BuchKolumne 14.03.2022 Nr. 708
Lesley Kara – Die Lügen
Andreas Götz – Die Zeit der Jäger
Andreas Brandhorst – Das Bitcoin-Komplott
Thomas Kaufmann – Die Druckmacher
Paul Betts – Ruin und Erneuerung
Lesley Kara – Die Lügen
Sie waren unzertrennliche Freundinnen, Lizzie und Alice. Dann: die Tragödie bei einem Spaziergang auf den Gleisen. Doch bis heute hat Lizzie keinerlei Erinnerung an das Zugunglück, bei dem Alice mit 13 ums Leben kam. Sie ist nicht einmal sicher, ob es wirklich ein Unglück war – oder ob sie selbst schuld am Tod ihrer Freundin ist. Die Ungewissheit belastet sie auch als Erwachsene noch zutiefst. Aber jetzt endlich scheint es möglich, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Da bekommt sie plötzlich unheimliche Nachrichten und Drohungen von jemandem, der zu wissen scheint, was damals wirklich passiert ist.
Der vielseitigen Britin Lesley Kara ist mit ihrem Debütroman „Das Gerücht“ auf Anhieb ein internationaler Bestseller gelungen. Nun legt sie mit „Die Lügen“ nach. Kann Lesley Kara aus der doch eher einfach klingenden Story einen spannenden Roman über 330 Seiten hinweg machen?, fragte ich mich. Ja, kann sie! Sie erzählt in zwei Strängen, blickt immer wieder zurück ins Jahr 2007, als Lizzie noch ein Teenager war. Im Jahr 2019 erzählt sie von Lizzies neuen Leben an der Seite ihres Partners und Arztes Ross, und wie mit mysteriösen Nachrichten nach und nach die Geschichte ihren Lauf nimmt. Einen ganz anderen, wie man ihn vielleicht vermuten würde. „Die Lügen“ ist voller falscher Fährten und überraschender Momente! Lesley Kara verwirrt einen so lange, bis einem ganz schummrig wird. Ungelogen, „Die Lügen“ versprechen Ihnen in Wahrheit einen Spannungsroman, der der Langeweile Lügen straft.
dtv, 335 Seiten; 15,00 Euro
Andreas Götz – Die Zeit der Jäger
Im Frühjahr 1958 sortiert Journalist Karl Wieners nach einem Herzinfarkt sein Leben neu. Dabei wird ihm eines immer klarer: Er kann nicht ohne Magda sein, die von ihrem Mann, dem Bauunternehmer Blohm, drei Jahre zuvor nach Amerika verbannt wurde. Karl weiß, dass er an Blohm nicht vorbeikommt. Und entschließt sich, bis zum Äußersten zu gehen. Als Blohm drei Monate später aus seiner Villa verschwindet, nimmt Oberkommissar Ludwig Gruber die Ermittlungen auf. Eine erste Spur führt ihn zu Nakam, einer Gruppe jüdischer Rächer. Und ein Tipp zu seinem Jugendfreund Karl Wieners. Ist Karl wirklich in die Sache verwickelt? Und wenn ja, wie weit ist Ludwig bereit zu gehen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen?
Nach „Die im Dunkeln sieht man nicht“ und „Die Nachtigall singt nicht mehr“ ist „Die Zeit der Jäger“ der Abschlussband der 1950er-Jahre-Trilogie um den Journalisten Karl Wieners, seine Nichte Magda und Oberkommissar Ludwig Gruber. Andreas Götz fängt die Stimmung der 1950er Jahre sehr gut ein! Das hat mir an allen drei Büchern gefallen. Doch wo es bei allen drei Büchern hakt, ist die Spannung. Da bekommt Andreas Götz einfach nicht Kurve. Langeweile macht sich breit. Wenn ich da die letzten Bände der Max-Heller-Krimi-Reihe von Frank Goldammer als Vergleich heranziehe, die auch im Nachkriegsdeutschland der 1950er Jahre spielen, da kommt Andreas Götz mit seinen Büchern an diese nicht heran. Die Max-Heller-Krimis sind sehr spannend und fangen die Zeit prächtig ein. Auch sind dort die Charaktere besser und eingehender dargestellt. Das komplette Paket fehlt bei Andreas Götz‘ Trilogie.
Scherz, 428 Seiten; 16,99 Euro
Andreas Brandhorst – Das Bitcoin-Komplott
Die Weltwirtschaft schlittert in die Krise. Eine Gruppe Investoren rund um den Finanzmagnaten Francis Forsythe attackiert die angeschlagenen Notenbanken, um Bitcoin als neue Leitwährung durchzusetzen. Doch die alten Mächte wehren sich mit allen Mitteln. Der Schlüssel zu Erfolg und Misserfolg liegt in der Geschichte und hat mit Satoshi Nakamoto zu tun, dem Erfinder der Digitalwährung, dessen Identität noch immer ein Geheimnis ist. Als Martin Freeman, Journalist und Buchautor, ihm durch einen Zufall auf die Spur kommt, gerät er in größte Gefahr.
