Archiv Mai 2019
Kolumne vom 06.05.2019 – Nr.559
Sarah Kuttner
Kurt
Lena hat mit ihrem Freund Kurt ein Haus gekauft. Es scheint, als wäre ihre größte Herausforderung, sich an die neuen Familienverhältnisse zu gewöhnen, daran, dass Brandenburg nun Zuhause sein soll. Doch als der kleine Kurt bei einem Sturz stirbt, bleiben drei Erwachsene zurück, deren Zentrum in Trauer implodiert.
Sarah Kuttner schreibt frisch, frech und wild! Mit ihrem neuen Roman trifft sie die leiseren Töne. „Kurt“ begeistert, berührt, betrübt, ein Roman wie ein Wirbelsturm des Lebens. Sarah Kuttner wusste ja schon mit ihrem Debüt „Mängelexemplar“ zu überzeugen. 10 Jahre ist das nun her. Andere Bücher folgten. Die Autorin ist gereift, das zeigt sie mit „Kurt“. Sarah Kuttner findet einen leichten Ton für das schwere Gefühl der Trauer. Mit „Kurt“ weint man, mit „Kurt“ lacht man, mit „Kurt“ erlebt man viele unterschiedliche Gefühlsebenen. Ein Roman wie ein Heftpflaster für das Leben!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Die Autorin liest selbst. Sarah Kuttner liest auf charmante, bissige und melancholische Art und fängt damit wunderbare die Stimmung des Romans ein. 19,95 Euro. Hörprobe
S. Fischer, 240 Seiten; 20,00 Euro
Mary Adkins
Wenn du das hier liest
Jades Leben liegt in Scherben, seit ihre Schwester Iris mit 33 Jahren an Krebs starb. Auch Smith, Inhaber einer maroden New Yorker PR-Agentur, hat mit dem Verlust zu kämpfen. Noch immer schreibt er seiner verstorbenen Assistentin Iris E-Mails, so sehr fehlt ihm ihre humorvolle Art. Als Smith herausfindet, dass Iris bis kurz vor ihrem Tod einen Blog über ihre Krankheit geschrieben hat, setzt er alles daran, ihn zu veröffentlichen und kontaktiert ihre Schwester – Jade jedoch vermutet, er wolle lediglich Geld machen, um seine Agentur zu retten. Kann es ein Happy End für zwei Menschen geben, die schon vor langer Zeit aufgehört haben, an ein Happy End zu glauben?
Der Roman ist auf seine Art eine Herausforderung! E-Mail-Romane können etwas ganz Besonderes sein oder gnadenlos scheitern. Die Amerikanerin Mary Adkins, die Anwältin war und nun Storytelling in New York unterrichtet, schafft es, genau dazwischen zu liegen. Zwischen etwas Besonderem und einschläfernder Lektüre. Die Geschichte ist berührend, traurig, Mut machend, aber durch die so gewählte E-Mail-Umsetzung der Autorin kommt kaum Lesefluss auf. Gerade wenn die Geschichte wieder richtig schön wird, nervt sie einen auch schon wieder.
Kindler, 365 Seiten; 20,00 Euro
Friederike Otto
Wütendes Wetter
Hitze, wie wir sie aus fernen Urlaubsregionen kannten, sintflutartiger Starkregen, verheerende Stürme: Ist das schon Klimawandel – oder immer noch „nur“ Wetter? Die Autorin hat die Attribution Science mitentwickelt. Mittels dieser revolutionären Methode kann sie genau berechnen, wann der Klimawandel im Spiel ist. War eine Katastrophe wie Harvey menschengemacht? Ist eine Dürreperiode Folge der globalen Erwärmung oder nur ein heißer Sommer, wie es ihn schon immer gab? Die Zahlen belegen: Eine Hitzewelle wie in Deutschland 2018 ist durch den Klimawandel mindestens doppelt so wahrscheinlich geworden wie früher. Man kann konkrete Verursacher für Wetterphänomene haftbar machen ‒ Unternehmen, ja ganze Länder können jetzt vor Gericht gebracht werden. Und es wird verhindert, dass der Klimawandel weiter als Argument missbraucht wird.
Spätestens seit der bewundernswerten Greta Thurnberg wird über Klimaschutz öffentlich wieder viel mehr gesprochen. Dringend notwendig, wie Friederike Otto mit ihrem Buch belegt. „Wütendes Wetter“ zeigt die Fakten hinter der öffentlichen Diskussion. Und es sind sehr beängstigende Fakten. Ein Buch, das in der aktuellen Diskussion wichtig ist, aber auch noch weit darüber hinaus. Schwerpunkte des Buches sind unter anderem: „Ursache und Wirkung: Wie wir unser Wetter geschaffen haben“, „Hitzewellen, Starkregen und Co.: So viel Klimawandel steckt im Wetter“, „Verplant: Wie der Klimawandel sich rächt, wenn man ihn missachtet“, „Eine Frage der Gerechtigkeit: Sind die Kosten des Klimawandels bekannt, sind die Industrieländer in der Pflicht“, „Klimawandel im Alltag: Das Wetter mit anderen Augen sehen“.
