März 22, 2025

Mai 2020

BuchKolumne 4.05.2020 Nr. 611

Bei denglers-buchkritik.de kannst Du jeden Montag neue Rezensionen und Buchkritiken lesen und Dir Tipps und Anregungen für neuen Lesestoff holen – egal ob Roman, Krimi, Science-Fiction oder Thriller.

Eshkol Nevo – Die Wahrheit ist

Es ist Zeit für die Wahrheit! Ein Schriftsteller, er heißt Eshkol Nevo, beantwortet eine Reihe von Leserfragen. Eine Aufgabe, die er sonst mit Routine erledigt. Aber das Leben dieses Mannes ist aus den Fugen geraten: Seine Ehe droht in die Brüche zu gehen, seine Tochter distanziert sich von ihm, eine politisch fragwürdige Auftragsarbeit beschädigt seinen Ruf, sein bester Freund liegt im Sterben. Zum ersten Mal blickt er ehrlich und schonungslos auf sein Leben. Es ist Zeit für die erhellende, traurige, nackte Wahrheit – über Liebe, Familie, Freundschaft. Über sich selbst.

Ein ganz außergewöhnlicher Roman! Der israelische Autor Eshkol Nevo geht in „Die Wahrheit ist“ das Wagnis ein, einen Roman zu schreiben, der durchgängig als eine Art Interview geführt wird. Daran muss man sich als Leser erstmal gewöhnen, doch das geschieht ganz schnell, denn das, was der Autor im Buch von seinem Leben zu erzählen hat, lässt es nicht zu, nicht immer weiterlesen zu wollen. Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass die meisten Antworten des Fragenkatalogs nicht mit 2 -3 Sätzen beantwortet werden, was normal wäre, sondern jeweils auf mehreren Seiten. Daher weicht der Roman von einem „normalen“ Interview dann doch schon sehr weit ab. Egal. Denn was der Schriftsteller von seinem Leben, der Liebe, von Familie und Freundschaft, seinem Land und seiner Arbeit zu berichten hat ist durchgängig spannend zu lesen.

dtv, 430 Seiten; 22,00 Euro

Matthias Platzek – Wir brauchen eine neue Ostpolitik

Charlie Berg hat ein schwaches Herz und die feine Nase eines Hundes. Das einzige, was ihn seine Eltern gelehrt haben: Zwei Künstler sollten nie Kinder bekommen! Es sind die frühen 90er, Charlie will ausziehen, nicht mehr der Depp der Familie sein, der alles zusammenhält, während Mutter am Theater die Welt verstört und Vater wochenlang bekifft im Aufnahmestudio sitzt. Die Zivistelle im Leuchtturm ist zum Greifen nah – da läuft alles aus dem Ruder: Auf der Jagd mit Opa trifft ein Schuss nicht nur den Hirsch, sondern auch Opa. Und Charlies heimliche große Liebe Mayra, seine Videobrieffreundin aus Mexiko? Hat nichts Besseres zu tun, als den Ganoven Ramón zu heiraten.

Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut! Die Beschreibung zum Buch klang richtig gut. Ich erwartete einen Roman im Stil der jungen amerikanischen Autoren, die in diesen breitgefächerten Romanen oft sehr gute Werke abliefern. Zudem war das Cover einladend und auch der Titel machte neugierig. Es war angerichtet für eine große Geschichte mit über 700 Seiten, die mich in ihren Bann ziehen würde. Dachte ich. Doch Sebastian Stuertz, animiert hauptberuflich Grafiken für Film und Fernsehen, hat mit „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ einen fast durchgängig langweiligen Roman geschrieben. Vom richtigen Aufbau eines Romans hat Sebastian Stuertz leider keine Ahnung. Er hat Figuren entworfen, die es durchaus wert sind, erkundet zu werden, aber sie bewegen sich in einer Geschichte mit so vielen Belanglosigkeiten und ohne durchgängigen Spannungsaufbau.

Propyläen, 254 Seiten; 22,00 Euro

Noah Martin: Raffael – Das Lächeln der Madonna

Raffael Sanzio gilt schon mit zwanzig Jahren als neuer Stern am Himmel der Renaissance. Doch es sind unruhige Zeiten in den italienischen Stadtstaaten. Der Maler führt ein rastloses Leben, lernt Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci kennen, verliebt sich in die junge Bäckerin Margherita Luti und ist doch ständig auf der Flucht vor den Mächtigen. Als Papst Julius II. ihn nach Rom ruft, um seine Gemächer neu zu gestalten, verstrickt Raffael sich immer tiefer in die Machtkämpfe einer der blutigsten, spannendsten und faszinierendsten Epochen der europäischen Geschichte.

