Oktober 7, 2024

Kolumne vom 20.08.2018

Kolumne vom 20.08.2018 – Nr.522


Sabine Weiß

daumen rauf

Die Arznei der Könige

Die Arznei der Könige

Lüneburg im 14. Jh. Nach dem Tod ihrer Familie hat die junge Adlige Jakoba in einem Kloster ihre Bestimmung als Krankenpflegerin gefunden. Doch ihr Bruder zwingt sie in eine neue Ehe, und als ihr brutaler Mann einem Unfall zum Opfer fällt, muss Jakoba fliehen. Nur der Hilfe Arnolds, eines Theriak-Krämers, hat sie es zu verdanken, dass sie sich nach Paris durchschlagen und als Heilerin einen Namen machen kann. Rasch ist sie so erfolgreich, dass sogar der sieche König nach ihr ruft und nach der „Arznei der Könige“ verlangt. Doch damit macht sie sich gefährliche Feinde.

Sabine Weiß gehört zu den besten Historien-Ladys Deutschlands! Mit ihrem neuen Roman „Die Arznei der Könige“ zeigt sie eindrucksvoll, warum das so ist. Fesselnd von der ersten Seite an. Jakoba ist eine Figur, an die sich der Leser sofort dranhängt. Sie will frei von den Zwängen ihrer Familie sein, auch wenn sie dann die Pein im Kloster ertragen muss. Doch das ist ja nur der Anfang von Jakobas Weg. Der bringt noch so viele Unwegsamkeiten mit sich, Jakoba muss immer stark sein, um das zu erreichen, was sie so gerne will, anderen helfen und heilen. Die historischen Details, das Ambiente, die Beschreibung des Mittelalters, alles stimmt bei Sabine Weiß.

Bastei Lübbe, 637 Seiten; 11,00 Euro


Thomas Rydahl

daumen runter

Der Einsiedler

Der Einsiedler

Am Strand von Fuerteventura wird die Leiche eines kleinen Jungen gefunden. Niemand scheint das Kind zu vermissen, und so versucht die Polizei, den Fall unter den Teppich zu kehren, um die anstehende Feriensaison nicht zu gefährden. Als der Taxifahrer Erhard Jorgenson, knapp 70 Jahre alt und ein Einzelgänger, davon Wind bekommt, macht er sich mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit auf die Suche nach der Wahrheit. Aber kann ein alter Mann, der aus der Zeit gefallen scheint, ein Mordkomplott aufklären, das weit über die Küste Fuerteventuras hinausreicht?

Auf den Krimi „Der Einsiedler“ vom Dänen Thomas Rydahl war ich sehr gespannt. Die Story hörte sich vielversprechend an, auch der Ort, an dem sie spielt, und ein besonderer Ermittler sollte mich erwarten. Nicht unerwähnt soll die stattliche Seitenzahl von über 600 bleiben. Für einen Krimi durchaus ambitioniert, wenn man hier Spannung und Atmosphäre durchgängig aufrechterhalten will. Aber genial, wenn man es schafft. Thomas Rydahl schafft es nicht! Die erste Hälfte des Buches ist sehr langatmig. Die Inselatmosphäre ist das, was einen noch etwas bei der Stange hält. Aber man will ja einen spannenden Krimi lesen und kein Reisebuch. Die Story gewinnt dann zwar etwas an Spannung, aber das kann das Buch auch nicht mehr retten.

Heyne, 606 Seiten; 23,00 Euro


Dirk Husemann

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Die Bücherjäger

Die BücherjägerKonstanz 1417: Poggio Bracciolini ist ein Meister im Aufstöbern antiker Texte – ein Bücherjäger, der sich in altehrwürdige Klosterbibliotheken einschleicht. In einem Bergkloster am Bodensee entdeckt er ein Buch, das an eine Kette gelegt ist. Doch kaum hat Poggio die ersten brisanten Zeilen entziffert, ist der Foliant verschwunden. Entschlossen nimmt der Bücherjäger die Verfolgung der Diebe auf. Denn wenn der Text in die falschen Hände gerät, wird er die gesamte abendländische Welt ins Wanken bringen.

Dirk Husemann hat sich vom Geheimtipp im historischen Roman zu einer festen Größe entwickelt! Er begeisterte die Leser bisher immer mit großen und ideenreichen Geschichten aus ganz unterschiedlichen Jahrhunderten. Nach „Ein Elefant für Karl den Großen“, „Die Seidendiebe“ und „Die Eispiraten“ spielten seine neuen historischen Leckerbissen „Die Bücherjäger“ nun im 15 Jahrhundert. „Die Bücherjäger“ überzeugt erneut mit einer ideenreichen, spannenden und wendungsreichen Geschichte. Dirk Husemann geht ins Detail, hält das Erzähltempo aber trotzdem hoch. Historische Langeweile? Nicht mit einem Roman von Dirk Husemann.

