BuchKolumne 31.05.2021 Nr. 667
Laura Creedle – Die Liebesbriefe von Abelard und Lily
Christoph Ransmayr – Der Fallmeister
Frank Goldammer – Verlorene Engel
Anna Jessen – Die Insel der Wünsche 1
Philip Ursprung – Joseph Beuys – Kunst, Kapital, Revolution
Laura Creedle – Die Liebesbriefe von Abelard und Lily
Als die 16-jährige Lily heimlich ihre ADHS-Medikamente absetzt, geht so einiges zu Bruch – im wahrsten Sinne des Wortes. Das bringt ihr schließlich eine Stunde Nachsitzen ein, zusammen mit dem an Asperger leidenden Abelard. Als er für sie einsteht, küsst sie ihn spontan und löst damit völlig verwirrende Gefühle in sich selbst und auch in Abelard aus. Was folgt, ist eine zunächst per SMS geführte intensive Liebesgeschichte, die sich in der Realität erst noch beweisen muss. Denn zwischen einem Mädchen, das durch unvorsichtiges Anfassen schon ganze Gläser-Batterien zerstört hat, und einem Jungen, der vor nichts mehr Angst hat, als angefasst zu werden, kann so einiges schiefgehen.
Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ ist das Jugendbuch-Debüt der Amerikanerin Laura Creedle. Ein Buch, das Zerbrochenes wieder zusammenfügen kann. Eine zauberhafte Lovestory! Laura Creedle hat mit ihren Charakteren Lily und Abelard starke Identifikationsfiguren geschaffen, auch wenn man als Leser ganz „normal“ ist, denn jeder kennt doch das Gefühl, das man sich von der Welt missverstanden fühlt. Und Lily und Abelard zeigen einem, wie man sich trotzdem durchboxen kann und dabei auch noch die Liebe findet, wenn man gar nicht nach ihr sucht. Liebe entsteht, wenn etwas Verbindendes vorhanden ist, und da ist bei den klugen beiden Hauptfiguren so einiges vorhanden. „Die Liebesbriefe von Abelard und Lily“ ist wie ein Heftpflaster zum Lesen!
dtv, 344 Seiten; 16,95 Euro
Christoph Ransmayr- Der Fallmeister
Im tosenden Wildwasser stürzt ein Langboot die gefürchteten Kaskaden des Weißen Flusses hinab. Fünf Menschen ertrinken. Der „Fallmeister“, ein in den Uferdörfern geachteter Schleusenwärter, hätte dieses Unglück verhindern müssen. Als er ein Jahr nach der Katastrophe verschwindet, beginnt sein Sohn zu zweifeln: War sein jähzorniger, von der Vergangenheit besessener Vater ein Mörder? Die Suche nach der Wahrheit führt den Sohn des Fallmeisters tief zurück in die eigene Vergangenheit: Getrieben von seiner Leidenschaft für die eigene Schwester und der Empörung über das Schicksal seiner aus dem Land gejagten Mutter, folgt er den Spuren seines Vaters. Sein Weg führt ihn durch eine düstere, in Kleinstaaten zerfallene Welt. Größenwahnsinnige Herrscher ziehen immer engere Grenzen und führen Kämpfe um die Ressourcen des Trinkwassers.
Der Österreicher Christoph Ransmayr hat so Romane geschrieben wie „Atlas eines ängstlichen Mannes oder „Cox: oder der Lauf der Zeit“. Gelobt und mit Preisen versehen. Sein neuer Roman „Der Fallmeister“ müsste doch genauso gut sein, dachte ich mir. „Bildmächtig und mit großer Intensität erzählt Christoph Ransmayr“, schreibt der Verlag. Doch dem kann ich mich nicht anschließen. „Der Fallmeister“ fällt im Gesamtwerk von Christoph Ransmayr bedeutend ab. Zwar hat er eine hintergründige Aussage und auch einige erzählerische Feinheiten zu bieten, aber ansonsten ist es ein Werk, das sehr ichbezogen ist. Der Autor sieht sich und seine Gedanken als zentralen Punkt in diesem Buch und verliert dabei seine LeserInnen vollkommen aus den Augen. Schrecklich langweilig und sich im Kreis drehend. Hätte dieses Buch ein unbekannter Autor geschrieben, hätte der Verlag es sofort in der untersten Schublade verschwinden lassen, aber ein Christoph Ransmayr wird natürlich verlegt, egal welche Qualität das Buch zu bieten hat.