Ein historischer Roman, bei dem keine Sekunde Langeweile aufkommt! Noah Martin schafft es mit Detailtreue zu überzeugen, genauso wie mit lebendigen Figuren und einem hohen Maß an Spannung! Man lernt das Genie Raffael genauso gut kennen wie die Epoche der Renaissance. Aber dabei belässt er es nicht. Der Roman hat noch eine zweite Erzählebene, in der Cesare Borgias brutale Eroberungspolitik eine gewichtige Rolle spielt. Noah Martin ist mit diesem Roman ein Geniestreich gelungen! Er schildert darin die Jahre von 1492 bis 1520. Und in diesem großen Zeitrahmen lässt er auch viel passieren. „Raffael – Das Lächeln der Madonna“ zaubert dem Leser ein Lächeln aufs Gesicht, weil er so gut unterhalten wird!

Droemer, 640 Seiten; 22,00 Euro

Steven Levy: Facebook – Weltmacht am Abgrund

Vom Start-up zur Weltmacht: Die dramatische Firmengeschichte von Facebook zeigt, wie aus dem Konzern das international einflussreiche Tech-Imperium werden konnte, von dem es heute heißt, es bedrohe die Demokratie. Das sich gegen immer lautere Stimmen behaupten muss, die fordern, der Konzern habe zu viel Einfluss und gehöre zerschlagen. Das mit über 1,7 Milliarden täglichen Zugriffen von weltweiten Nutzern über enorme Daten-Vorräte und eine Macht verfügt, die ihresgleichen sucht. Eine Macht, für die der Konzern heute immer deutlicher zur Rechenschaft gezogen wird.

Wer schon immer einmal wissen wollte, wie Facebook mit seinen bekannten Diensten WhatsApp und Instagram zu einem der einflussreichsten Unternehmen der Welt wurde, dem sei das Buch von Steven Levy mit Nachdruck empfohlen! Der Journalist blickt auf die Geschichte des Unternehmens und seinen Lenker Mark Zuckerberg und die umtriebige Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg, gewährt einen tiefen Einblick in die Konzernstruktur und erzählt wie Facebook im letzten Jahrzehnt die Welt verändert hat. Spannend, informativ und tiefgründig. Ein Meilenstein!

Droemer, 687 Seiten; 26,00 Euro

Alexandra Cedrino – Die Galerie am Potsdamer Platz

Die junge Kunststudentin Alice zieht nach dem Tod ihrer Mutter in die Hauptstadt. Sie sucht Anschluss an ihre Familie, einstmals angesehene Kunsthändler, die sie nie kennengelernt hat. In der pulsierenden Kunstszene Berlins fühlt sie sich sofort zu Hause und entdeckt bald ihr Talent als Fotografin. Und sie verliebt sich in den Deutsch-Iren John. Trotz der Widerstände ihrer Großmutter plant sie gemeinsam mit ihren Onkeln, die einst legendäre Galerie der Familie am Potsdamer Platz wiederzueröffnen. Dabei begegnet sie dem Kunstkenner Erik, Erbe einer spektakulären Kunstsammlung. Doch ist er wirklich daran interessiert, ihr zu helfen? Es sind unruhige Zeiten, und der Aufstieg der Nationalsozialisten droht bald ihre Liebe, die Galerie und ihre gesamte Familie in den Abgrund zu reißen.

Alexandra Cedrino stammt aus der Kunsthändler-Familie Gurlitt. Sie wuchs zwischen Bildern und Büchern auf. Diese Leidenschaft und diese Kenntnis lässt sie auch in ihrem Debütroman „Die Galerie am Potsdamer Platz“ einfließen. Der erste Teil einer Trilogie. An Alice Waldmanns Weg hängt man sich schnell dran. Der Autorin gelingt es auch gut, dass Berlin der 1930er einzufangen. An was es etwas fehlt ist die Spannung und die Klarheit, aber da es der Debütroman und der erste Teil der Trilogie ist, ist hier noch genügend Entwicklungspotenzial. Und das gibt die Geschichte her. Die kann man in den nächsten beiden Bänden richtig tiefgehend und spannend ausbauen. Mal schauen, ob das Alexandra Cedrino gelingt. „Die Galerie am Potsdamer Platz“ ist einen Lesebesuch wert!

