März 19, 2024

Kolumne 17.10.2022


BuchKolumne 17.10.2022 Nr. 738

Rebecca Gablé – Drachenbanner
Arnaldur Indriðason – Wand des Schweigens
Martin Kordić
– Jahre mit Martha
Romy Hausmann – True Crime
Anna Veronika Wendland – Atomkraft? Ja bitte!

   Rebecca Gablé – Drachenbanner

England 1238: Die junge Adela of Waringham und Bedric, Sohn einer leibeigenen Bauernfamilie, sind zusammen aufgewachsen. Während Adela als Hofdame zur Schwester des Königs geschickt und später mit einem Ritter verheiratet wird, schuftet Bedric auf den Feldern von Waringham – dem Elend der Leibeigenschaft und der Willkür von Adelas Bruder ausgeliefert. Als die Situation unerträglich wird, flieht er, nicht ahnend, dass Adela von ihm schwanger ist. In London begegnet Bedric Simon de Montfort, dem charismatischen Schwager des Königs. Als 1258 Seuchen und Missernten über das Land ziehen, bricht ein Krieg aus, der eine neue Zeit einläutet. Doch Bedric und Adela haben einander nie vergessen.

Rebecca Gablé hat sich in die Herzen aller LeserInnen von historischen Romanen geschrieben! Wer einen ausgezeichneten historischen Roman lesen möchte, der kommt an einem von Rebecca Gablé nicht vorbei. Ich verfolge die Autorin nun schon seit Beginn ihrer Schriftstellerkarriere als Autorin von historischen Romanen. Jedes Mal überzeugt sie mich aufs Neue. Mit „Drachenbanner“ legt sie nun den 7. Band ihrer überaus erfolgreichen „Waringham“-Saga vor. Und wieder bekommen Ihre LeserInnen genau das, was sie von einem Roman von Rebecca Gablé erwarten. Historische Unterhaltung auf höchstem Niveau! Rebecca Gablé entführt mit viel historischem Wissen in eine spannende Zeit des Mittelalters und eine noch Spannendere in der Waringham-Biographie. Ihre Charaktere sind wie immer zum Greifen nah, obwohl sie von den LeserInnen fast 800 Jahre entfernt sind. Großartig! „Drachenbanner“ gehört mit zu den besten Romanen der „Waringham“-Saga.

Lübbe, 924 Seiten; 29,90 Euro

Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Detlef Bierstedt, die deutsche Stimme von Hollywood-Star George Clooney, liest wieder in Perfektion! 29,99 Euro.

Rebecca Gablé – Drachenbanner – Hörprobe: 10:00 Min.

    Arnaldur Indriðason – Wand des Schweigens

Arnaldur Indriðason - Wand des Schweigens

Dieser Fund, mitten in Reykjavík, ist ein Schock für die Bewohner: Hinter der Kellerwand ihres Wohnhauses entdecken sie ein menschliches Skelett. Offenbar wurde hier vor Jahrzehnten ein Mordopfer eingemauert und vor der Welt verborgen. Die Kripo Reykjavík nimmt die Ermittlungen auf, eine Vermisstenmeldung, die passen würde, finden sie jedoch nicht. Wer bloß ist das Opfer? Welches Verbrechen wurde hier begangen? Als der pensionierte Kommissar Konráð sich einschaltet, blocken die ehemaligen Kollegen ab. Sie vermuten, dass Konráð ihnen wichtige Infos bei früheren Ermittlungen verschwiegen hat. Konráð forscht daraufhin auf eigene Faust weiter. Hat das lange zurückliegende Verbrechen tatsächlich etwas mit seiner eigenen Familiengeschichte zu tun – mit dem Mord an seinem Vater?

