Kolumne vom 24.07.2017 – Nr. 466
Don Winslow
Corruption
Denny Malone ist ein hochdekorierter Detective bei der Manhattan North Special Taskforce, der gefeierten Elitetruppe des NYPD. Malone und seine Truppe haben einen Freibrief, um gegen Gangs, Drogen und Waffen zu kämpfen. Denny Malone hat immer getan, was getan werden musste, um zu dienen und zu schützen, und jeden Tag und jede Nacht der achtzehn Jahre in diesem Job an vorderster Front verbracht. In einer Stadt die auf Ehrgeiz und Korruption gebaut ist, macht jeder sich die Finger schmutzig – auch Malone. Doch dann wird er erwischt. Was hat er nun noch für Möglichkeit? Auspacken und alle seine Leute verraten? Oder tut sich noch etwas ganz anderes auf?
Don Winslows Thriller sind alles Hochkaräter des Genres! Das trifft auch auf seinen neuen Bestseller „Corruption“ zu. Der Thriller beschreibt was man nicht gerne hört, die Korruption bei der Polizei. Die Elitetruppe des NYPD, allen voran Denny Malone, und nicht nur diese Truppe, nehmen sich, was ihnen nicht gehört, vor allem Geld. Damit tun sie manchmal auch Gutes, begehen aber trotzdem regelmäßig Straftaten. Was nützt es, wenn man ein guter Polizist ist, wenn man auf der anderen Seite korrupt ist? Dieser Gewissensfrage geht Don Winslow u. a. in diesem Buch auf den Grund. „Corruption“ ist knallhart, schonungslos, schmutzig, hinterhältig und brandaktuell! Don Winslow zeigt wieder sein ganzes Können!
Auch als Hörbuch erhältlich bei Lübbe Audio. Dietmar Wunder, u.a die deutsche Stimme von 007 Daniel Craig, gibt dem Thriller Kraft und Glanz. 19,99 Euro.
Droemer, 541 Seiten; 22,99 Euro
Pauliina Susi
Das Fenster
Leia Laine (35) soll Leiterin einer Helsinkier Beratungsstelle für sexsüchtige Männer werden. Nach einem Talkshowauftritt geht ein hasserfüllter Shitstorm auf sie nieder, sie bekommt Drohungen per SMS, kurz darauf werden ihre Konten gesperrt. Doch von wem? Der abgedrehte Hacker „Land-0“, der größten Spaß daran hat, virtuelle Grenzen zu überschreiten, hat es auf sie abgesehen. Doch nicht nur er. Leia ahnt nicht, dass es letztlich um ein hochbrisantes Skype-Video geht, auf dem der Justizminister zu sehen ist und das sie selbst im Besitz haben soll – bis es fast zu spät ist: Ihre 16-jährige Tochter Vivii gerät ins Fadenkreuz der Verfolger …
Die Finnin Pauliina Susi hat mit „Das Fenster“ den Finnischen Krimipreis 2016 gewonnen. „Das Fenster“ – ein hoch interessanter Thriller! Der aber leider mit zu viel Vorschusslorbeeren angepriesen wurde. Denn wer „Das Fenster“ mit den außergewöhnlichen Thrillern von „Gone-Girl“-Bestsellerautorin Gillian Flynn vergleicht, der darf sich nicht wundern, wenn man während der Lektüre diese Wow-Erlebnisse aus „Gone Girl“ & Co. sucht, sie aber nicht findet. „Das Fenster“ ist in einzelnen Teilen einfach viel zu lang und zu behäbig erzählt, da geht die ganze Spannung verloren, die zuvor in Teilen gut aufgebaut wurde. Das Thema des Thrillers ist daher hoch interessant, aber die Umsetzung nur Mittelmäßig.
dtv, 528 Seiten; 16,90 Euro
Lisa Gardner
Die Überlebende
472 Tage lang lernte sie, wie viel ein Mensch ertragen kann: Flora Dane, College-Studentin, am hellichten Tag gekidnappt. Wie durch ein Wunder überlebte sie. Und entkam ihrem Peiniger. Sieben Jahre ist das nun her – doch vergessen kann Flora nicht. Die Wände ihres Zimmers sind voller Fotos: Mädchen, die weniger Glück hatten als sie. Mädchen, die jetzt tot sind. Flora schwört, sie niemals im Stich zu lassen. Und dann ist wieder eine junge Frau verschwunden. Kurz darauf wird Detective D.D. Warren an den Tatort eines grausigen Verbrechens gerufen: Ein Mann – verbrannt. Eine junge Frau – nackt und gefesselt. Flora Dane.
„Die Überlende“ ist der sechste Fall für Detective D. D. Warren. Zuletzt erschienen „Der Tag, an dem du stirbst“ und „Schmerz“. Die amerikanische Weltbestsellerautorin Lisa Gardner hat mit ihrer D.-D.-Warren-Reihe ein echtes Highlight im Thriller-Universum erschaffen. Schon die fünf Fälle zuvor sind absolut empfehlenswert. Ihr neuer Thriller nimmt sich da nicht aus: Unberechenbar, wendungsreich, mit starken Figuren und einer klugen und spannenden Story. „Die Überlende“ packt einen von der ersten Seite an und lässt einen über 500 Seiten lang nicht mehr los! Lisa Gardner zeigt erneut, warum sie schon weit über ein Jahrzehnt weltweit zu den besten weiblichen Thriller-Autorinnen zählt!
