Kolumne vom 03.08.2015 – Nr. 363
S. J. Watson
Tu es. Tu es nicht.
London. Julia führt ein scheinbar gesichertes Leben mit ihrem Mann Hugh, einem Chirurg, und ihrem 13-jährigen Sohn Connor. Ihre unstete Schwester Kate, die die leibliche Mutter von Connor ist, macht ihr aber immer wieder Sorgen. Da bekommt sie die schreckliche Nachricht, dass Kate erschlagen aufgefunden wurde. Julia begibt sich auf eine gefährliche Suche, denn Kate führte ein sehr sexuelles Leben. Vor allem über das Internet verabredete sie sich mit Männern. Und nun gerät Julia, auf der Suche nach der Wahrheit, unaufhaltsam in den Sog des Verbrechens und der Vergangenheit.
Der Engländer S. J. Watson hat mit seinem Debütthriller „Ich. Darf. Nicht. Schlafen“ einen sensationellen Bestseller gelandet, der auch erfolgreich mit Nicole Kidman verfilmt wurde. Nun legt er mit „Tu es. Tu es nicht“ nach. Und S. J. Watson beweist, dass er keine Eintagsfliege war. Dieser Thriller braucht zwar etwas, bis er auf Touren kommt, aber dann nimmt er so was von an Fahrt auf. Teuflisch gut geschrieben! Julia ist eine streitbare Figur. Sie ist keinesfalls die gute Heldin, denn das was sie macht, ist natürlich falsch. Und trotzdem fühlt man mit ihr, weil sie mit ihren inneren Dämonen kämpft. Und das bis zum letzen Wort. „Tu es: Tu es nicht“ ist ein megaspannender, obsessiver Thriller. Mit einem Knaller von einem Ende!Scherz, 477 Seiten; 14,99 Euro
Lars Pettersson
Mord am Polarkreis
Kautokeino im Norden Norwegens: Ein Staatssekretär wird auf einer abgelegenen Straße nördlich des Polarkreises tot in seinem Auto aufgefunden. Wurde er von einem Scharfschützen ermordet? Die Stockholmer Staatsanwältin Anna Magnusson nimmt private Ermittlungen auf, denn ihre samische Familie scheint involviert. Auf deren Rentier-Weideland ist eine neue Erzgrube geplant und sorgt bei den Rentierzüchtern für heftige Proteste. Als ein weiterer Mord geschieht, spitzt sich die Lage in dem ansonsten so friedlichen Lappland weiter zu …
Lars Pettersson hat mit seinem Krimidebüt „Einsam und kalt ist der Tod“ für Aufsehen gesorgt. Dort überzeugten nicht nur die Landschaftsbeschreibungen, sondern auch der Kriminalfall. Aber auch da gab es schon durchaus Längen. Der Nachfolger „Mord am Polarkreis“ überzeugt nun nicht mehr. Die Geschichte beginnt sehr holprig und wenig krimilastig. Es zieht sich und zieht sich, bis mal etwas kriminalistischer Schwung in die Story kommt. Doch für einen Kriminalroman von 461 Seiten ist das alles viel zu wenig. Schön beschrieben ist die Umgebung in Kautokeino, wie auch schon im ersten Roman, auch die Figuren überzeugen streckenweise, doch das nützt am Ende nur wenig, wenn der Krimi wie eine heiße Kartoffel im Schnee versinkt.
Lübbe, 461 Seiten; 14,99 Euro
Ann Baiano
Sizilianisches Blut
Ende August, graue Wolken verdunkeln den Sommerhimmel Palermos. Reporter Luca Santangelo erfährt von der Ermordung seiner Ex-Freundin, der Ballett-Tänzerin Laura. Schockiert macht er sich daran, die Hintergründe des Verbrechens herauszufinden. Zumal Lauras neuer Geliebter in den Fall verwickelt zu sein scheint: Manfredi Guarnieri, Baron von Montevago, dessen Familie auf ausgedehnten Ländereien Wein und Oliven anbaut und der als Teil der sizilianischen feinen Gesellschaft und ihrer Vetternwirtschaft für all das steht, was Luca an seiner Heimat verabscheut. Die Spur führt in ein dichtes Geflecht von Betrügereien, Eifersucht und Gier …
Ein Krimidebüt, das aufhorchen lässt! Eine deutsche Autorin, die sich Sizilien und ihre dunklen Seiten vornimmt. Und das ist ihr voll gelungen. Ann Baiano erzählt zwei spannende Geschichten. Die eine beginnt im Jahre 1929 und reicht bis ins Jahr 1946. Diese „alte“ Geschichte ist voller Tragik. Sie hätte gar ein eigenes Buch verdient. Und die andere ist der Krimi, der im Heute spielt. Die Zusammenhänge werden einem nach und nach klar. Ein atmosphärischer Krimi, der mit Luca Santangelo einen sehr sympathischen Helden hat! Ein weiterer Hauptdarsteller dieses Buches ist Sizilien. Man sieht, riecht und fühlt die Insel im Mittelmeer. Somit ist das Buch auch ein kriminalistischer Leseurlaub. Unbedingt mehr davon. Und bitte ganz, ganz schnell!