Ullstein, 238 Seiten; 18,00 Euro
Friedrich Hainbuch
Bienen
Bienenprodukte wie Honig, Propolis oder Bienengift sind seit Jahrtausenden bewährte Heilmittel und werden gerade von der Medizin wiederentdeckt. Dieses Buch bietet eine ausführliche Darstellung aller Produkte, die in der Bienenhaltung gewonnen werden können, einschließlich des Bienenstichs als Akupunkturmittel, bei dem die Biene am Leben bleibt. Es beschreibt die historischen Hintergründe und Wirkungsweisen, zeigt, welche Rezepturen und bei welchen Erkrankungen eingesetzt werden können.
Das ohne die Bienen die Welt eine ganz andere wäre und kurz vor dem Kollaps stehen würde, das begreifen mittlerweile immer mehr Menschen, und sie tun auch etwas dafür, dass die Bienen wieder den Lebensraum bekommen, den sie brauchen. Dieses Buch bietet ausführlich und anschaulich was die Bienen alles leisten und für was sie und ihre Erträge alles gut sind. Beginnend mit den zahlreichen Bienenprodukten über Bienen-Wellness für Gesundheit und Wohlbefinden und die Anwendung von Honig und Co. Dazu gibt es noch eine reiche Bebilderung. Ein ganz tolles Buch, das alle haben sollten, die sich für Bienen und ihre Erzeugnisse interessieren!
Ebenfalls von Friedrich Hainbuch ist bei Kosmos (192 Seiten, 20,00 Euro) das Buch „Bienen – Was Menschen und Bienen einander bedeuten“ neu erschienen. In diesem wunderschönen Buch geht der Autor gezielter auf die Bienen selbst ein. Ein Buch zum lernen und staunen!
Herbig, 189 Seiten; 20,00 Euro
Jan Haft
Die Wiese
Kitzelnde Gräser, leuchtende Blumen, summende Insekten: So fühlt sich eine Sommerwiese an. Eine Wiese ist gleichbedeutend mit einer Entdeckungsreise in ein wahres Naturparadies, in dem Hunderte bunter Pflanzen und bizarrer Tiere leben, deren Naturgeschichte oft noch gar nicht richtig erforscht ist. Nirgendwo sonst leben mehr Insektenarten, nirgendwo sonst herrscht eine solche Farbenpracht. Und gleichzeitig ist kein heimischer Lebensraum so sehr bedroht: Etwa ein Drittel unseres Landes war einst von blühenden Wiesen bedeckt. Heute sind es noch klägliche zwei Prozent.
Der Biologe Jan Haft ist ein vielfach ausgezeichneter Natur- und Tierfilmer. Wiesen liegen ihm sehr am Herzen, daraus hat er nun ein anschauliches, informatives und eindrucksvolles Buch gemacht. „Die Wiese – Lockruf in eine geheimnisvolle Welt“ wird sie dorthin führen, wo viele von uns sicher schon lange nicht mehr waren. Dazu gibt es noch einige sehr schöne Fotos. Einige Schwerpunktthemen sind: „Das Verschwinden der Farben“, „Die Entstehung der Blumenwiese“, „Schlangen und Orchideen“, „Stumme Landschaft“, „Das gelbe Wunder“, „Rettet die Wiesen!“.
Penguin, 253 Seiten; 20,00 Euro
Hörbuch der Woche
Emily Gunnis
Das Haus der Verlassenen
Sussex, 1956. Als die junge Ivy Jenkins schwanger wird, schickt ihr liebloser Stiefvater sie fort – ins St. Margaret’s Heim für ledige Mütter. Sie wird den düsteren, berüchtigten Klosterbau nie mehr verlassen. Sechzig Jahre später stößt die Journalistin Sam in der Wohnung ihrer Großeltern auf einen flehentlichen Brief Ivys. Er ist an den Vater ihres Kindes adressiert – aber wie ist er in den Besitz von Sams Großvater gelangt? Sam beginnt die schreckliche Geschichte von St. Margaret’s zu recherchieren. Dabei stößt sie auf finstere Geheimnisse, die eine blutige Spur bis in die Gegenwart ziehen. Und die tief verstrickt sind mit ihrer eigenen Familiengeschichte.
Die Engländerin Emily Gunnis arbeitete als erfolgreiche Drehbuchautorin bevor sie nun mit „Das Haus der Verlassenen“ ihren Debütroman geschrieben hat, der in England gleich zum Bestseller avancierte. Bei diesem Roman ist das nachzuvollziehen. Eine Geschichte voller Spannung, Dramatik und aufwühlenden Momenten! Es ist schwer zu ertragen, was die Nonnen den jungen Frauen im St. Margaret’s Heim für ledige Mütter antun. Diese Frauen waren oft unendlichen Qualen ausgesetzt. Der Titel trifft hier vollkommen zu: Diese Frauen waren für immer verlassen. Britta Steffenhagen liest feinfühlig und kraftvoll zugleich. Passend für diese Geschichte und deren Frauenfiguren. Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei Heyne, 20,00 Euro.
Random House Audio, 2 MP3 CDs, 503 Minuten; 20,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 13.05.2019 – Nr.560
Walter Moers
Der Bücherdrache
In den Katakomben von Buchhaim erzählt man sich eine alte Geschichte vom sprachmächtigen Drachen Nathaviel. Angeblich besteht er aus lauter Büchern, die von der mysteriösen Kraft des Orms durchströmt sind. Die Legende besagt, der Bücherdrache habe auf jede Frage die richtige Antwort. Der Buchling Hildegunst Zwei, benannt nach dem zamonischen Großschriftsteller Hildegunst von Mythenmetz, macht sich eines Tages auf den Weg in den Ormsumpf, wo Nathaviel hausen soll. Dabei wagt er sich in Bereiche der Katakomben, in denen es von Gefahren wie den heimtückischen Bücherjägern nur so wimmelt. Und er ahnt nicht, dass die größte Gefahr, die ihm droht, vom Bücherdrachen selber ausgeht.
