September 14, 2024

Kolumne 05.08.2024 Nr. 833

     
      BuchKolumne 05.08.2024 Nr. 833

Julia Karnick – Man sieht sich
Franz Friedrich – Die Passagierin
Sian Gilbert – Sie hat angefangen
Benjamin Cors – Krähentage
Tonny Gulløv – Millennium Kingdom – Das Blut des Königs

Hörbuch der Woche:

Eva Almstädt – Das schweigende Dorf

  Julia Karnick – Man sieht sich

Sommer 1988. Friederika hat große Füße und nennt sich Frie. Robert, neu an der Schule und schüchtern, verliebt sich sofort, aber zeigt es nicht. Vielleicht flirtet sie nur zum Spaß mit ihm? Winter 2002. Frie ist Mutter einer kleinen Tochter, Robert ist Musiker. Nach Jahren der Funkstille und einer zufälligen Begegnung bestätigt sich: Wann immer die beiden aufeinandertreffen, wird es kompliziert. Sommer 2022. Frie, inzwischen fünfzig und seit dem Ende ihrer letzten Beziehung wieder Single, fährt zum Abitreffen. Mit dabei: all die Erinnerungen an Robert, den sie seit einer halben Ewigkeit nicht gesehen hat. Was wird diesmal zwischen ihnen passieren?

Ohhh, wie schööön ist dieser Roman! Eine Geschichte, wie ein Gedicht des ganz normalen Lebens, des ganz normalen Liebeslebens. Kaum bist du noch in der Schule, endlich volljährig, und ab dann rinnen die Jahre nur so dahin. Julia Karnick fängt diese Jahre zuvor und danach in ihrem Roman „Man sieht sich“ in schönen Bildern und Szenen ein. Der Verknüpfungspunkt von Anfang bis Ende ist die Liebes-, ähm, Nicht-Liebesgeschichte von Frie und Robert. Sie gibt beiden Charakteren Raum zur Entfaltung und man reist mit Ihnen durch die 1990er, die 2000er bis ins heutige Jahrzehnt. Wenn man ein ähnlicher Jahrgang ist, wie die beiden Hauptfiguren, erlebt man diese Zeit noch einmal auf ganz besondere Weise mit. Wie war das bei einem selbst in dieser Zeit? Gab es da auch dieses eine Mädchen, diesen einen Jungen? Wie war es, in dieser Zeit erwachsen zu werden? Was waren die Lebenspläne? Gingen sie auf`? Oder kam alles ganz anders? „Man sieht sich“ ist eine Zeitreise, der ganz besonderen Art!

dtv, 479 Seiten; 23,00 Euro

  Franz Friedrich – Die Passagierin

Nach Jahren kehrt Heather zurück nach Kolchis. In das Sanatorium, in das sie als Teenager evakuiert wurde – durch eine Zeitreise. Heather leidet seitdem, wie viele Evakuierte, unter »Phantomerinnerungen« und dem Schmerz der Einsamkeit, denn sie hat ein Leben und eine Zukunft zurückgelassen, die sie kaum gekannt hat. Sie hofft, innere Ruhe zu finden, doch auch Kolchis hat sich verändert. Das Sanatorium ist verfallen, die übrig gebliebenen Bewohner haben sich in ihre eigene Welt zurückgezogen. Matthias, der aus der Zeit der Bauernkriege evakuiert wurde, wird für Heather dennoch zu einem Vertrauten, der ihr zeigt, dass Kapitulation das Ende von Menschlichkeit bedeutet.