Goldmann, 317 Seiten; 14,99 Euro
Walter Laqueur
Putinismus
Der Autor zeigt, wie sich nach dem Ende der Sowjetunion ein neuer gesellschaftlicher Konsens gebildet hat, antiwestlich, antiliberal und staatshörig, der an tief verwurzelte Traditionen Russlands anknüpft. Putin, Vorreiter dieser fatalen Entwicklung, findet breite Zustimmung im Lande. Sein Kurs, durch die Destabilisierung Osteuropas verlorenen Einfluss zurückzugewinnen, führt unweigerlich in eine gefährliche Konfrontation mit dem Westen.
Laut einer Umfrage glauben mehr Russen an Putin als an Jesus. Das mag für den ein oder anderen ganz normal klingen, für die meisten aber wohl sehr befremdlich. Walter Laqueur hat ein Buch über Russland und Putin geschrieben, das von den anderen abweicht. Er stellt u. a. aus historischen Bezügen und durch russische Philosophen aus dem 19. Jahrhundert fest, dass sich das russische Denken seither, so scheint es, kaum verändert hat. Ein Buch über die russische Geschichte, die Gegenwart und mit einem Ausblick in die Zukunft.
Propyläen, 332 Seiten; 22,00 Euro
Emily Nagoski
Komm, wie du willst
Das NEUE Frauen-Sex-Buch. Individuelle Reaktionen auf sexuelle Reize, die Selbstwahrnehmung, der Alltag und der Stress, spielen eine große Rolle für das sexuelle Wohlbefinden der Frau. Das Buch zeigt auf, jede Frau hat ihre eigene Sexualität, deshalb sollten Frauen nie auf die Erlebnisse anderer Frauen schielen und sich vergleichen, sondern ihre eigene Sexualität finden und ausleben. Das Buch kann einem dabei helfen.
Sex ist doch eine echt gute Sache! Sollte man das vielleicht vergessen oder noch gar nicht gewusst haben, dieses Buch bringt ihnen eine Lustexplosion! Frauen wie Männern. Die Autorin widmet sich dem ganzen Spektrum der weiblichen Sexualität. Da stehen dann so Themen wie: „Die Klit, die ganze Klit und nichts als die Klit“, „Von Sekreten und Ejakulaten“, „Die Anturner an-, die Abturner abschalten“, „Stress und Sex“, „Bindung und Sex: die dunkle Seite“, „Wenn jemand Ihre Vorlieben eklig findet“, „Feuchtigkeits-Irrtum“, und noch viele andere auf dem Programm.
Knaur, 494 Seiten; 19,99 Euro
Hörbuch der Woche
Melanie Raabe
Die Falle
Die berühmte Bestsellerautorin Linda Conrads hat seit elf Jahren ihr Haus nicht mehr verlassen. Sie quält eine schreckliche Erinnerung aus der Vergangenheit. Vor vielen Jahren hat Linda ihre jüngere Schwester Anna in einem Blutbad vorgefunden – und den Mörder flüchten sehen. Das Gesicht des Mörders verfolgt sie bis in ihre Träume. Deshalb ist sie schockiert, als sie genau dieses Gesicht eines Tages über ihren Fernseher flimmern sieht. Grund genug für Linda, einen Plan zu schmieden – sie wird den vermeintlichen Mörder in eine Falle locken. Doch was ist damals in der Tatnacht tatsächlich passiert?
Ein ungewöhnlicher Kriminalroman wie kein anderer! Eine Geschichte die von Isolation, von dem Verarbeiten, vom Unmöglichen erzählt. Dem Verlust eines Menschen durch einen Mord zu verarbeiten. Oder ist alles ganz anders? Melanie Raabe hat einen Kriminalroman geschrieben, der geschickt mit den Erwartungen des Lesers spielt. Einfach zu durchschauen ist das zu Anfang nicht. Auch braucht man als Leser Zeit für die Geschichte, denn sie ist zwar durchaus temporeich geschrieben, aber Hochspannungsmomente gibt es nicht so viele. Die bekannten deutschen Schauspieler Birgit Minichmayer und Devid Striesow lesen ihren Part mit Hingabe und werden den Charakteren gerecht.
Auch als Hardcover erhältlich bei btb, 19,99 Euro.