Walter Moers ist einer von Deutschlands kultigsten Kultautoren! Seine Werke um Zamonien und mit Hildegunst von Mythenmetz sind Klassiker der modernen Literatur. Jedes seiner Bücher ist ein Ereignis, das aus der Masse an Neuerscheinungen turmhoch heraussticht. So auch sein neues Werk „Der Bücherdrache“. Leider ist es mit 187 Seiten etwas dünn geraten, aber das ist schon das einzige Manko. Wie immer hätten es auch gut und gerne 500 Seiten sein dürfen. „Der Bücherdrache“ beginnt mit einem wunderbar gezeichneten Comic, der dann in die Geschichte übergeht, die dann auch noch mit einigen, von Walter Moers bekannten und geliebten Zeichnungen, geschmückt ist. „Der Bücherdrache sprudelt nur so über vor Fantasie und fantastischen Einfällen! Eine Geschichte, die die Bücher liebt und die jeder Buchliebhaber ebenso lieben wird.
Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Ein Roman von einem Kultautor schreit auch nach einem Kultsprecher. So viele gibt es davon nicht in Deutschland. Einer davon ist aber gewiss Andreas Fröhlich. Wie immer ein Genuss ihn zu hören! 20,00 Euro. Hörprobe 5 Min.
Penguin, 187 Seiten; 20,00 Euro
Rita Mae Brown
Die Maus zum Gärtner machen
Mary Minor „Harry“ Harristeen ist gerade mit ihrem Pick-up und ihren tierischen Beifahrern – allen voran Katze Mrs. Murphy – unterwegs, als vor ihnen ein Wagen ins Schlingern gerät und im Graben landet. Die Fahrerin Barbara Leader ist tot – angeblich ein Herzinfarkt. Doch Harry ist sich sicher, da hat jemand nachgeholfen. Barbara hatte als Krankenschwester den ehemaligen Gouverneur Samuel Holloway gepflegt. Hat ihr Tod womöglich etwas mit ihm zu tun? Oder liegt die Lösung des Falls schon seit langer Zeit auf dem Friedhof begraben? Unversehens sind Harry und ihre gewiefte Tigerkatze Mrs. Murphy einem alten Familiengeheimnis aus dem 18. Jahrhundert auf der Spur.
Jedes Jahr auf Neue veröffentlicht die Bestsellerautorin Rita Mae Brown einen neuen Kriminalroman aus ihrer „Ein-Fall-für-Mrs-Murphy“-Reihe. Jedes Jahr auf Neue gebe ich ihr eine Chance, vielleicht wird die Reihe ja doch wieder besser, und kehrt zur Meisterhaftigkeit ihrer Anfänge zurück. Jedes Jahr auf Neue werde ich enttäuscht, so auch dieses Jahr. „Die Maus zum Gärtner machen“, mittlerweile der 24. Band der Reiche, hält das Niveau der letzten Romane – gleichbleibend schlecht, Tendenz weiter absteigend. Einen richtigen Krimi sucht man auch diesmal vergebens, genauso wie Spannung und Überraschungen. Zu Anfang der Reihe konnten die Tierauftritte richtig begeistern, doch auch diese sind nur noch ein Schatten vergangener Tage.
Ullstein, 339 Seiten; 19,99 Euro
Frank Bösch
Zeitenwende 1979
1979 gilt als „das Schlüsseldatum des 20. Jahrhunderts“ (Peter Sloterdijk) und wird als der „Beginn der multipolaren Welt von heute“ (Claus Leggewie) bezeichnet. Die iranische Revolution brachte den fundamentalistischen Islam auf die weltpolitische Agenda, während der sowjetische Einmarsch in Afghanistan auf die Krisenherde des 21. Jahrhunderts vorauswies. Der Papstbesuch in Polen, der von Millionen gefeiert wurde, beschleunigte den Untergang des Sozialismus. Und die vietnamesischen Boat People konfrontierten die Deutschen erstmals mit weltweiten Flüchtlingsströmen. Der Autor schildert, wie diese Ereignisse 1979 aufkamen und welche Folgen sie für Deutschland hatten.
Ein großartiges Buch, das sehr anschaulich zeigt, wie prägend das 1979 für die folgenden Jahre und Jahrzehnte sein sollte. Wie die Ereignisse die Welt, aber auch ganz speziell das Leben der Deutschen beeinflussen sollten. Frank Bösch vermittelt in „Zeitenwende 1979“ spannende Geschichtsstunden! Folgende Kapitel sind unter anderem enthalten: „Die Revolution im Iran“, „Papst Johannes Paul II. in Polen“, „Die Revolution in Nicaragua“, „Chinas Öffnung unter Deng Xiaoping“, „Die Boat People aus Vietnam“, „Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan“, „Thatchers Wahl und die Gründung der Grünen“, „Die zweite Ölkrise“, „Der AKW-Unfall bei Harrisburg“.