HarperCollins, 382 Seiten; 20,00 Euro

BuchKolumne 11.05.2020 Nr. 612

Jan Caeyers – Beethoven – Der einsame Revolutionär   
Jessica Barry – Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
Naoko Abe – Hanami  
Andreas Gößling –  Rattenflut   
Isabell May  – Shadow Tales – Das Licht der Fünf Monde

Jan Caeyers – Beethoven – Der einsame Revolutionär

Die Kompositionen Ludwig van Beethovens gehören zum unvergänglichen Erbe der Musikgeschichte. Doch wer war der Schöpfer dieser Musik, der uns mit unsterblichen Werken wie dem Fidelio, der Missa solemnis, seinen Klaviersonaten, seinen Streichquartetten und der Neunten Sinfonie beschenkt hat?.

„Beethoven – Der einsame Revolutionär“ von Jan Cayers, viele Jahre der künstlerische Leiter der Beethoven Akademie, ist bereits 2012 erschienen. Doch zum Beethoven-Jahr 2020, der 250. Geburtstag des Komponisten, erscheint in Zusammenarbeit mit dem Beethoven-Haus in Bonn hier eine vollständig neu bearbeitete Ausgabe, die auf dem aktuellen Forschungsstand ist. In diesem Buch taucht man vollkommen in das Leben und Wirken dieses Ausnahmegenies ein! Es gewährt tiefe Einblicke. Jan Cayers vermittelt in dieser Biographie nicht nur das Leben des Ludwig van Beethoven, sondern gestaltet auch die damalige Zeit detailreich. So wird alles noch lebendiger. Er bringt die Seiten zum Klingen. Ein großes Werk, das dem großen Meister würdig ist! Die Hauptthemen sind: „Der Künstler als junger Mann (1770 – 1792)“, „Zeit der Gärung (1792 – 1802)“, „Der Herrscher (1802 – 1809)“, „Masse und Macht (1809 – 1816) und „Der einsame Weg (1816 – 1827)“.

C. H. Beck, 833 Seiten; 25,00 Euro


Jessica Barry – Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod

Als Einzige überlebt die 30-jährige Allison einen Flugzeugabsturz in den Rocky Mountains. Völlig auf sich gestellt kämpft sie sich durch die Wildnis. Doch jemand ist ihr auf den Fersen – jemand, der sicherstellen will, dass niemand das Unglück überlebt. Tausende von Kilometern entfernt kann Allys Mutter Maggie nicht glauben, dass ihre Tochter tödlich verunglückt sein soll. Jahrelang hatte sie keinen Kontakt zu ihr, jetzt setzt sie alles daran, mehr über ihre Tochter zu erfahren: Ally führte ein glamouröses Leben – aber wie viel davon war echt? Während sie in die Vergangenheit ihrer Tochter eintaucht, gerät Maggie selbst in größte Gefahr.

„Freefall“ ist der Debüt-Thriller von Jessica Barry. Wobei Thriller etwas zu hoch gegriffen ist. Besser passen würde ein Mutter-Tochter-Drama mit teils spannenden Elementen. Aber einen atemlosen Thriller sucht man vergebens. Die Geschichte wird abwechselnd erzählt. So bekommt man Einblicke in Allisons und Maggies Leben. Wobei Maggies Perspektive, die auf Spurensuche im Leben ihrer Tochter ist, die weitaus spannender ist. Allisons Teil ist oft langatmig und schleppt sich so dahin. Die häufigen Rückblenden stören den Erzählfluss. Daher ist das Buch zweigeteilt und konnte mich so auch nicht durchweg überzeugen. Jessica Barry versteht aber durchaus ihr Handwerk. Vielleicht merzt sie ihre Fehler in ihrem zweiten Buch aus, dann kann daraus vielleicht ein echt atemloser Thriller werden.

dtv, 429 Seiten; 15,90 Euro

Naoko Abe – Hanami

Collingwood Ingram, ein junger Botaniker, reist 1902 von Großbritannien nach Japan, um dort neben Tokyo auch Berge und Wälder, geheime Palastgärten und Klöster zu erkunden. Vor allem aber ist er auf der Suche nach wilden Kirschbäumen, denen seine ganze Leidenschaft gehört. In der überhasteten Modernisierung Japans im 20. Jahrhundert werden diese jedoch rücksichtslos abgeholzt. Ingram gelingt es, eine einzigartige Sammlung von Japans wertvollstem Kulturgut zusammenzutragen und nach England zu schmuggeln, um die Kirschblüten dort in einem bezaubernden Garten in Sicherheit zu bringen. Er schwört, diese Bäume einst ihrer Heimat zurückzugeben – ein Unterfangen, das ihn bis an das Ende seines hundertjährigen Lebens umtreibt.

