März 19, 2024

Kolumne 14.11.2022 Nr. 743

BuchKolumne 14.11.2022 Nr. 743

Sebastian Fitzek – Mimik
Luca Di Fulvio – Das verborgene Paradies
Martin Mosebach – Taube und Wildente
Bob Dylan – Die Philosophie des modernen Songs
Florian Kinast – Die Könige der Welt

Sebastian Fitzek – Mimik

Hannah Herbst ist Deutschlands erfahrenste Mimik-Resonanz-Expertin, spezialisiert auf die geheimen Signale des menschlichen Körpers. Als Beraterin der Polizei hat sie schon etliche Gewaltverbrecher überführt. Doch ausgerechnet als sie nach einer Operation mit den Folgen eines Gedächtnisverlustes zu kämpfen hat, wird sie mit dem schrecklichsten Fall ihrer Karriere konfrontiert: Eine bislang völlig unbescholtene Frau hat gestanden, ihre Familie bestialisch ermordet zu haben. Nur ihr kleiner Sohn Paul hat überlebt. Nach ihrem Geständnis gelingt der Mutter die Flucht aus dem Gefängnis. Ist sie auf der Suche nach ihrem Sohn, um ihre „Todesmission“ zu vollenden? Hannah Herbst hat nur das kurze Geständnis-Video, um die Mutter zu überführen und Paul zu retten. Das Problem: Die Mörderin auf dem Video ist Hannah selbst!

Sebastian Fitzek bringt seine LeserInnen mal wieder um den Leseverstand! Vor dem Aufschlagen seines neuen Thrillers einmal tief Luftholen, denn sobald Sie zu lesen begonnen haben, werden Sie kaum mehr Zeit finden durchzuatmen. Im gewohnten Fitzek-Tempo jagt er seine LeserInnen durch die mit reichlichen Finten ausgestatteten Story. Das Thema, dem er sich in „Mimik“ in der Hauptsache annimmt, der Mimikresonaz, ist an sich schon ein sehr spannendes. Er verarbeitete es wohl dosiert und zur Geschichte passend. Zum Ende hin überschlagen sich die Ereignisse dann noch einmal und einem schwirrt der Kopf – vor Thriller-Glückseligkeit. Garantiert werden Sie beim Lesen von „Mimik“ keine Mine verziehen, denn Sie werden so gebannt sein, das Sie das vollkommen vergessen werden. Sebastian Fitzek ist Deutschlands Bestseller-König!

Droemer, 384 Seiten; 24,00 Euro

Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Sebastian-Fitzek-Stammvorleser Simon Jäger nimmt sich auch der „Mimik“ an. Gekonnt und gewohnt eingängig und spannend eingelesen. 22,00 Euro.

Sebastian Fitzek – Mimik – Hörprobe 5:31 Min.

Luca Di Fulvio – Das verborgene Paradies

Borgo San Michele, ein Alpendorf umgeben vom Panorama majestätischer Berge. Dort verbinden sich die Schicksale von Daniele, einem jungen Mann, der mit einer besonderen Gabe zur Welt kam, und Susanna, die unter dramatischen Umständen geboren wurde. Es ist das Jahr 1633, und die Inquisition verfolgt gnadenlos jeden, der ihre Lehre anzweifelt. So auch den Universalgelehrten Galileo Galilei, der das Weltbild der Kirche mit einem spektakulären Beweis ins Wanken gebracht hatte: Nicht die Erde ist Mittelpunkt des Universums, sondern die Sonne. Eine atemraubende Mission bringt auch Susanna und Daniele in tödliche Gefahr. Doch sind die Menschen um sie herum überhaupt bereit für eine neue Zeit? Und ist die Zeit bereit für eine Liebe über Grenzen hinweg?

Der Italiener Luca Di Fulvio ist ein grandioser Autor! Seine Romane haben immer das gewisse Etwas. Geschichte und Figuren gehen Hand in Hand, man kann sich dem allen nicht entziehen. Zuletzt hat er das mit „Es war einmal in Italien“ unter Beweis gestellt. Daher war ich natürlich sehr gespannt auf seinen neuen Roman „Das verborgene Paradies“. Und die Geschichte hörte sich wieder vielversprechend an. Nur leider hapert es diesmal doch tatsächlich an der Umsetzung. Den Maßstab, den Luca Di Fulvio selbst mit seinen Romanen gesetzt hat, ist sehr hoch, daher erwartet man eigentlich immer solch geniale Romane von ihm. „Das verborgene Paradies“ ist aber nur Mittelmaß. Bei einem anderen Autor würde man vielleicht sogar sagen, er hat einen relativ guten Roman geschrieben, aber nicht, wenn man weiß, wozu Luca Di Fulvio fähig ist. Ich war in „Das verborgene Paradies“ etwas verloren. Die Story zündet kaum, dazu gibt es viele langweilige Passagen und auch die große Spannung fehlt. Die Charaktere sind ihm durchaus gelungen, aber sie wandeln verloren im „verborgenen Paradies“.