Arnaldur Indriðason ist eine isländische Krimi-Ikone! Seine Kommissar-Erlendur-Krimis habe ich sehr gemocht. Mit seiner neuen Reihe um Kommissar Konráðs kann ich mich nicht so richtig anfreunden. Nun liegt mit „Wand des Schweigens“ der vierte Fall für Kommissar Konráðs vor. Der zweite Fall „Das Mädchen an der Brücke“ war gut, der dritte „Tiefe Schluchten“ so gar nicht. Und das setzt sich nun leider auch beim vierten Fall für Kommissar Konráðs fort. Die Atmosphäre der Story kann durchaus überzeugen, aber das war es dann auch schon. Wirkliche Spannung will bei diesem Krimi nicht aufkommen. Auch sind die verwendeten Themen der Geschichte altbekannt. Zudem ist Kommissar Konráðs nicht zwingend ein Sympathieträger. „Wand des Schweigens“ ist ein Krimi, der mit Schweigen in einer Wand verschwinden und nicht wieder hervorgeholt wird.

Lübbe, 398 Seiten; 22,90 Euro

   Martin Kordić – Jahre mit Martha

Martin Kordić - Jahre mit Martha

Željko, der von allen „Jimmy“ genannt wird, ist fünfzehn, als er sich in Martha verliebt. Sie ist Professorin in Heidelberg, er lebt mit seinen Eltern und Geschwistern zu fünft in einer Zweizimmerwohnung in Ludwigshafen. Martha hat, was Željko sich sehnlichst wünscht: Bücher, Bildung und Souveränität. Mit Martha besucht er zum ersten Mal ein Theater, sie spricht mit ihm, wie sonst niemand mit ihm spricht. Mit Marthas Liebe wächst Željkos Welt. Doch welche Welt ist es, die er da betritt und wen lässt er dafür zurück? Wo verlaufen die Grenzen zwischen Begehren und Ausbeutung?

„Jahre mit Martha“ ist eine ganz besondere deutsche Geschichte über Liebe und Migration in einem frischen und eleganten Ton erzählt! Jimmy und Frau Gruber, Frau Gruber und Jimmy, dann Martha und Jimmy. Der Hauch von Begehren und Liebe, die es so doch gar nicht geben darf. Aber es gibt eine Zeit, es gibt Momente, und passenden Umstände, die alles, was man gewohnheitsmäßig kennt, in Frage stellen. Es geht auch nicht um Zukunft, sondern um den Moment. Zudem schreibt Martin Kordic auch skizzenhaft schön über die 1990er. Die Zeit der VHS-Kassetten, der wenigen Fernsehprogramme und der CDs. Eine Zeit, für die Jugend heute, aus der Zeit gefallen. Zum Teil geht es auch um das Thema Migration und was die Menschen bei uns arbeiten, was sie bewegt. Aber das ist keinesfalls das Hauptthema, wie manch abgehobene Kritik zu diesem Buch zu behaupten weiß. Zwei Szenen aus dem Buch treffen gut die Mischung des Romans: „Martha begann sich auszuziehen. Sehr bewusst. Nicht langsam. Teil für Teil ihrer Kleidung warf sie hinter sich in den Niedergang. Erst das Basecap. Dann die Windjacke. Dann die Segelhose. Dann die Unterhose. Dann das Thermo-Longsleeve. Dann den Sport-BH.“ Und: Wer waren wir? Wer waren wir in Deutschland? Wer wollten wir sein? Durch die Neuen drängten sich diese Fragen mehr denn je nach vorne. Es war, als würden die Gastarbeiterkinder ihre eigenen Eltern sehen, wie sie hier vor Jahrzehnten angekommen waren, völlig unbedarft, gutgelaunt und abenteuerlustig.“

S. Fischer, 286 Seiten; 24,00 Euro

   Romy Hausmann – True Crime

Romy Hausmann - True Crime

Mit den hier versammelten Fallerzählungen führt Romy Hausmann den Beweis, dass kein Thriller Autor auch nur annähernd so bizarre Verbrechen schreiben kann wie das Leben. In Gesprächen mit Angehörigen und Opfern, Tätern und Ermittlern, mit Richtern, Forensikern, Medizinern und Trauma Experten spürt sie den Fragen hinter dem Offensichtlichen nach. Die Ergebnisse dieser Gespräche verdichtet sie zu einer sehr persönlichen Tagebucherzählung über die Macht der Gefühle von Opfern und Hinterbliebenen, zerstörte Leben und den Versuch, einen Abschluss zu finden. 

