Mai 20, 2024

Kolumne 13.11.2023 Nr. 795

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BuchKolumne 13.11.2023 Nr. 795

Gilly Macmillan – Die Witwe
Olivia Poulet / Laurence Dobiesz
Sag noch mal: Ich liebe dich
Manfred Görtemaker
Rudolf Hess – Der Stellvertreter
Dirk Rossmann / Ralf Hoppe
Das dritte Herz des Oktopus
Hera Lind – Das einzige Kind

    Gilly Macmillan – Die Witwe

Als sie mehrere Millionen im Lotto gewinnen, ändert sich das Leben von Nicole und Tom über Nacht schlagartig. Das Ehepaar zieht in eine speziell angefertigte hochmoderne Scheune aus Glas, die auf einem wunderschönen Gelände in Gloucestershire steht, und lebt ein Leben im Luxus. Doch der wahr gewordene Traum wird zum Albtraum, als Nicole ihren Ehemann ermordet im Pool auffindet. Nicole ist verzweifelt. Jemand aus ihrem nächsten Umfeld muss für Toms Tod verantwortlich sein. Doch außer dem netten Nachbarspaar und deren Haushälterin gibt es meilenweit niemanden. Nicole fühlt sich beobachtet und bedroht – wie ein Goldfisch, umgeben von Piranhas.

Gilly Macmillian ist eine großartige Autorin von hochwertigen Spannungsromanen! Ihre Bücher sind weltweit Bestseller. Kein Wunder, denn sie versteht ihr Handwerk. Sie ist nah an den Figuren, und baut darauf die Spannung auf. Und wie! Jede einzelne Hauptfigur, und da gibt es einige, bekommen nach und nach ihre eigenen Kapitel. So ist man als LeserIn den Figuren immer einen Schritt voraus. Man kennt die Gedanken der einzelnen Figuren und weiß viel, aber nicht zu viel. Die anderen Figuren haben dieses Wissen aber nicht. Gilly Macmillian legt um jede Figur einen geheimnisvollen Schleier. So baut man Spannung auf! Und ganz wichtig: Sie können in dieser Geschichte keiner Figuren trauen. „Die Witwe“ ist bis zur letzten Seite hochspannend und undurchsichtig!

Blanvalet, 479 Seiten; 17,00 Euro

 Olivia Poulet / Laurence Dobiesz – Sag noch mal: Ich liebe dich

Olivia Poulet - Laurence Dobiesz - Sag noch mal Ich liebe dich

Pippa Gallagher liegt nach einem Autounfall im Koma. Während sie mit der Bewusstlosigkeit kämpft, huschen Bilder durch ihren Kopf: Der Tag, als sie Steve kennengelernt hat. Die verrückten Dinge, die sie gemeinsam angestellt haben. Die tiefe Liebe, die zwischen ihnen gewachsen ist. Und der Moment, als sie mit Tränen in den Augen ins Auto gestiegen ist. Steve sitzt an Pippas Bett und kann die Augen nicht von ihr abwenden. Wohin wollte Pippa, als sie den Unfall hatte? Das Einzige, was er weiß: Sie ist seine Welt. Und er hat zwölf Stunden, um sie ins Leben zurückzuholen.

Was für ein schöner Buchtitel, was für eine anrührende Geschichte! Doch der erste Blick trügt leider etwas. Auch wenn eine Geschichte noch so anrührend ist, sollte sie doch auch spannend und mitreißend erzählt sein. Keiner anderer in diesem Genre kann das besser als Nicholas Sparks. Doch vom Niveau dieses Weltbestseller-Autors ist das Autorenduo weit entfernt. Sie erzählen von Pippas und Steves Leben sehr ausführlich. Zu ausführlich, ohne dabei für Spannung zu sorgen. Auch wird eher unachtsam in der Zeit immer hin und her gesprungen. Das kann spannend sein, wenn man es gut macht, in diesem Buch ist das nicht der Fall. „Sag noch mal: Ich liebe dich“ hat einige schönen Seiten zu bieten, doch am Ende muss ich sagen, in dieses Buch habe ich mich nicht verliebt.

Fischer, 463 Seiten; 16,00 Euro

    Manfred Görtemaker – Rudolf Hess – Der Stellvertreter

„Welch ein Anblick für die Welt“, notierte Joseph Goebbels geschockt in seinem Tagebuch. „Ein geistig zerrütteter zweiter Mann nach dem Führer. Grauenhaft und unausdenkbar.“ Da war Rudolf Hess soeben zu seinem mysteriösen Flug nach England aufgebrochen, um im Alleingang Frieden zu stiften. Wer war dieser von Rätseln umgebene Mann, der wie ein Schatten Hitlers wirkte, in Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und nach seinem Tod in Spandau zu einer Ikone der Neonazis werden sollte?

