BuchKolumne 25.07.2022 Nr. 727
Lucinda Riley – Die Toten von Fleat House
Stephanie Wrobel – Willkommen in Wisewood
Henri Faber – Kaltherz
Thomas Finn – Whispering Fields – Blutige Ernte
Matthew B. Crawford – Philosophie des Fahrens
Lucinda Riley – Die Toten von Fleat House
St Stephen’s, ein kleines Internat im idyllischen Norfolk. Eines Tages kommt der 18-jährige Charlie Cavendish in Fleat House, einem der Wohnheime der traditionsreichen Schule, unter mysteriösen Umständen ums Leben. Der Direktor beeilt sich zu erklären, dass es sich um einen tragischen Unfall handelt, aber die Polizei beginnt unter der Leitung von Detective Inspector Jazz Hunter zu ermitteln. Sie versucht, in den verschlossenen Kosmos des Internats vorzudringen, und findet bald heraus, dass Charlie ein machthungriger junger Mann gewesen ist, der seine Mitschüler gequält hat. War sein Tod ein Racheakt? Jazz taucht tief ein in ein Netz von Beziehungen, emotionalen Abhängigkeiten und offenen Rechnungen – und sie erkennt, dass sie weit in die Vergangenheit zurückgehen muss, wenn sie das Rätsel von Fleat House enthüllen will …
Seit Juni 2021 vergeht keine Woche, in der ich nicht mehrmals an Lucinda Riley denke. Im Juni 2021 ist die so grandiose Autorin viel zu früh an ihrer Krebserkrankung gestorben. Sie hätte der Welt noch so viele tolle Bücher schenken können und wollen, doch es kam leider anders. Eines dieser Bücher ist ihr neues, das eigentlich ein ganz altes ist, „Die Toten von Fleat House“. Von ihr geschrieben im Jahr 2006 und der einzige Kriminalroman aus der Feder von Lucinda Riley. Was sehr schade ist, denn auch hierfür hätte sie Talent im Überfluss. Aber kein Wunder, denn wenn man ihre anderen Romane gelesen hat, weiß man, dass sie ganz genau wusste, wie man äußerst spannende und emotionale Romane schreibt. All das findet sich nun also auch in diesem Frühwerk der Autorin wieder. „Die Toten von Fleat House“ führen einen immer wieder hinters Licht, zahlreiche Fährten werden gelegt und man ist bis zum überraschenden Ende auf jede Seite gespannt! Im Vorwort erzählt ihr Sohn Harry Whittaker das DI Jazz Hunter das Potenzial für eine eigene Reihe gehabt hätte. Wie recht ich ihm geben muss. Jazz Hunter hätte so viel mehr Bücher verdient. „Vielleicht in einem anderen Leben“. Die letzten Worte von Harry Whittaker im Vorwort, die bei mir wieder haben Tränen fließen lassen. Lucinda Riley, Sie werden so unglaublich vermisst!
Goldmann, 499 Seiten; 22,00 Euro
Stephanie Wrobel – Willkommen in Wisewood
Natalie Collins hat seit Monaten nichts von ihrer Schwester Kit gehört. Nach dem Krebstod der Mutter hatte Kit sich immer mehr in ihrer Trauer vergraben, bis sie schließlich auf das Angebot von Wisewood stieß: ein Retreat in einer Gemeinschaft, die einem helfen soll, alle Ängste abzuwerfen und zukünftig ein freies Leben zu führen. Seit einem halben Jahr ist Kit dort. Nun erhält Natalie eine Mail aus Wisewood: Wir wissen, was du getan hast. Möchtest du es deiner Schwester selbst sagen oder sollen wir das übernehmen? Natalie reist auf die abgelegene Insel vor der Ostküste, um ihre Schwester nach Hause zu holen. Dort angekommen, muss auch sie sich den strengen Regeln der Einrichtung unterwerfen: kein Handy, keine Berührungen, keine Spiegel, kein Make-up, keine Privatsphäre. Doch Kit ist nirgends zu finden. Und schnell stellt Natalie fest: Wer einmal in Wisewood ist, kommt nicht mehr so leicht weg.
Der italienische Bestseller-Autor Marco Malvaldi stand mit Die in Großbritannien lebende Amerikanerin Stephanie Wrobel konnte gleich mit ihrem ersten Thriller „Darling Rose Gold“ einen Bestseller in ihrer Wahlheimat landen. Nun legt sie mit „Willkommen in Wisewood“ ihren zweiten Thriller vor. „Darling Rose Gold“ konnte mich trotz einiger Längen dann doch noch spannend unterhalten. Bei Stephanie Wrobels neuem Thriller sieht es da etwas anders aus. Die Story, die wieder in unterschiedlichen Erzählsträngen erzählt wird, baut nach und nach Spannung auf. Doch ist die Story, die sich eigentlich auch ziemlich spannend anhört, aber mit einer Unmenge Füllstoff bestückt, der unendlich langweilig ist. Dieser Füllstoff saugt das Spannungspotenzial auf wie ein Schwamm. Das Leben in der „Gemeinschaft“ schildert die Autorin ansprechend, aber vergebens sucht man den Thriller, der auf dem Cover steht. Die Figuren sind in Teilen gut ausgearbeitet, aber auch hier nützt das wenig, wenn die große Spannung in Wisewood verlorengegangen ist. Wisewood bietet tatsächlich einige Überraschungen, aber nicht die, die man als LeserIn gerne haben möchte.