„Hanami“ (auf Japanisch heißt „hana“ Blüte und „mi“ betrachten), und das macht man während der Lektüre durchweg. Man sieht die Zierkirschen blühen. So wunderschön, aber auch so traurig, denn sie blühen ja nur kurz. Daher auch die Verbindung zum Leben, wie die Japaner das mit der Zierkirsche machen. Die Blüte kommt und geht, wie das Leben. Doch während sie da ist, ist sie so unsagbar schön. Wie das Leben, wenn man dieses leben darf. „Hanami“ ist ein inspirierendes, überraschendes und fesselndes Buch! Die Geschichte über die Kirschblüte, und wie fest verwurzelt sie in der japanischen Kultur ist, und die Geschichte über den Exzentriker Collingwood Ingram (der über 100 Jahre alt wurde, 1880 – 1981), der mit seiner Leidenschaft für die vielen Arten der Zierkirsche diese nicht nur nach Großbritannien, sondern auch dann wieder vermehrt nach Japan und auch in den USA und anderen Ländern brachte, dieses breite Spektrum machen dieses Buch so lesenswert. Für Baum- und Japanliebhaber ist dieses Buch ein echter Schatz!

S. Fischer, 432 Seiten; 23,00 Euro

Andreas Gößling – Rattenflut

Offiziell ist Kira Hallstein aus gesundheitlichen Gründen vom LKA Berlin beurlaubt worden – inoffiziell arbeitet sie unter einer neuen Identität für eine geheime Sondereinheit von Europol. Ihre Aufgabe: alles erdenklich Notwendige zu unternehmen, um endlich „Die Bruderschaft“ zu Fall zu bringen, die für Verschleppung, Versklavung, Folter und Missbrauch von Kindern und Jugendlichen weltweit verantwortlich ist. Eine renommierte Krebsklinik für Kinder in Berlin scheint zum weltweiten Netz der Bruderschaft zu gehören, und Kira ist es gelungen, Kontakt zu einem der Pfleger dort aufzunehmen. Doch bevor sie irgendetwas Nützliches von ihm erfahren kann, wird der junge Mann bei einem fingierten Raubüberfall brutal ermordet.

Erst nach dem Tod des BBC-Showmasters Jimmy Savile im Jahr 2011 kam ans Licht, dass Savile jahrzehntelang Hunderte Kinder und Jugendliche in Hospitälern und Hospizen missbraucht hatte, zu denen er als Schirmherr und Spendensammler uneingeschränkten Zugang hatte. Den größten Missbrauchs-Skandal Großbritanniens hat Andreas Gößling in „Rattenflut“ zu einem True-Crime-Thriller verarbeitet. Ein Thriller, der schockiert und einem die Nackenhaare aufstellt! Andreas Gößlings True-Crime-Thriller um die eigenwillige Kira Hallstein sind harter Tobak. Nach „Wolfswut“ und „Drosselbrut“ ist „Rattenflut“ nun der dritte Thriller aus der Reihe.

Knaur 528 Seiten; 14,99 Euro

Isabell May –  Shadow Tales – Das Licht der fünf Monde

Die verträumte Lelani wächst in einem Dorf im Königreich Vael auf. Schon immer spürt sie eine starke Verbindung zu den fünf magischen Monden, die nachts über ihr erstrahlen. Als sich an ihrem 18. Geburtstag das Amulett öffnet, das ihre Eltern ihr hinterlassen haben, steht Lelanis Welt auf einmal Kopf. Zusammen mit ihrem besten Freund Haze macht sie sich auf die Reise, ihre wahre Bestimmung zu erfüllen – und gerät in einen Strudel aus Gefühlen, Selbstfindung und dunkler Magie.

Die gebürtige Österreicherin Isabell May legt mit der „Shadow-Tales“-Dilogie ihr Fantasy-Debüt vor. Und das kann sich sehen lassen. Lelani begleitet man gerne auf ihren Weg und der Suche nach so vielem, was ihr Leben für immer verändern wird. Magisch, fantastisch, fesselnd! „Shadow Tales“ wird nach „Das Licht der fünf Monde“ mit „Die dunkle Seite der Sonne“ fortgesetzt. Dieser erscheint im Dezember 2020.

