man mittlerweile. Wenn nicht, dann erfährt man es spätestens mit diesem Buch, das der feinfühlige Vater als einen Art Lebensaufsatz für seine Kinder verfasst hat. Einzelne Hauptpunkte herauszugreifen fällt schwer, bei so vielen klugen und weisen Ratschlägen. Hier mal ein paar wenige: „Habt Mitgefühl, aber verleugnet euch nicht“, „Euer wichtigstes Tauschgut ist die Zeit“, „Nehmt das, was ihr tut, ernst. Euch aber nicht so wichtig“, „Misserfolg ist die Regel. Erfolg die Ausnahme“, „Nur das reale Leben ist real“, „Der Glaube anderer Menschen ist nicht eure Gewissheit“.
Droemer, 255 Seiten; 18,00 Euro
Klaus-Peter Wolf mit Holger Bloem
Mein Ostfriesland
Die Weite des Landes, die zauberhafte Natur, das Leben hinterm Deich, das Watt und das Meer vor der Haustür – all das zeichnet Ostfriesland aus. Ob auf Langeoog oder Spiekeroog, ob in Norden-Norddeich oder in Greetsiel und Aurich – immer ist auch die Landschaft ein bedeutender Mitspieler in den Romanen von Bestsellerautor Klaus-Peter Wolf. Mit diesem Buch will der Autor seinen Fans sein Ostfriesland zeigen, die Region, in der er seit vielen Jahren beheimatet ist. Hier leben einige seiner engsten Freunde, hierher kommen die Fans von Ann Kathrin Klaasen, Rupert und Ubbo Heide, um im Urlaub die Schauplätze kennenzulernen, von denen sie in den Romanen schon so viel gelesen haben.
Wer Klaus-Peter Wolfs Ostfriesenkrimis liebt, wird auch dieses Buch in sein Herz schließen, denn es ist ein ganz persönlicher Blick des Autors auf sein Ostfriesland. Angereichert mit einer Menge toller Fotos von einem Landstrich der durch seine vielseitige Naturschönheit besticht. Und wer mit den Krimis von Klaus-Peter Wolf wirklich nichts anfangen kann, der wird mit diesem Buch einen Landstrich kennenlernen, den zu besuchen es sich lohnt.
Fischer, 256 Seiten; 18,00 Euro
Hörbuch der Woche
Jason Dark
Geisterjäger John Sinclair Folge 125 bis Folge 128
In „Zombies aus dem Höllenfeuer“ führt ein Hinweis eines Informanten John Sinclair zu einer Baustelle in London – und zu einer Frau, die auf dem Dach des Betonrohbaus in einer magischen Flamme qualvoll verbrannte! Aber sie starb nicht! Ein Zombie aus dem Höllenfeuer war geboren, gegen den selbst sein Silberkreuz machtlos war.Hörprobe
Weiter geht es in „Die Rache der Großen Alten“. Dort hatten die Diener der Großen Mutter Lilith Suko entführt, um ihn im Land ohne Grenzen dem Todesboten Kalifato zum Fraß vorzuwerfen! Doch Sukos Opfer sollte nur der Auftakt in einer Auseinandersetzung biblischen Ausmaßes sein: Die einstigen Herrscher von Atlantis, die Großen Alten, forderten die Mächte der Hölle heraus! Hörprobe
In „Zwei Schwerter gegen die Hölle“ muss John Sinclair feststellen, dass die Entführung seines Partners Suko weit mehr dient. Er war zum Spielball einer weit größeren Auseinandersetzung geworden: Die Großen Alten forderten Luzifer und seine Heerscharen heraus! Um Suko zu retten, setzten Kara, Myxin, der Eiserne Engel und ich unsere letzten Mittel ein – zwei Schwerter gegen die Hölle!
In „Hemators tödliche Welt“ hatten Kara und der Eiserne Engel die Macht ihrer beiden Schwerter ausgespielt und John Sinclair damit in die Leichenstadt katapultiert! Angeblich existierte dort ein Zugang zum Land ohne Grenzen, in dem Suko gefangen gehalten wurde. Stattdessen findet sich John Sinclair auf einem Schlachtfeld wieder – inmitten der Auseinandersetzung zwischen der Hölle und den Großen Alten! Hörprobe
John Sinclair XXL! Die Folgen „Zombies aus dem Höllenfeuer“ (125), „Die Rache der Großen Alten“ (126), „Zwei Schwerter gegen die Hölle“ (127) und „Hemators tödliche Welt“ (128) sind zusammen eine große Folge. Und an einem mangelt es diesen vier Episoden nicht: Action! Hier passiert so viel, Hollywoods Special-Effects-Spezialisten hätten ihre helle Freude daran, wenn sie Jason Darks fantastische Ideen für die Leinwand würden umsetzen können. Die vier Folgen bilden eine Gesamtfolge ab und trotzdem endet die Geschichte mit einem ganz fiesen Cliffhanger. Weiterhören zwingend erforderlich! Das Sprecherensemble ist wie immer hervorragend. Neben Dietmar Wunder als John Sinclair ragen vor allem Suzan Demircan als Leila und Samir Fuchs als Ali heraus.
