Oktober 18, 2024

Kolumne 15.07.2024 Nr. 830

      BuchKolumne 15.07.2024 Nr. 830

Karl Ove Knausgård – Das dritte Königreich
Anne-Sophie Jouhanneau – French Kissing in New York
Malou Wilke – Savannah – Aufbruch in eine neue Welt
Kathinka Engel – Das Ende von gestern ist der Anfang
von morgen
Lisa Quentin – Eine gute Ehe

   Karl Ove Knausgård – Das dritte Königreich

Die Tage sind endlos lang in diesem Sommer in Norwegen, und die Hitze ist schier unerträglich. Die Welt scheint irgendwie still zu stehen, und als Erstem fällt dies Syvert, dem Bestatter, auf. Immer mehr Tage vergehen, ohne dass Todesfälle gemeldet werden. Wie kann das sein? Viele Fragen hat auch die 19-jährige Line, die sich in Valdemar, den Frontmann einer sagenumwobenen Band, verliebt. Sie wird in eine geheime, faszinierende Welt hineingezogen, die sie aber auch ängstigt und an die Grenzen des Verstehbaren bringt. Dies wiederum hat sie mit dem Polizisten Geir gemeinsam, der in einem makabren Dreifachmord ermittelt und über die vermeintlich abwegige Theorie, die er am Ende aufstellt, mit niemandem sprechen kann. Ist es letztlich die fragile Künstlerin Tove, die mehr versteht als die anderen? Sie erschafft Bilder, die von den untergründigen Strömungen aus Sexualität und Tod in den Volksmärchen inspiriert sind. Eines Tages hört sie eine Stimme, die zu ihr spricht – und ihr etwas abverlangt.

Karl Ove Knausgård setzt seine sensationelle literarische Roman-Reihe „Der Morgenstern“ fort. Nach „Der Morgenstern“, „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ folgt nun „Das dritte Königreich“. Karl Ove Knausgård ist ein literarischer Held! Er erzählt Heldengeschichten des Alltags. Seine Heldengeschichten sind eine hohe Kunst, denn sie erzählen von ganz normalen Menschen, die ganz normale Dinge tun, die ihr Leben meistern müssen, den Alltag bewerkstelligen. Aber genau darin liegt das Heldenhafte, denn dies so darzustellen, als ob man einen spannungsgeladenen Thriller liest, das ist die hohe literarische Kunst! „Das dritte Königreich“ reiht sich nahtlos in die Reihe der beiden spektakulären Vorgängerromane ein. Unwiderstehlich, in welchen Sog einen Karl Ove Knausgård hineinzieht!

Luchterhand, 651 Seiten; 28,00 Euro

 Anne-Sophie Jouhanneau – French Kissing in New York

Margot muss immerzu an Zach denken: Den gutaussehenden amerikanischen Jungen, den sie in einer magischen Nacht in Paris kennengelernt hat. Zum Abschied waren sie sich einig: Wenn sie zusammengehören, findet das Universum schon einen Weg. Ein Jahr später ist Margot frisch gebackene New Yorkerin: bereit, sich in ihren neuen Job zu stürzen, Manhattans Restaurantszene im Sturm zu erobern und natürlich Zach zu finden. Aber in einem Jahr kann viel passieren, und die Suche gestaltet sich schwieriger als erwartet. Wie gut, dass der süße Aushilfskoch Ben sie unterstützt. Und wer weiß: Vielleicht hat das Schicksal ja doch ganz andere Pläne für sie auf Lager.

Anne-Sophie Jouhanneaus „French Kissing in New York“ ist eine Story, die sich süß und leicht anhört. Das ist sie in Teilen auch, aber oft auch nicht mehr. Die Autorin erschafft eine schöne Atmosphäre um die Geschichte herum. Die Schauplätze sind gut gewählt. Aber die eigentliche Lovestory ist oft nicht schlagkräftig genug, um über die gesamte Länge zu überzeugen. Auch wirkt das eine oder andere sehr konstruiert. Anne-Sophie Jouhanneau weicht immer wieder zu sehr vom eigentlich Wichtigen ab, und gibt den Nebenschauplätzen mehr Raum als nötig. „French Kissing in New York“ ist kein Lovestory-Leckerbissen!

One, 351 Seiten; 14,00 Euro

Malou Wilke – Savannah – Aufbruch in eine neue Welt

Als die junge, unverheiratete Nellie Bernstein im Januar 1733 das sumpfig–wilde Marschland von South Carolina betritt, liegt eine lange entbehrungsreiche Schiffspassage hinter ihr. Ungewollt schwanger, wurde sie vom Vater verstoßen und sah für sich in Preußen keine Zukunft mehr. Wie viele andere war sie dem Aufruf des Visionärs James Oglethorpe gefolgt, der mit mutigen Auswanderern in Amerika eine Kolonie namens Georgia gründen will. Doch das harte Leben in der Wildnis birgt ungeahnte Gefahren, und Nellie muss für ihr Zuhause in der neuen Welt tagtäglich kämpfen. Vor allem liegen ihr die verwaisten Siedlerkinder am Herzen – und Samuel, der englische Anwalt mit den blauen Augen, der ihr in schweren Stunden beisteht.

