Dezember 8, 2024

Kolumne 18.05.2015

Kolumne vom 18.05.2015 – Nr. 352


Lilly Lindnerdaumen rauf

Winterwassertief

Winterwassertief

Mit sechs wiederholt vergewaltigt, mit 13 an Magersucht erkrankt, mit 21 ausgerechnet in einem Bordell Zuflucht gesucht: Lilly Lindners Geschichte war sehr aufwühlend. In diesem Buch erzählt sie nun, was danach kam: Von der Schwierigkeit, mit ihrer nackten Geschichte plötzlich in der Öffentlichkeit zu stehen, von der Ambivalenz ihrer eigenen Gefühle – aber auch von den berührenden Begegnungen, die sie seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hatte: mit Menschen, die ähnliche Schicksale haben wie sie, die sich ihr anvertrauen und denen sie mit ihren Worten helfen konnte. Für Lilly Lindner wurde der Schritt in die Öffentlichkeit zur Zerreißprobe. Am Ende ist sie aber daran gewachsen.

„Winterwassertief“ ist die Fortsetzung des sensationellen Bestsellers „Splitterfasernackt“. Lilly Lindner führt in diesem Buch ihre eigene, schmerzvolle Geschichte fort. Angefangen von der Entscheidung ein Buch über ihre grausamen Erlebnisse zu schreiben und damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Wie es ihr erging, bis sie einen Verlag gefunden hatte; die Zweifel, ob dieser Schritt richtig war und noch so viel mehr. Wie Lilly Lindner über ihr Leiden schreibt das ist poetisch, schmerzvoll, wie ein Stromschlag. Lilly Lindner ist eine Wortakrobatin, Wortzauberin und Wortpurzelbaumschlagerin. Ihre Sprache ist was ganz Besonderes. Lilly Lindner packt ein ganz schweres Thema in watteweiche Worte.

Droemer, 356 Seiten; 12,99 Euro


Liza Marklunddaumen runter

Jagd

Liza Marklund-JagdReporterin Annika Bengtzon gilt unter ihren Kollegen als tough und unbestechlich. Als sie zur Villa des Politikers Ingemar Lerberg gerufen wird, betritt sie eine andere Welt: wertkonservativ, traditionell und gediegen. Auf den erfolgreichen Geschäftsmann wurde ein Anschlag verübt. Für die Journalistin ist er kein Unbekannter, denn ein durch die Presse befeuerter Steuerskandal hatte Lerberg zum Rücktritt gezwungen. Annika Bengtzon folgt bald schon einer ganz eigenen Theorie und bringt gegen alle Widerstände Licht in ein Dunkel aus Gier und Verlogenheit.

Die schwedische Bestsellerautorin gehört nun schon fast zwei Jahrzehnte lang zur ersten Liga der europäischen Krimiautorinnen. Bei ihr wechseln sich sehr gute Krimis mit wieder sehr durchwachsenen ab. Ihr neuer „Jagd“ gehört zu den durchwachsenen. Die Story hat kaum richtige Spannungsmomente, sie wirkt bemüht und fließt einfach so dahin. Große Überraschungen? Fehlanzeige! Auch die Figuren haben nicht das Zeug, die Story irgendwie rumzureißen. Man ist wenig bei ihnen und es ist einem egal, was sie da treiben. Und Annika Bengtzon ist halt Annika Bengtzon. Man mag sie oder hasst sie.

Ullstein, 375 Seiten; 16,99 Euro


Sven Kochdaumen rauf

Dünenkiller

DuenenkillerOstfriesische Küste: Ein Geisterschiff auf der Nordsee, eine Yacht mit drei Toten und einer Überlebenden an Bord, die kein Wort spricht: Ein schwieriger Fall für die Sondereinheit des LKA Niedersachen rund um die Ermittler Femke Folkmer und Kriminalhauptkommissar Tjark Wolf. Die Toten scheinen zu einer Gesellschaft zu gehören, die Offshore-Windparks betreibt. Zunächst glaubt die Polizei, die Überlebende sei die Täterin. Doch als ein Mordanschlag auf die junge Frau verübt wird, ist klar, dass etwas ganz anderes hinter den Morden steckt …

Sven Koch gehört immer noch zu den Geheimtipps unter den deutschen Krimiautoren. Doch wenn er so weiter macht, dann nicht mehr lange. Sein neuester Kriminalroman „Dünenkiller“ ist fein gesponnen mit viel Lokalkolorit. Nach „Dünengrab“ und Dünentod“ ist „Dünenkiller“ der dritte Fall für das ostfriesische Ermittlerduo Tjark Wolf und Femke Folkmer. Der Krimi wird von der Stärke seiner Figuren getragen. Das sind die Ermittler, aber auch die Bösen. Das ist nicht viel weniger spannend als der Fall, der einige Rätsel aufgibt, die gelöst werden müssen. „Dünenkiller“ ist brandaktuell!