Lübbe Audio, je 1 CD, je ca. 60 Minuten; je 7,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 22.04.2019 – Nr.557
Johan Harstad
Max, Mischa & die Tet-Offensive
Max Hansen wächst in Stavanger der 1980er Jahre auf, wo die Väter für Monate auf Ölplattformen verschwinden, während die Kinder im Märchenwald Vietnamkrieg spielen. Ein Idyll – bis Max‘ Familie in die USA emigriert. Während der Vater nun von Long Island aus um die ganze Welt fliegt und so selten zu Hause ist, dass die Ehe der Eltern daran zu zerbrechen droht, rücken Max und seine ebenso einsame Mutter näher zusammen. Bis Mordecai kommt, der zunächst Max‘ bester Freund und später ein bekannter Schauspieler wird. Er macht ihn auch mit Mischa bekannt, einer sieben Jahre älteren bildenden Künstlerin. Max und Mischa verlieben sich ineinander. Sie ist es auch, die Max anstiftet, sich auf die Suche nach seinem geheimnisvollen Onkel zu machen, einem Vietnam-Kriegsveteranen, mit dem sein Vater vor langer Zeit gebrochen hat. Und sie finden ihn tatsächlich. Es bildet sich eine unkonventionelle WG, in der man einander mit Großmut und Verständnis begegnet, diese wird zum Epizentrum des Lebens von Max, Mischa, Mordecai und Onkel Owen.
Ein Roman, der einschlägt! Mehr als 1.200 Seiten und trotzdem kommt nie das Gefühl von Langeweile auf. Das alleine ist schon ein Kunststück. Johan Harstad kann einfache Dinge besonders erzählen! Man verliert und verliebt sich in seine Sprache. Max, Mischa und die anderen haben schnell einen Platz im Herzen des Lesers. Man erlebt mit ihnen eine besondere Zeit. Erlebt die Katastrophen des Alltags, des Familienlebens und der Liebe. Zentral ist auch das Thema Freundschaft. Die Kunst und das Auswandern und in einem anderen Land sesshaft werden gesellt sich hinzu. Der Roman bietet so unheimlich viele tolle kleine Geschichten in der großartigen großen. Man könnte hier ganz viele Sätze zitieren, einer stach mir, wegen des Buchtitels, besonders ins Auge. Als Max mit seinen Freunden im sommerlichen Norwegen 1988 den Vietnam-Krieg, die Tet-Offensive spielt, fällt der Satz: „Am nächsten Tag werden wir mit der fünften Klasse beginnen, aber vorher gilt es, einen Krieg zu gewinnen“.
Rowohlt, 1.242 Seiten; 34,00 Euro
Johanna Holmström
Die Frauen von Själö
In einer Herbstnacht im Jahr 1891 ertränkt Kristina Andersson ihre zwei schlafenden Kinder im Meer. Sie kommt in die Nervenheilanstalt auf Själö, einer Insel im Schärengarten Finnlands – kaum eine der Patientinnen, die hier eingewiesen werden, verlässt die Insel jemals wieder. Vierzig Jahre später wird die siebzehnjährige Elli ebenfalls dort eingeliefert. Sie wünschte sich mehr vom Leben als die Enge ihres Elternhauses. Sie lief von zu Hause weg, verliebte sich Hals über Kopf und musste vor der Polizei fliehen. Doch zu ihrer Zeit erlaubt man Frauen den Ausbruch aus ihrem Leben nicht. Jetzt ist sie ebenfalls gefangen auf der Insel Själö, wo die Zeit stillzustehen scheint …
Die adrette und junge Finnin Johanna Holmström konnte mit ihrem ersten Roman auf Deutsch, „Asphaltengel“, auf sich aufmerksam machen. Ich war gespannt auf ihren neuen Roman. „Die Frauen von Själö“, bei dem Buchtitel hatte ich schon eine Geschichte vor Augen. Doch konnte der Roman meine Erwartungen nicht erfüllen. Zu dunkel, zu grau, zu langweilig ist die Geschichte, deren Hintergrund allerdings interessant, aber eben auch schwer ist. Johanna Holmström skizziert die Frauen durchaus eindrucksvoll, auch die Umgebung beschreibt sie ebenso eindrucksvoll, aber das sind alles nur Bruchstücke, die nicht ausreichen, um die Geschichte als Ganzes loben zu können.
