Dezember 26, 2024

Kolumne vom 09.06.2014

Kolumne vom 09.06.2014


Jörg Friedrichdaumen rauf

14/18 – Der Weg nach Versailles

14-18  Der Weg nach Versailles

Was unterschied Deutschlands Verhalten im Krieg von dem der Versailler Siegermächte – von den kolonialistischen Briten, den revanchistischen Franzosen oder den rassistischen Amerikanern? Führten sie Krieg, um die Menschheit mit Völkerrecht und Demokratie zu beglücken? Achteten sie die Neutralität ihrer Nachbarn? Prüften sie ernsthaft Deutschlands Kompromissangebote oder setzten sie von Anfang an auf einen Unterwerfungsfrieden? Das Buch berichtet davon, wie Europa über Nacht in ein Schlachtfeld verwandelt wurde. Recht, Humanität, christliche Werte, politisches Augenmaß und wirtschaftliche Vernunft wurde auf allen Seiten mit Füßen getreten.

Unglaublich! Faszinierend! Sensationell! Jörg Friedrich hat mit „14/18“ mit eines der besten Bücher über den 1. Weltkrieg geschrieben. Es reiht sich ein in die erstklassigen Bücher zu diesem Thema, Christopher Clarks „Die Schlafwandler“ und Herfried Münklers „Der Große Krieg“. Aber es ist ganz anders als die genannten. Der Autor stellt streitbare Thesen auf, diese unterfüttert er aber mit klaren Erklärungen. Jörg Friedrich versteht es ausgezeichnet, Szenen romanhaft darzustellen und dann sofort wieder auf die Details und Zusammenhänge der Sachlage einzugehen. Mit dieser Art des Erzählens ist „14/18“ weit von einem trockenen Sachbuch entfernt. Dieses Buch ist für alle Interessierten des Themas ein echter Gewinn, um noch tiefer in die Materie einzutauchen.

Propyläen, 1072 Seiten; 34,99 Euro


Michel Houellebecqdaumen runter

Gestalt des letzten Ufers

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In Frankreich gab es zum Erscheinen der Gedichte Spekulationen darüber, ob dies der Schwanengesang des meistgelesenen, aber auch umstrittensten Autors des Landes sei. Doch wenngleich es in ihnen auch um die letzten Dinge des Lebens geht, sind diese Gedichte Michel Houellebecqs literarische Rückkehr nach seinem drei Jahre zurückliegenden, mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Bestseller „Karte und Gebiet“ .Michel Houellebecq will seinen Vorbildern Mallarmé und Baudelaire nacheifern. Mit Gedichten wie „In einen blauen Mantel gekleidet, Wirkte sie krank; Den Himmel am Grunde ihrer Augen.“

Michel Houellebecq ist einer der streitbarsten Autoren Frankreichs. Nun hat er einen Gedichtband geschrieben. Natürlich ganz in Houellebecq-Manier. Von normalen Gedichten sind seine Zeilen weit entfernt. Auch mal sehr kurz und wieder sehr lang. Leider selten überzeugend. Um den Gedichten viel abgewinnen zu können, müsste man schon in Houellebecqs Gehirn schauen können. Am schönsten ist noch „Die Liebe, die anderen.“ (Seite 39). Ein anderes Beispiel außer oben: „Geschminkt wie ein naiver Fisch, Im Aquarium unserer Leiden, Gingen Sie einher, und ich war ein Gefangener, Ihrer fernen Erscheinung.“ Der Gedichtband ist in fünf Sparten unterteilt: „Die graue Fläche“, „Verlängertes Wochenende in Zone 6“, „Erinnerungen eines Schwanzes“, „Die Gefilde der Leere“ und „Plateau“.

DuMont, 175 Seiten; 18,00 Euro


Sharon Boltondaumen rauf

Ihr Blut so rein

Sharon Bolton - Ihr Blut so rein

Ein Kindermörder hält London in Atem. Fünf tote Jungen in fünf Wochen. Da kommt der 11-jährige Barney ins Spiel. Er erkennt Muster, wo andere nichts sehen. Er weiß, dass der Killer bald wieder zuschlagen wird. Das Opfer wird wieder ein Junge sein, wie er. Er wird ihm die Kehle durchschneiden, ihn verbluten lassen und die Leiche am Ufer der Themse ablegen. Die Polizei wird keinen Hinweis auf den Täter finden und keine Warnung, wen es als nächstes treffen könnte. Doch Barney hat etwas gesehen, und sammelt akribisch jeden Hinweis, um den Fall zu lösen. DC Lacey Flint, Ermittlerin in Sonderurlaub, könnte den Fall guten Gewissens ihren Kollegen überlassen. Wenn Barney Roberts nicht ausgerechnet ihr Nachbar wäre …

