BuchKolumne 18.10.2021 Nr. 687
Rita Falk – Rehragout-Rendezvous
Hendrik Esch – Giftrausch
Fredrik Backman – Eine ganz dumme Idee
Iny Lorentz – Die Wanderhure und der orientalische Arzt
Dirk Bernemann – Schützenfest
Rita Falk – Rehragout-Rendezvous
„Was gibt’s zum Essen?“ „Nix. Die Oma kocht nicht mehr.“ Zefix! Was ist denn in die Eberhofer-Weiber gefahren? Die Oma beschließt nach gefühlten 2.000 Kuchen und noch mehr Schweinsbraten, Semmelknödeln und Kraut, sich der häuslichen Pflichten zu entledigen − und fortan zu chillen. Ausgerechnet an Weihnachten! Und seit die Susi ihre Karriere als stellvertretende Bürgermeisterin verfolgt, fühlt sich der Sex mit ihr im schicken Neubau für den Franz an, als hätten sie ihn gratis zu den Esszimmermöbeln dazu bekommen. Zu allem Übel wird dann auch noch der Steckenbiller Lenz vermisst. Der Franz soll gefälligst eine Vermisstenanzeige aufgeben, die Mooshammer Liesl befürchtet das Schlimmste. Nur: Eine Leiche ist weit und breit nicht in Sicht. Damit steht der Eberhofer vor einer schier unlösbaren Aufgabe.
Alleine schon wegen der sehr kreativen Titel jedes neuen Eberhofer-Falls sind die Bücher von Rita Falk echte Schmankerl! „Rehragout-Rendezvous“ ist mittlerweile bereits der 11. Fall für den Eberhofer. Rita Falk zieht alle vier Asse: Komik! Komik! Komik! Und saumäßige Spannung! Eberhofer lässt es wieder krachen, da bleibt kein Auge trocken. Im Mittelpunkt stehen der Eberhofer und seine Familie und seine Susi, die Ersatz-Bürgermeisterin spielen darf. Der Fall rückt dabei etwas in den Hintergrund, aber sind wir mal ehrlich, wir wollen ja Eberhofer und seine Kapriolen erleben und den Kriminalfall als schönen Nachtisch dazu serviert bekommen. Rita Falks Eberhofer gehört mittlerweile zum deutschen Kulturgut! An ihm kommt keiner vorbei. Nach so viel Komik und Fröhlichkeit hat mich dann das Schlusswort von Rita Falk sehr betroffen gemacht. Sie berichtet davon, dass das Jahr 2020 das schlimmste in ihrem Leben war, und das lag nicht an Corona.
dtv, 301 Seiten; 16,95 Euro
Hendrik Esch – Giftrausch
Stardirigent Sir Evelyn Rutland ist ein bösartiger Exzentriker, dessen Knabenchor-Kolleg zu den besten Musikinternaten der Welt gehört. Doch als ein Junge mit dem Tod ringt, gibt es Gerüchte: Werden die Schüler in Schloss Hirschenhaid mit schwarzer Pädagogik gedrillt? Gegen ein fürstliches Honorar soll Rechtsanwalt Paul Colossa den Skandal vertuschen – und verliebt sich ausgerechnet in Rutlands Frau. Verwirrt von seinen Gefühlen und verfolgt von Hasskommentaren im Internet, erkennt Paul zu spät, dass auch er geopfert werden soll.
Hendrik Eschs bayerischer Rechtsanwalt Paul Colossa ist ein Sonderfall! Schon der erste Kriminalroman der Reihe „Jagdfieber“ war für mich ein auf und ab. Beim zweiten Fall „Giftrausch“ wird es nicht besser. Einerseits bietet der Roman skurrile Figuren und Situationskomik, was anderseits aber auch immer wieder total deplatziert wirkt. Spannung und Humor im Mischmasch, aber nichts begeistert mich so richtig. Gesellschaftskritische Themen geht Hendrik Esch durchaus gekonnt an. Doch weist der „Giftrausch“ auch beträchtliche Längen auf. Die über 600 Seiten sind mächtig. Man würde an der Grundstory nichts vermissen, wenn es 200 Seiten weniger wären. In einen Leserausch verfällt man beim „Giftrausch“ gewiss nicht.
Goldmann, 614 Seiten; 10,00 Euro
Fredrik Backman – Eine ganz dumme Idee
Eine Kleinstadt in Schweden, kurz vor dem Jahreswechsel: An einem grauen Tag findet sich eine Gruppe von Fremden zu einer Wohnungsbesichtigung zusammen. Sie alle stehen an einem Wendepunkt, sie alle wollen einen Neuanfang wagen. Doch dieser Neuanfang verläuft turbulenter als gedacht. Denn wegen der ziemlich dummen Idee eines stümperhaften Bankräubers werden auf einmal alle Beteiligten zu Geiseln. Auch wenn davon niemand überraschter ist als der Geiselnehmer selbst. Es folgt ein Tag voller verrückter Wendungen und ungeahnter Ereignisse, der die Pläne aller auf den Kopf stellt – und ihnen zeigt, was wirklich wichtig im Leben ist.