Der Hörverlag, 1 MP3 CD, 624 Minuten; 19,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 10.08.2015 – Nr. 364
Harper Lee
Gehe hin, stelle einen Wächter
Jean Louise Finch, bekannt aus „Wer die Nachtigall stört“, ist erwachsen geworden. Mit 26 kehrt sie zurück in ihre Heimatstadt in Alabama. Dort wirken sich die Rassenunruhen im Süden aber auch auf das Leben im ruhigen Maycomb aus. Jean Louise wird plötzlich mit ungeahnten Seiten an den Menschen konfrontiert, die ihr am nächsten stehen – alle voran ihr geliebter Vater Atticus. Während Jean Louises Weltbild auf den Kopf gestellt wird, muss sie lernen, sich von den Illusionen der Vergangenheit zu verabschieden. Ein schwieriger Prozess, bei dem sie nur dem eigenen Gewissen folgen kann.
Dieses Buch wird als Sensation gefeiert. Harper Lees 1960 veröffentlichtes Debüt „Wer die Nachtigall stört“ wurde zum Weltbestseller und daraus mit Gregory Peck in der Hauptrolle auch ein Filmklassiker. Und nun erscheint das im September 2014 entdeckte Manuskript von „Gehe hin, stelle einen Wächter“ weltweit zeitgleich. Somit schon ein literarischer Bestseller, bevor er überhaupt erschienen ist. Eine dramatische und aufwühlende Geschichte, die über sechzig Jahre alt ist, und trotzdem so viel Neues enthält. Ein Zeitdokument und ein Vater-Tochter-Roman. Ohne zu viel zu verraten wird man die Figuren in einem neuen Licht sehen, die eine später, als eigentlich zuvor, bei „Wer die Nachtigal stört“ ans Herz gewachsen sind. Das Leben verändert, die Autorin hat das mit ihren Figuren auch getan. Man darf aber nie vergessen, dass dieser Roman vor „Wer die Nachtigal stört“ geschrieben wurde. Von dieser Verwirrung muss man sich lösen. Ein Weltbestseller, eine literarische Sensation, ein unvergängliches Werk.Auch als Hörbuch erhältlich bei der Hörverlag. Die fantastische deutsche Schauspielerin Nina Hoss gibt sich die Ehre. Sie liest nuanciert und kraftvoll. 19,99 Euro.
DVA, 318 Seiten; 19,99 Euro
Marie Calloway
Es hat echt überhaupt nichts mit dir zu tun
Marie Calloway ist Anfang zwanzig und lebt in New York. Sie ist Teil der jungen literarischen Szene Brooklyns, veröffentlicht in Onlinemagazinen und führt einen Blog. Der Name „Marie Calloway“ ist ein Pseudonym, unter dem sie über alles schreibt, was ihr im Zusammenhang mit Sexualität widerfährt. In ihren Texten geht es u. a. um ihre Entjungferung oder ihre Affäre mit einem verheirateten Mann, und mindestens ebenso sehr wie ihren Körper legt sie ihre Seele bloß. Sie selbst verschont sich dabei nicht …
Ein Buch, das man entweder liebt und total schrecklich findet. Obwohl lieben in Verbindung mit dem Buch auch falsch ist. Denn das Buch quillt über vor Sex. Oben, unten, vorne, hinten, überall. Die Autorin lässt nichts aus. Sexuell bekommt man viel geboten, eine gescheite Story bekommt man dabei nicht. Es ist eine Aneinaderreihung von unterschiedlichen Sexerlebnissen- und praktiken. Wie, als die Autorin 18 Jahre alt war, alles begann; dann Prostitutionserlebnisse; Cybersex; BDSM; mit ganz speziellen Typen; und noch einiges mehr.
Ullstein, 287 Seiten; 19,99 Euro
Catherine Mayer
Charles – Mit dem Herzen eines Königs
Prinz Charles, geboren, um einmal den Thron zu besteigen, hat sich nicht auf seine ewige Prinzenrolle festlegen lassen. Er ist alles andere als ein König in Warteschleife und hat bereits heute den Grundstein für eine neue Interpretation der britischen Monarchie gelegt. Dieses Buch zeigt Prinz Charles in einem völlig neuen Licht: als eine komplexe Persönlichkeit mit vielen Passionen, getrieben von seiner Vergangenheit und einer ganz klaren Philosophie, aktiv zu agieren. Entstanden auf der Basis zahlreicher Interviews mit dem engsten Kreis der Freunde, Wegbegleiter, Mitarbeiter und auch mit ihm selbst.