One, 394 Seiten; 17,00 Euro

BuchKolumne 18.05.2020 Nr. 613

Martin Walker – Connaisseur
Monique Truong – Sweetest Fruits
Lyssa Kay Adams – The Secret Book Club
Sandra Petrignani – Die Freibeuterin
Ula Hansen – Wassertöchter

Martin Walker – Connaisseur

Martin Walker - Connaisseur

Bruno ist neu Mitglied einer Wein- und Trüffelgilde, eine große Ehre. Doch lange kann er die pâtés und Monbazillacs nicht verkosten, denn er wird an einen Unfallort gerufen. Auf dem Anwesen des ältesten Gildenmitglieds ist eine Studentin, die in dessen Gemäldesammlung recherchierte, nach einem nächtlichen Rendezvous zu Tode gestürzt. Oder war es in Wahrheit Mord? Eine Spur führt Bruno zum Schloss einer berühmten Tänzerin und Résistance-Heldin: Josephine Baker.

„Connaisseur“ ist der zwölfte Fall für Bruno, Chef de Police. Martin Walkers Krimireihe um den charmanten und einnehmenden Bruno ist ein echter Lesegenuss! Auf alle zwölf Bücher trifft das nicht zu, aber auf die meisten. Auf seinen neuesten „Conaisseur“ auf jeden Fall. Von Seite eins an nimmt einen die Geschichte mit. Bruno, wie immer agil, und das Leben genießend, findet sich in einer temporeichen und spannenden Geschichte wieder. Martin Walker schafft es auf unnachahmliche Art einen Kriminalroman zu schreiben der großes Lesevergnügen bereitet! Keine große Hektik, langsames Ermitteln, interessante Randthemen, wenn Bruno ermittelt ist vieles etwas anders, aber in „Connaisseur“ niemals langweilig.

Diogenes, 437 Seiten; 24,00 Euro


   Monique Truong – Sweetest Fruits

Drei starke Frauen erzählen ihre Geschichte – eine junge Griechin, eine ehemalige schwarze Sklavin aus Kentucky und die Tochter eines Samurai. Zugleich ersteht in den Stimmen dieser drei Frauen aus Lafcadio Hearns Leben (1850 – 1904), jede auf ihre Art eine begnadete Erzählerin, das interessante Dasein dieses Schriftstellers und Reisenden vor dem Leser: Das abenteuerliche und kurze Leben eines literarischen Gestaltwandels.

„Sweetest Fruits“ ist ein Roman, der eigentlich ein Kurzgeschichtenband ist. Erzählt wird das Leben dreier Frauen: Elizabeth Bisland (1861 -1929) New York 1906, Alethea Foley (1853 – 1913) Cincinnati, 1906 und Koizumi Setsi (1868 – 1932) Tokio, 1909 und ihrer Liebe zu dem Schriftsteller Lafcadio Hearn. Jede Geschichte umfasst gut 100 Seiten. Jede der drei Frauen hat etwas zu erzählen, und das Bild des Schriftstellers, des Mannes wird dadurch klarer, aber in das Leben der Frauen kann man als Leser kaum tiefer eindringen. Es bleibt alles an der Oberfläche und man bekommt keinen richtigen Zugang zu den Figuren. Mal spannend und interessant, aber durchweg nichts, was einen unbedingt weiterlesen lassen will. Wie die süßen Früchte, so ist auch dieser Roman schnell vergänglich.

C. H. Beck, 347 Seiten; 23,00 Euro

  Lyssa Kay Adams – The Secret Book Club

Die Ehe von Profisportler Gavin Scott steckt in der Krise. Genau genommen ist sie sogar vorbei, wenn es nach seiner Frau Thea geht. Und das darf nicht sein. Thea ist die Liebe seines Lebens! Und er versteht, verdammt noch mal, nicht, was überhaupt passiert ist. Eigentlich müsste SIE sich bei IHM entschuldigen! Gavin ist ratlos und verzweifelt – bis einer seiner Freunde ihn mit zu einem Treffen nimmt. Einem Treffen des Secret Book Club. Hier lesen und diskutieren Männer heimlich Liebesromane, um ihre Frauen besser zu verstehen. Gavin hält das für Schwachsinn. Wie sollen Liebesschnulzen ihm helfen, seine Ehe zu retten? Doch die Lektüre überrascht ihn. Und Thea steht eine noch viel größere Überraschung bevor!

