April 16, 2024

Kolumne 14.03.2016

Kolumne vom 14.03.2016 – Nr. 395


Tom Jonesdaumen rauf

Over the Top and Back

Over the Top and Back

Über einen Zeitraum von sechs Jahrzehnten hat sich Sir Tom Jones in einem Geschäft über Wasser gehalten, das für seine Kurzlebigkeit berüchtigt ist. Mit einer Wucht, die aus seiner tiefen Liebe für die Musik stammt, gelang ihm der Durchbruch in der unberechenbaren Musikindustrie – er wurde zum Megastar und nahm eine ungeheure Fülle an Songs auf. Im Laufe seiner Karriere spielte Jones mit Künstlern aus allen musikalischen Genres, von Rock, Pop und Dancemusik bis hin zu Country, Blues und Soul, darunter Größen wie Elvis, Frank Sinatra, Ray Charles, Jerry Lee Lewis, Ella Fitzgerald, Stevie Wonder und Robbie Williams.

Meine Tom-Jones-Geschichte begann vor rund zwanzig Jahren. Da habe ich mir eine CD von ihm gekauft und war hin und weg. Zeitlose Songs, die man tausende Male hören kann. Was war ich gespannt auf seine Autobiographie. Und Tom Jones enttäuscht auch als Literat nicht. Er hat den Kniff raus, seine Geschichte mit Witz und Spannung zu erzählen. Man erfährt von seiner herben und kargen Kindheit und Jugend im ländlichen Wales; wie er den Rock ´n´ Roll, die Musik die “boom” macht für sich entdeckte; wie er sich sehr jung verliebte, heiratete und Vater wurde; wie er mit seiner ersten Band durch die Bars tingelte und dann irgendwann nach London ging; um den nächsten Schritt zu machen; wie er nur mit viel Glück und Hartnäckigkeit zu seinem ersten Hit “It’s not Unusual” kam; wie er zu dem James-Bond-Titelsong “Thunderball” (Feuerball) kam; wie er ungewollt zum Höschen-König wurde; wie er mit zwei Teilhabern die Musikagentur MAM gründete und ihn das noch reicher machte; dann der Absturz und die Auferstehung und noch so vieles mehr. Tom Jones zeigt, dass man mit Talent, Ausdauer und dem nötigen Glück ein ganz Großer werden kann. Das Buch ist eine Zeitreise vom Beginn des Rock ´n´ Roll in den 1950ern bis hin zur Popmusik des neuen Jahrtausends. Herrlich!

Heyne, 544 Seiten; 24,99 Euro


Ulrich Peltzerdaumen runter

Das bessere Leben

Das bessere LebenIm 20. Jahrhundert diskutierten und kämpften junge Menschen für eine gerechte Ordnung, für eine bessere Zukunft. Was ist aus den Sehnsüchten und Träumen geworden? Aus ehemaligen Revolutionären sind Manager geworden, Akteure der Wirtschaft. Sie sind involviert in globale Geschäfte zwischen Mailand, Südamerika und China, ihre Deals sind dubios. Jochen Brockmann ist erfolgreicher Sales Manager, doch er verstrickt sich in ein abstürzendes System. Die Bank gibt keinen Kredit mehr, Indonesien investiert nicht, es bieten sich die Chinesen an. Sylvester Lee Fleming ist ein skrupelloser Geschäftemacher, Finanz-Investor und Risiko-Berater. Er erscheint, als Retter, Verführer und Versucher. Ist er ein Abgesandter des Teufels oder nur ein Psycho? Er kreuzt Brockmanns Weg. Ist das Zufall oder Plan?

Ulrich Peltzer ist bekannt für seine andere Art des Erzählens. Sein aktueller Roman “Das bessere Leben” war auch bei den Finalisten um den Deutschen Buchpreis 2015. Das ist natürlich noch lange kein Qualitätsmerkmal, da die Jury dort nur einen sehr begrenzten Horizont an Büchern preisverdächtig findet, daher kann man nicht wirklich von einem Deutschen Buchpreis sprechen. “Das bessere Leben” ist von der Story her sehr aktuell, der Kapitalismus und was er aus den Menschen macht, die sich zwanghaft mit diesem identifizieren wollen und müssen. Zudem zahlreiche positive Denkansätze. Soweit so gut, denn was Ulrich Peltzer aus diesem sehr interessanten Thema macht ist nur schwer lesbar. Lesefluss? In diesem Buch nicht zu finden. Der Stil ist äußerst eigenwillig und selbstverliebt. Den Leser verliert der Autor hier komplett aus den Augen. “Das bessere Leben” – man wünscht dem Autor eine bessere Art des Erzählens.

S. Fischer, 446 Seiten; 22,99 Euro


Christoffer Carlssondaumen rauf

Schmutziger Schnee

Schmutziger SchneeEin ermordeter Soziologe, ein verstörter 6-jähriger Zeuge und die Bedrohung durch gewaltbereite Randgruppen: Leo Junkers neuer Fall macht es ihm bei der Rückkehr in den Polizeidienst nicht gerade leicht. Und er muss allen beweisen, dass er körperlich und psychisch auch wirklich wieder fit ist. Als Leo und sein Kollege Birck endlich eine heiße Spur entdeckt haben, wird ihnen der Fall entzogen und dem schwedischen Geheimdienst übergeben. Doch das weckt erst recht Leos Ehrgeiz und bestärkt ihn in seinem Gefühl, dass in diesem Fall wichtige Details vertuscht werden sollen …

