April 20, 2024

BuchTipp 02 2023

Der BuchTipp des Monats Februar 2023

Das jeweilige Buch ist bei den Rezensionen besonders im Kopf geblieben und daher zum BuchTipp des Monats gewählt worden!

Juli Zeh / Simon Urban – Zwischen Welten

Zwanzig Jahre sind vergangen: Als sich Stefan und Theresa zufällig in Hamburg über den Weg laufen, endet ihr erstes Wiedersehen in einem Desaster. Zu Studienzeiten waren sie wie eine Familie füreinander, heute sind kaum noch Gemeinsamkeiten übrig. Stefan hat Karriere bei Deutschlands größter Wochenzeitung „Der Bote“ gemacht, Theresa den Bauernhof ihres Vaters in Brandenburg übernommen. Aus den unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden. Stefan versucht bei seiner Zeitung, durch engagierte journalistische Projekte den Klimawandel zu bekämpfen. Theresa steht mit ihrem Bio-Milchhof vor Herausforderungen, die sie an den Rand ihrer Kraft bringen. Die beiden beschließen, noch einmal von vorne anzufangen, sich per E-Mail und WhatsApp gegenseitig aus ihren Welten zu erzählen. Doch während sie einander näherkommen, geraten sie immer wieder in einen hitzigen Schlagabtausch um polarisierende Fragen wie Klimapolitik, Gendersprache und Rassismusvorwürfe. Ist heute wirklich jeder und jede gezwungen, eine Seite zu wählen? Oder gibt es noch Gemeinsamkeiten zwischen den Welten? Und können Freundschaft und Liebe die Kluft überbrücken?

Bestseller-Autorin Juli Zeh hat in den letzten Jahren das Gespür für Romanstoffe entwickelt mit Themen, die den Menschen unter den Nägel brennen, am Puls der Zeit sind, unbequeme Fragen stellen und nahbare und streitbare Charaktere enthalten. So gesehen in „Unterleuten“ und „Über Menschen“. Und nun folgt „Zwischen Welten“. Und wieder bringt sie alles ein, was ich zuvor genannt habe. „Zwischen Welten“ beschreibt die unterschiedlichen Welten des abgehobenen Städters und der real denkenden Landfrau. Doch ist es so einfach? Ja und nein. Während Stefan in einer journalistischen Blase lebt, und dabei denkt, er kennt das echte Leben, versteht Theresa oft Dinge nicht, die für Stefan ganz alltäglich sind. Einerseits sind die Charaktere natürlich einigermaßen auf die Spitze charakterisiert, aber sie vermitteln anderseits doch ein echtes Bild unserer Gesellschaft. Die, die in den Städten leben, die, die auf den Land leben, die, die sich um unwichtige Dinge Gedanken machen, denkt der eine, die, die sich mit Dinge beschäftigen, von denen man doch selbst eigentlich so gar nichts wissen will. Dazu das Eigen- und Arbeitsleben der Hauptfiguren. Die eine kämpft mit Händen und Füßen und mit dem Kopf gegen den Irrsinn und den Hürden, die ihre Landwirtschaft einfacher und besser machen würde, der andere kämpft mit Worten für ein andere Gesellschaft, für einen anderen Planeten. So unterschiedlich – und doch so gleich? Das darf jede LeserIn selbst herausfinden. Der Roman ist etwas eigenwillig in WhatsApp-Form und E-Mail-Form verfasst, was aber beiden Hauptfiguren die Möglichkeit gibt, ausgiebig über das zu sprechen, was ihre jeweilige Welt ausmacht. Das wäre in einem Dialog-Roman, in dieser Form, schwer zu schreiben gewesen. Der Roman ist ein Brennglas der Republik!

Luchterhand, 444 Seiten; 24,00 Euro