C. H Beck, 512 Seiten; 28,00 Euro
Stephan Orth
Couchsurfing in China
Drei Monate lang erkundet Couchsurfer Stephan Orth das Reich der Mitte: vom Spielerparadies Macau im Süden bis nach Dandong an der Grenze zu Nordkorea, von Shanghai bis in die Krisenprovinz Xinjiang. Er besucht Hightech-Metropolen, die mit totaler Überwachung experimentieren, und abgeschiedene Dörfer, in denen fürs Willkommensessen der Hund geschlachtet wird. Er wird als Gast einer Live-Fernsehshow zensiert und tritt fast einer verbotenen Sekte bei. Dabei wird immer deutlicher, wie sich das Leben hinter den Kulissen der neuen Supermacht gestaltet, welche Träume und Ängste die Menschen bewegen.
Stephan Orth hat seine Leser mit „Couchsurfing im Iran“ und „Couchsurfing in Russland“ begeistert. Nun nimmt er sich der aufstrebenden neuen Weltmacht China an. Wie ticken die ganz normalen Menschen in einem Land zwischen Überwachung und wirtschaftlichem Dauerwachstum? Stephan Orth lässt einen hinter sonst verschlossene Türen blicken. Gibt Einblicke in das Seelenleben der Menschen, in Bräuche und überrascht mit so manch skurriler Begebenheit. Als Leser „surfen“ Sie mit – von Couch zu Couch.
Malik, 250 Seiten; 16,00 Euro
Pierre Lagrange
Schatten der Provence
Commissaire Albin Leclerc kommt nicht zu seinem wohlverdienten Ruhestand. Denn der Überfall auf einen Kunsttransport mit wertvollen Gemälden findet ausgerechnet kurz vor Carpentras statt. Der Coup geht schief, die Polizei entdeckt im Versteck der Räuber einen unbekannten Cézanne und einen Van Gogh. Alles weist darauf hin, dass sie aus einem geheimen Depot mit Nazi-Raubkunst stammen. Zum Ärger der beiden Polizisten Theroux und Castel mischt sich Albin mit seinem Mops Tyson in ihre Ermittlungen ein. Dabei ist er ihnen immer einen Schritt voraus. Als es Tote gibt, gerät Albin ins Visier der Täter. Plötzlich geht es für ihn um Leben und Tod…
Pierre Lagrange schreibt Provence-Krimis mit hohem Wiedererkennungswert! Commissaire Albin Leclerc ist ein großer Sympathieträger, dessen Fälle oft nicht weniger spannend sind als sein Privatleben. „Schatten der Provence“ ist der vierte Band der erfolgreichen Reihe. Und wieder überzeugt Pierre Lagrange, das Pseudonym eines deutschen Autors, mit viel Lokalkolorit und einem spannenden und interessanten Fall.
Scherz, 403 Seiten; 14,99 Euro
Hörbuch der Woche
Camilla Läckberg
Golden Cage
Faye und Jack sind das absolute Traumpaar. Sie haben das erfolgreichste Unternehmen Stockholms aufgebaut, wohnen in einem luxuriösen Apartment und sind umgeben von den Reichen und Schönen. Die gemeinsame Tochter Julienne ist die Krönung ihres Glücks. Doch der Schein trügt. Fayes Leben dreht sich nur noch um den verzweifelten Versuch, Jack zu gefallen. Seine Verachtung ist in jeder seiner Gesten spürbar. Was verbirgt ihr einst liebevoller Mann vor ihr? Als Jack und Julienne von einem Bootstrip nicht zurückkehren und die Polizei eine Blutlache im Apartment entdeckt, fällt der Verdacht schnell auf Jack. Hat er seine eigene Tochter ermordet?
Das Buch wurde als erster Thriller der schwedischen Bestseller-Queen angekündigt. Das Buch ist vieles, aber keinesfalls ein Thriller. Was aber nicht die Qualität des Buches betrifft. „Golden Cage“ ist ein spannender und intensiver Ehe- und Racheroman! Er führt einen vor Augen, wie eine Frau sich fühlt, die intelligent ist, aber aus Rücksicht auf ihren Mann in einem goldenen Käfig lebt und eigentlich nur für ihn und die Tochter da zu sein hat. Als sie dann von ihrem Mann wegen einer Jüngeren vor die Tür gesetzt wird, sinnt die weibliche Hauptfigur auf Rache. Eine durchtriebene Rache, die Rache einer klugen und fest entschlossenen Frau. Wer eine Frau wie Faye an seiner Seite weiß und sie betrügt, der braucht danach keine weiteren Feinde mehr im Leben. „Golden Cage“ glänzt golden! Vera Teltz wird zu Faye. Sie geht voll in der Figur auf, so wird die Lesung noch intensiver. So gut das Buch, so gut die Lesung. Hörprobe 5:18 Min.
Auch als Paperback erhältlich bei List, 17,99 Euro.
Hörbuch Hamburg, 2 MP3 CDs, 480 Minuten; 19,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Aktuelle Kolumne vom 20.05.2019 – Nr.561
Tracy Barone
Das wilde Leben der Cheri Matzner
Der Radiologe Solomon Matzner und seine italienische Frau freuen sich auf ihr Kind. Da erleidet Cici eine Fehlgeburt, die sie so verstört zurücklässt, dass Sol sich nicht anders zu helfen weiß, als hinter ihrem Rücken schnellstens ein Ersatzkind zu adoptieren: Cheri. Ein rebellisches Mädchen, das auch später als Frau nicht ansatzweise dazu bereit ist, die Erwartungen anderer zu erfüllen.