Franz Friedrichs Debütroman „Die Meisen von Uusimaa singen nicht mehr“ war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Nun liegt sein neuer Roman „Die Passagierin“ vor. Literarische Kunst in einen Zukunftsroman gebracht – das ist „Die Passagierin“. Oh ja, Franz Friedrich versteht es, schöne Sprache mit einer außergewöhnlichen Geschichte zu vereinen. Warum steht das Buch dann an diesem Platz? Das Buch hat über 500 Seiten, und so lange hält der schöne Schein dann leider doch nicht. Auch wenn die Geschichte einen immer wieder zum Nachdenken anregt und auch die Figuren, die sich darin bewegen, einen sagen, ich nehme dich mit auf diese Reise, so stottert diese immer wieder. Franz Friedrich verläuft sich in seiner Zukunftsvision mit zu vielen Nebenschauplätzen und oft unmotiviertem Szenenverlauf. Mit der „Passagierin“ kann man eine Reise antreten, wenn man einen langen Atem hat.

S. Fischer, 512 Seiten; 25,00 Euro

  Sian Gilbert – Sie hat angefangen

Auf dem Gymnasium waren Annabel, Esther, Tanya and Chloe beste Freundinnen und teilten jedes Geheimnis. Mittlerweile sind die vier nur noch lose in Kontakt – bis eine unerwartete Einladung sie wieder zusammenbringt: Ihre frühere Mitschülerin Poppy lädt die jungen Frauen zu ihrer Hen Party in die Karibik ein. Und dass, obwohl keine der vier mit Poppy in Verbindung geblieben ist. Tatsächlich war das scheue Mädchen stets die Außenseiterin der Clique und wurde von den anderen sogar gemobbt. Offenbar vergeben und vergessen. Warum sonst sollte sie jetzt mit ihnen auf einer exklusiven Privatinsel eine glamouröse Party feiern wollen? Leichtfertig nehmen sie die Einladung an. Doch sie haben Poppy unterschätzt: Gnadenlos enthüllt sie alte wie neue Sünden, und die tropische Idylle wird zum blutigen Albtraum …

„Sie hat angefangen“ ist der Debüt-Thriller der englischen Autorin Sian Gilbert. Und was für einer! Das Grundthema ist bekannt: einsame Insel, keine Technik, abgeschnitten von allem, Opfer, die nicht wissen, dass sie welche sind, und der große und undurchsichtige Plan. Auch lässt eigentlich die Motivation, mit dem die Story voranschreitet oder fällt, zu wünschen übrig. Warum sollen 4 Frauen nun zu einer Frau auf eine Insel reisen, wenn sie diese Frau doch so gar nicht ausstehen konnten? Mmh! Aber okay, lassen wir das mal alles weg, und gehen ganz ohne diese Gedanken an diese Story heran. Dann ist sie wirklich TOP! „Sie hat angefangen“ ist für all die die richtige Lektüre, die Lucy Clarks „One of the Girls“ gut fanden! Sian Gilbert versteht es von Anfang an, Geheimnisse über Geheimnisse in die Geschichte einfließen zu lassen. Was für die LeserInnen natürlich höchsten Unterhaltungswert hat. Die Seiten fliegen nur so dahin, man will schließlich die Geheimnisse lüften. Ganz wichtig für die Story sind die Figuren, und auch die sind der Autorin ausgesprochen gut gelungen. Die 4 Freundinnen, die sich vordergründig so gut verstehen, können sich eigentlich nicht wirklich ausstehen, und dann ist da noch Poppy, die ihren ganz eigenen Film produziert. „Sie hat angefangen“ ist wie ein Karibik-Insel-Trip, bei dem man bereits 10 Dosen Energy-Drink im Körper hat. Dieser Thriller verleiht Flügel!

Goldmann, 413 Seiten; 17,00 Euro

  Benjamin Cors – Krähentage

Bereits am ersten Arbeitstag steht das Ermittlerduo Jakob Krogh und Mila Weiss vor einem Rätsel. Am Rande einer Ermittlung stoßen sie auf die Leiche einer älteren Frau, die nachweislich nach ihrem Tod noch lebend gesehen wurde. Wie ist das möglich? Kurz darauf wird ein junger Student in seiner Wohnung gefunden, auch er war nach seinem Tod offenbar noch an der Uni. Aber damit nicht genug: An beiden Tatorten werden Krähen gefunden, ausgehungert und versehen mit einer unheilvollen Botschaft. Jakob und Mila jagen mit dem Team der neuen Gruppe 4 einen Geist, der jeder sein könnte: der Nachbar, der Kollege, der eigene Freund – und jemanden, der noch lange nicht bereit ist, die Zeit der Krähen zu beenden.

