Mai 3, 2024

Kolumne 27.03.2023 Nr. 762



BuchKolumne 27.03.2023 Nr. 762

Andreas Brandhorst – Oxygen – Welt ohne Sauerstoff
Lisa Unger – Das makellose Mädchen
Florian Schwiecker / Michael Tsokos – Die letzte Lügnerin
Frank Schwieger – Kinder unterm Hakenkreuz
Wolfgang Benz – Allein gegen Hitler

  Andreas Brandhorst – Oxygen – Welt ohne Sauerstoff

Es hätte alles so schön werden können. Durch die Förderung regenerativer Energiequellen und den Einsatz neuer Technologien zeichnet sich eine Lösung der Klimakrise bereits am Horizont ab. Doch dann macht die Meeresbiologin Laura Lombardi eine beunruhigende Entdeckung: Das Plankton in den Weltmeeren, das für einen großen Teil der globalen Sauerstoffproduktion verantwortlich ist, verliert die Fähigkeit zur Fotosynthese. Was zuerst nach einem Messfehler aussieht, dann nach einer regionalen Anomalie, entwickelt sich zur größten Katastrophe in der Geschichte der Menschheit: Der Welt scheint die Luft auszugehen, und Suche nach einem Gegenmittel ist schwieriger als gedacht.

Andreas Brandhorst ist ein Visionär in der Thriller-Literatur! Seine Bücher zünden immer ein Feuerwerk –mit spannenden Ideen, Zukunftsszenarien, gepaart mit eingängigen Charakteren. Alles, was Andreas Brandhorst ausmacht, bringt er in seinem neuen Öko-Thriller „Oxygen – Welt ohne Sauerstoff“ mit ein. Ganz nach Laura Lombardi: „Siebzig bis achtzig Prozent des Sauerstoffs in unserer Atmosphäre stammen von Phytoplankton. Wenn es keinen Nachschub gibt, geht uns allen die Luft aus.“ Andreas Brandhorst entwirft ein ökologisches Alptraum-Zukunftsszenario. Dabei bleibt er in vielen Bereichen, Wirtschaft und Politik, so nah an der Realität, so dass seine „Welt ohne Sauerstoff“ noch realer wirkt. Erschreckend real mit hohem Spannungspotenzial und ausgewiesenem Suchtfaktor! Der Autor entwirft ein apokalyptisches Szenario für die Welt von morgen, gegen die die Zombie-Serie „The Walking Dead“ wie ein Kindergeburtstag mit rosa und himmelblauen Luftballons wirkt.

TOR, 606 Seiten; 18,00 Euro

 Lisa Unger – Das makellose Mädchen

Lisa Unger - Das makellose Mädchen

Als Wren das Foto auf der Dating-App sieht, fühlt sie sich sogleich zu dem Mann mit dem melancholischen Lächeln hingezogen. Kurz darauf trifft sie Adam in einer Bar, und es ist vollends um sie geschehen. Doch dann meldet sich ihr Traummann plötzlich nicht mehr, und wenig später steht ein Polizist vor ihrer Tür. Er ist dem rätselhaften Verschwinden einer ganzen Reihe junger Frauen auf der Spur. Sie alle hatten sich über die App verliebt und wurden anschließend nie mehr gesehen. Hat Adam etwas mit ihrem Verschwinden zu tun? Auf der Suche nach ihm stößt Wren auf beunruhigende Gemeinsamkeiten zwischen den Vermisstenfällen – und auf einen Mann mit einem tödlichen Plan.

Die Amerikanerin Lisa Unger gehört zu einer der etabliertesten Spannungsautorinnen weltweit! Ihre Bücher haben nicht immer die gleich hohe Qualität. „Das makellose Mädchen“ ist ihr neuester Thriller. Wobei Thriller etwas irreführend ist, denn es handelt sich beim „makellosen Mädchen“ doch eher um einen psychologischen Spannungsroman. Ein Spannungsroman mit zahlreichen Längen. Lisa Unger setzt wohl versiert zahlreiche Spuren in ihre Story, aber so überraschend und klug ist das nicht immer. Die Protagonistin war mir nicht überaus sympathisch, ich habe ihren Weg eher anstrengend verfolgt. Eigentlich bietet „Das makellose Mädchen“ eine gut Grundidee, aber Lisa Unger schöpft das Potenzial ihrer Story nicht vollumfänglich aus.

Lübbe, 446 Seiten; 12,00 Euro

 Florian Schwiecker / Michael Tsokos – Die letzte Lügnerin

Ein Polit-Skandal erschüttert Berlin: In einem geleakten Video ist zu sehen, wie Bausenator Dieter Möller schmutzige Immobiliendeals mit einem russischen Oligarchen aushandelt – auch der Vater von Strafverteidiger Rocco Eberhardt soll darin verwickelt sein. Als der für das Video verantwortliche Tontechniker auf dem Seziertisch von Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer landet, lautet die Anklage gegen Möller plötzlich auf Mord. In die Enge getrieben, bittet er Rocco um Hilfe und beteuert seine Unschuld. Doch die ermittelnde Kommissarin findet immer mehr Beweise gegen den Bausenator, und Rocco muss sich fragen, ob sein Vater einen Mörder deckt.