Ein Familienroman, der funkelt wie ein Diamant! Wunderbar geschliffene Figuren, Szenen, Dialoge, ein literarisches Fest! Man erlebt die hellen und die dunklen Stunden des Lebens mit Figuren die einen an der Hand nehmen um sie in ihrem Alltag zu begleiten. Der Aufbau der Geschichte ist nicht linear, aber überraschend. Sie beginnt in den 1960ern während der Kuba-Krise, wo man einen Auszug aus Cici und Solomons Leben erfährt. Dann macht die Geschichte einen Sprung ins Jahr 2002, wo man die Erwachse Cheri erlebt, Ex-Polizistin, nun Akademikerin, an der Uni lehrend und Keilschriftexpertin. Es spielen nun das Thema Kinder bekommen, was Cheri mit dem nahenden 40sten große Probleme bereitet, und vor allem auch ihre Beziehung zu Ehemann und Mutter eine gewichtige Rolle. Das Spiel wiederholt sich im Leben. „Das wilde Leben der Cheri Matzner“ ist ein Roman voller Höhen und Tiefen des Lebens!
Diogenes, 501 Seiten; 24,00 Euro
Fatma Aydemir, Hengameh Yaghoobifarah (Hrsg.)
Heimat ist Albtraum
Wie fühlt es sich an, tagtäglich als „Bedrohung“ wahrgenommen zu werden? Wie viel Vertrauen besteht nach dem NSU-Skandal noch in die Sicherheitsbehörden? Was bedeutet es, sich bei jeder Krise im Namen des gesamten Heimatlandes oder der Religionszugehörigkeit der Eltern rechtfertigen zu müssen? Und wie wirkt sich Rassismus auf die Sexualität aus? Zum einjährigen Bestehen des „Heimatministeriums“ sammeln die Autorinnen Perspektiven auf eine rassistische und antisemitische Gesellschaft. In persönlichen Essays geben zahlreiche Autoren Einblick in ihren Alltag und halten Deutschland den Spiegel vor: einem Land, das sich als vorbildliche Demokratie begreift und gleichzeitig einen Teil seiner Mitglieder als „anders“ markiert, kaum schützt oder wertschätzt.
Auf dieses Buch war ich sehr gespannt! Es gibt ja schon eine rege Diskussion darüber. „Heimat ist Albtraum“ ist ein Buch dem man Gutes aber auch Schlechtes abgewinnen kann. Im Buch sind zahlreiche interessante Geschichten versammelt, die zeigen, was Menschen mit Migrationshintergrund immer wieder in Deutschland erfahren. Sehr traurig. Aber doch sind darin auch Geschichten versammelt, die schon sehr reißerisch sind. Die Deutschen sind die bösen, so kann man das grob zusammenfassen. Doch da bleibt immer die Frage, will man auch ein volles Mitglied der deutschen Gesellschaft werden oder nur immer am Rand stehen? Man muss wollen, man muss sich weiterbilden, beruflich wie privat, man muss aufeinander zugehen und nicht bei seinesgleichen bleiben.
Ullstein, 198 Seiten; 20,00 Euro
Sheila Heti
Mutterschaft
Was wird gewonnen und was geht verloren, wenn eine Frau sich entschließt, ein Kind zu bekommen? In ihren späten Dreißigern, als die Freundinnen sich fragen, wann sie endlich Mutter werden, fragt Sheila Heti sich, ob sie es überhaupt werden will. In einer mehrere Jahre umspannenden Selbsterkundung, mal hierhin, mal dorthin gezogen von ihren Mitmenschen, ihrem Partner und den Verpflichtungen gegenüber ihren jüdischen Vorfahren, versucht sie eine weise und moralische Entscheidung zu treffen. Nachdem Philosophie, ihr Körper, die Mystik und der Zufall nicht geholfen haben, findet sie die Antwort viel näher bei sich.
Einer der Fragen des Lebens oder doch die Frage des Lebens? Die Mutterschaft. Damit setzte sich die erfolgreiche kanadische Autorin Sheila Heti auseinander. Ihr Buch „Mutterschaft“ ist ein ganz besonderer Beitrag zum Thema, über das immer mehr Frauen offene und ehrliche Bücher schreiben. Echte Geschichten oder Romane. Will ich Kinder oder will ich sie doch lieber nicht? Frauen setzen sich damit nun auch literarisch auseinander. Endlich, will man sagen. In unserer Gesellschaft gilt das ja in großen Teilen immer noch als verpönt. Eine Frau sollte Kinder bekommen, Punkt. Nein, eben nicht, wenn sie ihr Leben anders gestalten will. Aber geht dann nicht etwas ab im Leben? Diese Fragen stellen sich viele kinderlose Frauen trotzdem. Mich hat dieses Buch sehr bewegt, zum nachdenken angeregt und mitgenommen auf eine Reise in der die Beziehung zwischen Frau und Mann, die Liebe, der Wunsch nach dem für sich perfekten Leben prägend sind. Die Autorin stellt sich weitere Sinnfrage des Lebens. Sie lässt ihr Leben, Familie, Beziehung, Freunde, Beruf und noch einiges andere Revue passieren, sie reflektiert sich, sie will sich selbst genau kennen, um dann eine Entscheidung zu treffen.
