April 29, 2024

Kolumne 21.02.2022 Nr. 705

705

BuchKolumne 21.02.2022 Nr. 705

Lexie Elliott – The French Girl
Jen Williams – Der Herzgräber
Arianna Farinelli – Aufbrüche
Klaus-Peter Wolf – Ostfriesensturm
Owen Matthews – Red Traitor

Lexie Elliott – The French Girl

The French Girl

Sommerurlaub nach dem Uni-Abschluss: Kate verbringt mit ihren Freunden eine Woche in Frankreich. Als die geheimnisvolle Französin Severine zur Gruppe stößt, gerät die Dynamik gefährlich durcheinander. Nach einem Eklat am letzten Tag verschwindet sie spurlos. Zehn Jahre später: Auf dem Gelände wird Severines Leiche gefunden – ermordet. Die ehemaligen College-Freunde geraten ins Visier der Polizei. Vor allem Kate hat ein Motiv, denn sie konnte Severine von Anfang an nicht ausstehen. Unter dem zunehmenden Ermittlungsdruck entgleitet Kate die Realität immer mehr, bis sie sich schließlich die Frage stellen muss: Ist der Abend vor zehn Jahren so verlaufen, wie sie ihn in Erinnerung hat?

Die Britin Lexie Elliott hat in ihrer Heimat schon mehrere Thriller veröffentlicht. Die LeserInnen waren meist voll des Lobes. Bei uns erscheint nun ihr erstes Buch „The French Girl“. Auf dem Cover steht wohl Thriller, aber das ist etwas zu hoch gegriffen. Doch an Spannung fehlt es der Geschichte nicht. Das Geheimnis rund um den Tod der jungen und hübschen Französin Severine baut sich von Anfang an auf. Auch sind Lexie Elliott ihre Charaktere sehr gut gelungen. Ich hatte von allen sofort ein Bild vor Augen. Vor allem natürlich Kate, als agierende Hauptfigur. Lexie Elliott baut die Rückblenden von der Zeit in Frankreich mit Severine geschickt in die Handlung ein. Sie unterbricht dabei nicht mit eigenen Kapiteln, sondern lässt Kate immer wieder die Zeit von damals reflektieren. „The French Girl“ überrascht mit dem Handlungsverlauf genauso, wie mit dem Ende. Ungewöhnlich, aber der Realität nahekommend. Lexie Elliott schreibt exzellente Spannungsromane!

dtv, 380 Seiten; 11,95 Euro

 Jen Williams – Der Herzgräber

Der Herzgräber

Als Heather Evans den Nachlass ihrer Mutter ordnet, findet sie viele Briefe eines verurteilten Serienkillers. Michael Reave hatte zahlreiche junge Frauen auf bestialische Weise getötet. Seit 20 Jahren verbüßt er nun schon seine Strafe in einem Hochsicherheitsgefängnis. Doch jetzt ist wieder eine junge Frau getötet worden. Man findet sie in einem ausgehöhlten Baumstumpf. Und dort, wo eigentlich ihr Herz schlagen sollte, stecken Blumen. Genauso hatte es seinerzeit Reave zelebriert. Als eine zweite Frauenleiche gefunden wird, entschließen sich Heather und Detective Ben Parker zu einem gefährlichen Schritt. Heather soll mit Michael Reave persönlich sprechen, ihm die Fragen stellen, die nur er beantworten kann. Doch die Wahrheit wird für Heather zu einem Wettlauf um ihr Leben.

Die Autorin Jen Williams ist in ihrer Heimat bekannt für ihre Bücher aus dem Fantasy-Genre. Bei uns erscheint nun ihr Thriller „Der Herzgräber“. Und die Story hört sich sehr vielversprechend an. Doch schnell kehrte bei mir Ernüchterung ein. Jen Williams hat mit Heather eine Hauptfigur entworfen, mit der ich mich nicht anfreunden konnte. Sie sammelte bei mir nur wenige Sympathiepunkte. Was ich auch als unpassend empfand, Jen Williams’ Abgleiten in andere Sphären. Fesselnd wird die Lektüre dadurch nicht. Jen Williams hat das Spannungspotenzial ihrer Story nur sehr mäßig genutzt und so verschwindet „Der Herzgräber“ schnell wieder in einem leeren Grab.