Ullstein, 364 Seiten; 22,00 Euro
Grady Hendrix
Der Exorzismus der Gretchen Lang
Charleston, South Carolina, 1988: Abby Rivers und Gretchen Lang sind seit ihrer Kindheit beste Freundinnen. Als die beiden Freundinnen mit zwei anderen Mädchen eines Abends LSD nehmen, scheint die Droge keine Wirkung zu zeigen. Doch dann will Gretchen nackt schwimmen gehen und kehrt nicht zurück. Erst am nächsten Morgen findet Abby die völlig verwirrte Gretchen in einer unheimlichen, verfallenen Hütte im Wald. Was zuerst wie die Folgen des LSD-Rauschs aussieht, wird immer unheimlicher. Gretchen verändert sich, vernachlässigt ihr Äußeres, hat Halluzinationen, wird paranoid und zieht eines Tages sogar eine ganze Heerschar von Vögeln an, die sich gegen die Fensterscheiben ihres Hauses stürzen. Zu allem Überfluss dringen nachts Sex-Geräusche aus Gretchens Zimmer, woraufhin die christlichen Eltern ihre Jungfräulichkeit überprüfen lassen – ohne Ergebnis. Gretchens beste Freundin Abby hat einen schrecklichen Verdacht: Ist Gretchen von einem Dämon besessen? Oder treibt die schwüle Hitze Charlestons nun auch Abby in den Wahnsinn?
Ein Horrorthriller, den man am besten nicht unter der Bettdecke lesen sollte! Verstörend, fesselnd, faszinierend. „Der Exorzismus der Gretchen Lang“ ist ganz im Stil von bekannten Hollywood-Exorzismus-Filmhighlights verfasst. Mit den beiden Hauptcharaktere Abby Rivers und Gretchen Lang kann man richtig mit leben- und leiden. Grady Hendrix beschreibt sie ausgesprochen menschlich. Ein besonderes Gimmick des Romans ist die Zeit, in der er spielt. Die so unschuldigen 1980er und dazu noch das High-School-Ambiente, besser hätte Grady Hendrix seine Geschichte nicht ansiedeln können. Zu allem hat das Buch auch noch eine tolle Aufmachung.
Knaur, 378 Seiten; 16,99 Euro
Ransom Riggs
Der Atlas der besonderen Kinder
Miss Peregrine kehrt gemeinsam mit Jacob, Emma und den anderen besonderen Kindern in Jacobs Heimat Florida zurück. Gemeinsam versuchen sie, sich in die moderne Zeit einzufügen – inklusive langen Strandspaziergängen und anderen normalen Tätigkeiten. Doch die amerikanischen Zeitschleifen, in denen sich die Besonderen vor der Welt verbergen, sind noch weitgehend unerforscht und schon bald ist Miss Peregrine von der Idee fasziniert, einen Atlas der Schleifen anzufertigen. Dann findet Jacob heraus, dass sein Großvater Abe nicht alleine gegen die Monster gekämpft hat, die die besonderen Kinder jagen – und dass Abes Partner noch lebt. Aber auch altbekannte Feinde sind lebendiger, als es Jacob lieb ist….
Ransom Riggs hat mit seinen Büchern um die „besonderen Kinder“ bereits zu seinen Lebzeiten Klassiker der Fantasy-Literatur erschaffen! Nicht zuletzt die erfolgreiche Verfilmung von Tim Burton machten die Bücher endgültig zum Kult. Nun ist der vierte Band der Reihe erschienen. „Der Atlas der besonderen Kinder“ enthält wieder alles, was man sich von der fantastischen Fantasy-Reihe wünscht. Einprägende Charaktere, mystisches Seeting, Spannung und ein wunderschön gestaltetes Buch!