Der Zeithistoriker Manfred Görtemaker hat fast 20 Jahre lang an dieser akribisch recherchierten Biografie gearbeitet. Erstmals konnte er ca. 4.100 Briefe und 50.000 Blatt Schriftwechsel aus dem Hess-Nachlass im Berner Bundesarchiv auswerten, mit einer Sondergenehmigung die Papiere von Lord Selkirk of Douglas, dem Sohn des Duke of Hamilton, zu dem Hess nach Schottland flog, einsehen sowie eine beeindruckende Zahl von weiteren bislang unerschlossenen Archivalien heranziehen. Eine Biografie wie keine andere, die diese schreckliche Zeit anhand von Rudolf Hess’ Leben plastisch darstellt! Manfred Görtemaker macht den Menschen lebendig, diesen Mann, der an der Seite Adolf Hitlers wandelte. Anhand von Rudolf Hess’ Weg skizziert der Autor auch den Aufstieg Adolf Hitlers und der NSDAP. Ein erschreckend gut dargestellter Bericht, eine Biografie, die bis zum Ende Rudolf Hess (Suizid oder Mord?) geht. Die Hauptkapitel sind: „Von Alexandria nach München“, „Revolution in Bayern“, „Der Weg in den Nationalsozialismus“, „Landsberg“, „Hitlers Privatsekretär“, „Stellvertreter des Führers“, „Aufrüstung und Krieg“, „Wunsch nach Frieden mit England“, „Der Flug“, „Nürnberg und Spandau“.

C. H. Beck, 718 Seiten; 38,00 Euro

    Dirk Rossmann / Ralf Hoppe – Das dritte Herz des Oktopus

Das Jahr 2032, die Weltregierung kämpft gegen die Klimakatastrophe. Aber immer noch sperren und sträuben sich auf der Welt viel zu viele Menschen – wie kann man sie überzeugen, zur Einsicht bringen? Ein ehrgeiziger Wissenschaftler hat eine Lösung: Ein Parasit, der unser Denken verwandelt, der uns zu besseren Menschen macht. Doch als ein Verbrecher diesen Parasiten für seine skrupellosen Ziele benutzen will, liegt unser aller Schicksal in den Händen eines kleinen Beamten und einer temperamentvollen Millionärin.

Wenn man einem Buch medial derzeit nicht entkommen kann, dann ist das der neue Thriller von Dirk Rossmann und Ralf Hoppe „Das dritte Herz des Oktopus“. Nach „Der neunte Arm des Oktopus“ und „Der Zorn des Oktopus“ ist es der dritte Thriller aus der „Oktopus“-Reihe. Der letzte Thriller spielte im Jahr 2029, nun also 2032, und die Erde nähert sich in Folge des Klimawandels immer näher ihrem Ablaufdatum. Aktueller kann ein Thriller nicht sein! „Das dritte Herz des Oktopus“ legt den Finger in die Wunde, und zeigt uns in Form intelligenter Spannungs-Literatur, was auf uns zukommt, wenn wir nicht schnellstens handeln. Ein Thriller, den man sich nicht entgehen lassen sollte!

Lübbe, 700 Seiten; 20,00 Euro

   Hera Lind – Das einzige Kind

Oktober 1940 im ehemaligen Jugoslawien: In einer entlegenen Gegend führt der 5-jährige Djoko mit seinem bärenstarken Vater und seiner jungen Mutter ein einfaches, aber glückliches Leben in einem kleinen Dorf. Bis die faschistische schwarze Armee der Ustashas auftaucht und Djokos Welt im Bruchteil einer Sekunde zerstört. Eine Granate fällt in die winzige Hütte und macht ihn zum Vollwaisen. Für den schwerverletzten Jungen beginnt eine Flucht, die ihn ganz alleine mitten durch die schlimmsten Kriegswirren über tausend Kilometer bis nach Österreich führt. Wie durch ein Wunder findet er immer wieder in letzter Sekunde ein mitfühlendes Herz, eine helfende Hand.

Wenn eine Autorin Bestseller schreiben kann, dann ist das Hera Lind! Nach zuletzt „Mit dem Mut zur Liebe“ erscheint nun „Das einzige Kind“. Hera Lind hat in ihrer zweiten Schriftstellerkarriere das Genre „Roman nach einer wahren Geschichte“ für sich entdeckt, und füllt das nun auch tatkräftig aus. „Das einzige Kind“ ist ein Roman, der erschüttert und zugleich zu Herzen geht! Er schenkt ein wenig Hoffnung in einer dunklen Zeit. Das Schicksal des kleinen Djoko ist nur ein Beispiel für etwa 250.000 Vollwaisen, die während des 2. Weltkriegs auf sich allein gestellt um ihr Überleben kämpfen mussten.

Knaur, 381 Seiten; 12,99 Euro