Dezember 22, 2024

Kolumne 20.06.2016

Kolumne vom 20.06.2016 – Nr. 409


Stewart O’Nandaumen rauf

Westlich des Sunset

Westlich des Sunset

„Westlich des Sunset“ erzählt die letzten drei Lebensjahre des berühmten amerikanischen Schriftstellers Francis Scott Fitzgerald. Mit „Der große Gatsby“ hatte er Weltruf erlangt. Doch das ist lange her. Als er einundvierzigjährig in Hollywood ankommt, scheint seine Alkoholsucht unbezähmbar, seine Frau Zelda lebt, mit einer offenbar unheilbaren bipolaren Störung, in einer psychiatrischen Klinik in Montgomery, das Verhältnis zu seiner Tochter Alabama ist schlecht. Er zieht in die Villenanlage Garden of Allah, wo sich abends eine muntere Schar aus den umliegenden Hollywood Hills am Pool trifft: Humphrey Bogart, Valentino, Joan Crawford, Gloria Swanson, die Marx Brothers …

„Westlich des Sunset“ lässt das alte Hollywood der 1930er und einen der größten und tragischsten amerikanischen Literaten des 20, Jahrhunderts aufleben. Ich habe schon viel über F. Scott Fitzgerald und seine große Liebe Zelda gelesen, und so war diese Geschichte, die als Roman angelegt ist, und die hauptsächlich von F. Scott Fitzgerald handelt, ein absoluter Hochgenuss. Man erfährt viel aus Scotts Leben, den Versuch, einer neuen Liebe eine Chance zu geben, seinem ständigen Gang entlang des Abgrunds, des Hechten von Drehbuchauftrag zu Drehbuchauftrag. Was ihm auch das kurze Mitwirken bei „Vom Winde verweht“ einbrachte. Danke, Stewart O’Nan für diesen erstklassigen Roman! Stewart O’Nan gehört zu den Göttern der amerikanischen Literatur! Seine Romane bleiben lange im Gedächtnis. Sein Gesamtwerk ist schon jetzt mit so vielen modernen Klassikern gefüllt. Jetzt kommt hier noch einer hinzu. Mit „Westlich des Sunset“ übertrifft sich Stewart O’Nan selbst.

Rowohlt, 413 Seiten; 19,95 Euro


Donna Leondaumen runter

Ewige Jugend

Ewige JugendContessa Lando-Continui möchte ihren Frieden finden an ihrem Lebensabend. Doch jene Nacht lässt sie nicht los, als ihre Enkelin in den Canale di San Boldo stürzte. In ewiger Jugend ist Manuela seitdem gefangen. Und wenn es mehr als ein Unfall war? Die Contessa fragt Comissario Brunetti um Rat. Ein Fall ohne große Spuren – außer in der Psyche des Opfers. Gut, dass Brunetti nicht nur Signorina Elettra treu zur Seite steht. Auch Kommissarin Griffonis private Vergangenheit erweist sich als sehr hilfreich für die Polizeiarbeit.

Die ganz hartgesottenen Donna-Leon-Fans werden auch an dem Jubiläumsfall, dem 25., nichts auszusetzen haben. Doch wenn man diesen Roman sachlich betrachtet, ist er, wie schon die letzten dreizehn, vierzehn Fälle zuvor eine einzige Katastrophe. Ich habe es leider schon oft schreiben müssen, die eitle Donna Leon schreibt mehr für sich, als für ihre Leser, denn ansonsten sind diese reihenweise schwachen Werke nicht zu erklären. Langweilig und uninspiriert in allen Bereichen. Der Fall zieht sich ohne die geringste Spannung, die Charaktere sind, so wie Donna Leon über sie schreibt, auserzählt. „Ewige Jugend“ gehört ganz schnell in die ewigen Literaturjagdgründe. Dass es auch anders geht, zeigt ein Andrea Camilleri, der nach gefühlt einhundert Montalbano-Romanen immer noch Charme und Spannung in Einklang bringt.

Auch als Hörbuch erhältlich bei Diogenes Hörbuch. Joachim Schönefeld liest charmant! An dieser schlechten Vorlage kann er allerdings auch nichts ändern. 24,99 Euro.

Diogenes, 322 Seiten; 24,00 Euro


Manuela Obermeierdaumen rauf

Verletzung

Verletzung Hauptkommissarin Toni Stieglitz hat sich gerade von ihrem Freund Mike getrennt. Niemand darf wissen, wo sie jetzt wohnt. Denn Mike, selbst Polizist, schlägt sie. Ihre Kollegen sollen nichts davon erfahren. Zu sehr schämt Toni sich. Jetzt aber setzt sie sich endlich zur Wehr. Zur gleichen Zeit beginnt eine Mordserie in München. Mehrere Frauen werden brutal umgebracht. Toni jagt den Mörder, doch bald wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Wer ist der Schatten, der nachts immer wieder auftaucht und sie verfolgt? Der Mörder? Oder ihr Exfreund Mike?

