Dezember 21, 2024

Kolumne 15.06.2015

Kolumne vom 15.06.2015 – Nr. 356


Owen Matthewsdaumen rauf

Moskau Babylon

Moskau Babylon

Als der Brite Roman Lambert 1995 in Moskau eintrifft, fühlt er sich wie auf Safari im postsowjetischen Dschungel. Jeder möchte in dieser Zeit etwas vom großen Kuchen abhaben. Geld, Partys, Huren. Roman ist hier, um zu arbeiten, aber er lernt das zügellose Leben kennen. Er lebt wie alle Ausländer in einer Parallelwelt. Dann lernt er Sonja kennen, die zwar schön, aber sehr verschwiegen ist. Doch er hat mir ihr guten Sex und lernt noch mehr von Russland kennen. Als dann mit Sonjas Freundin Katja etwas passiert, begeht Roman eine Tat, die ihn immer verfolgen wird …

Owen Matthews lässt die wilde Zeit Mitte der 1990er in Russland in „Moskau Babylon“ grandios aufleben, als der Versuch einer Demokratie monströs scheiterte. Detail- und bildreich beschreibt er das Moskau der damaligen Zeit. Verrucht, dreckig, lasterhaft, wie der Wilde Westen. Absolut fesselnd wie er diese Geschichte erzählt. Man ist mit ihm in Russland, fast eifersüchtig nicht selbst dabei gewesen zu sein. Aber umso mehr die Geschichte voranschreitet, umso glücklicher ist man dann doch, dass man das alles als Buch genießen kann und nicht selbst diesen Höllenritt erlebt hat. Wer die Seele Russlands kennenlernen will, der darf sich „Moskau Babylon“ nicht entgehen lassen. Ein Buch wie eine Wodka geschwängerte Achterbahnfahrt!

Graf, 394 Seiten; 19,99 Euro


Joe Abercrombiedaumen runter

Königsschwur

KönigsschwurPrinz Yarvi von Gettland ist ein Krüppel und ein Schwächling. Mit nur einer funktionstüchtigen Hand geboren und von seinem Vater verachtet, muss er sich mit einem bedeutungslosen Diplomatenposten zufriedengeben. Als sein Vater und sein Bruder eines Tages brutal ermordet werden, überwindet Yarvi seine Schwäche und besteigt den Schwarzen Thron von Gettland. Und er legt einen Eid ab: denjenigen, der seine Familie getötet hat, zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen! Doch dann wird Yarvi von jemandem verraten, von dem er es nicht erwartet hat …

Der große Fantasy-Bestsellerautor Joe Abercrombie („Klingen“-Romane) kann mit seinem neuen Werk nicht überzeugen. Nicht nur dass „Königsschwur“ für Abercrombie-Verhältnisse eher schmal ausgefallen ist, auch die Story enthält wenig Spannendes und Überraschendes. Die Geschichte gleicht eher einem Roman für junge Erwachsene und lässt vieles vermissen, was Abercrombie in den „Klingen“-Romanen so gut gemacht hat. Packende Szenen von denen man gar nicht genug bekommen konnte. Hier sucht man sie vergebens. Auch die Hauptfigur bleibt eher blass. „Königsschwur“ weckt Erwartungen, die nicht erfüllt werden.

Heyne, 363 Seiten; 14,99 Euro


Ryan Bartelmaydaumen rauf

Voran, voran, immer weiter voran

Voran voran immer weiter voranAmerikanischer Mittelwesten, Anfang der 1950er Jahre. Chic Waldbeeser hat gerade seine High-School-Liebe Diane geheiratet und sieht hoffnungsfroh in eine Zukunft als Familienvater und Eigenheimbesitzer. Sein Bruder Buddy ist ein ruheloser Geist, dessen indische Frau Lijy unglücklich ist. Buddy ist kein fürsorglicher Ehemann. Chic fantasiert mit Lijy eine Beziehung zusammen. Dann macht Lijy einen verhängnisvollen Fehler, der das ganze Leben von Chic und Buddy beeinflussen wird. Danach versuchen Chic und Buddy wieder den richtigen Weg zu finden, doch das ist schwerer als sich beide das vorstellen.