Benjamin Cors schreibt einen Bestseller nach dem anderen! Getan hat er das mit seiner Reihe um Nicolas Guerlain, die mittlerweile sieben Bände umfasst. Im letzten Jahr habe ich geschrieben: „Benjamin Cors schreibt Krimis, die man nicht mehr aus der Hand legen kann!“ Nun traut sich der Autor etwas, er verlässt alte Pfade und beginnt eine neue Reihe. Das kann auch bei bekannten und guten Autoren schief gehen, nicht so bei ihm. Benjamin Cors’ neue Thriller-Reihe um die „Gruppe 4“ hat das Zeug dazu, genauso erfolgreich zu werden, wie die Krimi-Reihe um Nicolas Guerlain! „Krähentage“ ist ein Auftakt nach Maß. Ein Thriller mit Gänsehaut-Garantie!

dtv, 399 Seiten; 13,00 Euro

   Tonny Gulløv – Millennium Kingdom – Das Blut des Königs

Jütland. Man schreibt das Jahr 943. Nach seinen Taten bei der blutigen Schlacht von Fünen erwartet Ulv Palnatoki, gefährlichster Bogenschütze der Wikingerzeit, seinen Lohn von König Gorm. Er will die Norneborg, die einst seinem Onkel Ottar Jarl gehörte. Dieser ist nun tot, gefallen in der Schlacht bei seiner eigenen Wikingerburg. Doch Gorm hat andere Pläne, er lässt sich auch noch zum König von Fünen wählen, und Ulv geht leer aus. Das kann er nicht hinnehmen. Seine unüberlegte Rache bringt ihn selbst in größte Bedrängnis. König Gorm schickt Ulv nach Britannien, um ihn aus der Schusslinie zu bringen. Mit ihm reisen Gorms Söhne: Harald Blauzahn und Knut Danaast. Sie sollen Kämpfer rekrutieren. Denn bei Gorms Vorhaben, Schonen, Seeland, Fünen und Jütland zu vereinen, ist ein Krieg unvermeidlich.

Tonny Gulløv ist ein König des Wikinger-Romans! Die Reihe „Millennium Kingdom“ ist bombastisch. Wer die Fernsehserien „Vikings“ oder „Vikings Valhalla“ mochte, wird diese Roman-Reihe lieben. Dänemarks blutiger Weg in ein tausendjähriges Königreich: die Legende von Ulv Palnatoki, dem unbeugsamsten Krieger König Gorms des Alten. Nach „Der Wikinger“ folgt nun „Das Blut des Königs“. Und ich kann mich nur wiederholen: Es ist schmutzig, es ist hart, es ist wild, es ist unerbittlich. Tonny Gulløv stellt das Leben der Wikinger sehr bildreich dar. Man lebt mit den Wikingern, mit den Kriegern, ist mitten im Kampfgeschehen und beim Spiel um die Macht. Eine Wikinger-Saga, der man nicht entgehen kann! Der zweite Band der Trilogie hat mir nicht weniger gefallen wie der erste. Der letzte Teil „Der Bastard“ erscheint im Dezember 2024.

Rowohlt, 591 Seiten; 15,00 Euro

 

Wer nicht genug von den Wikingern bekommen kann, dem kann ich auch Michael Römlings „Tankred“-Saga ans kämpferische Herz legen! Diese reicht von 882 bis nun 884. Hier ist gerade der vierte Band „Adler und Dolch“ erschienen. Rowohlt, 463 Seiten; 15,00 Euro

Rowohlt, 463 Seiten; 15,00 Euro