Der junge Schwede Christoffer Carlsson (Jahrgang 1986) gehört zu den größten Thriller-Talenten seines Landes. Sein erster Thriller um Polizist Leo Junker “Der Turm der toten Seelen” sorgte schon für große Aufmerksamkeit. Nun der zweite Fall “Schmutziger Schnee”. Ein brandaktueller Schweden-Krimi, der nicht nur fesselt, sondern auch durch seinen besonderen Stil zu überzeugen weiß! Zudem zeichnet er ein teils düsteres Bild der schwedischen Gesellschaft. Im schwedischen Reichstag sitzt eine Truppe von Nazis und Rassisten. Und beim schenken einer Hakenkreuzfahne wird applaudiert. Auf der Straße gibt es immer mehr rechte Aufmärsche. Das liberale Schweden war einmal, zu diesem Schluss kommt man nach der Lektüre. Leo Junker ist eine sachliche und nüchterne Figur ohne große Allüren und sonstige Exzesse. Von seiner schwierigen Liebesbeziehung zu seiner Sam würde man gerne noch mehr lesen.

C. Bertelsmann, 408 Seiten; 14,99 Euro


Meg Mitchell Mooredaumen rauf

Eine fast perfekte Familie

Eine fast perfekte FamilieTolle Jobs, ein schickes Haus nicht weit von der Golden Gate Bridge: Die Hawthornes dachten eigentlich, sie hätten es geschafft. Dass die älteste Tochter Angela kurz vor dem Sprung auf die Elite-Uni Harvard steht, ist da nur standesgemäß. Doch dann passiert etwas. Dann droht der Multi-Tasking-Mutter Nora ein Acht-Millionen-Deal mit einer Traumimmobilie wegzubrechen. Und die kleine Tochter Cecily fühlt sich plötzlich dazu berufen, Selbstmörder auf der Golden Gate Bridge zu retten. Ist das Familienglück noch zu retten?

Eine ganz normale amerikanische Familie mit ganz normalen Problemen, das ist die Familie Hawthorne. Diese Normalität bringt Meg Mitchell Moore so pointiert und voller Sprachwitz rüber, dass es nur so ein Genuss ist. “Eine fast perfekte Familie” ist Alltagskomödie, Alltagsdrama und eben spröde Alltagsnormalität auf sprachlich hohem Niveau. Der Roman sprudelt nur so vor Ideen, von Langeweile ist da weit und breit keine Spur.

Bloomsbury Berlin, 431 Seiten; 20,00 Euro


Antony Beevordaumen rauf

Der Spanische Bürgerkrieg

Der Spanische Bürgerkrieg

Der Spanische Bürgerkrieg – Ausbruch Juli 1936 – wurde zum Trauma für das moderne Spanien und ist in der Gesellschaft bis heute spürbar. Im Kampf der Volksfront, die von großen Teilen der europäischen Intellektuellen ideell und militärisch unterstützt wurde, gegen die Nationalisten unter General Franco, hinter dem das nationalsozialistische Deutschland und das faschistische Italien standen, bekämpften sich die beiden großen Ideologien des Jahrhunderts.

Antony Beevors großartiges und umfangreiches Werk “Der Spanische Bürgerkrieg 1936 – 1939” ist das erste Mal 2006 erschienen. Nun bringt es der Pantheon Verlag in einer Neuauflage heraus. Spaniens Weg war ein steiniger, wie von zahlreichen europäischen Ländern. Doch die einstige Weltmacht hat immer mehr verloren, was nach und nach im Land selbst eine Unruhe nach der anderer nach sich zog. Immer gab es Tote. Doch dann wurde der teuflische Cocktail des Krieges am Schlimmsten, der Bürgerkrieg kam. Antony Beevor zeigt das komplizierte Geflecht von Innen- und Außenpolitik und wie der Krieg in seinen Einzelheiten geführt wurde. Bis zum Ende 1939.

Pantheon, 653 Seiten; 16,99 Euro


Hörbuch der Wochedaumen rauf

Clare Mackintosh

Meine Seele so kalt

Meine Seele so kalt-hoerbuch

Ein regnerischer Abend in Bristol. Der 5-jährige Jacob ist mit seiner Mutter auf dem Weg nach Hause, plötzlich reißt er sich los und stürmt auf die Straße. Das Auto, das wie aus dem Nichts erscheint und ihn erfasst, ist ebenso schnell wieder verschwunden. Für den kleinen Jungen kommt jede Hilfe zu spät. Jenna Gray flieht vor den Ereignissen in die Einsamkeit eines walisischen Dorfes. Aber die Trauer um ihr Kind und die Erinnerungen lassen sie selbst dort nicht los. Schon bald ist sie sich sicher, dass nicht nur die Vergangenheit sie erbarmungslos verfolgt …

Die Geschichte scheint zu Anfang ein großes Drama zu sein, die Entwicklung geht langsam voran, aber plötzlich bekommt die Story einen gewaltigen Dreh. Ab dann ist “Meine Seele so kalt” ein Buch ohne Rücknahmegarantie, denn man liest dann immer schneller um das Ungeheuerliche hinter dem Unfall zu erfahren. Nicht nur die Story überzeugt, auch die Charaktere. Es ist also kein Wunder, dass von diesem Psychothriller in Großbritannien sensationelle 400.000 Stück verkauft wurden. Lübbe Audio hat für diesen aufwühlenden Psychothriller ein hervorragendes Sprechertrio engagiert. Sabina Godec, Philipp Schepmann und Thomas Balou lassen einen mitleiden und machen einem Angst.

Auch als Taschenbuch erhältlich bei Bastei Lübbe, 9,99 Euro

Lübbe Audio, 6 CDs, 446 Minuten; 12,99 Euro


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