März 29, 2024

Kolumne 25.04.2016

Kolumne vom 25.04.2016 – Nr. 401


Szczepan Twardochdaumen rauf

Drach

Szczepan Twardoch -Drach

Die Erde weiß alles. Mit kühlem Blick, der die Zeiten durchdringt, sieht sie alles, was auf ihr geschieht. Sie kennt das Kind Josef Magnor, das im Oktober 1906 den Geschmack der Wurstsuppe schmeckt. Josef, der im Dreck der Schützengräben von Frankreich landet und später im Bett der jungen Caroline. Dem diese Erde jahrelang ein Versteck im schlesischen Stollen bietet, nachdem er aus Eifersucht eine Tragödie angerichtet hat. Die Erde kennt Nikodem, Josefs Urenkel. Nikodem, der zu seiner Geliebten zieht, aber von seiner Frau und Tochter nicht loskommt, auch nicht von dem schönen Haus, das er sich, gefragter Architekt des neuen Polen, gebaut hat – alles entgleitet ihm, auch die Geliebte. Was wird er retten können? Die Erde kennt das Ende, sie bleibt grausam kalt …

Nach seinem viel beachteten Debüt „Morphin“ legt der polnische Jung-Autor Szczepan Twardoch mit „Drach“ sogar noch an Qualität zu. „Drach“ ist ein Entdeckungsroman. Eine literarische Abenteuerreise. Durch die besondere Erzählweise, und das Springen zwischen den Jahrzehnten, erfährt man auf einer Seite die Geburt, das Leben und dann schon vom Tod der Person. Aber auch das ist ein besonderer Reiz dieser Geschichte. Die Erde, die Menschen, die darauf wandeln, das, was getan wird, gelebt, geliebt, getötet, alles ist vergänglich. Die Erde nimmt es wieder in sich auf. Das ist der Grundtenor von „Drach“. Erzählt in einem Ton, der einen mitreißt! Weise Literatur klug komponiert wie ein klassisches Musikstück. Erde. Liebe. Krieg. Alltag. „Drach“. Ein Husarenstück!

Rowohlt Berlin, 413 Seiten; 22,95 Euro


Thea Dorndaumen runter

Die Unglückseligen

Die UnglückseligenJohanna Mawet ist Molekularbiologin und forscht an Zebrafischen zur Unsterblichkeit von Zellen. Während eines Forschungsaufenthalts in den USA gabelt sie einen merkwürdigen, alterslosen Herrn auf. Je näher sie ihn kennenlernt, desto abstrusere Erfahrungen macht sie mit ihm. Er sei der Physiker Johann Wilhelm Ritter, geboren 1776. Starker Tobak für eine Naturwissenschaftlerin von heute. Um seiner vermeintlichen Unsterblichkeit auf die Spur zu kommen, lässt sie seine DNA sequenzieren. Als Johannas Kollegen misstrauisch werden, bleibt dem sonderbaren Paar nur eines: die Flucht –nach Deutschland.

Ich habe Thea Dorns Spannungsroman geschätzt. Gespannt war ich, wie sehr ihr reichlich gelobter neuer Roman „Die Unglückseligen“ auch mich begeistern wird. Nur sehr wenig, ist leider das Ergebnis. Der Plot hörte sich etwas verrückt, aber vielversprechend an. Science-Fiction meets Gesellschaftsroman meets Drama meets Faust-Stoff. Die Grundidee stimmte also, aber was die Bestsellerautorin daraus macht, ist meist ein staubtrockenes, ein unschön literarisch überbordendes Werk, dem jegliche Struktur fehlt. Spannungsbogen? Nein, hier nicht. Auch fehlte mir der Zugang zu den Figuren. Johanna und Johann wirken irgendwie fremd. Was sie da so treiben, mir war das bald ziemlich egal. „Die Unglückseligen“ lassen einen unglücklichen Leser zurück.

Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Gelesen von Bibiana Beglau (Schauspielerin des Jahres 2014) Ihre stimmliche Darbietung macht die Geschichte besser als sie ist. Doch sie alleine kann die Schwächen des Romans auch nicht ausmerzen. 24,99 Euro.

Knaus, 552 Seiten; 24,99 Euro


Paula Dalydaumen rauf

Herzgift

HerzgiftEine glückliche Ehe, zwei hinreißende Töchter und ein florierendes kleines Hotel im englischen Lake District: Natty und Sean Wainwright stehen auf der Sonnenseite des Lebens. Das Glück wird getrübt, als die jüngere Tochter auf der Klassenfahrt schwer erkrankt. Natty macht sich sofort auf den Weg nach Frankreich – nur gut, dass ihre beste Freundin Eve gerade zu Besuch ist und Sean in Nattys Abwesenheit unterstützen kann. Doch als Natty zurückkehrt, hat Eve ihr den Mann ausgespannt und ihr Zuhause übernommen. Selbst ihre Töchter werden von Eve umgarnt. Natty ist fassungslos. Die einst so enge Frauenfreundschaft wandelt sich in nackten Hass.

Die Britin Paula Daly hat mit ihrem Debütthriller „Der Mädchensucher“ bereits einen starken Eindruck hinterlassen. Ihr zweiter ist aber noch besser. Ein Psychothriller, der einen durch seine durchweg subtile Spannung frösteln lässt! In „Herzgift“ greift die Autorin dabei auf bekannte Mittel zurück, doch sie macht daraus einen durchweg guten Thriller. Eine gute Freundin, Eve, die Mann und Kinder „übernimmt“. Das kann Natty nicht hinnehmen. Der Psychokampf der beiden Frauen ist sehr fesselnd! Das Buch lässt einen nicht mehr los. Klug komponierte Spannung. Kritisieren kann man, dass die ganze Sache durch zu viele Zufälle beginnt, und das Eve im Jetzt und in der Vergangenheit zu viele Fehler gemacht hat.