Der Liebesroman als Lebens- und Liebeshilfe für Männer und Frauen – wie wunderbar in unserer oft so kalten Welt! „The Secret Book Club“ lässt einen träumen, staunen, lieben, strahlen und glücklich sein. Lyssa Kay Adams hat mit ihrer Reihe „The Secret Book Club“ Lesestoff zum Verlieben geschaffen. Die Geschichte und die Figuren gehen einem zu Herzen. Die Lovestory von Gavin und Thea hat viel Potenzial, die die Autorin auch gut ausschöpft. Die Reihe nimmt mit „The Secret Book Club – Ein fast perfekter Liebesroman“ nun ihren Anfang. Fortgesetzt wird die Reihe mit „The Secret Book Club – Die Liebesroman-Mission“, der im August erscheinen soll.

Kyss Rowohlt Polaris, 395 Seiten; 12,99 Euro

 Sandra Petrignani – Die Freibeuterin

Sie war eine der bedeutendsten Frauen der europäischen Kulturgeschichte: Natalia Ginzburg (1916-1991). Ihre Werke zählen zu den Klassikern der Weltliteratur. Sie schrieb Erzählungen, Romane, Gedichte, Theaterstücke. Als Literatur-, Theater-, und Filmkritikerin war sie wegweisend. Sie war Verlegerin und Abgeordnete im Parlament. Zu ihren Weggefährten zählen die wichtigsten italienischen Autoren der Nachkriegszeit wie Cesare Pavese, Italo Calvino, Alberto Moravia und Elsa Morante.

Die Autorin spürt dem abenteuerlichen und mutigen Leben Natalia Ginzburgs nach. Sie besucht ihr Geburtshaus in Sizilien, die Turiner Wohnung in der Via Pallamaglio, das Versteck in den Abruzzen während der Besatzung durch die Nationalsozialisten sowie die Wohnung am Campo Marzio in Rom. Sie trifft die noch lebenden Weggefährten und liest ihr großes Werk noch einmal. Natalia Ginzburgs Leben ist so vielfältig und spannend wie ein Film! Eine Frau, die sich nie abbringen ließ, ihren Weg zu gehen. Sandra Petrignani, eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Italiens, geht ins Detail, ohne dabei ausufernd zu werden. So bleibt dann zu sagen: „Die Freibeuterin“ wird auch Sie entern!

btb, 639 Seiten; 24,00 Euro

  Ula Hansen – Wassertöchter

Wir alle Es sind gute Zeiten für die hochbegabte Fallanalystin Emma Carow. Sie ist glücklich. Frisch verliebt. Die Dämonen der Vergangenheit ruhen. Emma kann einschlafen, ohne an ihre brutale Vergewaltigung vor vielen Jahren zu denken. Auch mit den Kollegen kommt sie besser klar. Dann findet eine Vergewaltigung statt. Das Opfer hat Schnittwunden, die an ein Ritual erinnern, eingeritzt mit einem sehr scharfen Messer. Genau wie bei Emma damals. Kann es sein, dass ihr Vergewaltiger wieder aktiv ist? Die Indizien sprechen dagegen. Doch als kurz darauf eine grauenhaft zugerichtete Wasserleiche auftaucht, ist Emma sicher: Auch dieses Opfer trägt seine Handschrift. Niemand glaubt ihr. Die Dämonen kehren zurück. Und Emma beginnt, auf eigene Faust zu ermitteln.

„Wassertöchter“ ist nach „Neuntöter“ und „Blutbuch“ der dritte Band der Emma-Carow-Trilogie. Schon die ersten beiden Bände haben einen starken Eindruck hinterlassen. „Wassertöchter“ führt diesen nun fort. Emma Carow ist eine Frauenfigur, die anpackt. Das Autorenduo Ule Hansen jagt einen durch 96. Kapitel ohne dabei die Notbremse zu ziehen! Ein Thriller ohne Haltestation. Bitte anschnallen!

Heyne, 431 Seiten; 17,00 Euro

BuchKolumne 25.05.2020 Nr. 614

Romy Hausmann – Marta schläft
Ferdinand von Schirach / Alexander Kluge – Trotzdem
Katharina Fuchs – Neuleben
Werner Bätzing – Das Landleben
Ulf Schiewe – Die Kinder von Nebra

Romy Hausmann – Marta schläft

Es ist Jahre her, dass man Nadja für ein grausames Verbrechen verurteilt hat. Nach ihrer Haftentlassung wünscht sie sich nichts sehnlicher, als ein normales Leben zu führen. Doch dann geschieht ein Mord. Und der soll ungeschehen gemacht werden. Ein abgelegenes Haus wird zum Schauplatz eines bizarren Spiels ‒ denn Nadjas Vergangenheit macht sie zum perfekten Opfer. Und zur perfekten Mörderin.