List, 438 Seiten; 16,99 Euro
Henri Faber – Kaltherz
Acht Minuten. Länger war die fünfjährige Marie nicht alleine. Doch als ihre Mutter zum Auto zurückkommt, ist Marie spurlos verschwunden. Kommissarin Kim Lansky übernimmt den Fall. Es ist ihre letzte Chance, sich als Ermittlerin zu beweisen. Die Suche nach der Wahrheit führt sie in die dunkelsten Kapitel ihrer eigenen Vergangenheit – und zu einer erschreckenden Frage: Warum bleiben gerade in München so viele Kinder verschwunden?
„Ein Pageturner, wie man sich ihn wünscht!“ Das schrieb ich über Henri Fabers Debütthriller „Ausweglos“. Und das trifft auch auf seinen zweiten Thriller „Kaltherz“ zu. Tempo! Tempo! Tempo! Das ist Henri Fabers Maxime. Er gibt alles dafür, das seine LeserInnen gut unterhalten werden und dabei keine Sekunde Langeweile verspüren. „Kaltherz“ überzeugt mit einer kniffligen Story, die aus der Sicht von den unterschiedlichen Hauptcharakteren dargestellt wird. Für die LeserInnen ist das ungemein spannend, wenn man es richtig macht. Und Henri Faber hat bei „Kaltherz“ wieder vieles richtig gemacht. Sebastian Fitzek aufgepasst, Henri Faber kommt! Henri Faber, einer DER neuen Stars am Thriller-Himmel!
dtv, 412 Seiten; 16,95 Euro
Eisiges Grauen mischt sich mit der drückenden Hitze der sommerlichen Lausitz: In der Nähe rätselhafter Kornkreise werden kopflose Leichen entdeckt – und Menschen verschwinden ohne jede Spur. Die Polizei richtet eine SOKO um die Kommissarin Sarah Richter und den sorbischen Kommissar Antonin Schultkas ein, doch auf die will sich der Teenager Tim Opitz nicht verlassen und macht sich mit drei Freunden selbst auf die Suche nach seinem vermissten Zwillingsbruder. Hinweis um Hinweis gelangen beide Gruppen auf die Spur einer uralten, hungrigen Macht, die sich um eine verlassene Mühle und ein eigentümliches sorbisches Dorf manifestiert.
Thomas Finn ist in Deutschland mit seinen Horror-Thrillern ein echter Hingucker! Zuvor lernte er die LeserInnen mit „Bermuda“ das Fürchten. Mich konnte er damit nur teilweise überzeugen, aber es hat mich dazu gebracht, Thomas Finn auf jeden Fall weiter im Blick zu behalten. Nun legt er nach. Und besser als zuvor. „Whispering Fields – Blutige Ernte“ heißt der neue kleine Geniestreich von Thomas Finn. Ein Horror-Thriller, der einen keine Atempause gönnt, einen schauern und gruseln lässt und bis zum Schluss spannend unterhält!
Knaur, 479 Seiten; 14,99 Euro
Matthew B. Crawford – Philosophie des Fahrens
Wenn wir Auto fahren, verheißt die Straße Autonomie, Abenteuer, aber auch Vertrauen auf andere. Doch Technologiegiganten arbeiten an einer Zukunft des „autonomen Fahrens“. Der Autor bezweifelt, dass uns das gut tun würde, und zeigt, worum es beim Fahren wirklich geht. Denn es macht einen entscheidenden Unterschied, selbst am Steuer seines Autos zu sitzen und damit wenigstens einen Bereich seines Lebens zu kontrollieren, statt nur passiver Passagier zu sein. Der Fahrersitz ist einer der wenigen verbliebenen Orte, wo manuelle Geschicklichkeit, der Drang nach Erkundung und das Gefühl von Freiheit eine reale Rolle spielen. Das eigenständige Fahren ist das letzte Refugium der Selbstbestimmung gegenüber der Gängelung und Nivellierung durch wuchernde Bürokratie, Regelungswut und Überwachungskapitalismus.
Deutschland, das Land der Autofahrer! Deutschland, das Land mit den besten Auto-Entwicklern! Deutschland und das Auto, eine Liebe. Nun greift der amerikanische Philosoph Matthew B. Crawford dieses Thema auf: ein Auto selbst zu fahren hat etwas mit Demokratie zu tun. Das wäre nun nicht mein erster Gedankenansatz gewesen, aber es stimmt durchaus. Das Lenkrad, das Schalten, das Gas geben und Bremsen, alles lange eingeübt und selbstverständlich. Handlungen, die die AutofahrerInnen lieben. Die meisten zumindest. Aber das alles wird nach und nach abgeschafft. Bald sollen wir nur noch im Auto sitzen und glücklich sein, weil das Auto alles selbst macht. Die einen finden das super, die anderen so gar nicht. Das man darüber ausführlich philosophieren kann, das zeigt dieses Buch. „Philosophie des Fahrens“ wird auch Sie auf die philosophische Überholspur bringen!
Ullstein, 467 Seiten; 26,99 Euro