Ein verrückter, leidenschaftlicher, liebreizender und dramatischer Roman, ein Roman, der das Leben so erzählt wie es ist. Mit weit mehr stürmischen als ruhigen Zeiten. Chic, Diane, Buddy und Lijy sind Figuren aus dem Leben, mit normalen Alltagssorgen und Alltagserlebnissen. Solch einfache, und eigentlich unspannende Dinge, so fesselnd niederzuschreiben, dafür muss man dem Amerikaner Ryan Bartelmay ein Kompliment aussprechen. Er beginnt den Roman 1950 und wandert dann Jahr um Jahr voran. Eine zweite Ebene erzählt die Geschichte ab 1998 weiter. Durch diese Erzählweise dauert es etwas, bis man in die Geschichte findet, aber dann geht man den steinigen Weg aller Beteiligten mit. „Voran, voran, immer weiter voran“, so hat mich die Story dann getrieben, voran, immer schneller voran.

Blessing, 430 Seiten; 19,99 Euro


Doris Dörriedaumen rauf

Diebe und Vampire

Diebe und VampireAlice, eine etwas verlorene junge Deutsche, macht mit ihrem verheirateten Geliebten in Mexiko Urlaub. Dort lernt Alice eine dreißig Jahre ältere Amerikanerin, „die Meisterin“ kennen. Die ist alles was Alice gerne wäre. Elegant. Selbstbewusst. Souverän im Umgang mit Männern. Und vor allem – eine Schriftstellerin. Alice muss sich etwas einfallen lassen, um der Meisterin aufzufallen. Doch Vorsicht, Schriftsteller können einen aussagen …

Doris Dörrie, Bestsellerautorin und erfolgreiche Regisseurin, hat wieder einen Roman geschrieben, der einem mit seiner Geschichte um die kritikunfähige Alice schnell gefangen nimmt. „Diebe und Vampire“ ist ein Roman über das Schreiben, über die Hoffnung auf Erfolg, der Kampf für Anerkennung, eine Sinnsuche nach dem, was einem im Leben als wichtig erscheint. Nicht immer ist das was man sucht, auch das was man braucht. „Diebe und Vampire“ ist ein sehr passender Buchtitel.

Auch als Hörbuch erhältlich bei Diogenes Hörbuch. Die Autorin liest selbst. Eine gute Entscheidung, denn die Regisseurin weiß die Stärken ihres Textes richtig herauszuarbeiten. 19,90 Euro.

Diogenes, 216 Seiten; 21,90 Euro


Julie Massondaumen rauf

Ein Commissaire geht baden

Ein Commissaire geht baden

In Hossegor an der französischen Atlantikküste findet die Surfweltmeisterschaft statt. Einer der Favoriten klagt über Schwindel, wenig später liegt er tot im Sand. Comissaire Lefevre glaubt nicht an einen Zufall und beginnt zu ermitteln. In der Welt der Surfer geht es kriminell zu, das muss Lefevre bald erkennen.

 

Nach dem erfolgreichen „Pastis für den Commissaire“ nun der zweite Fall für Commissaire Lucien Lefevre „Ein Commissaire geht baden“. Eine kauzige Hauptfigur, ein spannender Fall, eine verspielt romantische Beschreibung des langsamen Frankreichs. Ein kleiner Genuss, dieser Kriminalroman!

Rowohlt, 315 Seiten; 9,99 Euro


Hörbuch der Wochedaumen rauf

Diane Brasseur

Der Preis der Treue

Der Preis der Treue

Seit einem Jahr lebt ein vierundfünfzigjähriger verheirateter Pariser Anwalt im emotionalen Ausnahmezustand: Er hat sich in die deutlich jüngere Alix verliebt. Was mit spielerischer Leichtigkeit begann – wiederentdeckte flirrende Erotik, der Reiz des Doppellebens, der Flirt mit einem Neubeginn –, wird mit der Zeit zu einer wachsenden Belastung. Sein Dilemma: Er ist nicht nur verrückt nach Alix, mit der er sich endlich wieder rundum lebendig fühlt, er liebt auch seine Frau. Eines Morgens zieht er sich in sein Arbeitszimmer zurück, in der festen Absicht, endlich eine Entscheidung zu treffen.

Ein Roman über Liebe, Sex, Versuchung, Betrug, Hoffnung und den großen und kleinen Gefühlen. Die Französin Diane Brasseur beschreibt das Fremdgehen des Ich-Erzählers in klaren und sehr intensiven Sätzen. So wird ein Stück Haut, das man literarisch erblickt, zu etwas ganz Großem, sehr erotischem. Sie beschreibt die Gedanken des Ich-Erzählers sehr intensiv, man ist immer hin- und hergerissen. Liebe, Leidenschaft und Sex in einem literarischen Ton, das ist „Der Preis der Treue“. Ulrich Noethen liest präzise, ohne Schnörkel, er trägt die Gedanken und Gefühle bestechend scharf vor.

Auch als Paperback erhältlich bei dtv, 14,90 Euro.

DAV, 3 CDs, 190 Minuten; 16,99 Euro


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