Der Bitcoin als Vorlage für einen Wirtschafts-Thriller mit Untergangsszenariopotenzial, Andreas Brandhorst liefert genau das mit „Das Bitcoin-Komplott“. Bestseller-Autor Andreas Brandhorst zeigt auf, wie eine gewisse Wirtschaftselite die Weltwirtschaft ins Wanken bringen bzw. wie sie von einem Untergangsszenario profitieren kann. Andreas Brandhorst lässt einen in wirtschaftliche Zusammenhänge auf den Finanzmärkten blicken und erklärt die Bitcoin-Welt. Das alles setzt eine gute Recherche voraus, und die ist in diesem Buch zu finden. „Das Bitcoin-Komplott ist ein politischer Wirtschafts-Thriller mit Lernpotenzial!
Fischer, 603 Seiten; 17,00 Euro
Die ersten Autos waren motorisierte Kutschen, der Computer diente als Schreibmaschine, und gedruckte Bücher setzten die handgeschriebenen fort: Innovationen werden zunächst in den gewohnten Bahnen genutzt, bevor eine zweite Generation die neuen Möglichkeiten ausschöpft. Dieses Buch beschreibt, wie um 1500 eine junge Generation die Drucktechnik nutzte, um gegen die „Türkengefahr“ zu mobilisieren, Ablassbriefe zu vertreiben und für eine „Reformation“ der Kirche zu kämpfen. Drucker wie Aldus Manutius, Graphiker wie Albrecht Dürer, Humanisten wie Erasmus von Rotterdam und Johannes Reuchlin oder Theologen wie Martin Luther und Ulrich Zwingli vermarkteten sich auf Flugschriften und in Traktaten selbst und machten Druck: Gegner wurden in wachsenden Echoräumen diffamiert, Ereignisse zu Sensationen gemacht, um eine sich zerstreuende Aufmerksamkeit zu fesseln. Die Reformation war nur ein Teil dieses viel breiteren kulturellen Umbruchs. Schließlich veränderte die neue Technik die Art des Forschens und mit Enzyklopädien oder druckgraphischen Werken die Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen.
Wer sich für die Geschichte und die Macht des gedruckten Wortes interessiert, für den ist „Die Druckmacher“ genau das richtige Werk! Hier kann man eintauchen wie es richtig losging „Von Lettern, Setzkästen, Druckpressen und Schrifttypen“ bis zu „Quergedachtes, Utopisches und Subversives“. Es hieß: „Was gedruckt war, blieb in der Welt“. Damals wie heute. Die Hauptthemen sind: „Die erste Medienrevolution“, „Männer des Buches“, „Publizistische Explosionen“ und „Eine veränderte Welt“. Ein Buch, das überrascht und zum Erforschen einlädt!
C. H. Beck, 350 Seiten; 28,00 Euro
Paul Betts – Ruin und Erneuerung
1945 liegt Europa in Trümmern. Städte und Gemeinden sind durch Krieg zerstört, die Wirtschaft am Boden. Das von den Nationalsozialisten industrialisierte Morden hat ethische Werte ebenso pervertiert wie Religion, Kultur und Wissenschaft. Wie ist es gelungen, dem zerrütteten Kontinent wieder Frieden, Wohlstand und Fortschritt zu bringen?
Auf der Grundlage von Originalquellen und Zeitzeugenberichten geht dieses Buch der Wiedergeburt Europas nach, und zeigt, welch große Errungenschaft wir heute wieder verlieren könnten. Nie war genau das aktueller als heute, wo Russland die Ukraine überfällt, mit Bomben ein Land zerstört und Völkermord begeht. „Ruin und Erneuerung“ ist ein Buch, das man in diesen Zeiten ganz genau lesen muss, denn der Krieg, Zerstörung und der erneute Ruin sind so nah wie nie seit 1945. Die Hauptthemen sind: „Die Erneuerung der Alten Welt“, „Spenden statt Waffen“, „Bestrafung und Erbarmen“, „Glauben und Grenzen“, „Wissenschaft, Zuflucht und Höflichkeit“, „Die Restauration der Imperien“, „Entkolonialisierung und afrikanische Zivilisation“, „Weltzivilisation“, „Die Zivilisierungsmission des Sozialismus in Afrika“ und „Religion, Rasse und Multikulturalismus“.
Propyläen, 624 Seiten; 39,00 Euro