Die Engländerin Sharon Bolton hat schon zahlreiche Thriller geschrieben, die allesamt von hoher Qualität und sehr intensiv waren. Zuletzt „Dunkle Gebete“ und „Dead End“. Nun liegt ihr neuer Thriller vor, „Ihr Blut so rein“. Ein neuer Fall für DC Lacey Flint. Diesmal mit einem kleinen, schlauen und fleißigen Ermittler. „Ihr Blut so rein“ ist ein wendungsreicher Thriller bei dem man starke Nerven braucht. Für zarte Gemüter ist diese Geschichte nicht zu empfehlen. Auch führt Sharon Bolton ihre eingeführten Figuren stark fort. Eine starke Story mit diesen Figuren, Sharon Bolton hat wieder einen meisterlichen Thriller vorgelegt.

Manhattan, 447 Seiten; 14,99 Euro


Al Goredaumen rauf

Die Zukunft

Al Gore  die Zukunft

Al Gore, der ehemalige Vizepräsident der USA, Friedensnobelpreisträger und Bestsellerautor, wagt in diesem Buch den Blick in die Zukunft. Er identifiziert diejenigen Kräfte, die unser Leben in den kommenden Jahrzehnten am stärksten verändern werden. Er zeichnet so ein Bild der Welt von morgen.

Große Gedanken, große Zusammenhängen, wichtige Aussagen – dafür steht Al Gore. In seinem neuen Buch „Die Zukunft“ widmet er sich nun dieser in unserer sich so schnell drehenden Welt. Seine Schwerpunktgebiete sind: „Die Welt AG“, „Das Weltgehirn“, „Machtfragen“, „Auswüchse“, „Die Neuerfindung von Leben und Tod“. Ein sehr komplexes und allumfassendes Buch. Al Gore hat wirklich kein Thema ausgelassen, das derzeit auf der Welt Fragen aufwirft. Eine erstaunliche Wissensreise!

Siedler, 624 Seiten; 26,99 Euro


A. S. A. Harrisondaumen rauf

Die stille Frau

Die stille FrauIn Jodis und Todds Ehe kriselt es. Viel steht auf dem Spiel, vor allem das angenehme Leben das sie sich in Chicago aufgebaut haben. Er, charmanter Architekt und Fremdgänger, sie, erfolgreiche Psychotherapeutin und stillschweigende Verletzte. Doch wie lange bleibt das noch so …
Ein feiner Roman, der tiefe Abgründe einer Ehe aufzeigt. Was passiert, wenn es dann mal passiert? Wenn Rache ein Mittel ist, zu dem man nur zu gerne greift. Die Autorin fängt „Die stille Frau“ ruhig an, steigert sich aber von Kapitel zu Kapitel, sodass eine Geschichte entsteht, der man verfällt. Gefährlich! Leider ist die Autorin A. S. A. Harrison Anfang 2013 verstorben. Mit diesem Roman hat sie einen großen literarischen Fußabdruck hinterlassen.

Bloomsbury Berlin, 382 Seiten; 14,99 Euro


Hörbuch der Wochedaumen_rauf

Karen Perry

Bittere Lügen

Bittere Lügen

Harry und Robin haben bei einem schrecklichen Erdbeben in Marokko ihren dreijährigen Sohn Dillon verloren. Auch fünf Jahre später überschattet der schmerzliche Verlust, das Gefühl der Ohnmacht und Schuld jede Minute ihres Zusammenlebens. Bis zu dem Wintertag, als Harry denkt, Dillon in Dublin auf der Straße gesehen zu haben. Seither ist er von dem Gedanken besessen, dass sein Sohn noch leben könnte. Und er ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Mit unvorstellbaren Folgen …

Falsche Spuren, psychologisch ausgefeilte Charaktere, eine Story, die zwar sehr ruhig verläuft, aber trotzdem selten an Spannung verliert. Wer lügt? Was ist die Wahrheit? Lebt Dillon? Ist er tot? Alles nur Einbildung von Harry? Mit diesen Elementen spielt das Autorenpaar Karen Perry recht geschickt. Nachdem die Geschichte eher ruhig verläuft, überschlagen sich zum Ende hin die Ereignisse. „Bittere Lügen“ ist Spannungsliteratur vom Feinsten! Die beiden bekannten Schauspieler Anna Thalbach und Roman Knizka verleihen Robin und Harry ihren ganz eigenen Charakter. Die Geschichte hat ja viele stille Momente, diese wissen die beiden gut zu gestalten. Aber als sich zum Ende hin das Tempo immer mehr steigert, finden sie auch hier genau die richtige Stimme. Sehr gute Vorstellung!

Auch als Paperback erhältlich bei Scherz, 14,99 Euro.

Argon Hörbuch, 6 CDs, 449 Minuten; 19,99 Euro


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