Bastei Lübbe, 447 Seiten; 11,00 Euro


Myriam Rawick

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Mama sagt, dass selbst die Vögel nicht mehr singen – Mein Tagebuch Aleppo 2011 – 2017

Mama sagt dass selbst die Vögel nicht mehr singen Mein TagebuchMyriam ist knapp sieben Jahre, lebt mit ihren Eltern in Aleppo, liebt das Gewimmel auf dem Basar und die Gerüche des Jabel-Saydé-Viertels, wo sie und andere armenische Christen wohnen. Als im September 2011 die Unruhen ausbrechen, rät die Mutter ihr, ein Tagebuch zu führen, um den Schrecken zu bannen. Myriam hält fest, wie ihre Welt in Terror und Angst zusammenbricht, sie von einem Viertel ins nächste ziehen müssen, Cousins sterben oder entführt werden. Nur selten kann sie dem Terror ringsum ein kurzes kindliches Glück abtrotzen. Doch sie und ihre Familie halten unverbrüchlich zusammen und überleben mit Glück und Geschick das unfassbare Leid.

„Mama sagt, dass selbst die Vögel nicht mehr singen“ – ja, bei der Lektüre der erschütternden und ergreifenden Tagebücher der jungen Myriam erlebt man die die Schrecken des Syrien-Krieges so nah aus den Augen eines Kindes mit, das es beim Lesen schmerzt. Hier singen keine Vögel mehr, geschweige denn gibt es noch normales menschliches Treiben und Geplapper. Der Krieg hat alles vernichtet. Am 15. Dezember 2016 kam der französische Journalist Philippe Lobjois nach Aleppo, lernte Myriam und ihre Familie kennen und erfuhr von ihrem Tagebuch. Später half er ihr, es aus dem Arabischen ins Französische zu übertragen.

Blessing, 175 Seiten; 15,00 Euro


Bana Alabed

daumen rauf

Ich bin das Mädchen aus Aleppo

Ich bin das Mädchen aus Aleppo

Bana Alabed war sieben Jahre alt, als sie sich an die Welt wandte, um die Gewalt, die Angst, den Horror auszudrücken, die sie und ihre Familie im Bürgerkrieg in Syrien erlebten – per Twitter. Ihre Botschaften bewegten die Welt, sie gaben dem Elend und Millionen unschuldigen Kindern eine Stimme.

Ein Buch, das die Schrecken des Krieges durch die Kinderaugen der Bana Alabed und ihrer Mutter zeigt. Ein weiteres Buch zum Syrien-Krieg, das man gelesen haben sollte. Das Buch ist sehr schön und liebevoll aufgemacht und mit zahlreichen Fotos versehen. Kritische Stimmen sagen, dass die „süße“ Bana Alabed nur vorgeschickt wurde, um Mitleid zu erregen. Sei es dahingestellt, Bana Alabed ist aber nur eines von Hunderttausenden von Kindern, die die Schrecken des Krieges erleben mussten. Diese eine Stimme steht nun da, für alle die, die kein Buch schreiben und veröffentlich können, um auszudrücken, was in Syrien Schreckliches geschehen ist. Und noch geschieht.

Lübbe, 203 Seiten; 20,00 Euro


Hörbuch der Woche

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Brad Parks

Nicht ein Wort

Nicht ein Wort Hörbuch

Die Kinder Emma und Sam von Bundesrichter Scott Sampson sind unbemerkt vor der Schule entführt worden. Das erfährt er, als seine Frau Alison ohne die beiden Kinder nach Haue kommt. Dann klingelt das Telefon. „Ihre Kinder sind in unserer Gewalt!“ sagt eine Stimme. Wenn Scott sie wiedersehen will, hat er genaue Instruktionen in einem Drogenfall zu befolgen, der am nächsten Tag verhandelt werden soll. Plötzlich steht das Schicksal seiner gesamten Familie auf dem Spiel, und Scott Sampson muss die schwerste Entscheidung seines Lebens treffen: Wird er Recht sprechen oder seine Familie retten?

„Nicht ein Wort“ verursacht allerhöchste Suchtgefahr! Ein in vielen Bereichen perfekter Thriller. Brad Parks ist mit „Nicht ein Wort“ ein Harlan-Coben-Thriller 2.0 gelungen! Wie es dem amerikanischen Autor gelingt, die Spannung bis zum Ende hoch zu halten ist beeindruckend. Ich dachte öfter, so, nun ist doch eigentlich ein Spannungshöhepunkt erreicht, was soll nun noch kommen? Brad Parks findet darauf aber immer wieder eine neue spannende Antwort. Einen großen Hauch Hollywood-Kino bringt Sprecher Tobias Kluckert, die deutsche Stimme von u. a. Bradley Cooper und Gerald Butler, in die Geschichte ein. Er liest diesen Thriller nicht einfach nur gekonnt, nein, er spielt praktisch jede Szene. Legt in jeden Satz Stimmung, Gefühl und Ausdruck. Eine perfekte Lesung für einen perfekten Thriller!

Nicht ein Wort

 

Auch als Paperback erhältlich bei Fischer, 14,99 Euro.

 

Argon Hörbuch, 2 MP3 CDs, 750 Minuten; 19,95 Euro


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