Mai 20, 2024

Kolumne 19.06.2023 Nr. 774


BuchKolumne 19.06.2023 Nr. 774

Soraya Lane – Die verlorene Tochter
Randi Fuglehaug – Todesschlag
Hika Harada – 3000 Yen fürs Glück
Daniel Leese / Shi Ming – Chinesisches Denken der Gegenwart
Hauke Friederichs – Spielball der Politik

  Soraya Lane – Die verlorene Tochter

Wenn Lily zwischen Rebstöcken hindurchläuft, ist sie glücklich, und so hat sie sich mit ihrem Beruf als Winzerin einen Traum erfüllt. Kurz vor ihrer Abreise nach Italien, wo sie auf dem berühmten Weingut der Familie Rossi arbeiten möchte, wird Lily ein geheimnisvolles Erbstück ausgehändigt: Eine kleine hölzerne Schachtel mit dem Namen ihrer Großmutter darauf. Die Schachtel wurde in einem ehemaligen Londoner Frauenhaus gefunden, und sie enthält lediglich ein handgeschriebenes Rezept auf Italienisch und ein Programm des Mailänder Opernhauses von 1946. Was hat es damit auf sich? In Italien angekommen, beginnt Lily sofort mit der Spurensuche – unterstützt von Antonio, dem charmanten Sohn der Familie Rossi, kommt sie schließlich der ebenso erschütternden wie anrührenden Geschichte einer großen Liebe auf die Spur, die auch ihrem Leben eine neue Richtung weisen könnte.

Letzte Woche schlug ich mit einem tränenden Auge das letzte Kapitel der überragenden „Sieben-Schwestern“-Reihe von Lucinda Riley zu. Doch seit die großartige Autorin diese Kapitel um die Schwestern begonnen hat, haben auch andere Autorinnen diese Idee übernommen. Nun gibt es eine neue Reihe einer neuseeländischen Autorin. Soraya Lane startet mit ihrer achtbändigen „Die-verlorenen-Töchter“-Reihe. „Die verlorene Tochter“ macht dabei den Anfang. Soraya Lane schafft es schnell, die LeserInnen abzuholen. In zwei Erzählsträngen spüren die LeserInnen den beiden Hauptcharakteren nach. Einmal Lily in der Gegenwart und dann Estée, deren Geschichte in Italien im Jahr 1937 beginnt. Für die LeserInnen beginnt eine abenteuerliche Reise. „Die-verlorene-Töchter“-Reihe hat das Zeug dazu, den LeserInnen von Lucinda Rileys „Sieben-Schwestern“-Reihe viele glückliche Lesestunden zu schenken. Soraya Lane hat das Talent, spannende und dramatische Geschichten zu erzählen!

Knaur, 431 Seiten; 12,99 Euro

 Randi Fuglehaug – Todesschlag

Die Woche vor Ostern steht ganz im Zeichen des renommierten Jazz-Festivals, das alljährlich in Voss stattfindet. In diesem Jahr wird es eröffnet von der Königin des Saxofons: Marta Tverberg. Sie spielt zwei Stunden ohne Pause. Hält eine flammende Rede gegen den Sexismus im Musikbetrieb. Nimmt ihr Instrument für ein letztes Solo. Und bricht tot auf der Bühne zusammen. Agnes Tveit sitzt im Publikum. Sie schreibt an einer Biografie über die weltberühmte Musikerin aus Voss. Als Agnes die Tagebücher der Künstlerin zugespielt werden, kommt schnell der Verdacht auf, dass dieser Tod gewollt war. In ihren Aufzeichnungen finden sich gleich mehrere Verdächtige. Doch wer kannte Marta Tverberg wirklich? Agnes recherchiert tiefer, stelle unbequeme Fragen. Und schwebt plötzlich selbst in Lebensgefahr.

Nach „Todesfall“ ist „Todesschlag“ der zweite Fall für Journalistin Agnes Tveit. Schon den ersten Fall fand ich etwas zäh und langatmig. Die Spannung fiel hier nicht besonders ins Gewicht. Und nun der nächste Schlag, auch beim zweiten Fall muss man den perfekten Spannungsbogen suchen. Und wird ihn nicht finden. Agnes Tveit ist nicht unsympathisch, aber ich war wie schon beim ersten Fall nicht unbedingt erpicht darauf, ihr bei ihren Ermittlungen zu folgen. Ein paar kleine Höhepunkte gibt es, aber die sind rar gesät. „Todesschlag“ bietet keine schlagenden Argumente, diesen Krimi unbedingt lesen zu müssen.

Fischer, 384 Seiten; 17,00 Euro

   Hika Harada – 3000 Yen fürs Glück

Hika Harada - 3000 Yen fürs Glück

Kaufe ich mir dafür eine Teekanne? Eine rosa Geldbörse? Oder lade ich meine Freundinnen zum Essen ein? Kotoko, die Matriarchin der Familie Mikuriya, ist überzeugt: Wie man diese eher kleine Summe ausgibt, sagt viel über die eigene Persönlichkeit aus. Und ihre Enkelin Miho stellt fest, dass da etwas dran sein muss … Vier Frauen im heutigen Japan, ihre Träume und Wünsche. Ob es die erste Liebe der jungen Miho ist oder die langjährige Ehe ihrer Mutter, die Sorgen der Großmutter um ihre Rente oder die Familienplanung von Mihos Schwester – sie alle machen sich Gedanken um ihre Zukunft und fragen sich: Beeinflusst Geld unsere Persönlichkeit? Wie weit können wir unser Schicksal bestimmen? Ist es je zu spät, von vorn anzufangen?