Es geht Schlag auf Schlag. Zum Luftholen bleibt keine Zeit! Auch der dritte Justiz-Krimi „Die letzte Lügnerin“, nach „Die 7. Zeugin“ und „Der 13. Mann“, des Autorenduos Schwiecker und Tsokos besticht wieder durch die hohe Erzähldichte. Die beiden Parts, Anwalt und Gerichtsmediziner, werden schlagkräftig bedient. Wobei der Anwalts-Part wieder den größeren Teil einnimmt, aber genau das macht die Justiz-Krimis des Autorenduos ja auch so spannend. Die Gerichtsszenen haben immer eine besondere Spannungsdichte. „Die letzte Lügnerin“ ist brandaktuell, hochspannend und überraschend! Versprochen, die Justiz-Krimis von Florian Schwiecker und Michael Tsokos verurteilen Sie zum immer weiterlesen. Bis der Hammer auf der letzten Seite fällt!

Knaur, 269 Seiten; 12,99 Euro

    Frank Schwieger – Kinder unterm Hakenkreuz

Kinder stellen schon früh Fragen zum Nationalsozialismus. Wie können wir ihnen das Grauen jener Zeit vermitteln? Stellvertretend stellen sich hier zehn Kinder vor, die das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg ganz unterschiedlich erlebt haben. Flankiert werden diese Geschichten von Illustrationen, Fotos und Sachtexten, die die historischen Hintergründe erklären. Dieses Buch zeigt, wie Kinder damals mit Verfolgung und Ausgrenzung, mit Krieg und Flucht, aber auch mit Propaganda innerhalb der Familie umgingen. Heutige Kinder lernen daraus viel über Zivilcourage, Mut und Verzweiflung, Angst und Hoffnung.

Frank Schwieger ist dafür bekannt, historische Stoffe, meist aus der Antike, Kindern und Jugendlichen nahezubringen. Seine Bücher sind zugleich unterhaltsam und lehrreich. Sein neues Buch beschäftigt sich natürlich wieder mit Kindern, aber diesmal geht es weniger bunt und farbenfroh zu, sondern es wird düster und beklemmend. Es geht um den Nationalsozialismus und wie Kinder diese Zeit erlebten. Sehr eindringlich, aber trotzdem Kind- und jugendgerecht beschreibt er diese Zeit durch Kinderaugen. Frank Schwieger schafft es wieder, lehrreiche Lektüre für Kinder und Jugendliche zu erschaffen, und dabei trotzdem immer auch spannende Geschichten zu erzählen.

dtv, 287 Seiten; 18,00 Euro

  Wolfgang Benz – Allein gegen Hitler

Am 8. November 1939 explodierte im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe. Eigentlich hätte sie Adolf Hitler töten sollen, während er gerade eine Rede hielt. Wenn dieser Plan aufgegangen wäre, hätten der 2. Weltkrieg und mit ihm die Weltgeschichte einen völlig anderen Verlauf genommen. Doch der „Führer“ verließ vorzeitig den Saal und kam mit dem Leben davon. Dieses Buch erzählt die Geschichte des Mannes, der die Tat ganz allein plante und ausführte: Johann Georg Elser.

Früher als die meisten Deutschen erkannte der Schreiner Georg Elser, dass Hitlers Regime Krieg und Verderben bedeutete. Um das zu verhindern, fasste er den Entschluss zum Attentat, konstruierte – technisch perfekter als die Offiziere des militärischen Widerstands – eine Bombe samt Zündmechanismus und versteckte sie unbemerkt in einer Säule des Bürgerbräukellers. Heute ist Elser zwar fast so berühmt wie die Geschwister Scholl und Graf Stauffenberg, der Held des 20. Juli 1944. Aber als Person blieb er unbekannt. Das will diese Biografie nun ändern. Wolfgang Benz gelingt eine fesselnde Aufarbeitung von Elsers Leben und seinem Entschluss, in den Widerstand zu wechseln! Wer Johann Georg Elser kennenlernen möchte, über dem, was man landläufig von ihm weiß, dem ist Wolfgang Benz’ Biographie sehr zu empfehlen. Die Hauptkapitel sind: „Acht Tote und 63 Verletzte – aber Hitler lebt. Der Mordanschlag im Münchner Bürgerbräu“, „Königsbronn: Industriedorf auf der Schwäbischen Alb – Idyll und Rebellen“, „Kindheit, Jugend, Wanderjahre“, „Der Aufstieg der NSDAP in Württemberg“, „Prekäre Existenz in der Heimat“, „Tyrannenmord: Ethische Voraussetzungen und technische Problem“, „Entschluss und Obsession“, „Vorbereitung der Tat“, „Der historische Augenblick“, „Verhaftung“, „Reaktionen und Wirkung des Attentats“, „Verhöre, Terror, Sippenhaft“, „Einsamkeit und Todesangst“, „Das Ende“, „Vergessen, verleugnet, verleumdet“ und „Lichtgestalt des Widerstands“.

C. H. Beck, 224 Seiten; 27,00 Euro