Romy Hausmanns Debütthriller „Liebes Kind“ ist eingeschlagen wie eine Bombe! Ein Megabestseller, der auch noch in 18 Ländern erscheinen wird. Was für ein Erfolg für die Deutsche Romy Hausmann. Und nun ihr zweiter Thriller. Solch einen Einstand zu toppen ist nicht einfach, es gelingt ihr mit „Marta schläft“ auch nicht so ganz. Aber „Liebes Kind“ war einfach so einzigartig. Doch auch „Marta schläft“ hat mich gleich von Anfang an angezogen. Geschickt baut Romy Hausmann ihre Story auf. Sie wechselt zwischen Gegenwart und Vergangenheit und ergänzt das Ganze noch mit Auszügen aus geheimnisvollen Briefen. Eins ist gewiss: Romy Hausmann weiß, wie man einen perfekten Thriller schreibt! Mit „Martha schläft“ setzt sie ihr Können auch wieder sehr gut um. Man ist voll und ganz bei Nadja und überlegt selbst, wie man in ihrer Situation gehandelt hätte. Eine falsche Entscheidung, und das ganze Leben kann in Schutt und Asche liegen. Doch Nadjas Weg ist nicht der einzige, dem der Leser folgen darf. „Marta schläft“, Sie, liebe Leserinnen und Leser, werden bei der Lektüre garantiert nicht einschlafen!

dtv, 385 Seiten; 16,90 Euro

Auch als Hörbuch erhältlich bei Hörbuch Hamburg. Inka Löwendorf und Matthias Koeberlin liefern eine perfekte Lesung ab! 17,00 Euro.

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Romy Hausmann – Marta schläft – Hörprobe 6:47 Min.

Ferdinand von Schirach / Alexander Kluge – Trotzdem

Ist der aktuelle Shutdown unserer Gesellschaft auch ein Shutdown unserer Grundrechte? Ferdinand von Schirach und Alexander Kluge gehen der Frage nach, was die Corona-Pandemie für unsere Gesellschaftsordnung und unsere bürgerliche Freiheit bedeutet. Sie führen am 30.03.2020 zwei Gespräche über einen Instant-Messaging-Dienst.

Wie macht man als bekannter und beliebter Bestsellerautor auch während der Corona-Krise ein gutes Geschäft? In dem man einen sehr guten neuen Roman präsentiert? Nein. Sondern ein kleines Büchlein mit 65 Seiten schreibt und dabei über die Corona-Krise im Stammtischmodus diskutiert. Das Buch wirft bekannte Fragen auf, gibt aber keine nachhaltigen Antworten. Vor allem mit dem Hintergrund des Ferdinand von Schirach (Jurist) hätte man da deutlich mehr erwarten können. Inhaltlich und auch von der Dicke des Buches. So füllt sich das Konto des Autors und der Leser weiß nach der Lektüre nicht mehr als zuvor. Wer sich nur ein klein wenig über die richtig recherchierenden Medien informiert hat, weiß bedeutend mehr, als dieses Büchlein hergibt. Hätte diese Aussagen (in einem Austausch mit Alexander Kluge) nicht ein Ferdinand von Schirach getätigt, wären diese nicht über den Nachbarszaun hinausgekommen.

Luchterhand, 78 Seiten; 8,00 Euro

  Katharina Fuchs – Neuleben

Weil sie als Tochter eines Wehrmachtoffiziers und einer Großgrundbesitzerin in der DDR nicht studieren darf, zieht Therese Trotha Anfang der fünfziger Jahre nach West-Berlin. Dort muss sie erleben, wie die wachsenden Unterschiede zwischen Ost und West ihre Familie auseinanderbrechen lassen. Auch ihr Studium gestaltet sich schwierig: Konservative Professoren und Kommilitonen machen Therese und ihrer Mitstudentin das Leben schwer. Die zwei einzigen Frauen an der juristischen Fakultät sind für sie Fremdkörper. Doch sie unterschätzen Thereses Begabung und ihren Willen. Verständnis für ihre Träume scheint lediglich ihre Schwägerin Gisela zu haben, denn auch sie fällt aus der ihr zugedachten Rolle: Die Schneiderin aus einfachen Verhältnissen hat mit Thereses Bruder eine „gute Partie“ gemacht und wehrt sich gegen die reine Hausfrauenehe. Wie Therese hat sie hochtrabende Pläne.