Knaur, 423 Seiten; 8,99 Euro


Siri Hustvedtdaumen rauf

Die gleißende Welt

Die gleißende Welt

Harriet Burden ist eine talentierte bildende Künstlerin und Witwe eines einflussreichen New Yorker Galeristen. Nach dessen Tod beginnt Harriert ein heimliches Experiment: eine künstlerische Karriere, die sich hinter dem angeblichen Werk dreier männlicher „Masken“ verbirgt, die in Wahrheit sie selbst erschaffen hat. Doch einer dieser Maskenmänner durchkreuzt ihr Rollenspiel. Es kommt zum Kampf zweier großer Geister.

Bestsellerautorin Siri Hustvedt kehrt in diesem Roman in die New Yorker Kunstwelt aus ihrem berühmten Buch „Was ich liebte“ zurück. „Die gleißende Welt“ zeigt wie man mit „männlicher“ Kunst große Erfolge haben kann, mit „weiblicher“ dagegen keine Beachtung finden würde. Diesen Irrsinn der Kunstwelt zeigt Siri Hustvedt in ihrem Roman deutlich auf. Ein sprachlich funkelndes Werk, das durch eine klasse Geschichte zu einem echten Hingucker auf der literarischen Bühne wird.

Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Corinna Harfouch und acht weitere Sprecherinnen und Sprecher machen aus diesem Hörbuch ein künstlerisches Meisterstück! 24,99 Euro.

 Rowohlt, 491 Seiten; 22,95 Euro


Wolf S. Dietrichdaumen rauf

Friesische Rache

Friesische Rache

Die Männer suchen ihre Opfer unter Borkums Feriengästen. Viele Jahre bleiben ihre Taten ungesühnt. Doch dann will sich eine Frau, ein Opfer von damals, an den Männern rächen. Nach diesem Todesfall wird Rieke Bernstein vom LKA zu dem Fall hinzugezogen. Sie soll die Tat aufklären. Das wird gefährlich …

 

Wolf S. Dietrichs hat schon zahlreiche Krimis geschrieben. Er versteht sein Handwerk. Und auch der erste Fall seiner neuen Ermittlerin Rieke Bernstein ist ein guter. „Friesische Rache“ wird in zwei Erzählsträngen aufgeteilt, einmal das Jahr 1990 und dann 2014. Abwechselnd kommt man der Vergangenheit und der Gegenwart näher. Spannend aufgebaut, auch wenn die großen Überraschungsmomente fehlen. Rieke Bernstein, bitte der nächste Fall!

Bastei Lübbe, 395 Seiten; 8,99 Euro


Hörbuch der Wochedaumen rauf

Gaby Köster

Die Chefin

Die Chefin -  Gaby Köster

Marie Sanders Leben ist in Schieflage geraten. Bei der erfolgreichen Rocksängerin, von allen nur „Die Chefin“ genannt, läuft’s nicht mehr. Es sitzt sich nur noch. Und zwar im Rollstuhl. Schlaganfall, kurz nach ihrem zweiundvierzigsten Geburtstag. Also ideale Voraussetzungen, um die Verfolgung einer verbrecherischen Bande aufzunehmen. Um sich auf eine Odyssee durch halb Europa zu begeben. Um sich in einen selbstverliebten Bodybuilder zu verlieben. Um zwei Roma-Kindern ihren Eltern wiederzugeben. Um das Leben neu anzugehen.

Gaby Köster hat sich nach ihrem Schlaganfall wieder in das Leben zurückgekämpft. Ganz großen Respekt dafür! Mit ihrem Roman „Die Chefin“ verarbeitet sie dort nun auch ihr Schicksal in Form von Marie Sanders. Aber vor allem ist der Roman eine total schräge Komödie mit unzähligen Lachern. Gaby Köster in Hochform! Unter der lauten Komik streut Gaby Köster aber auch ruhige Momente mit ein und spart auch nicht mit so mancher Gesellschaftskritik. Gaby Köster liest selbst. Sie liest etwas abgehakt, dafür aber mit voller kösterischer Inbrunst. Sie weiß am besten um ihrer zahlreichen Gags und betont diese in ihrer ganz eigenen Manier.

Auch als Hardcover erhältlich bei Pendo, 19,99 Euro.

Random House Audio, 1 MP3 CD, 444 Minuten; 19,99 Euro


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