Manhattan, 381 Seiten; 14,99 Euro


Thomas Thiemeyerdaumen rauf

Babylon

BabylonDas irakisch-syrische Grenzgebiet. In diese gefährlichsten Krisenregionen entsendet Multimilliardär Norman Stromberg die Archäologen Hannah Peters und ihren Mann John Evans. Der Auftrag: die Erkundung eines pyramidenartigen Bauwerks, das sich in immer engeren Spiralen hinunter in die Erde schraubt. Ein Schlund der Hölle, der fatal an Dantes Unterwelt erinnert. Was immer in der tiefsten seiner Kammern erwacht ist – ein vorzeitlicher Mechanismus oder eine uralte rachsüchtige Gottheit –, es hat das Ende der Menschheit eingeläutet.

Thomas Thiemeyer, Deutschlands bombastischer Thriller-Autor, präsentiert mit „Babylon“ wieder einen Genremix der zündet! Thriller, Action, Wissenschaft, Science Fiction, Drama, er lässt nichts aus, um den Leser gut zu unterhalten. Blockbuster-Kino zwischen zwei Buchdeckeln! Was anderes erwartet man von Thomas Thiemeyer auch gar nicht.

Knaur, 523 Seiten; 14,99 Euro


Raymond Khourydaumen rauf

Malum

Malum

Als FBI-Agent Sean Reilly einen anonymen Anruf erhält, scheint er dem Rätsel um den angeblichen Selbstmord seines Vaters endlich einen Schritt näher: Ein Wissenschaftler, der seit vielen Jahren mit der CIA zusammenarbeitet und auch Reillys Vater kannte, verspricht ihm Informationen, für die viele zu töten bereit seien. Doch der Informant stirbt, noch bevor es zum verabredeten Treffen kommt, und damit ist auch Reillys Leben in Gefahr. Er ist entschlossen, die Wahrheit ans Licht zu bringen – koste es, was es wolle.

Bestseller-Autor Raymond Khoury (u. a. „Scriptum”, „Dogma”, „Immortalis”,) legt mit seinem neuen Thriller „Malum“ wieder einen aktuellen, undurchsichtigen und rasanten Thriller vor, der mit einigen spektakulären Szenen länger im Gedächtnis bleibt. „Malum“ ist nach den anderen, und zuletzt „Furia“, der nächste Thriller aus der Reihe mit der Hauptfigur Sean Reilly.

Piper, 489 Seiten; 14,99 Euro


Hörbuch der Wochedaumen rauf

Frau Freitag

Für mich ist auch die 6. Stunde

Für mich ist auch die 6. Stunde

Jeder Lehrer steht vor den ewiggleichen Problemen: Wie gehe ich mit Störern um? Welche Haltung beziehe ich bei Handys, Schminke und Jacken im Unterricht? Was tun, wenn einem der Klassenchef auf der Nase herumtanzt? Wie wäre es zum Beispiel mit der Konfrontationstaktik? »Na, Mustafa, möchtest du vor deiner und seiner Mutter wiederholen, was du eben zu Emre gesagt hast? Was meinst du, wie deine Mama es findet, dass du so Sachen sagst wie: Ich pisse auf das Grab deiner Toten?« Mit Problemen im Schulalltag kennt sich Frau Freitag aus. Seit über fünfzehn Jahren unterrichtet sie an Brennpunktschulen. Was nicht hilft: die Theorien der Pädagogikpäpste, die seit Jahren keine Schule mehr von innen gesehen haben.

Frau Freitag hat mit ihren Bestsellern „Chill mal, Frau Freitag“, „Voll streng, Frau Freitag“ und „Echt easy, Frau Freitag“ den Lesern und Hörern die Schüler, die Lehrer und die Schule erklärt. Das tut sie auch in ihrem aktuellen Buch, das aber mehr ein Ratgeber für angehende Lehramtstudenten ist. Für sie ist es die optimale Lektüre, da sie so sehen, was wirklich in den Klassenzimmern passiert, sollten sie es nicht wissen. Danach wissen sie in Kurzform, was in der Kommunikation mit den Schülern so abgeht. Frau Freitag spricht über Schüler- und Lehrertypen, und wie man mit ihnen als Lehrer umgeht – mit den Schülern und den Kollegen. Da gibt es viel zu erzählen. Frau Freitag ist aber nicht nur gerne Lehrerin, weil es ihr Spaß macht, Jungendlichen etwas beizubringen, sondern auch wegen der vielen Ferien. Das und vieles andere erfährt man in „Für mich ist auch die 6. Stunde“ auf amüsante Weise. Was bei dem Hörbuch allerdings schade ist, es wird nicht von der quirligen Carolin Kebekus gelesen (wie die drei Hörbücher zuvor, und wie angekündigt), sondern von der Autorin selbst. Das mindert die Qualität des Textes als Hörbuch. Auf Carolin Kebekus hatte ich mich schon sehr gefreut.

Auch als Paperback erhältlich bei Ullstein, 14,99 Euro.

Hörbuch Hamburg, 4 CDs, 237 Minuten; 14,99 Euro.


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