Der besonnene Prinz Charles und wie er wirklich ist. Eine Biographie, die wunderbar die vielseitige und eindrucksvolle Persönlichkeit von Prinz Charles einfängt. Er macht so viel, von dem man als nicht Windsor-Kenner kaum eine Ahnung hat. Er ist ein Prinz für das Volk, der nahe bei den britischen Bürgern ist, diese unterstützt und motiviert, und der natürlich den Draht zu den ganz Mächtigen in der Welt hat. Und er macht das nach seinen Überzeugungen, ganz weg vom politisch zeitlich begrenzten Denken. Dieses Buch klärt auf, was Charles alles zu verantworten hat, was ihm lieb und teuer ist, wie er denkt, was er für Vorlieben hat, wie es mit der Familie bestellt ist, wie er zu dem wurde, was er heute ist, und noch so viel mehr. Das royale Leben hautnah erleben. Was passiert im Könighaus und außerhalb? Ein Buch, das verblüffende Einblicke in eine geschlossene Gesellschaft gibt.
Heyne, 480 Seiten; 19,99 Euro
Kristine Bilkau
Die Glücklichen
Cellistin Isabell und Journalist Georg sind ein glückliches Paar. Mit der Geburt ihres Sohnes wächst nicht nur ihr Glück, sondern auch der Druck und die Verunsicherung. Die Arbeit wird nicht einfacher, dann werden beiden arbeitslos. Und auch eine Mieterhöhung kommt noch. Für die jungen Eltern beginnt damit ein leiser sozialer Abstieg.
Literatur aus dem Leben, dem Eheleben, dem ganz normalen Alltag – auf hohem Niveau. Ein Paar, das glücklich scheint mit sich und der Welt, aber plötzlich, mit einem Ereignis nach dem anderen, bekommt das Glück Bruchstellen und die werden immer größer. „Die Glücklichen“ ist keine Geschichte die einen glücklich macht, aber eine die einem zeigt, wie sich ein glückliches Leben ganz langsam zu einem dunklen Strudel entwickeln kann. Vor allem wenn ein Paar dann nicht zusammenhält, weil, in diesem Fall die Frau, ihr Leben nicht den neuen Umständen anpassen will. Ein Roman mit Nachhall!
Luchterhand, 302 Seiten; 19,99 Euro
Kamila Shamsie
Die Straße der Geschichtenerzähler
Juli 1914. Die junge Engländerin Vivian Rose Spencer darf an Ausgrabungen in der Türkei teilnehmen. Dabei begegnet sie Tahsin Bey. Eine Begegnung mit Folgen. Juli 1915. Der Krieg hat alles verändert. Vivian folgt einer Spur ihres Geliebten, als sie im Zug nach Peschawar den jungen Paschtunen Qayyum Gul trifft. Beide ahnen nicht, dass ihre Geschicke sich auf immer verbinden …
Die in Pakistan geborene Autorin hat mit „Die Straße der Geschichtenerzähler“ einen ganz magischen, dramatischen und spannenden Roman geschrieben. Ein sehr hochwertiger historischer Roman, der die schlimme Zeit des 1. Weltkrieges genauso beachtlich einfängt, wie die Zeit und mit ihr die Fesseln zu Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien und Indien. Die Hauptfiguren lassen einen schon nach kurzem nicht mehr los.
Berlin Verlag, 382 Seiten; 19,99 Euro
Hörbuch der Woche
Jenny Blackhurst
Die stille Kammer
Mein Name ist Emma Cartwright. Noch vor drei Jahren war ich Susan Webster – jene Susan Webster, die ihren zwölf Wochen alten Sohn Dylan getötet hat. Fast drei Jahre verbrachte ich in der Forensischen Psychiatrie. Seit vier Wochen bin ich wieder draußen. Unter neuem Namen lebe ich nun in einer Stadt, in der niemand von meiner dunklen Vergangenheit weiß. Doch heute Morgen erhielt ich einen Brief, adressiert an Susan Webster. In dem Umschlag befand sich das Foto eines etwa dreijährigen Jungen, auf der Rückseite standen die Worte: Dylan – Januar 2013. Kann es sein, dass mein geliebter Sohn noch lebt?
Das Debüt der Engländerin Jenny Blackhurst „Die stille Kammer“ ist ein Thriller, der nicht auf das Gaspedal tritt, aber dafür mit viel subtiler Spannung zu überzeugen weiß. Man fiebert mit Susan mit, und denkt sich aber auch manchmal, was macht sie da nur? Da hat die Autorin dann, bei Figuren und Handlung, immer wieder mal zu viel konstruiert. Aber trotzdem ist man bei „Die stille Kammer“ nie gelangweilt. Tanja Geke hat ihn raus, den Thrill-Effekt! Sie hat ja schon eine Reihe von Thrillern höchst spannend eingelesen. Das macht sie nun auch mit „Die stille Kammer“.
Auch als Taschenbuch erhältlich bei Bastei Lübbe, 9,99 Euro.