Lübbe, 622 Seiten; 16,99 Euro

  Martin Mosebach – Taube und Wildente

Wie jedes Jahr verbringt die Familie Dalandt den Sommer auf ihrem Landsitz in der Provence. Die Hitze macht träge, in der Zypresse zirpen Zikaden, und jeden Morgen läuft die Hausherrin im Nachthemd durch den Garten zum Pförtnerhaus, wo der Verwalter sie erwartet. Ihr Mann ist durch eine eigene verhängnisvolle Beziehung abgelenkt. Da entzündet sich ein Ehestreit an „Taube und Wildente“, einem Stillleben aus dem 19. Jahrhundert. Was hat es mit dem zinnoberroten Punkt in seinem Zentrum auf sich, macht der es nicht zu einem modernen Meisterwerk? Aber die Frau will es verkaufen, die Spannung zwischen beiden wächst.

Man macht mit dem deutschen Literatur-Veteran Martin Mosebach einen künstlerischen und literarischen Spaziergang durch eine Geschichte voller Geheimnisse, Liebe und Kunst. Man wandelt mit Martin Mosebachs Charaktere durch ein vibrierendes Gefühlswirrwarr und spürt mit jedem neuen Satz, da kommt was auf einen zu. Genauso wie auf die Charaktere. „Taube und Wildente“ ist ein elegantes, literarisches Gemälde, das man auf sich wirken lassen muss, und dann kommt der große Genuss!

dtv, 333 Seiten; 24,00 Euro

Bob Dylan – Die Philosophie des modernen Songs

Naheliegende Reime können leicht zu einer Falle werden, eine Silbe zu viel kann einen guten Song um seine Wirkung bringen, und Bluegrass hat mehr mit Heavy Metal gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Es ist Bob Dylan persönlich, der hier die Philosophie des modernen Songs darlegt und dafür Werke wie „Long Tall Sally“, „Strangers in the night“ oder „London calling“ unter die Lupe nimmt. Nicht sein eigenes Werk steht im Mittelpunkt, sondern er blickt auf mehr als 60 Songs zurück, die ihn beeindruckt und geprägt haben. Es bietet Einsichten in das Wesen der populären Musik, die uns von Little Richard zu Frank Sinatra, von Elvis Presley zu The Clash, von Nina Simone zu Elvis Costello führen.

Als Bob Dylan 2016 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, war ich doch sehr überrascht. Zu viele gute Autorinnen und Autoren hätten den Preis sicherlich mehr verdient, aber trotzdem ist natürlich auch ein Songschreiber auf seine Art ein Literat. Und wie bei den Autorinnen und Autoren unterscheiden sich die Songschreiber natürlich gewaltig. Welcher Song schafft es aktuell und auch noch nach Jahrzehnten die Menschen magisch zu begeistern. Bob Dylan gewährt darauf seinen eigenen Blick in seinem Buch „Die Philosophie des modernen Songs“. Da ich die Songs der 1950er und 1960er Jahre sehr schätze kam ich in diesem Buch sehr auf meine Kosten. Denn aus diesen Jahrzehnten stammt der Hauptteil der Songs, mit denen sich Bob Dylan beschäftigt. Die persönlichen Einblicke, die er einem gewährt sind wunderbar. Dazu gibt es reichlich schöne Fotos und Abbildungen. „Die Philosophie des modernen Songs“ ist ein Buch, das rockt!

C. H. Beck, 352 Seiten; 35,00 Euro

  Florian Kinast – Die Könige der Welt

„Die Könige der Welt“ beleuchtet die großen Stars und die tragischen Helden, es porträtiert die legendären Protagonisten. Es erzählt von der Weiterentwicklung der taktischen Spielsysteme und ordnet die Turniere in ihren zeithistorischen und gesellschaftspolitischen Kontext ein. Es schildert, wie sich der Fußball im Lauf der Jahrzehnte veränderte, von einer anfangs reinen Amateurveranstaltung hin zu einem professionellen Mega-Event.

In ein paar Tagen beginnt die viel diskutierte Fußball-WM in Katar. Ein passender Augenblick, um innezuhalten und um zurückzublicken auf die vielen großartigen Turniere aus den letzten Jahrzehnten. „Die Könige der Welt“ bietet für alle Fußball-Fans einen reichhaltigen Fundus an Geschichten, Analysen und humorvollen Nebeneindrücken. Dazu gibt es noch einen 50 Seiten umfassenden Statistikteil mit allen Spielen, Tabellen und Toren. Darauf einmal eine La-Ola-Welle!

dtv, 490 Seiten; 16,00 Euro