Wie kann eine so lehrreiche Geschichte über das Leben nur so lustig sein? Das hat einen Grund, der Schwede Fredrik Backman hat sie geschrieben. Schon seine Bestseller „Ein Mann namens Ole“, „Stadt der großen Träume“ und auch „Wir gegen euch“ haben mich begeistert. Seine Bücher werden in 46 Sprachen übersetzt. Das er Schwedens erfolgreichster Autor ist braucht man dann gar nicht mehr groß zu erwähnen. Sein neues Buch „Eine ganz dumme Idee“ hat mich zur anfänglichen Aussage gebracht. Die Geschichte hat, wie es bei Fredrik Backman üblich ist, großartiges Personal. Er stattet seine Figuren mit so viel normal Leben aus, so dass man als LeserIn immer das Gefühl hat, einen oder mehrere davon kenne ich doch. Sein Timing ist bravourös, seine Komik intelligent, seine Geschichte weise und wichtig in dieser Zeit. „Eine ganz dumme Idee“ ist die beste Idee, die Sie haben können, wenn Sie sich gut unterhalten lassen wollen!
Goldmann, 462 Seiten; 20,00 Euro
Deutschland, 1441: Marie und Michel trauen ihren Augen nicht: vor ihr auf dem Weg liegt eine junge, schwer verletzte Frau – einen Pfeil mitten durch die Brust. Ihr Ehemann Michel lässt den geheimnisvollen orientalischen Arzt Rasul al Hakimi holen, den sie erst am Vorabend in einer Herberge kennengelernt haben. Ihm gelingt es, das verletzte Edelfräulein am Leben zu erhalten. Doch Marie und Michel geraten dadurch mitten in die Fehde verfeindeter Adelsgeschlechter, die um die Vorherrschaft kämpfen. Und der orientalische Arzt scheint mehr zu wissen, als er vorgibt. Um das Schlimmste zu verhindern, muss Marie das Geheimnis des Arztes aufdecken.
Iny Lorentz rockt weiter den historischen Roman! Wie sie schreibt keine andere. Das Autorenehepaar schreibt einen Bestseller nach dem anderen. Ihr neuester ist der achte Band aus der überaus erfolgreichen „Wanderhure“-Reihe. Die ehemalige Wanderhure und ihr Mann Michel erleben wieder ein spannendes Abenteuer, das für Iny-Lorentz-Fans keine Wünsche offenlässt. Ohne Schnörkel und Lametta erzählt. Ein historischer Roman, wie man ihn sich wünscht!
Knaur, 573 Seiten; 20,00 Euro
Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Wie immer wunderbar gelesen von Iny-Lorentz-Stammvorleserin Anne Moll! 20,00 Euro.
Iny Lorentz – Die Wanderhure und der orientalische Arzt – Hörprobe 3:00 Min.
Dirk Bernemann – Schützenfest
Gunnar Bäumer hat vor sieben Jahren mit Ende Zwanzig die Provinz verlassen, um nach Berlin zu ziehen. Jetzt kehrt er für eine Woche in sein Elternhaus zurück, um auf das Haus aufzupassen. In diesen Tagen findet auch das alljährliche Schützenfest statt, dem er sich eigentlich verweigern wollte, um zur Ruhe zu kommen. Doch dem Fest entkommt er nicht und muss sich innerhalb der nächsten Tage dem Dorfleben, seinen Lebenskonzepten und seiner Vergangenheit stellen, vor allem auch seiner Jugendliebe Franziska mit deren Ehemann.
Dirk Bernemann ist für seine unkonventionellen und sprachlich geschliffenen Romane bekannt. Mit „Schützenfest“ setzt er diese, seine Tradition fort. Beim „Schützenfest“ gibt es nichts zu feiern und genau das bereitet einem so viel derben Spaß beim Lesen. Ein Roman, der einen selbst wieder auf seine Jugend zurückblicken lässt, wenn man mal das Dörfliche genossen hat, und gleichzeitig einen das Tristes im Hier und Jetzt schildert. Gunnar Bäumer ist der passende Charakter dafür, um einen durch dieses Leben zu führen. „Schützenfest“ trifft literarisch den inneren Kreis!
Heyne Hardcore, 223 Seiten; 18,00 Euro