Kolumne vom 26.01.2015 – Nr. 336
Tana French
Geheimer Ort
Im behüteten Mädcheninternat St. Kilda ist vor einem Jahr dort im Park ein Junge erschlagen worden. Nun hängt sein Bild am Schwarzen Brett – mit der Überschrift: “Ich weiß, wer ihn getötet hat”. Nur eines von acht Mädchen kann die Karte aufgehängt haben. In zwei Cliquen stehen sie sich gegenüber – unverbrüchliche Freundinnen, erbarmungslose Feindinnen. Der junge Detective Stephen Moran kennt eines der Mädchen, Holly Mackey, aus einem früheren Fall und meint zu wissen, was auf dem Spiel steht. Bis er hinter den Mauern von St. Kilda selbst in das verfängliche Netz aus Träumen und Lügen gerät.
Tana French schreibt ganz andere Kriminalliteratur. Anders und fabelhaft. Mit ihrem eigenwilligen Erzählstil präsentiert sie dem Leser hochkarätige Kriminalromane. Nach ihren Bestsellern wie “Grabesgrün” und “Totengleich” folgt nun ihr neuer “Geheimer Ort”. Die Story wird langsam und aufwendig aufgebaut. Tana French versteht es, mit ihren Stil alles sehr nah und detailreich zu schildern. Und hier hakt es bei der Story dann auch immer wieder mal. Zu viele belanglose Gespräche und zu viel Paranormales. Da wäre weniger mehr gewesen. Die Mechanismen eines solchen Mädcheninternats kennenzulernen ist wiederum interessant. Es gibt einem Einblicke in eine eigene Welt. “Geheimer Ort” ist ein Krimi im Tana-French-Style! Aber sicher nicht ihr bester.
Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Inka Löwendorf und Gerrit Schmidt-Foß liefern eine eindrucksvolle Lesung ab. 19,99 Euro.
Scherz, 698 Seiten; 14,99 Euro
Christopher Galt
Testament
Auf der ganzen Welt haben Menschen unerklärliche Visionen. Ein Polizeibeamter erblickt das Gespenst seiner Frau in der Küche. Ein Passagierflugzeug stürzt ab, als der Pilot einem Vulkan ausweicht, der überhaupt nicht existieren dürfte. In Israel beobachten Menschen, wie sich das rote Meer teilt. Während Wissenschaftler von einer Virus-Epidemie ausgehen, sehen Religionsfanatiker die Hand Gottes am Werk. Der Psychologe John Macbeth untersucht das Phänomen. Was er herausfindet, ist unfassbar.
Auf dem Buch steht Thriller. Aber eine flott erzählte Story verbirgt sich in diesem Buch wahrlich nicht. Ganz im Gegenteil. Zäh und ermüdend kommt die Story daher. Christopher Galt hat mit “Testament” aber auch einiges richtig gemacht. Denn seine Ausführungen über Wissenschaft und Religion sind zwar viel zu lang geraten, aber sie vermitteln doch auch interessante Denkansätze. Trotzdem hat diese Ausführlichkeit der Themen nichts in einem Thriller zu suchen. Die Spannungsmomente in dem Buch werden durch diese Langatmigkeit immer wieder abgewürgt. Zum Ende hin wird die Story besser. Doch das “Testament” ist bis dahin schon unterzeichnet.
Bastei Lübbe, 526 Seiten; 9,99 Euro
Luca Crippa / Maurizio Onnis
Wilhelm Brasse – Der Fotograf von Auschwitz
1940 wird Wilhelm Brasse, Sohn eines Österreichers und einer Polin, nach Auschwitz deportiert. Als die Lagerleitung hört, dass er ein ausgebildeter Fotograf ist, lässt man ihn arbeiten. In den nächsten Jahren muss er etwa 50.000 Fotos von Häftlingen machen. Entgegen den Anordnungen der Lagerleitung versucht Wilhelm Brasse ihnen Respekt und Mitgefühl zu zeigen. Zugleich versucht er sich mit seiner Arbeit von dem Grauen ringsum abzuschotten. Vergeblich, denn bald muss er auch die barbarischen Versuche der Lagerärzte an Zwillingen und Frauen dokumentieren. Er schmuggelt Fotos hinaus und hat am Ende nur noch ein Ziel: die Vernichtung dieser Aufnahmen durch die fluchtbereiten SS-Männer zu verhindern.