Rowohlt, 316 Seiten; 22,00 Euro
Prof. Dr. Achim Gruber
Das Kuscheltierdrama
In fast jedem zweiten deutschen Haushalt leben Haustiere. Wir lieben unsere Hunde, Katzen, Kaninchen, Vögel, Fische, Pferde und Exoten, wir verwöhnen sie, und sie werden Freunde und Lebensbegleiter. Doch die zunehmende Nähe birgt auch Gefahren für beide, Haustier und Mensch. Der Tier-Pathologe und -Forensiker Prof. Dr. Achim Gruber erzählt erstmals über seine Erfahrungen bei der Obduktion am Seziertisch. Er klärt auf, gibt Tipps zur Vermeidung von Fehlern und kritisiert leidvolle Trends in unserer Haustier-Haltung.
Der Buchtitel und das Cover täuschen etwas. Es geht in diesem Buch nicht nur um Katzen und Hunde bzw. um Kuscheltiere. Und ein Pathologe und Forensiker schreibt über das Wohl unserer Haustiere, da war ich doch schon sehr gespannt. So ganz konnte mich das Buch nicht überzeugen, da die Themen manchmal öfter sehr trocken erzählt werden. Natürlich kann auch ich die Züchter nicht verstehen, die mit ihren Extremzuchten, z. B. bei Hunden, nicht das Tierwohl im Blick haben. Das ist nur ein Themenbereich des Buches, das vier Hauptthemen enthält: „Auf der Fährte des Tierpathologen“, „Angeklagt“, „Angesteckt“ und „Reinrassige Irrwege“. „Das Kuscheltierdrama“ ist ein informatives und aufklärendes Buch, das jeder Haustierhalter gelesen haben sollte!
Droemer, 301 Seiten; 19,99 Euro
Veikko Bartel
Mörder
Wer in gut 40 Tötungsfällen vor Gericht verteidigt hat, weiß, was Männer dazu bringt, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen. In diesem Buch zeigt Strafverteidiger Veikko Bartel die männliche Seite des Tötens und schildert die sechs spektakulärsten Fälle. Er erzählt von den Hintergründen, den seelischen Untiefen und den biographischen Tragödien, die sich hinter den Taten verbergen.
Der Ex-Strafverteidiger Veikko Bartel lässt nach seinem viel beachteten Erstling „Mörderinnen“ nun sein zweites Buch „Mörder“ folgen. Nachdem er zuerst Frauen morden lies, sind es nun die Männer. Spannend und abgründig! Und wieder sind es Fälle aus seiner beruflichen Vergangenheit, in der er wahrlich spektakuläre Fälle vor Gericht vertreten hat. Folgende Fälle sind enthalten: „Der betrogene Finanzbeamte“, „Der Drücker“, „Thailand, mon amour“, „Das Genie“, „Der Scharfschütze der Fremdenlegion“ und „Der Serienvergewaltiger, der Tod von Frau Meyer und das Gewissen eines Verteidigers“.
Mosaik, 252 Seiten; 18,00 Euro
Hörbuch der Woche
Jürgen Todenhöfer
Die große Heuchelei
Die Außenpolitik des Westens beruht auf einer zentralen Lüge: Seine oft terroristischen Militärinterventionen dienen nie der Freiheit und Demokratie, sondern stets ökonomischen und geostrategischen Interessen. Unter Lebensgefahr recherchierte Jürgen Todenhöfer dies zusammen mit seinem Sohn Frederic in den gefährlichsten Krisengebieten der Welt. Sein Fazit: Der Westen muss die Menschenrechte vorleben, statt sie nur vorzuheucheln. Und seine Medien müssen damit aufhören, diese Heuchelei zu decken. Der Westen wird sonst alle Katastrophen der Vergangenheit erneut erleben. Er muss andere Völker und Kulturen so behandeln, wie er selbst behandelt werden will. Nur dann hat er eine Zukunft.
Jürgen Todenhöfer führt den Westen mit seinem Buch „Die große Heuchelei“ vor. Er zeigt auf, das Politiker, vor allem wenn es nicht um das eigene Land geht, sehr viele Lügen oder nur Halbwahrheiten erzählen. Um das eigene Volk zu beruhigen, aber auch die Bevölkerung des Landes, das angegriffen wird. Was man in diesem Buch erfährt, hat man so, als normaler Nachrichtenseher- oder leser, noch nicht gehört oder gelesen. Insiderwissen, dass erschreckend ist! Welche Gräueltaten nicht nur Terroristen, sondern auch vor allem die USA an der Menschheit begehen, ist beispiellos. Man erfährt viel über die Kriege in Syrien, dem Irak, Afghanistan, dem Jemen, das Jürgen Todenhöfers Traumland ist, über das was die USA, aber auch Europa falsch machen bzw. richtig machen könnten. Das Gelesene wird einem noch lange in Erinnerung bleiben! Ein so beunruhigendes Buch braucht einen passenden Sprecher. Hörbuch Hamburg hat ihn in Frank Arnold gefunden. Er liest ruhig und sachlich und verleiht Jürgen Todenhöfers Berichten den richtigen Ton. Hörprobe 6:33 Min.
Auch als Hardcover erhältlich bei Propyläen, 19,99 Euro.