Knaur, 506 Seiten; 18,00 Euro
Alexander von Humboldt
Der Andere Kosmos
Alexander von Humboldts Aufsätze, Artikel und Essays haben eine einzigartige Verbreitung erfahren: An die 800 Texte in 15 Sprachen zu 30 Disziplinen aus 750 Medien an 250 Publikationsorten auf 5 Kontinenten. 70 Jahre lang hat er veröffentlicht – von 1789 bis 1859. „Der Andere Kosmos“ enthält eine Auswahl. Dazu gehört der berühmte Selbstversuch mit Zitteraalen, den er in Südamerika unternommen hat. Diese Tiere können mit ihren elektrischen Schlägen Pferde töten. Humboldt hat es überlebt und ausführlich darüber berichtet. Dazu gehört auch sein letzter Brief an die Öffentlichkeit, den er kurz vor seinem Tod im Alter von 90 Jahren verfasste und der weltweit publiziert wurde. Humboldt bittet darin höflich, ihn mit diversen Anliegen zu verschonen, inklusive des Angebots, ihn häuslich zu pflegen, zu zerstreuen und zu erheitern. Denn seine Zeit werde jetzt knapp, und er wolle sie seiner Forschung widmen.
Ein Buch, das für Entdecker des Genies Alexander von Humboldt eine wahre Fundgrube darstellt! 70 Texte, 70 Orte, 70 Jahre von 1789 bis 1859, dass alles ist in diesem Buch, dem „Anderen Kosmos“, vereint. Wer bisher nur wenig von Alexander von Humboldt gelesen hat, der bekommt mit diesem Buch einen besonderen Einblick in die Welt dieses Ausnahmemannes.
dtv, 448 Seiten; 30,00 Euro
Hörbuch der Woche
Brigitte Glaser
Rheinblick
Deutschland, im November 1972: Niemand kennt das Bonner Polittheater besser als Hilde Kessel, legendäre Wirtin des Rheinblicks. Bei ihr treffen sich Hinterbänkler und Minister, Sekretärinnen und Taxifahrer. Als der Koalitionspoker nach der Bundestagswahl härter wird, wird Hilde in das politische Ränkespiel verwickelt. Gleichzeitig kämpft in der Abgeschiedenheit einer Klinik auf dem Venusberg die junge Logopädin Sonja Engel mit Willy Brandt um seine Stimme, die ihm noch in der Wahlnacht versagte. Doch auch sie gerät unter Druck. Beide Frauen sind erpressbar. Für Hilde steht ihre Existenz auf dem Spiel, Sonja will ihre kleine Schwester beschützen. Wie werden sie sich entscheiden?
In „Bühlerhöhe“ durfte der Leser Konrad Adenauer über die Schulter schauen und eine spannende Geschichte erleben. Nun ist der neue Roman von Brigitte Glaser erschienen und wieder bleibt nur eins: Begeisterung! „Rheinblick“ bringt einen Willy Brandt und den Bonner Politikzirkus nahe, auch ein Kriminalfall um eine junge tote Frau sorgt für Spannung, und dazu hat man die ganze Zeit die 1970er vor Augen. Eine andere Zeit, ein anderes Lebensgefühl als heute. „Rheinblick“ bietet ungeheuer viel für nur einen Roman! Tessa Mittelstaedt liest voller Emotion, bringt unterschiedliche Stimmlagen ein, sie spielt die Charaktere und liest sie nicht nur vor. Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei List, 20,00 Euro
Hörbuch Hamburg, 8 CDs, 590 Minuten; 20,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 29.04.2019 – Nr.558
Meike Winnemuth
Bin im Garten
„Ein Jahr im Garten leben. Gemüse anbauen. Bäume pflanzen. Blümchen natürlich auch. Wurzeln schlagen. Boden unter den Füßen finden, und zwar einen, den ich persönlich dorthin geschaufelt habe.“ Die Autorin erzählt in ihrem Tagebuch von ihrem ersten eigenen Garten. Vom Träumen und Planen, Schuften und Graben, Säen, Pflanzen, Ernten, Essen. Vom großen Wachsen (Muskelkater!) und Werden (plötzlich: geduldig!). Und entführt den Leser dabei an einen paradiesischen Ort wahren Lebens, mit Radieschen und Schnecken, mit Rittersporn und anderen blauen Wundern.