Romy Hausmanns Thriller-Karriere hat gezündet wie eine Rakete! Mit Büchern wie „Liebes Kind“ und „Martha schläft“ hat sie auch bei mir ein offenes Ohr gefunden. Mit ihrem neuen Buch geht sie einen anderen Weg, sie berichtet von wahren Kriminalfällen. Romy Hausmanns „True Crime“ ist spannend, berührend und schockierend! Das echte Leben als Thriller, beängstigend gut erzählt. Die Fälle sind: „Der Fall Cinnamon Brown“, „Der Fall Lisa Stasi“, „Der Fall Tiahleigh Palmer“, „Der Fall Shawn Hornbeck“, „Der Fall Phoebe Handsjuk“, „Der Fall Cari Farver“, „Der Fall Sherri Papini“, „Der Fall des Abbotsford-Killers“, „Der Fall Tim Cole“, „Der Fall Erin Caffey“ und „Der Fall Kate Yup“.

dtv, 411 Seiten; 16,00 Euro

  Anna Veronika Wendland – Atomkraft? Ja bitte!

Anna Veronika Wendland - Atomkraft- Ja bitte!

Der Kampf gegen die Erderwärmung ist die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert. In einer solchen Situation ist es unterlassene Hilfeleistung, eines der stärksten Instrumente zur CO2-Vermeidung zu zerstören – die Kernenergie. Doch genau das hat Deutschland vor. Der Atomausstieg treibt unser Land in ein Dilemma zwischen Klimaziel und Versorgungssicherheit. Solange wir keine Stromspeichertechnologien haben, müssen Deutschlands launische Erneuerbare Energien mit einem fossilen Kraftwerkspark abgesichert werden. Das treibt die Energiekosten nach oben und bringt uns in fatale Abhängigkeiten, insbesondere von Russland.

Anna Veronika Wendland hat viele Jahre vor Ort in Atomanlagen über Reaktorsicherheit und nukleare Arbeit geforscht. Sie denkt die Energiewende neu und zeigt, wie man sie auf einer klugen Kombination von Erneuerbaren und Kernenergie aufbauen könnte. So können Klima-, Naturschutz und Versorgungssicherheit miteinander vereinbart werden. Ich bin kein Fan von Atomkraftwerken! Ich habe Tschernobyl als Kind miterlebt und bin mit der traurigen Geschichte um das AKW groß geworden. Daher fand ich oberflächlich betrachtet den Weg der Grünen super: Raus aus Atomkraft! Man muss aber unter die Oberfläche gucken, und da sieht es nicht gut aus. Hätten wir genügend Windkraft, genügend Sonnenenergie, massenhaft Speicher im Land, um die Energie daraus zu speichern und wäre dazu die Wasserstoff-Technologie bei uns schon so verbreitet, wie es nötig wäre, aber derzeit gar nicht möglich ist, bräuchten wir keine Atomkraft. Ganz klar! Doch leider ist das alles noch lange nicht so weit, daher ist es wahrlich ein Einprügeln auf die Gesellschaft und die Umwelt, jetzt auf Atomkraft zu verzichten, und dafür die schmutzige Kohle zu verfeuern. Was in 10 Jahren ist spielt heute keine Rolle, man muss bis dahin aber bezahlbare Energie und die Energiesicherheit gewährleisten und dazu die Klimafrage immer im Blick haben. „Atomkraft? Ja bitte!“ ist ein Buch, das man allen Mitgliedern der Bundesregierung auf den Nachttisch legen sollte! Dazu die besten Wünsche aller europäischen Partner, die das genauso sehen. Atomkraft? Nein danke! Ja, unbedingt, wenn wir es uns leisten können, können wir uns aber in den nächsten 10 Jahren leider noch nicht. Und dass sich nun auch noch Klimaheldin Greta Thunberg erneut für die Atomkraft als kleineres Übel ausspricht, tut ihr Übriges.

Quadriga, 287 Seiten; 20,00 Euro