Hörbuch Hamburg, 2 MP3 CDs, 625 Minuten; 20,00 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 27.05.2019 – Nr.562
Jessica Bruder
Nomaden der Arbeit
Zehntausende Menschen in Amerika sind unterwegs. Sie leben in Wohnmobilen, Vans, Anhängern. Übernachten auf Supermarkt-Parkplätzen, neben den Highways, in der Wüste. Sie schaufeln Zuckerrüben in North Dakota, reinigen Toiletten in den Nationalparks von Kalifornien, arbeiten Zwölf-Stunden-Schichten im Amazon-Versandzentrum im winterlichen Texas. Und sie haben eines gemeinsam: Sie sind alt. Der American Dream hat für sie Bingo-Spielen und Gartenpflege vorgesehen. Doch im 21. Jahrhundert, erschüttert von der Finanzkrise der Zehnerjahre, ist der Boden für den sprichwörtlich wohlverdienten Ruhestand weggebrochen. Deshalb ziehen sie als Nomaden der Arbeit von einem saisonalen Tageslohnjob zum nächsten.
Die Journalistin Jessica Bruder wollte nur einen Artikel schreiben über die „Nomaden der Arbeit“, doch es gab viel, viel mehr Geschichten zu erzählen, als sie gedacht hatte. Drei Jahre begleitete sie diese Menschen. „Nomaden der Arbeit“ zeigt eines der großen sozialpolitischen Probleme der USA, das keinen Präsidenten so richtig zu interessieren scheint. Die großen Probleme der „kleinen“ Leute. Die unterschiedlichen Geschichten der Menschen, die sich doch oftmals gleichen, die Jessica Bruder in diesem Buch gesammelt hat, sind mit einer gewissen Traurigkeit behaftet, aber sie sind spannend erzählt. Amerikas Wanderarbeiter hatten meist eine gesicherte Existenz und eine anstehende Rente, bis nach und nach, vor allem durch den Börsencrash 2008, der soziale Abstieg begann. Kein festes, Zuhause, kein fester Job, harte Arbeit, immer unterwegs. Und sehr oft sind es ältere Menschen, die von der wenigen Sozialhilfe nicht leben können, die ihnen der Staat zahlt. Authentisch und erschütternd – der Abgesang auf den American Dream!
Blessing, 383 Seiten; 22,00 Euro
Laura Karasek
Ja, die sind echt
Wie du’s machst, machst du’s falsch. Zumindest als Frau in einer Männerwelt. Zwischen Whisky und Lippenstift, Helikoptermami und Rabenmutti, zwischen Opernball und Arschgeweih. Bergsteigen in Pumps ist nicht einfach. Die Autorin ist dennoch losgelaufen und beantwortet Fragen: Wie sexy ist noch seriös? Wann bemerkt eigentlich mein Chef, dass ich eine Mogelpackung bin? Muss ich mein Kind beim Algebra-Wettbewerb anmelden? Darf ich laszive Selfies verschicken? Wohin fliehe ich bei einem miesen Date? Fragen, die noch keine Generation Frauen zuvor beantworten musste.
Laura Karasek hat Jura studiert und als Rechtsanwältin gearbeitet, sie hat einen berühmten Vater, Kritiker-Legende Helmuth Karasek, sie sieht sehr gut aus und konnte mir ihrem Debütroman „Verspielte Jahre“ einen Bestseller landen. Eine beeindruckende Frau! Nun ist ihr Buch „Ja, die sind echt“ erschienen, in dem ihre Kolumnen zusammengefasst sind. Laura Karasek hat noch etwas, sie hat Humor. Aber der blinzt nur hin und wieder richtig durch, oft wirken ihre Texte eher selbstverliebt mit dem Hang zur Langeweile. Es muss aber auch herausgestellt werden, dass richtig gute Texte dabei sind, aber als Ganzes überzeugt „Ja, die sind echt“ nicht.
Eichborn, 253 Seiten; 12,00 Euro
Michio Kaku
Abschied von der Erde
Es wird Zeit, sagt Michio Kaku, die nächste Zivilisationsstufe zu erklimmen und den Aufbruch ins Weltall voranzubringen: Weltraum-Archen zu planen und zu bauen. In diesem Buch erklärt der weltberühmte Physiker, wie und wann das gehen könnte: natürlich unter Einhaltung der herrschenden physikalischen Gesetze. Die ersten Schritte führen zum Mars. Um das Jahr 2030 will die NASA eine bemannte Mission zum Roten Planeten schicken, in den nächsten Jahren schon mit der Erkundung des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter anfangen. Diese Himmelskörper geologisch auszubeuten, könnte die nächsten Schritte finanzieren: Terraforming mit technischen Mitteln wie Quantencomputer, superharte „Nano-Werkstoffe“ und sich selbst reproduzierenden Schürf- und Arbeitsroboter. Bereits um das Jahr 2050, schätzt Kaku, könnten Mittel und Technik ausreichen, um schon einmal einen ständigen Außenposten auf dem Mars zu errichten.