Fischer, 378 Seiten; 15,00 Euro

   Arianna Farinelli – Aufbrüche

Aufbrüche

Die Italienerin Bruna ist vor Jahren für ihre große Liebe Tom in die USA gegangen. Tom und Bruna haben zwei Kinder, die Ehe ist konfliktreich, auch geschuldet Toms unmöglicher Eltern, und als Bruna, die Uniprofessorin erneut schwanger ist, weiß sie nicht, ob Tom oder ihr Student Yunus der Vater ist. Über Nationalitäten, geschlechtlichen Identitäten und Politik hinweg nähern sich Bruna und Tom wieder an und wagen einen erneuten Aufbruch.

Arianna Farinelli ist eine sehr attraktive Frau, und ihr erster Roman ist literarisch attraktiv! Sie erzählt die Geschichte einer Ehe, die Geschichte von Familien und über ein Leben im heutigen gespaltenen und politischem Amerika. Und das macht sie auf ausgesprochen attraktive Art. Zu Bruna fand ich sofort einen Zugang und ich konnte mit ihr fühlen, und die Kämpfe, die sie mit Tom und mit seinen Eltern ausfechten muss. Auch ihr weiteres Handeln ist äußerst spannend. „Aufbrüche“ vereint viel in einem Roman. Der Kampf um die Liebe, um die Zugehörigkeit, um das Verstehen, eine Frau mit Migrationshintergrund im heutigen Amerika zu sein. Aber eigentlich ist die Geschichte universell zu sehen, nicht nur auf Amerika bezogen. Sie könnte sich so überall auf der Welt abspielen.

S. Fischer, 316 Seiten; 24,00 Euro

    Klaus-Peter Wolf – Ostfriesensturm

Ostfriesensturm

Der Anruf erreicht Ann Kathrin Klaasen und Frank Weller beim Spaziergang am menschenleeren Strand. In einer Ferienwohnung auf Wangerooge wurde die Leiche eines Mannes gefunden. Die Tötungsart lässt vermuten, dass hierfür das organisierte Verbrechen verantwortlich ist – Ann Kathrin und ihr Team sind alarmiert. In einem Tierpark geschieht kurz darauf ein weiterer Mord. Unter Hochdruck durchsucht die Polizei leerstehende Ferienwohnungen, nachdem alle Touristen Ostfriesland verlassen mussten. Wo versteckt sich der Killer?

Klaus-Peter Wolf hat den deutschen Kriminalroman auf ein neues Niveau gehoben! Seine Ostfriesen-Krimis um Kommissarin Ann Kathrin Klaasen sind eine Klasse für sich. Mit „Ostfriesensturm“ arbeitet sie sich nun bereits an ihrem 16. Fall ab. Und wieder verspricht Klaus-Peter Wolf, für was er bekannt ist: Knisternde Spannung, mit leichten Akzenten von Witz und der Brise deftiger und eleganter Charaktere! „Ostriesensturm“ bezeichnet Klaus-Peter Wolf am Ende des Buches als seinen bisher persönlichsten Kriminalroman, und erklärt, warum das so ist.

Fischer, 550 Seiten; 13,00 Euro

  Owen Matthews – Red Traitor

Red Traitor

Moskau, 1962. Alexander Wassin ist der Top-Agentenjäger des KGB. Als es gilt, einen Maulwurf im Kreml aufzuspüren, kommt nur er dafür infrage. Während die Spannungen zwischen Chruschtschow und Kennedy zunehmen und die Kubakrise auf ihren Höhepunkt zusteuert, ahnt Wassin nicht, dass das Schicksal der Welt bald vom Erfolg seiner Mission abhängt – und von der Geduld des Kapitäns einer sowjetischen U-Boot-Flotte, der weit unter dem Meer auf die Befehle seiner Kommandanten wartet, zu denen er den Kontakt verloren hat.

Das erste Mal bin ich 2015 auf Owen Matthews, Sohn eines Engländers und einer Russin, aufmerksam geworden. Mit „Moskau Babylon“ hat er mich begeistert. So war ich natürlich gespannt, wie er sein Russland-Wissen in einen Thriller packt. Mit „Black Sun“, der erste Fall für Alexander Wassin, hat er bewiesen, dass er das gut kann. Nun liegt mit „Red Traitor“ das zweite Buch aus der Reihe vor. Das spielt in einer geschichtlich sehr spannenden Zeit, während der Kubakrise. Das Buch wird stark aus der sowjetischen Sicht geschildert, aber das ist bei der Hauptfigur auch verständlich. Trotzdem hätte ein bisschen mehr Wechsel nicht schaden können, aber das ist nur eine kleine Kritik auf hohem Niveau. Denn dort ist „Red Traitor“ anzusiedeln. Ein gut recherchierter und spannender Spionage-Thriller, der einen in das Agentenherz der Sowjetunion blicken lässt!

Lübbe, 460 Seiten; 15,00 Euro