In ihrem sensationellen Bestseller „Das große Los“ wollte Meike Winnemuth unbedingt weg, jetzt möchte sie zuhause bleiben und genießt die Ruhe bei „Bin im Garten“. Mit fast 60 Jahren findet sie ihr Glück nun dabei sich um ein Lebewesen zu kümmern, einen Hund, und einen „grünen Partner“ an ihrer Seite zu wissen. Sie erzählt äußert sympathisch und witzig davon, wie man süchtig nach seinem eigenen Garten werden kann. Wie schön es ist, etwas anzupflanzen und dann beim langsamen wachsen zuzusehen. Welch großes Glück man daraus schöpfen kann. Die Welt bereisen war ein Abenteuer, der eigene Garten ist noch ein viel Größeres. Und er hat den großen Vorteil, er ist ganz nah und man kann in ihm immer herumspazieren und sich mitten reinsetzen. Am Ende ist die ewig Reisende Meike Winnemuth keine mehr, und auch die Stadtliebhaberin hat sich in ihr großteils verabschiedet. Das hektische Großstadtleben ist nichts mehr für sie. Ihre neue Heimat ist ihr Garten, der ihr so viel positives Lebensgefühl schenkt. Das ist mit nicht aufzuwiegen. Ein Buch zum schmunzeln, lernen und sich wohlfühlen!
Penguin, 320 Seiten; 22,00 Euro
Zinzi Clemmons
Was verloren geht
„Du bist ja keine richtige Schwarze“, sagt ihre weiße Mitschülerin eines Tages zu Thandi. Die Worte hallen nach, bis sie eine junge Frau wird. In Pennsylvania wächst sie auf, schließt Freundschaften, beginnt Liebschaften, doch sie gehört nie richtig dazu. Johannesburg ist die Heimat ihrer Mutter – für Thandi unendlich weit entfernt. Bis ihre Mutter an Krebs erkrankt, das Sterbebett zu Hause aufgebaut wird und Thandi sich mit ihrem Vater die Pflegestunden teilt. Es beginnt eine schmerzliche Reise zu ihren Wurzeln und eine erhellende Suche nach Halt, nach Liebe, nach einer eigenen Familie.
Zinzi Clemmons ist die Tochter einer afrikanischen Mutter und eines New Yorker Vaters. Ihre eigene Geschichte fließt somit auch in ihren ersten Roman mit ein. In Amerika hat der Roman durchaus Lob geerntet, doch mich konnte er in dieser Form nicht überzeugen. Zinzi Clemmons wählt große Themen für ihren Roman, auch die Geschichte klingt vielversprechend, aber die Umsetzung lässt in großen Teilen zu wünschen übrig. Alles wirkt sehr abgehackt, das liegt an den kurzen Kapiteln und nicht selten auch an ihrem wirren Inhalt. Lesefluss entsteht so kaum. Eine tiefe Auseinandersetzung mit den Figuren und der Geschichte gibt es auch nicht. Die Geschichte hätte ein 500, 600 Seiten starken, großen Roman gut vertragen, aber so ist es ein Debütroman geworden, der schnell wieder vergessen wird, wenn die Autorin nichts Großes nachliefert.
Ullstein, 236 Seiten; 20,00 Euro
Angelika Throll
Zimmerpflanzen
Zimmerpflanzen erleben ein grünes Revival. Gekauft ist die lebende Deko schnell, doch erst die richtige Pflege macht die Wohnung zum „Urban Jungle“. Die Autorin erklärt, worauf es beim erfolgreichen Zimmergärtnern ankommt. Basics beachten, Pflegefehler vermeiden, Schädlinge bekämpfen – alle Handgriffe werden Schritt für Schritt beschrieben.
Wenn man nach Meike Winnemuths Buch Lust – und die Möglichkeit – hat, einen eigenen Garten anzulegen, bleiben am Ende aber immer noch viele Monate im Jahr übrig, die man nicht mit dem freudigen Grün draußen verbringen kann. Da bietet sich an, auch drinnen alles auf Grün zu stellen. Ein neuer Trend, der so neu nicht mehr ist, ist der Urban Jungle. Es gibt viele Pflanzen die man draußen nicht so gut halten kann. Für Neueinsteiger bietet sich hier das Buch von Angelika Throll „Zimmerpflanzen – Urban Jungle, mein Paradies zu Hause“ an. Ein Buch, das kompakt, flüssig zu lesen und reich bebildert ist, und eine wunderbare Einführung zum eigenen Urban Jungle darstellt.