Manuela Obermeier ist selbst Hauptkommissarin, das merkt man der Lektüre an. Sie lebt u. a. von viel Details aus dem Polizeialttag. Hin und wieder übertreibt es die Autorin aber auch mit den Details, denn sie bringen keine Spannung, sondern bremsen die Geschichte. Aber das ist ein kleinerer Makel in einem ansonsten flotten Krimidebüt. Das liegt vor allem an der Hauptfigur Antonia „Toni“ Stieglitz. Sie ist unangepasst, stur, schlau und sympathisch. Auch ihr Privatleben beschäftigt die Kommissarin mehr als ihr lieb ist. Und einen Blick für die Männer hat sie auch. Der Fall ist nur Durchschnitt, aber die Hauptfigur reißt viel raus. Die Reihe um Hauptkommissarin Toni Stieglitz hat das Zeug dazu, lange anzudauern!

Ullstein, 443 Seiten; 9,99 Euro


Peter Prangedaumen rauf

Die Rose der Welt

Die Rose der Welt„Die Rose der Welt“ – so wird im ganzen Abendland die 1229 gegründete Pariser Universität gepriesen. Dorthin streben die Freunde Robert und Paul, der eine, um Karriere als Gelehrter zu machen, der andere, um als Kopist Bücher für den Lehrbetrieb zu produzieren. Am Karneval geraten beide in eine „Eselsmesse“, eine orgiastische Feier der Studenten zur Verhöhnung des Bischofs und der Pfaffen. Ein Tumult bricht aus, Soldaten metzeln die Studenten nieder. Die Folgen erschüttern Paris und ganz Frankreich. Robert muss sich entscheiden zwischen der Liebe zur Wissenschaft und seiner Karriere – und der Liebe zur schönen Marie, in der er eine Seelenverwandte gefunden hat. Aber Marie ist die Frau seines besten Freundes Paul …

Peter Prange hat wieder einen historischen Roman geschrieben, der aus der Masse heraussticht. Seine Geschichten haben so viel Energie und Kraft, die Charaktere leben in einer Welt voller Detailreichtum, so wird alles so fühlbar, so lebbar. „Die Rose der Welt“ ist mehr als ein historischer Roman, er ist ein intelligenter Gesellschafts- und Liebesroman in einer aufwühlenden Zeit.

Scherz, 499 Seiten; 19,99 Euro


Düzen Tekkaldaumen rauf

Deutschland ist bedroht

Deutschland ist bedroht

Düzen Tekkal hat als deutsche Jesidin 2014 den Genozid an ihrem Volk im Nordirak mitangesehen. Gerade deswegen sorgt sie sich angesichts des wachsenden Zuspruchs, den extremistische Strömungen in Deutschland erfahren, um unsere Demokratie: „Extremisten bedrohen das Fundament jeglichen Zusammenlebens. Wer davor die Augen verschließt oder auch nur gleichgültig zusieht, macht sich mitschuldig am Verlust unserer politischen Freiheit.“

Ein hoch aktuelles und wichtiges Buch! Düzen Tekkal, Kurdin, Jesidin, Deutsche, erzählt in ansprechender Form nicht nur von ihren Erlebnissen als Journalistin, sondern spricht auch die Themen Migration, Integration, rechte Gewalt, Islamismus und noch einiges mehr an. „Deutschland ist bedroht“ ist kein Weichspüler-Bericht über das große Thema, sondern zeigt durch die Augen einer Deutschen mit Migrationshintergrund einen anderen Blick auf das Ganze.

Berlin Verlag, 222 Seiten; 16,99 Euro


Hörbuch der Wochedaumen rauf

Benjamin Cors

Küstenstrich

Küstenstrich

Drei Warnungen innerhalb einer Woche am Zaun eines exklusiven Anwesens in der Normandie. Der Bedrohte: ein Adliger mit Kontakten zur französischen Regierung. Sein künftiger Beschützer: Nicolas Guerlain, ehemaliger Staatsbediensteter und einer der besten Personenschützer des Landes. Sein neuer Auftrag führt den charismatischen Nicolas Guerlain abermals in die Nähe seiner Heimatstadt Deauville. Doch noch bevor er die Bekanntschaft seiner Schutzperson machen kann, stößt er auf eine Leiche.

Benjamin Cors hat mit seinem Debüt „Strandgut“ schon einen viel beachteten Kriminalroman vorgelegt. Nun sein zweiter Krimi „Küstenstrich“ um Nicolas Guerlain, der sogar noch besser ist als das Debüt. Spannung, ein sehr aktuelles Thema, Frankreich-Feeling und prägnante Figuren, das alles erfüllt „Küstenstrich“. Nicolas Guerlain darf gerne wieder kommen, vor allem nach dem Knalleffekt mit dem letzten Satz des Romans. Ganz stark gelesen wird dieser Kriminalroman von Sascha Rotermund, ist u. a. die deutsche Stimme des „Mad Men“. Bei Sascha Rotermund bleibt nur eins übrig: zuhören!

Auch als Paperback erhältlich bei dtv, 15,90 Euro.

DAV, 6 CDs, 475 Minuten; 19,99 Euro


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