Basierend auf ihrer eigenen Familiengeschichte hat Katharina Fuchs Leben und Träume der Frauen in den 1950er Jahren eingefangen. Ein großer deutscher Roman über zwei großartige Frauen! Theresa und Gisela sind zwei starke Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen und ihre Träume und Wünsche leben und nicht dem Diktat der Männer oder der Gesellschaft folgen wollen. Katharina Fuchs fängt das Leben in der ersten Hälfte der 1950er Jahre auf wunderbare Weise ein. Vor allem das langsame Erblühen West-Berlins. Man erlebt den Aufbruch, aber auch die Gedanken an den Krieg, und alles was er hinterlassen hat, sind noch präsent, man erlebt die Konventionen und den neuen Mut. Ihr Frauenfiguren und auch die eingängigen Nebenfiguren haben daran einen großen Anteil, sie tragen einen durch die Geschichte. „Neuleben“ begeistert!

Droemer, 479 Seiten; 19,99 Euro

  Werner Bätzing – Das Landleben

Gibt es heute noch ein Leben auf dem Land, das nicht städtische geprägt ist? Und brauchen wir in der modernen Welt überhaupt ein Landleben? Oder ist es nur noch ein romantisches Relikt aus der vergangenen Zeit? Wer das Landleben verstehen will, muss Landwirtschaft, bäuerliche Kulturlandschaften, Dorfleben, Traditionen sowie die engen Verflechtungen zwischen Ihnen kennen. Da das Land aber stets in einem engen Austausch mit der Stadt steht, muss er auch verstehen, welche Auswirkungen die industrielle Revolution, die Entdeckung des Landes als „schöne Landschaft“, der wirtschaftliche und demographische Wandel, die Entstehung der Konsumgesellschaft und das Erstarken des Neoliberalismus auf das Landleben besitzen.

Wenn es nach den Großstadtmedien geht, ist das Landleben eine aussterbende Art. Nein, es ist vielerorts pulsierendes Leben, aber eben auf eine andere Art. Werner Bätzing, Geograph und Alpenforscher, geht in seinem Buch „Das Landleben – Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform“ genau diesem nach. Wer das Landleben erforschen will, ist bei diesem Buch gut aufgehoben. Eine breite und interessante Analyse. Die Hauptthemen sind: „Landleben – was bedeutet das?“, „Die Entstehung des Landlebens und die Veränderung der Natur“, „Die Entwertung des Landes durch die Entstehung von Städten und Hochkultur“, „Die Gleichwertigkeit von Land und Stadt im mittelalterlichen Europa“, „Die Auswirkungen der industriellen Revolution auf das Landleben“, „Die forcierte Modernisierung des Landlebens zwischen 1960 und 1980“, „Die Postmoderne – eine neue Aufwertung oder das endgültige Verschwinden des Landlebens“ und „Welche Zukunft für das Landleben“.

C. H. Beck, 302 Seiten; 26,00 Euro

   Ulf Schiewe – Die Kinder von Nebra

Nebra vor 4000 Jahren: Lange haben sich die Menschen der Willkür des mächtigen Fürsten Orkon gebeugt, der das Volk quält und ausbeutet, sich nimmt, wonach immer es ihn gelüstet. Jetzt endlich regt sich Widerstand. Die junge Priesterin Rana will Orkons dunkle Herrschaft brechen und die Menschen befreien. Das Werk ihres Vaters soll ihr dabei helfen: eine bronzene Scheibe, die den Sternenhimmel zeigt und eine geheime Botschaft der Götter enthält. Sie steht für die Göttin des Lichts, die dem Hass Liebe entgegensetzt. Doch Ranas Weg ist gefährlich, viel steht auf dem Spiel. Auch das Leben derjenigen, die ihr am liebsten sind.

Ulf Schiewe schreibt historische Romane allerster Güte! Dazu zählen „Die Normannen“-Saga und „Die Wikinger“-Saga. Atemberaubend! Und noch weitere Solo-Romane, auch durchweg gut. Nun ist sein neuer Roman erschienen: „Die Kinder von Nebra“ – fesselnder historischer Lesestoff! Was anderes war von Ulf Schiewe auch nicht zu erwarten. Er versteht es, historische Stoffe zu einer packenden Geschichte zu verarbeiten. Das ist ihm auch wieder in „Die Kinder von „Nebra“ gelungen.

Lübbe, 619 Seiten; 24,00 Euro