Ein erschütterndes, trauriges und wichtiges Buch! Man leidet mit den Menschen und kann einfach immer wieder aufs Neue nicht verstehen, wie andere Menschen das ihresgleichen antun konnten. Wilhelm Brasse wusste natürlich, was mit allen im Lager geschah, die er fotografierte. Und doch konnte er nicht das Geringste machen, denn es wäre auch sein eigenes Todesurteil gewesen. Mit diesem inneren Konflikt kämpft Brasse die ganze grausame Zeit, die er in Auschwitz verbringt. Die Beschreibungen von den Personen, die gerade noch lebten und fotografiert wurden, mit dem Wissen zu sehen, dass sie kurz darauf schon tot sein werden, das macht einen beim Lesen tieftraurig. “Der Fotograf von Auschwitz” zeigt die grausame Fratze der Menschen, aber auch Mitgefühl und Mut.
Blessing, 336 Seiten; 19,99 Euro
Laline Paull
Die Bienen
Flora 717 ist eine Säuberungsbiene aus der untersten Kaste im Bienenkorb. Ausgestattet mit Fähigkeiten, die ihren Rang weit überschreiten, steigt sie schnell auf und darf sogar an der Seite der Königin leben. Doch ohne es zu wollen, gebiert Flora eines Tages ein Ei. Ein Umstand, der allein der Königin vorbehalten ist und bei Missachtung schwer bestraft wird.
Wie geht es zu im Bienenvolk? “Die Bienen” gibt Ihnen die Antwort. Ein wunderbarer Roman über ein für uns so wichtiges Tierchen, die Biene. Die Engländerin Laline Paull eröffnete dem Leser einen unbekannten Kosmos und erfüllt ihn mit viel Leben. Man klebt schnell an der Geschichte und an Flora fest. Loskommen tut man erst mit dem Epilog.
Tropen, 343 Seiten; 19,95 Euro
Hannah Kent
Das Seelenhaus
Island 1828. Die verschlossene Agnes wird als hart arbeitende Magd respektiert. Als sie des Mordes an zwei Männern angeklagt wird, ist sie allein. Die Zeit bis zur Hinrichtung soll sie auf dem Hof eines Beamten verbringen. Die Familie ist außer sich, bis Agnes Stück um Stück die Geschichte ihres Lebens preisgibt.
Ein authentischer Roman, der Realität und Fiktion spannend und dramatisch mixt. Die Geschichte geht einem nahe und man ist sehr bei der Hauptfigur. Die Australierin Hannah Kent hat mit der Geschichte der historischen Figur der Agnes einen Bestseller gelandet. Die Rechte am Buch sind mittlerweile in zwanzig Länder verkauft.
Droemer, 383 Seiten; 19,99 Euro
Hörbuch der Woche
Silvia Day
Crossfire – Hingabe
Eva und Gideon haben sich das Ja-Wort gegeben. Sie waren überzeugt, dass nichts sie mehr trennen kann. Doch seit der Hochzeit sind ihre Unsicherheiten und Ängste größer denn je. Eva spürt, dass Gideon ihr entgleitet und dass ihre Liebe in einer Weise auf die Probe gestellt wird, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte. Plötzlich stehen die Liebenden vor ihrer schwersten Entscheidung: Wollen sie die Sicherheit ihres früheren Lebens wirklich gegen eine Zukunft eintauschen, die ihnen immer mehr wie ein ferner Traum erscheint?
Sex und Liebe, Liebe und Sex, und noch viel Geziehe zwischen den Geschlechtern. Nach den drei megaerfolgreichen Bänden der “Crossfire”-Reihe folgt nun der vierte “Hingabe”. Eva und Gideon entwickeln sich in ihrer Beziehung weiter und auch wieder nicht. Es ist ein ewiges hin und her, gewürzt mit ein paar sexuellen Akten. “Crossfire” ist nach “Shades of Grey” die Marke der neuen erotischen Literatur. Gewesen. Denn mit diesem vierten Band hat sich die Autorin keinen großen Gefallen getan. Die ungekürzte Lesung wird von Svantje Wascher und Michael Hansonis dem Titel getreu vorgetragen. Sie fangen mit ihren Stimmen gut die Stimmungen des Romans ein. Aber auch sie können am Ende nicht überzeugen.
Auch als Taschenbuch erhältlich bei Heyne, 9,99 Euro.
Random House Audio, 2 MP 3CDs, 795 Minuten; 14,99 Euro
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