Lübbe Audio, 6 CDs, 456 Minuten; 16,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 17.08.2015 – Nr. 365
Stefan Ahnhem
Herzsammler
Stockholm: Fabian Risk wollte eigentlich mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Doch dann taucht die brutal zugerichtete Leiche des Justizministers auf, und Risk wird um Hilfe bei den Ermittlungen gebeten. Es bleibt nicht bei einem Opfer. Die einzige Verbindung zwischen den Toten: Jedem wurde ein Organ geraubt. Als ein Verdächtiger Selbstmord begeht, glauben Risks Kollegen, den Fall gelöst zu haben. Nur Risk hat Zweifel. Und er ahnt, dass der Mörder mit seinem Rachefeldzug noch lange nicht fertig ist …
Der Schwede Stefan Ahnhem hat mit seinem Thriller-Debüt „Und morgen du“ einen Volltreffer gelandet. Nun folgt in „Herzsammler“ der zweite Fall für Fabian Risk. Stefan Ahnhem will den Leser nie in Sicherheit wiegen, es soll immer etwas passieren, was man als Leser nicht vermutet. Das sagt der Autor selbst. Und in „Herzsammler“ gelingt ihm das auch in vielen Kapiteln. Sie nehmen eine andere Wendung, als man das vielleicht gedacht hat. Und so freut man sich auf jedes neue Kapitel, das große Ganze kommt erst zum Schluss. Ein Thriller, der sich einem Thema annimmt, das zeigt, wie grausam Menschen sein können. Ich will nicht zu viel verraten. Aber Geld gegen Leben, egal wer dafür sterben muss, soll ein Hinweis sein. Ein Thriller der den Puls steigen lässt, erschüttert und mit seiner Spannung begeistert!Auch als Hörbuch erhältlich bei Hörbuch Hamburg. Wenn David Nathan, die deutsche Stimme von Johnny Depp, liest, hört jedes Ohr zu! 19,99 Euro
List, 574 Seiten; 14,99 Euro
Caryl Férey
Jähzorn
Rubén ist der Sohn des berühmten aufständischen Dichters Calderón, der in den Verliesen der argentinischen Diktatur zu Tode gefoltert wurde. Rubén selbst entkam nur knapp. Dreißig Jahre später widmet er sich der Verfolgung der damaligen Täter und sucht nach anderen Überlebenden wie ihm. Als er eines Tages der indianischen Bildhauerin Jana begegnet, die ihn damit beauftragt, die brutalen Mörder einer Prostituierten zu finden, ändert sich sein Leben für immer – denn beide verbinden sowohl Schmerz als auch Wut. Doch im heutigen wie im damaligen Argentinien ist es nie gut, zu viele Fragen zu stellen …
In Frankreich ein Bestseller, man fragt sich nur warum? Die Grundidee der Story klingt sehr gut und vielversprechend. Da habe ich mir ebenso viel erwartet. Spannende und interessante in die Geschichte eingebundenen Erzählungen aus dem damaligen und heutigen Argentinien. Ein Thriller, der vor Spannung platz. Das alles wird leider nicht geboten, die Umsetzung ist zäher als zäh. Der Autor verliert sich in so vielen Nebensächlichkeiten, die bremsen die Story immer wieder aus. Dieses Buch als Thriller zu bezeichnen ist schon sehr ambitioniert. „Jähzorn“ ist ein Krimi mit wenig großen Spannungsmomenten und viel Leerlauf. Das trifft die Seele des Buches schon besser.
Limes, 538 Seiten; 14,99 Euro
Sarah Bannan
Die Neue
Als Carolyn Lessing neu an die Adam’s High kommt, sind zunächst alle angetan. Die Lehrer von ihrer Intelligenz, die Mädchen von ihrem Stil und die Jungs von ihrer Schönheit. Für Carolyn scheint alles gut zu laufen, eine neue Schule, ein neues Leben. Doch dann verliebt sie sich in den falschen Jungen, und dessen Ex-Freundin Brooke, das populärste Mädchen der Schule, startet über Facebook, und nicht nur da, eine Hetzkampagne. Nach und nach kippt die Stimmung, bis die öffentliche Demütigung aus dem Ruder läuft und in einer Katastrophe mündet, nach der nichts mehr so ist wie es war.
