März 29, 2024

Kolumne 10.01.2022 Nr. 699

Übersicht Kolumne 699 vom 10.01.2022

BuchKolumne 10.01.2022 Nr. 699

Peter Prange– Der Traumpalast – Im Bann der Bilder
Caroline Rosales – Das Leben keiner Frau
Martin Becker – Kleinstadtfarben
Friedrich Kiessling / Christoph Safferling – Staatsschutz im Kalten Krieg
Mirco Wolf Wiegert – Fritz gegen Goliath

Peter Prange – Der Traumpalast – Im Bann der Bilder

Peter Prange - Der Traumpalast – Im Bann der Bilder

Berlin, Anfang der zwanziger Jahre: Ein neues Lebensgefühl bricht sich Bahn – Freiheit! Es ist die Vision von glanzvollen Stars, spektakulären Großfilmen und glitzernden Kinopalästen, die Tino, Bankier und Lebemann, an der gerade gegründeten Ufa begeistert. Er riskiert alles, um mit der deutschen Traumfabrik Hollywood Paroli zu bieten. Rahel will als Journalistin Wege gehen, die Frauen bisher verschlossen waren. Als die zwei einander begegnen, ahnen sie nicht, welche Wende ihr Leben dadurch nimmt. Denn bald stellt sich ihnen die alles entscheidende Frage: Wie weit darf Freiheit gehen? In der Politik, in der Kunst – und in der Liebe.

Der großartige deutsche Autor Peter Prange gibt sich wieder die Ehre! Nach seinen Bestsellern „Eine Familie in Deutschland“ und „Unsere wunderbarsten Jahre“ legt er nun ein weiteres Megawerk vor. In seinem neuen Projekt „Der Traumpalast“, der erneut aus zwei Bänden besteht, widmet er sich der Entstehung der Ufa, des deutschen Kinos. Dabei fließt wieder seine exquisite Expertise im historischen Roman mit ein, genauso wie sein Können lebensnahe Figuren in einem dramatischen historischen Umfeld zu erschaffen. Mit Tino und Rahel ist ihm das gelungen. Man erfährt im ersten Teil „Im Bann der Bilder“ viel vom politischen und gesellschaftlichen Umfeld und natürlich auch vom Kino in Deutschland. Peter Prange ist voll in seinem Element. Ein neuer Roman Peter Prange ist immer wieder aufs Neue ganz großes deutsches Lesekino!

Scherz, 811 Seiten; 25,00 Euro

Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. „Der Traumpalast“ wird gelesen von Frank Arnold. Frank Arnold liest nicht nur fast 25 Stunden, er lebt den „Bann der Bilder“ im Hörbuch aus. 24,95 Euro.

Peter Prange – Der Traumpalast – Im Bann der Bilder. Hörprobe 5:18 Min.

Caroline Rosales – Das Leben keiner Frau

Caroline Rosales - Das Leben keiner Frau
Melanies Fünfzigster ist ein rauschendes Fest. Sie lässt sich feiern, der Champagner fließt in Strömen, ein Flirt liegt in der Luft. Doch dann wendet sich das Blatt. Ihre Mutter, zu der sie nie ein gutes Verhältnis hatte, braucht ihre Hilfe, sie ist alt geworden. Ihre erwachsene Tochter, die nie so werden wollte wie Mel selbst, ist gerne Hausfrau und will auf keinen Fall Karriere machen. Ja, und die Männer. Der Flirt, ein Kollege, redet im Büro schlecht über sie. Mels Chef fördert eine jüngere Kollegin. Ihr Exmann wird Vater, bekommt mit seiner neuen Frau ein Kind. Das Kind, das er mit ihr nie wollte. Mel hat in ihrem Leben alles richtig gemacht. Bis auf die Dinge, die kolossal schiefgelaufen sind. Und heute ist sie nur noch wütend.


„Das Leben keiner Frau“, schon der Titel machte mich neugierig. Auch die Geschichte hörte sich sehr vielversprechend an. Doch Caroline Rosales Umsetzung ist großflächig misslungen. Dabei gibt es doch so viele tolle Frau ab 50, und auch zahlreiche lustige wie auch literarisch ansprechende Bücher dazu. „Das Leben keiner Frau“ gehört nicht dazu. Melanie ist unbequem, ja, was für eine literarische Figur auch viel Potenzial bietet´n würde. Doch Melanie hat das Zeug dazu, die LeserInnen auf Dauer zu nerven. Ihre Einstellungen machen sie nicht sympathisch. Auch wenn sie unbequem ist, kann sie sympathisch rüberkommen, das tut Melanie nicht. Dazu fehlt dem Buch ein spannender Aufbau, es versinkt in Langeweile. „Das Leben keiner Frau“ ist Melanies Leben, aber Melanie ist eine Frau, die keiner unbedingt kennenlernen muss.