Die Erde, so wie wir sie kennen, wird vernichtet werden. Ob das passiert, ist nicht die Frage, sondern nur wann. Der berühmte Physiker Michio Kakuk, in den USA ein großer Medienstar, zeigt in „Abschied von der Erde“ wie unsere Spezies überleben kann, bevor es zu spät ist. Er beginnt seine Reise mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, wo der Grundstein gelegt wurde, eine erste Rakete wurde von einem einsamen Visionär gebaut. Raketen wurden weiter entwickelt bis zum Apollo-Programm und der ersten Mondlandung. Das alles war aber nur der Anfang, von etwas viel Größerem. Michio Kaku erzählt lebendig, erklärend und verständlich. Mit ihm kann man das Abenteuer wagen, sich auf eine Reise in die Zukunft zu begeben, um zu erfahren, was alles Unmögliche irgendwann möglich sein wird. „Abschied von der Erde“ ist ein super spannendes und super lehrreiches Buch!
Rowohlt, 478 Seiten; 25,00 Euro
Theo Waigel
Ehrlichkeit ist eine Währung
Als Politiker kämpfte Theo Waigel entschlossen, aber stets fair. Der Grundsatz, Freund und Feind gegenüber ehrlich zu sein, durchzieht wie ein roter Faden sein Leben. Bis in die Kindheit reicht dieser Anspruch zurück – „heuchlerisch“ nennt Waigel heute das Klima der Fünfzigerjahre, in dem die NS-Verbrechen verschwiegen und verdrängt wurden. Er erinnert sich an Weggefährten wie Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und Franz Josef Strauß, erzählt von 1989/90 und den entscheidenden Gesprächen mit Gorbatschow, Mitterrand und Bush, die zur deutschen Einheit führten.
Aus meiner Jugendzeit blieb mir neben Helmut Kohl ein Politiker besonders im Gedächtnis: Theo Waigel. Daher war ich sehr gespannt auf seine Autobiographie und was er alles über sich, die Politik und das Erlebte in historisch so entscheidenden Zeiten zu erzählen hat. Und er hat mich nicht enttäuscht. Theo Waigel erzählt in seiner Autobiographie spannende Politik- und Lebensgeschichten, die mir lange in Erinnerung bleiben werden! Die Hauptthemen sind: „Bayern“, „Deutschland“, „Europa und die Welt“ und „Unvergessliche Begegnungen.“
Econ, 344 Seiten; 24,00 Euro
Juan S. Guse
Miami Punk
Der Atlantik hat sich über Nacht von der Küste Floridas zurückgezogen und eine Wüste hinterlassen. Kreuzfahrtschiffe rosten im Sand vor Miami, die Hotels bleiben leer, der Hafenbetrieb ist eingestellt und selbst die Dauerwerbesendungsindustrie liegt am Boden. Mittendrin eine überambitionierte Indie-Game-Programmiererin, eine strauchelnde Arbeiterfamilie, eine junge Soziologin und ein E-Sport-Team aus Wuppertal.
Ein bunter, herber und skurriler Gesellschaftsroman, der wie ein Tornado über einem hinwegfegt! Juan S. Guse hat sich mit „Miami Punk“ literarisch etwas getraut und rockt nun Seite für Seite. Ein Roman über unsere Gegenwart, unsere Zukunft, über die Arbeit, das Leben miteinander und zugleich ein Abschied auf das Leben, das wir bisher kannten.
S. Fischer, 637 Seiten; 26,00 Euro
Hörbuch der Woche
Romy Hausmann
Liebes Kind
Eine fensterlose Hütte im Wald. Lenas Leben und das ihrer zwei Kinder folgt strengen Regeln: Mahlzeiten, Toilettengänge, Lernzeiten werden minutiös eingehalten. Sauerstoff bekommen sie über einen „Zirkulationsapparat“. Der Vater versorgt seine Familie mit Lebensmitteln, er beschützt sie vor den Gefahren der Welt da draußen, er kümmert sich darum, dass seine Kinder immer eine Mutter haben. Doch eines Tages gelingt ihnen die Flucht – und der Albtraum geht in die Verlängerung.
„Dieser Thriller beginnt, wo andere enden“. So wird das Buch beworben, und genau so ist es. Das psychologische Aufarbeiten des Erlebten, bei praktisch allen Figuren, das ist das zentrale Thema von „Liebes Kind“. Romy Hausmann beweist dabei nicht nur viel Einfühlungsvermögen für ihr entworfenes Personal, sondern weiß auch die Thrillerstellschrauben richtig anzuziehen. Die Geschichte überrascht immer wieder aufs Neue. Einer der besten Psychothriller des Jahres! Und das von einer deutschen Autorin, die dazu mit „Liebes Kind“ auch noch ihr Debüt abliefert. Herausragend! Ein Psychothriller, der einen durchrüttelt, denn das Kopfkino läuft in Dauerschleife ab. Und auch das Hörbuch hat es in sich. „Liebes Kind“ gehört zu den besten Psychothriller-Hörbuchproduktionen des Jahres! Das liegt nicht nur am Stoff, sondern vor allem auch an dem hervorragenden Sprecherensemble. Die 25-jährige Leonie Landa fällt dabei besonders auf. Denn sie spricht die 13-jährige Hanna wie eben eine 13-jährige mit diesen Erlebnissen spricht. Das verursacht Gänsehaut pur, sobald man ihre Stimme hört. Aber auch Heikko Deutschmann und Ulrike C. Tscharre gehen in ihren Rollen voll auf. Das „Liebes Kind“-Hörbuch ist großes Schauspiel und keine gewöhnliche Lesung! Hörprobe 7:07 Min.
Auch als Paperback erhältlich bei dtv, 15,90 Euro.
Hörbuch Hamburg, 2 MP3 CDs, 648 Minuten; 20,00 Euro
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