Der dramatische und spannende Roman „Die Neue“ befasst sich mit einem Thema, das leider immer aktuell ist: Mobbing in der Schule. Neid, Gemeinheiten, Grausamkeiten, Hass, körperliche Gewalt. Das gab es schon vor 10, 20, 30 Jahren und auch davor. Heute, durch das Internet, hat es nochmals einen neuen, traurigen Schub nach vorne bekommen. Sarah Bannan schreibt sehr gut über die Befindlichkeiten von jungen Mädchen, Teenagern, angehende Erwachsenen. Was sie fühlen, wie sie denken, was ihnen wichtig ist. Es geht viel um Status in der Schule, bei allen, bei anderen Mädchen, bei den Jungs. Was hat man an, wie liegen die Haare, wie schlank ist man. Man fühlt irgendwie, dass sich die Mädchen damit in einem Gefängnis befinden, entweder du machst mit, oder du bist unten durch. Und wer einmal abgestiegen ist, wird nie wieder hochkommen. „Die Neue“ ist in einem lockeren Ton erzählt, was den Roman noch authentischer macht.
Droemer, 365 Seiten; 12,99 Euro
Christine Drews
Tod nach Schulschluss
Max Wenke, Musterschüler auf dem Elite-Internat Schloss Lemburg, wurde mit einem mittelalterlichen Folterinstrument getötet. Ein schwieriger Fall für die Kommissare Charlotte Schneidmann und Peter Käfer, denn Lehrer und Schüler scheint Max‘ Tod relativ egal zu sein. Erst ein schockierendes Detail sprengt die Mauer des Schweigens …
„Tod nach Schulschluss“ ist nach „Schattenfreundin“ der zweite Fall für die Münster Kommissare Schneidmann und Käfer. Ein fesselnder Krimi, der die dunklen Seiten einer Elite-Schule zeigt. Ein Fall, der zu überzeugen weiß, und ein Umfeld, über das man immer mehr erfahren will. Das Zeugnis für diesen Krimi: klasse Lesestunden!
Bastei Lübbe, 379 Seiten; 8,99 Euro
Mark Billingham
Der Manipulator
Serienkiller Stuart Nicklin sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis. Niemand kennt die genaue Zahl seiner Opfer, niemand weiß, wo die Knochen seiner ersten Opfer begraben sind. Dann bietet Nicklin der Polizei einen Deal an. Er führt sie an die Stätte seiner Untaten. Detective Tom Thorne muss das Unternehmen leiten – auf eine einsame walisische Insel …
Was habe Gillian Flynn, Karen Slaughter, Michael Connelly und Lee Child gemein? Sie sind alle erstklassige Thrillerautoren und sie alle schätzen Mark Billingham sehr. Auch ich verfolge Mark Billingham nun schon über ein Jahrzehnt. Er wurde von Buch zu Buch immer besser. Mit „Der Manipulator“ gelingt ihm das diesmal nicht. Zu behäbig ist das erste Drittel des Buches, aber dann schlägt wieder voll die billinghamsche Thriller-Peitsche durch.
Heyne, 462 Seiten; 12,99 Euro
Hörbuch der Woche
Veit Etzold
Der Totenzeichner
Berlin. Einem Mordopfer wurden mysteriöse Zeichen in die Haut geritzt. Clara Vidalis, Expertin für Pathopsychologie am LKA Berlin, kommen diese bekannt vor. Als die Obduktion der Leiche weitere grausame Details ans Licht bringt, wird klar, dass es einen ähnlichen Modus Operandi schon einmal gab: Vor zehn Jahren versetzte ein Serienkiller den Westen der USA in Angst und Schrecken. Einen Sommer lang trieb er dort sein Unwesen, bevor er sich mit einer blutigen Botschaft verabschiedete. Ist der Totenzeichner nun zurückgekehrt?
Veit Etzold hat sich mittlerweile einen Stammplatz unter den besten deutschen Thriller-Autoren erobert. Mit Werken wie „Final Cut“ und „Seelenangst“ hat er einen das Fürchten gelehrt. „Der Totenzeichner“ setzt diese Qualität fort. Ein Thriller, der sich aus der Masse heraushebt. Sowohl die Story, als auch der Killer, sind außergewöhnlich. Die Auflösung des Falls lässt einen dann erstaunen. Auch das sonstige Personal ist gut gezeichnet. Gelesen wird dieser gute Thriller von Nicole Engeln. Nicole Engeln hat das Thriller-Gen. Wenn sie einen Thriller liest, dann ist Gänsehaut garantiert!
Auch als Taschenbuch erhältlich bei Bastei Lübbe, 9,99 Euro.
Lübbe Audio, 6 CDs, 420 Minuten; 16,99 Euro
Denglers-buchkritik.de
Kolumne vom 31.08.2015 – Nr. 367
Tania Carver
Morgen früh, wenn du willst
DI Phil Brennan findet einen verstörenden Tatort vor. In einem Haus findet er ein vermeintliches Kinder-Idyll mit pinkfarbenen Tapeten, gelben Schleifchen und einem reich gedeckten Kuchentisch. Es ist wie ein Puppenhaus. Und am Tisch sitzt eine Puppe, in Lebensgröße, mit blonden Zöpfen und in einem rosa Kleidchen. Sie ist blutverschmiert und tot. Sie hatte sich genau diesen Tod gewünscht. Und sie ist ein Mann. Phil bittet seine Frau, Polizei-Profilerin Marina, um Hilfe. Jagen sie einen Einzeltäter, einen „Puppenspieler“? Oder hängen die Morde mit dem Kult zusammen, dem auch einer ihrer Kollegen zu huldigen scheint?