Ullstein, 233 Seiten; 22,00 Euro

Martin Becker – Kleinstadtfarben

Martin Becker - Kleinstadtfarben

Er frisst, statt zu essen, er säuft, statt zu trinken, er quarzt, statt zu rauchen, und er ackert, statt zu arbeiten. Pinscher wiegt hundertdreißig Kilo bei einer Körpergröße von einssiebzig, wobei das um fünf Zentimeter geschummelt ist. Sein Aussehen gibt nur zum Teil seine Maßlosigkeit preis. Und doch, seine Kleidung ist ordentlich, ein wenig aus der Mode, er ist nie ganz von hier weggekommen. Hier, das ist Mündendorf, hartes Arbeitermilieu. Jetzt, das ist der Sommer seiner Zwangsversetzung zurück in die Polizeiwache, die er nicht erträgt. Und es ist der Abschied von seiner geliebten Mutter. Er muss nun etwas tun, was er all die Jahre vermieden hat: sich der Erinnerung stellen, vor der polierten Schrankwand im engen Reihenhaus sitzen, den kalten Zigarettenrauch im alten Wohnzimmer riechen und den Menschen auf den alten Fotos wirklich ins Gesicht sehen.

Martin Becker konnte mich vor einigen Jahren mit „Marschmusik“ überzeugen. Daher war ich nun sehr gespannt auf die „Kleinstadtfarben“. Und er hat mich nicht enttäuscht, denn der Roman liefert genau das, was ich mir versprochen habe: Pure Tristesse in schönem Wortgewand! Die „Kleinstadtfarben“ sind so finster und deprimierend, dass sie gar eine Depression verursachen können. Wie kann der Roman dann gut sein? Martin Becker bildet in seinem Roman das wahre Leben ab, und färbt so gar nichts schön. Genau das macht diesen Roman so gut! Entweder Sie fühlen sich nach der Lektüre super, weil Sie nicht so ein Leben führen wie Pinscher, oder Sie sehen sich selbst in Pinschers Leben wieder und denken, auch anderen geht es nicht besser als mir. Die Lektüre dieses Buches ist also immer ein Gewinn!

Luchterhand, 284 Seiten; 20,00 Euro

Friedrich Kiessling / Christoph Safferling – Staatsschutz im Kalten Krieg

Friedrich Kiessling - Christoph Safferling - Staatsschutz im Kalten Krieg

Die Bundesanwaltschaft hat den Auftrag, den Staat zu schützen und zur Rechtseinheit beizutragen. In der frühen Bundesrepublik ging sie mit harter Hand gegen Kommunisten vor, war in die Spiegel-Affäre verwickelt und musste sich Anfang der 1970er-Jahre mit der Bekämpfung der aufkommenden RAF einer bis dahin unbekannte Bedrohung stellen. Zugleich scheute die Bundesanwaltschaft eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ihrer eigenen Mitarbeiter – obwohl viele bereits im „Dritten Reich“ wichtige juristische Positionen bekleidet hatten.

Das Autorenduo beleuchtet in diesem Buch erstmals die Geschichte der Bundesanwaltschaft zwischen 1950 und 1974. „Staatsschutz im Kalten Krieg“ liest sich wie ein spannender Kriminalroman! Die Aufarbeitung dieser Zeit und dem, was die Bundesanwaltschaft getan hat und wie sie besetzt war, ist lehrreicher und fesselnder Geschichtsstoff. Die Hauptthemen sind: „Staatsschutz im Kalten Krieg“, „Das Erbe der Reichsjustiz: Oberste Gerichtsbarkeit und Staatsschutz im Deutschen Reich bis 1945“, „Aufbau und Entwicklung der Bundesanwaltschaft bis 1974“, „Die Bundesanwaltschaft bei der Arbeit“, „Reformen, neue Aufgaben und der Beginn des RAF-Terrors“ und „Staatsfreunde im Kalten Krieg“.

dtv, 607 Seiten; 34,00 Euro

Mirco Wolf Wiegert – Fritz gegen Goliath

Fritz gegen Goliath

Die Geschichte von fritz-kola klingt unglaublich: Als Mirco Wolf Wiegert 2003 mit einem Kumpel 7000 Euro zusammenkratzte und aus dem Studentenwohnheim heraus Coca-Cola herausforderte, war das eine Sternstunde der Gründerszene. Die beiden verkauften die ersten Kästen via Direktvertrieb an angesagte Clubs im Hamburger Schanzenviertel und eroberten von dort aus Deutschland und die Welt. Heute ist fritz DIE alternative Kola und Limonade Nummer eins mit fast 300 Mitarbeitern in über 25 europäischen Ländern, und hat sich nicht kaufen lassen.

In seiner Start-up-Fibel erzählt Mirco, wie sie ohne Dispo, dafür mit viel Herzblut loslegten und schnell erfolgreich wurden. Er erinnert sich, wie es zu dem Namen kam, wann die erste Post von Coca-Cola eintrudelte und warum die Lieferwagen von fritz kleiner sind als die der anderen. Auch wenn ich weder Coca-Cola noch fritz-kola trinke, so war ich doch sehr gespannt auf die Geschichte, die hinter fritz-kola steckt. Mirco Wolf Wiegert erzählt aus erster Hand, und so liest es sich auch. Voller interessanter Einblicke, Details und viel Leidenschaft! „Fritz gegen Goliath“ ist ein absolutes Gewinnerbuch! Die Hauptkapitel sind: „Gründung“, „Herkunft“, „Aufbruch“, „Marketing“, „Wettbewerb“, „Herausforderungen“ und „Unabhängigkeit“.

Econ, 304 Seiten; 20,00 Euro