S. Fischer, 220 Seiten; 22,00 Euro
Frank Goldammer – Verlorene Engel
An dunklen Herbstabenden 1956 werden in Dresden wiederholt Frauen brutal vergewaltigt. Als auch noch eine tote Frau an der Elbe gefunden wird, werden in der verunsicherten Bevölkerung die Rufe nach Selbstjustiz laut. Kommissar Max Heller und sein Team ermitteln unter Hochdruck. Mithilfe eines weiblichen Lockvogels gelingt es ihnen, einen Verdächtigen festzunehmen. Der von Narben entstellte Mann gesteht zwar die Vergewaltigungen, leugnet aber den Mord. Sind vielleicht doch die von allen gefürchteten, desertierten russischen Soldaten die Täter? Die Lage eskaliert, als Hellers Familie in den Fall hineingezogen wird.
Frank Goldammer erzeugt wieder jede Menge Spannung im Nachkriegsdeutschland! Mittlerweile sind wir schon in Mitten der 1950er Jahre angekommen, nachdem die Reihe um Max Heller mit „Der Angstmann“ im Jahr 1944 begonnen hatte. „Verlorene Engel“ ist der vorletzte Fall für den beliebten Kommissar Max Heller. Im September 2021 erscheint mit „Feind des Volkes“ der letzte Band der Reihe. Da herrscht jetzt schon Wehmut. Doch zuvor unterhält Frank Goldammer mit „Verlorene Engel“ seine LeserInnen noch einmal ausgezeichnet! In „Verlorene Engel“ gibt es viele Spuren und viele Verdächtige. Nichts ist so, wie man es zuerst vermutet. Frank Goldammer hält die LeserInnen bis zum Ende bei der Stange und weiß dabei immer wieder zu überraschen!
dtv, 399 Seiten; 16,90 Euro
Hamburg 1887. Das junge Blumenmädchen Tine Tiedkens lebt in ärmlichsten Verhältnissen. Um ihrer Not zu entfliehen, will sie ihr Glück auf Helgoland suchen. Doch die Überfahrt auf die mondäne Insel wird zum Albtraum, und vor Ort scheint sich alles gegen sie zu verschwören. Als sie zufällig den jungen Hotelier Henry Heesters wiedertrifft, der in Hamburg Blumen bei ihr gekauft hat, erhält sie eine Stellung in seinem eleganten Hotel. Mit Fleiß und Leidenschaft arbeitet sich Tine vom Serviermädchen zur Hausdame hoch – und verliebt sich in Henry, der ihre Gefühle erwidert. Doch als ihr Glück zum Greifen nah scheint, wendet sich das Schicksal erneut.
Anna Jessen liebt die Nordsee und Helgoland. Die Autorin hat diese Liebe und das Wissen darum in ihrer Helgoland-Trilogie „Die Insel der Wünsche“ einfließen lassen. „Stürme des Lebens“ macht den Anfang. Mit Tine Tiedkens taucht man in das vorletzte Jahrhundert ein und erlebt das Hotelleben und Helgoland auf besondere Art. Anna Jessen lässt sich Zeit mit ihrer Erzählung, aber sie macht das auf eine spannende Weise. „Die Insel der Wünsche“ lässt für Historien-LiebhaberInnen keine Wünsche offen! Der zweite Teil der Trilogie „Gezeiten des Glücks“ folgt schon im Juni 2021.
Goldmann, 540 Seiten; 15,00 Euro
Philip Ursprung – Joseph Beuys – Kunst, Kapital, Revolution
Joseph Beuys, einerseits als Künstler von Weltruhm gefeiert, andererseits aber als „Scharlatan“ angefeindet. Wie kaum ein anderer prägte und polarisierte er die zeitgenössische Kunst. Welche Rolle spielt der Mann aus Kleve, der zum Inbegriff der Gegenwartskunst geworden ist, heute? Das Buch begibt sich auf eine zeithistorische Reise zentralen Beuys-Schauplätzen und bietet dabei einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk des Künstlers im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenhang der Bundesrepublik Deutschland.
Wollen Sie Joseph Beuys (1921–1986) auf die Spur kommen? Wollen Sie eintauchen in sein Leben, sein Wirken und seine Werke? Dann liegen Sie mit Philip Ursprungs Buch genau richtig. Erhellend und informativ! Die 24 Hauptthemen sind: „Die Präsenz von Beuys“, „Krieg und Frieden“, „Verdrängen und Zeigen“, „Sitzender Torso“, „Das Schweigen“, „Wenn Androiden träumen“, „Ostpolitik“, „Politische Stimme“, „Zug des Fortschritts“, „Europäische Integration“, „Das Gespenst der Revolution“, „100 Tage“, „Massenuniversität“, „His Master’s Voice“, „Das Gehirn Europas“, „Deutschland und Deutschland“, „Schwerkraft und Gnade“, Inflation und Arbeitslosigkeit“, „Kunst und Architektur“, „Europäisches Parlament“, „Preis und Wert“, Ein Monument der Rezession“, „Feldarbeit“ und „Ausblick“. Der Band enthält 116 Abbildungen.
C. H. Beck, 336 Seiten; 29,95 Euro