Das Autorenduo Tania Carver legt in ihrer Marina-Esposito-Reihe mit „Morgen früh, wenn du willst“ den fünften Fall vor. Schon die vier vorherigen Fälle waren Bestseller und hoben sich vom Thriller-Markt ab. Aber mit „Morgen früh, wenn du willst“ hat das Autorenduo ihr bestes Buch geschrieben. Die Geschichte ist verstörend und intensiv dargestellt. Es gibt zahlreiche Spuren und Wendungen. Den Figuren, den Bösen und den Guten, hat das Autorenduo viel Leben eingehaucht. Das macht die Geschichte noch besser. Ein packender Thriller mit starkem Personal!List, 502 Seiten; 14,99 Euro
Leisa Rayven
Wohin du auch gehst
Der Traum vom Ruhm führt Cassandra Taylor und Ethan Holt zu einer der berühmtesten Schauspielakademien der USA. Bereits während des Vorsprechens kommt es zu einem schicksalhaften Ereignis: Cassandra und Ethan spielen eine gemeinsame Szene so perfekt, als besäßen sie eine tiefe Verbindung und würden sich seit Jahren kennen. Für das Auswahlverfahren erweist sich dies als Glücksfall: Cassandra und Ethan werden als das bekannteste Liebespaar der Geschichte gecastet. Trotz der gegenseitigen Anziehungskraft klappt es privat zwischen den beiden überhaupt nicht. Dennoch sind sie auch in den kommenden Jahren die perfekte Besetzung für große Liebesgeschichten.
Ein Roman mit viel Potenzial, dachte ich. Doch schon bald musste ich erkennen, dass es wieder einer dieser todlangweiligen New Adult Romane ist, die seit einiger Zeit erscheinen und die einem den letzten Nerv rauben. Das liegt vor allem daran, dass ich mich in die beiden Hauptcharaktere überhaupt nicht einfühlen konnte. Bei dem was sie denken und tun wirken sie nicht wie echte Menschen, sondern wie Kunstfiguren. Ihre Dialoge sind von normalen Liebespaaren soweit entfernt wie die Erde vom Mars. Alles total übertrieben in Ausdruck und Form. Und wie immer bei dieser Gattung von Romanen ist sie naiv hoch drei und er Mann, mit dem man als Frau eigentlich nicht zu tun haben will. Und genau die finden dann zusammen, tun sie nicht, tun sie doch, tun sie nicht, tun sie doch … Und dieses langatmige Gezänke geht dann hunderte Seiten so weiter. Positiv ist anzumerken, dass die Autorin einen sehr flüssigen Stil pflegt. So lässt sich das Vorgenannte wenigstens schnell weglesen.
Fischer, 487 Seiten; 14,99 Euro
Jilliane Hoffman
Samariter
Florida. Die junge Mutter Faith Saunders, Inhaberin einer Cupcake-Bäckerei, fährt nachts bei einem Sturm leicht angetrunken von ihrer Schwester nach Hause. Etwas läuft vor ihr Auto. Dann taucht eine Frau aus dem Dunkel auf und bittet sie, einsteigen zu dürfen. Doch Faith lässt die Frau nicht in das Auto. Dann kommt ein Mann und zerrt die junge Frau weg. Faith flüchtet. Soll sie das, was sie gesehen hat, der Polizei melden? Aber sie hat etwas angefahren. Sie war betrunken. Sie hat schon mal betrunken einen Unfall verursacht. Faith schweigt. Später erfährt sie von einer bestialischen Mordserie. Junge Frauen werden entführt und zu Tode gequält, ihre Leichen inmitten von Zuckerrohrfeldern abgelegt. Die Polizei hat keine Spur. Was soll Faith nun tun?
Ein Thriller, der einen immer weiter lesen lässt. Man kann gar nicht sagen warum, denn die Story entwickelt sich für einen Thriller langsam und lässt der Figur der Faith Saunders viel Raum. Aber Jiliane Hoffman schafft es trotzdem, mit oft ganz einfachen Mitteln viel Spannung aufzubauen. Auch die Figur der Faith Saunders ist gut charakterisiert. Man kann mit ihr fühlen und ihre Handlungsweise verstehen. Was würde man selbst tun, wenn man die Vorgeschichte von Faith hätte? Wenn der Thriller dann richtig in die Vollen geht, lässt man das Buch nicht mehr los. „Samariter“ ist kein Almosen-Thriller, sondern ein Thriller-Geschenk für alle Liebhaber von gepflegter Spannungsliteratur!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Argon Hörbuch. Schauspielstar und mittlerweile auch Bestsellerautorin Andrea Sawatzki lässt mit ihrer markanten Stimme die Story vibrieren. 19,99 Euro.