Die Deutsche Malou Wilke lebt nach mehreren Stationen nun in den USA, in den Südstaaten. Also dort, wo dieser Roman spielt: „Savannah – Aufbruch in eine neue Welt“. Es ist der erste Teil einer Auswanderer-Saga. Nellies Weg zu verfolgen ist äußerst fesselnd! Zuerst ihre nicht einfachen Umstände in Deutschland, bevor es dann nach gut 100 Seiten aufs Schiff Richtung Amerika geht. Dort wird ihr Leben nicht einfacher, ganz im Gegenteil. Sie muss kämpfen, für das Leben, das Überleben. Doch sie erlebt auch schöne Stunden, aber das Schicksal schlägt immer wieder zu. Malou Wilke versteht es, die Stimmung der damaligen Zeit mit lebhaften Bildern einzufangen! Man ist als LeserIn Gast in dieser geschichtlich so spannenden Zeit. Ein Gast, der nicht mehr gehen möchte! Auch nicht nach knapp 600 Seiten. Da passt es perfekt, dass die Saga schon bald mit „Savannah – Erwachen einer neuen Zeit“ fortgesetzt wird.

dtv, 591 Seiten; 14,00 Euro

Kathinka Engel – Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen

London, 1974: Die 17-jährige Pippa St George, Tochter aus gutem Hause, trifft bei einem Punkkonzert Oz, den Sänger der Band. Oz steht für alles, was ihre Familie verachtet. Gegen alle Konventionen und gegen jede Logik verlieben sich die beiden ineinander, doch dann werden sie von der harten Realität eingeholt. London, Gegenwart: Online-Redakteurin Gilly ist überglücklich, als sie eine erschwingliche Wohnung in einem viktorianischen Mietshaus findet. Doch das Haus soll verkauft und luxussaniert werden. Um das zu verhindern, tut Gilly sich mit ihrem Nachbarn, dem Dokumentarfilmer Owen, zusammen. Während ihrer Recherche stoßen die beiden auf eine Geschichte, die sie weit in die Vergangenheit führt …

Kathinka Engel ist ein Name, der für anregende, dramatische und frische Lovestorys & More steht! Mit ihrer „Finde-mich“-Reihe und ihrer „Hollywood-Dreams“-Reihe hat sie ihre LeserInnen begeistert. Und mit weiteren Büchern. Nun hat sie einen Solo-Roman veröffentlicht „Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen“. Was für ein weiser Titel. Und einer, der schon neugierig macht. Wenn man dann liest, um was es in der Story geht, wird man noch neugieriger. Das Buch hält, was es verspricht! „Das Ende von gestern ist der Anfang von morgen“ ist ein wie ein Blitzeinschlag! Man kann der Kraft, die diese Geschichte ausstrahlt, nicht entkommen. Ein stürmisches Gewitter von einer Story, nein, gleich zwei Storys, die große Themen im Leben behandeln, aber auch die kleinen. Ein Roman, den man so schnell nicht wieder vergisst!

Lübbe, 428 Seiten; 16,99 Euro

  Lisa Quentin – Eine gute Ehe

Deutschland 1960: Als Margarete ungewollt schwanger wird, bricht sie schweren Herzens ihr Studium ab und nimmt den Heiratsantrag von Lenz an. Denn sie, die als Kind aus Ungarn vertrieben wurde und in Armut aufwuchs, wünscht sich nichts mehr als eine sichere Zukunft. Doch das Muttersein überfordert sie, und bald hat Margarete, mittlerweile Mutter von zwei Mädchen, fast täglich das Gefühl zu versagen. Als sie dann herausfindet, dass Lenz sie betrügt, ist sie am Boden zerstört: Sie liebt ihre Familie, aber muss sie sich dafür wirklich selbst aufgeben?

„Eine gute Ehe“ ist ein gutes literarisches Investment für Ihre Lesezeit! Sie bekommen eine Geschichte über eine so gar nicht gute Ehe geboten, sondern über eine Ehe, die in den 1960ern in Deutschland normal war, aber heute vielen Frauen wie ein alltäglicher Horrorfilm vorkommen wird. Obwohl, das harte Leben als Mutter, die sich um Haushalt und Familie kümmert, hat sich nur geringfügig verbessert. Die Anforderungen sind die gleichen, aber zum Glück hat sich gesellschaftlich doch seitdem einiges getan. Wollen Sie aber noch einmal in das Deutschland der 1960er zurückreisen, dann lesen Sie „Die gute Ehe“ und lassen Sie sich überraschen, welch steinigen Weg Margarete gehen muss und wie sie trotzdem nach vorne geht. Literarisch ist dieser Roman ein Hingucker, denn Lisa Quentin schreibt klar und flüssig und lässt einem die Figuren trotzdem ganz nah kommen. „Die gute Ehe“ ist nach „Ein völlig anderes Leben“ der zweite Roman der Autorin.

Goldmann, 350 Seiten; 22,00 Euro