Gleich vornweg: 1.000 Yen sind derzeit € 6,45. Damit können Sie den Roman besser lesen und „bearbeiten“ und „besparen“. Denn Arbeit ist in Japan etwas anders als bei uns. Wenn Sie es noch nicht wussten, werden Sie es mit diesem Roman erfahren. Auch lernt man Japan, die Menschen, das Leben, die Kultur, die Arbeitswelt und noch vieles mehr besser kennen. Auch hier erwartet die LeserInnen eine ganz andere Welt. Es gibt ja nicht so viel Literatur, die aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzt wird, und dann auch noch mit großer Freude gelesen werden kann. „3000 Yen fürs Glück“ liest man mit großer Freude! Geschichten über das Leben in Japan, die alltäglichen, die aber trotzdem sehr lesenswert dargestellt sind. Zudem gibt es auch eine zarte Liebesgeschichte, die auch einiges Besonders zu bieten hat, und zugleich das Thema Scheidung auf der anderen Seite. Das Aufkeimen der Liebe und das Beenden einer einstiegen Liebe. „3000 Yen fürs Glück“ ist ein pfiffiges Spar-Buch versteckt in einem klugen Roman!

dtv, 298 Seiten; 23,00 Euro

    Daniel Leese / Shi Ming – Chinesisches Denken der Gegenwart

Dieses Buch hat ein großes Spektrum. Es reicht von regimekritischen bis zu staats- und parteinahen Beiträgen, der Zeitraum ihrer Publikation erstreckt sich von der Weltfinanzkrise bis zur unmittelbaren Gegenwart. Maßgebliches Auswahlkriterium war, dass der jeweilige Text einen substanziellen Beitrag zum Verständnis zentraler Probleme der chinesischen Politik und Gesellschaft in allgemein zugänglicher Form liefert. Neben wissenschaftlichen Artikeln finden sich daher auch Reden, Blogbeiträge und verschriftlichte Diskussionsrunden. Die Auswahl versammelt Beiträge von Historikern und Politikwissenschaftlern, Soziologinnen und Journalistinnen sowie von bekannten Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern.

Um in Zukunft auf Augenhöhe mit der Volksrepublik China debattieren zu können, muss auch eine allgemeine deutsche Öffentlichkeit sich darüber im Klaren sein, worüber in China selbst diskutiert wird, was die Kernargumente zentraler Diskurse sind und wie diese vor einem breiteren Panorama der chinesischen Geschichte und Politik eingeordnet werden können. Daher ist dieses Buch ein ungeheuer wichtiger Beitrag zur Debatte. Mit diesem Band wird Neuland betreten. Die China-Experten Daniel Leese und Ming Shi haben Analysen aus der Feder führender chinesischer Intellektueller der Gegenwart herausgesucht, erstmals ins Deutsche übersetzt und für eine hiesige Leserschaft ausführlich kommentiert. Hier lernen Sie China von innen kennen! Eine äußerst spannende Reise in das politische und gesellschaftliche Herz von China. Die Hauptthemen sind: „Chinesisches Selbstverständnis“, „Staatsdenken und Herrschaftslegitimation“, „Bauernfrage und ländliche Modernisierung“ und „Zukunftsperspektiven“.

C. H. Beck, 640 Seiten; 29,90 Euro

  Hauke Friederichs – Spielball der Politik

Die Bundeswehr ist ein Kind des Kalten Krieges und ein Stiefkind der Bundesrepublik: Auf Druck der Amerikaner ins Leben gerufen, haben Bevölkerung und Armee bis heute nicht wirklich zueinander gefunden. Die Gründe liegen ebenso sehr in der NS-Vergangenheit wie in politischer Unsicherheit und Kurzsichtigkeit. Jahrzehntelang wurde die Truppe kaputtgespart, gleichzeitig stiegen die politischen Ansprüche ins Maßlose: Der gescheiterte Afghanistan-Einsatz steht dafür.

Hauke Friederichs beleuchtet die wechselnden Aufträge an die Bundeswehr, zeigt die lange Reihe von Skandalen und Affären, und macht deutlich, was es braucht, damit dieses Land wieder verteidigungsfähig ist und einen substanziellen Beitrag zum NATO-Bündnis leisten kann. Selten war die Bundeswehr so in aller Munde wie heute. Seit Putin Krieg gegen die Ukraine führt, hat sich die Welt, aber vor allem Europa verändert. Und die Bundeswehr bekommt wieder den Stellenwert, den sich viele von ihr wünschen. In „Spielball der Politik – Eine kurze Geschichte der Bundeswehr“ kann man den Weg der Truppe von Anfang bis heute verfolgen. Eine spannende Zeitreise in das Innenleben der Bundeswehr! Einige Hauptthemen sind: „Die Bundesrepublik bereitet die Wiederbewaffnung vor“, „Wieder Wehrpflicht und langsamer Aufbau“, „Die verfeindeten Brüder bringen sich in Stellung“, „Pläne für den Nuklearkrieg auf dem Gebiet der Bundesrepublik“, „Der Umgang mit militärischer Tradition und der Kritik an der Armee“, „Immer wieder Probleme mit der Ausrüstung“, „Ostpolitik, NATO-Doppelbeschluss und Beinahe-Krieg“, „Skandale bis in die jüngste Zeit“, „Der lange Weg zu einer weiblichen Truppe“, „Der Einsatz in Afghanistan entwickelt sich zum Krieg“ und „Die Bundeswehr vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges“.

dtv, 351 Seiten; 26,00 Euro