Wunderlich, 477 Seiten; 19,99 Euro
Westbam
Die Macht der Nacht
Westbam war einer der Ersten, der in den frühen Achtzigern nicht nur Platten aneinanderreihte, sondern mixte und damit die DJ-Kultur in Deutschland begründete. Hier erzählt er von Mark ‚Ohs Schlager-Technohit Tears Don’t Lie, von frühen Vorort-Raves in England bis hin zu exzessiven Partys in Rotterdam, von der Zeit der kollektiven Glückssuche nach dem Mauerfall bis zu den Tagen, als alles Pop wurde.
Westbam, der Kult DJ der ersten Stunde, schreibt ein Buch über die große Zeit des Rave, von Techno-, Dance- und Housemusik. Das hätte schief gehen können, doch weit gefehlt. Denn mit „Die Macht der Nacht“ ist Westbam auch ein Hit gelungen, ein literarischer. Ein Buch, das ein ganz besonderes Gefühl vermittelt. Vor allem, wenn man die Zeit selbst intensiv miterlebt hat. Aber auch für die, die wissen wollen, wie alles anfing mit dieser tollen Musikrichtung. Hier kann man literarisch abtanzen!
Ullstein, 314 Seiten; 18,00 Euro
Steven Galloway
Der Illusionist
Martin Strauss leidet an unheilbaren Erinnerungsstörungen. Bevor es schlimmer wird, blickt er noch mal auf sein turbulentes Leben an der Seite des weltbekannten Magiers Houdini zurück. Harry Houdini, dem Anfang des 20. Jahrhunderts der sagenhafte Aufstieg von kleinen Hinterzimmerauftritten auf die ganz großen Bühnen der Welt gelang. Strauss hat Aufstieg und Fall von Harry Houdini begleitet, glaubt er zumindest. Und er hat ihn getötet, glaubt er auch. Doch was ist wahr an Strauss‘ Erinnerungen, und was ist Illusion?
Der Kanadier Steven Galloway hat mit „Der Cellist von Sarajevo“ einen internationalen Bestseller gelandet. Mit „Der Illusionist“ setzt er sein Können erneut unter Beweis. Die Geschichte des Harry Houdini ist spannend zu lesen, und auch zu erfahren, welche Rolle dabei der fiktive Strauss‘ spielt. Galloway hat einen interessanten Storyaufbau gewählt Ein literarischer Geniestreich voller Illusionen!
Luchterhand, 352 Seiten; 19,99 Euro
Hörbuch der Woche
Agatha Christie
Die große Agatha Christie Geburtstagsedition
„Karibische Affäre“: Miss Marple macht Urlaub in der Karibik. Ein Hotelgast wird ermordet, mit dem sich Miss Marple am Tag zuvor noch unterhalten hat. Sie sieht Ungereimtheiten und macht sich ans Werk – und den Mörder bald schon dingfest. „Die Kleptomanin“: Seltsame Diebstähle im Studentenwohnheim. Hercule Poirot wird zu Hilfe gerufen, der die Diebin schnell entlarvt. Doch dann wird sie am nächsten Morgen tot aufgefunden. Da ist Poirots Kombinationsvermögen gefragt, denn neben dem Mord hat sich die Spur eines Schmugglerrings aufgetan. „Das unvollendete Bildnis“: Hercule Poirot und ein spezieller Fall. Er soll einen Mord aufklären, dessen Mörderin bereits verurteilt und tot ist. Die Mutter von Carla Lemarchant wurde verurteilt, ihren Vater umgebracht zu haben. Doch Carla glaubt nicht daran. Gelingt es Poirot, die Unschuld der Mutter zu beweisen?
Agatha Christie lebt! Wenn man die tollen Geschichten dieser Hörbuchedition hört denkt man das zumindest. So wunderbar spannend und zeitlos sind sie geschrieben und vorgelesen. Miss Marple kommt mit der Stimme von Regina Lemnitz (Karibische Affäre) zum Einsatz, Hercule Poirot wird von zwei ganz unterschiedlichen Stimmen zum ermitteln geschickt: Einmal Friedhelm Polk (Die Kleptomanin) und David Nathan (Das unvollendete Bildnis). Bei allen drei ist spannender Hörgenuss garantiert!
Der Hörverlag, 10 CDs, 738 Minuten; 29,99 Euro
Denglers-buchkritik.de