Kosmos, 96 Seiten; 12,99 Euro
Markus Heitz
Die dunklen Lande
1629. Der 30-Jährige Krieg mit seinen Konflikten erschüttert Europa und tobt besonders gnadenlos in Deutschland. Die junge Abenteurerin Aenlin Kane reist in die neutrale Stadt Hamburg, um das Erbe ihres berühmten Vaters Solomon Kane zu ergründen. Zusammen mit ihrer Freundin Tahmina, einer persischen Mystikerin, gerät sie in die Wirren des Krieges. Sie nehmen einen folgenschweren Auftrag der West-Indischen Compagnie an: Eine zusammengewürfelte Truppe soll sich durch die Linien nach Süddeutschland durchschlagen, bis nach Bamberg, wo grausamste Hexenprozesse die Scheiterhaufen brennen lassen – doch es kommt vieles anders.
Will man qualitativ hochwertige Fantasy von einem deutschen Autor lesen steht dabei ein Name ganz oben auf dem Fantasy Thron: Markus Heitz! Sein Ideenreichtum scheint unbegrenzt. Sein neuestes Werk bestärkt wieder alle seine Qualitäten, die man als Leser von ihm kennt. „Die Dunklen Lande“ stößt einen sofort mitten hinein in eine spannende Zeit, aus dieser man als Leser nicht mehr entkommen kann. Ein tolles Setting und faszinierende Charaktere tun ihr übriges dazu.
Knaur, 540 Seiten; 16,99 Euro
Jörg-Michael Günther
Der Fall Max und Moritz
Ganze Generationen von Eltern gaben und geben ihren Kindern die gereimten „Lausbubengeschichten“ zum Lesen oder verwenden sie als Gutenachtgeschichte. Gedanken über mögliche psychische Schäden für den Nachwuchs machen sie sich dabei nicht. Dies ist unverständlich, da die Beschreibung der Umtriebe von Max und Moritz aus einer in der Literatur beispiellosen Aneinanderreihung von kriminellen Taten besteht. Die Superstars des erfolgreichsten Kinderbuches aller Zeiten sind in Wahrheit bösartige Jugendliche, die aufgrund ihrer Verhaltensauffälligkeiten für ein ganzes Dorf eine Belastung sind.
Eine witzige und erfrischende Betrachtung von Max und Moritz und ihren Straftaten! Die Idee zu diesem Buch ist stark, genauso wie seine Umsetzung. Als Leser lernt man deutsche Gesetze auf „spielerische“ Art kennen. Schon der Untersatz zum Buchtitel zeigt, wo es lang geht: „Juristische Gutachten über die Umtriebe zweier jungendlicher Straftäter zur Warnung für Eltern und Pädagogen“.
Eichborn, 240 Seiten; 18,00 Euro
Hörbuch der Woche
Chris Colfer
Land of Stories – Die Suche nach dem Wunschzauber
Als Alex und ihr Zwillingsbruder Conner ein altes Buch zum Geburtstag geschenkt bekommen, ahnen sie nicht, dass dieses ein Portal in ein magisches Reich ist. Sie geraten in eine Welt, in der es nicht nur gute Feen und verwunschene Prinzen gibt, sondern auch ein böses Wolfsrudel und eine noch viel bösere Königin. Doch ganz so einfach ist die Sache mit Gut und Böse leider nicht. Denn in all den Jahren nach dem Happy End haben die Märchenwesen einige Marotten entwickelt, was die Zwillinge in so manche verzwickte Lage bringt. Außerdem haben sie nicht den blassesten Schimmer, wie sie wieder nach Hause finden sollen. In einem geheimnisvollen Tagebuch steht die Lösung – doch hinter dem ist auch die böse Königin her …
Ein bisschen „Die Chroniken von Narnia“, „Harry Potter“ und Walt Disney und dazu ganz viel Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersen und natürlich nicht zu vergessen das Ideenfeuerwerk von Chris Colfer, der mit „Land of Stories“ eine überaus fantastische Fantasy-Reihe geschaffen hat. Der erste Band „Land of Stories – Die Suche nach dem Wunschzauber“ ist bereits 2012 in den USA erschienen. Nun endlich gibt es diese Fantasy-Reihe auch auf Deutsch. Auf die nächsten Bände darf man sehr gespannt sein. Wer anders als der großartige Rufus Beck sollte sich dieser fantastischen Fantasy-Reihe als Sprecher annehmen. Er zaubert auch, mit seiner wundervoll verspielten und vielseitigen Stimme. Erfreulich ist auch, dass es sich um eine ungekürzte Lesung handelt. Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei Sauerländer, 18,00 Euro.
Argon Hörbuch, 2 MP3 CDs, 774 Minuten; 19,95 Euro
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