Rowohlt, 541 Seiten; 9,99 Euro
David Bodanis
Einsteins Irrtum
Albert Einstein war eines der größten Genies des 20. Jahrhunderts, er formulierte die Gleichung E=mc², die den Zusammenhang von Masse und Energie definierte, und entwickelte bahnbrechende Gedanken zu Raum und Zeit. So sagte er voraus, dass das Universum expandiert. Und doch stand der von der ganzen Welt gefeierte Wissenschaftler am Ende seines Lebens unter seinen Kollegen ziemlich alleine da. Der Autor schildert die Geschichte von Einsteins größtem Irrtum, der letztlich dazu führte, dass er sich mit den aufregenden Erkenntnissen seiner Nachfolger zur Quantenmechanik nicht mehr anzufreunden vermochte und die Idee der Unschärferelation verwarf.
Wie konnte es dazu kommen, dass am Ende dieses großartige Jahrhundertgenie in der Isolation endete? Keiner mehr groß etwas mit ihm zu tun haben wollte, er nur noch bemitleidenswerter alter Mann wahrgenommen wurde? Dieses Buch geht diesen Fragen und noch viel mehr auf den Grund. Wer bisher noch kein Einstein-Buch gelesen hat, wird dieses Buch mit großem Erstaunen lesen. Der, der Einsteins Geschichte schon kennt, bietet auch „Einsteins Irrtum“ immer noch neue Details.
DVA, 335 Seiten; 19,99 Euro
Rachel Kushner
Telex aus Kuba
Everly Lederer und K.C. Stites, zwei Jugendliche, scheinen füreinander bestimmt zu sein: sie die Tochter des Chefs einer amerikanischen Nickelmine und er der Sohn eines leitenden Angestellten der United Fruit Company. Aus den Brüchen zwischen dem, was sie voller Faszination und Erschrecken wahrnehmen, tritt allmählich die Geschichte eines ebenso wagemutigen wie bisweilen absurden Freiheitskrieges zutage. Verwickelt in ihn sind, auch ein französischer Agent mit SS-Vergangenheit, eine kubanische Tänzerin mit erotischem Hang zur Macht, zahlreiche karrierebewusste Saubermänner und ihre dekadenten Gattinnen, Dschungelkämpfer und schmutzige Geschäftemacher.
Rachel Kushner hat 2015 mit ihrem Roman „Flammenwerfer“ für Aufsehen gesorgt. Ein Roman, der mich begeistert hat. Nun folgt ihr „Telex aus Kuba“, ihr eigentlicher Debütroman, der bereits 2008 in den USA erschienen ist. Nicht ganz so gut wie „Flammenwerfer“, aber immer noch eine Geschichte, die man mit Genuss liest. Rachel Kushner entführt einen in eine sehr interessante Zeit und lässt das Kuba zu Zeiten der Revolution mit seinen prägenden Darstellern und den ganz einfachen Leuten bildgewaltig auferstehen.
Rowohlt, 460 Seiten; 19,95 Euro
Hörbuch der Woche
Sabine Bode
Das Mädchen im Strom
Sie ist das hübscheste, frechste und mutigste Mädchen an den Stränden des Rheins – und sie ist Jüdin. Die Geschichte der Gudrun Samuel ist die Geschichte einer ganzen Generation junger Frauen, die die Naziherrschaft und der Krieg zur Flucht gezwungen haben. Als die Nazis an die Macht kommen und die junge Jüdin Gudrun Samuel sich entscheidet, mit gefälschten Papieren Deutschland zu verlassen, wird sie gefasst und kommt in Gestapo-Haft. Ihr gelingt dann doch noch die Flucht, aber sie ist nun nicht mehr das Mainzer Mädchen Gudrun, sondern die Flüchtende Judy: in der transsibirischen Eisenbahn und im Judenghetto von Shanghai. Sie überlebt den Krieg, doch die Odyssee geht weiter.
Sabine Bode ist Bestsellerautorin von Sachbüchern wie „Die vergesse Generation“ oder „Kriegsenkel“. Da hat sie sich mit dem Thema des 2. Weltkriegs schon intensiv auseinandergesetzt. Nun ihr erster Roman „Das Mädchen im Strom“. Der Titel passt schon mal ganz gut, da Gudrun wahrlich immer im Strom der Ereignisse mitschwimmt. Die Geschichte ist spannend und voller interessanter historischer Details! Was man aber leider merkt ist, das Sabine Bode Sachbuchautorin ist und keine Romanautorin. So wirken ihre Figuren etwas gefühlsleer und die Dialoge oft hölzern. Trotzdem vermittelt der Roman einen spannenden Einblick in eine dunkle Zeit. Die bekannte und attraktive Schauspielerin Claudia Michelsen liest klar und ohne Schnörkel. Sie gibt Gudrun eine unverwechselbare Stimme und unterstreicht ihren Charakter mit ihrer Darbietung.
Auch als Hardcover erhältlich bei Klett-Cotta, 20,00 Euro.
Random House Audio, 6 CDs, 473 Minuten; 19,99 Euro
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