Kolumne vom 11.06.2018 – Nr.512
Michael Hamannt
Die Dämonenkriege
Als der Dämonenjäger Ryk bei einem Einsatz seine beiden Gefährten an einen Dämon verliert, den es seit Hunderten von Jahren eigentlich gar nicht mehr geben dürfte, schwört er Rache. Währenddessen gelingt es der Gestaltwandlerin Catara, den wegen Mordes an seinem Vater angeklagten Thronprinzen Ishan aus dem Kerker zu befreien. Doch damit beginnen die Probleme für die beiden erst, denn all die dunklen Vorkommnisse sind nur die Vorboten eines drohenden Kriegs, der die Welt der Schwebenden Reiche in ihren Grundfesten erschüttern wird …
Der Deutsche Michael Hamannt bringt frische Ideen ins Fantasy-Genre! In „Die Dämonenkriege“ jagt eine Überraschung die nächste. Die Seiten fliegen nur so dahin. Hochspannung, Action, Dramatik, Thrill – mehr geht fast nicht. Die Geschichte ist groß und breit angelegt. Politik, Wirtschaft, Krieg, dazu gesellen sich das Streben nach der allumfassenden Macht, unendlicher Hass, tiefsitzende Rachegelüste. Die Welt, die Michael Hamannt entworfen hat, ist einfach nur großartig und faszinierend! Auch die Hauptcharaktere sind eine Wucht. Der geschundene Dämonenjäger Ryk Vangur, Ishan con Femen, der junge Kronprinz von Sharigor, der zu Unrecht des Mordes an seinem Vater beschuldigt wird, die listige und eiskalte Gestaltenwandlerin und Assassine Catara von den Keesa, die Menschen tötet, umso ihr Aussehen annehmen zu können. „Die Dämonenkriege“ zieht in die Walhalla der Fantasy-Literatur ein! Der zweite Teil wird sehnsüchtig erwartet.
Heyne, 751 Seiten; 14,99 Euro
J. R. R. Tolkien
Die Geschichte von Kullervo
Kullervo hat niemanden mehr außer seiner Zwillingsschwester Wanona, die ihn liebt, und dem schwarzen Hund Musti, der ihn mit seinen magischen Fähigkeiten beschützt. Als er in die Sklaverei verkauft wird, schwört er, dass er sich an seinem Onkel rächen wird. Doch muss er lernen, dass es vor dem grausamsten aller Schicksale kein Entkommen gibt. Die auf der finnischen Kalevala-Sage basierende Geschichte ist das erste Dokument von Tolkiens Schaffen.
Man muss rausholen, was drin ist. So kann man dieses Buch von J. R. R. Tolkien, herausgegeben von Verlyn Flieger, auch betiteln. Denn das Buch trägt wohl den Titel „Die Geschichte von Kullervo“, und als Leser denkt man, die Geschichte erstreckt sich über, beschauliche, 240 Seiten. Aber da hat der Leser falsch gedacht. Die eigentliche Geschichte erstreckt sich von Seite 34 bis Seite 107, und dann auch noch auf Englisch und Deutsch. Eigentlich ein nettes Gimmick, wenn die eigentliche Geschichte tatsächlich 240 Seiten lang wäre. Der Rest vom Buch sind Anmerkungen und Kommentare. Mir kommt es so vor, als ob man auch zwei Zeilen, die Tolkien mal auf einem Stück Klopapier notiert hatte, als aufgemotztes Buch herausgeben muss. Dass ist dem Altmeister der Fantasy unwürdig. J. R. R. Tolkien ist mit seinem „Herr der Ringe“ nicht nur eine Kulttrilogie gelungen, sondern er war Vorreiter für alles was danach in der Fantasy geschrieben wurde.
Klett-Cotta, 240 Seiten; 22,00 Euro
Todd Lockwood
Der Sommerdrache – Die Ewigen Gezeiten 1
Maia wächst als Tochter des Brutmeisters in einem Aery auf, dem Ort, an dem Drachen ausgebrütet und großgezogen werden. Genau wie ihr Bruder Darian wartet sie gespannt auf den Tag, an dem sie ihr eigenes Drachenjunges bekommen wird. Doch die Delegation des Kaisers will sämtliche Jungtiere für das Militär requirieren. Enttäuscht und verärgert macht sie sich mit ihrem Bruder auf in die Wildnis – wo sie nicht nur auf die Leiche eines weiblichen Drachen stößt, der von Wilderern erlegt wurde, sondern auch dem mythischen Sommerdrachen begegnet. Zurück im Aery versetzt ihre Geschichte alle in helle Aufregung. Die religiösen und militärischen Autoritäten streiten darüber, wie der Sommerdrache gedeutet werden soll. Maia hat an all dem wenig Interesse. Sie fragt sich vor allem eines: Wenn es eine tote Drachenmutter gibt, wo ist dann ihr Junges? Kurzerhand macht sie sich auf eine gefährliche Reise in die Wildnis, um das Drachenjungtier zu finden.
Gleich vorne weg: Todd Lockwood ist ein Fantasy-Künstler, und das sieht man seinem Werk auch an. Die zahlreichen „Gemälde“, die im Buch enthalten sind, würden eine eigene Vernissage rechtfertigen. Schon alleine wegen den „Gemälde“ sollte jeder Fantasy-Fan dieses Buch besitzen. Aber natürlich bietet auch die Story erhebliche Schauwerte. Man merkt Todd Lockwoods Malkunst auch seinem Schreibstil an. Er beschreibt alles sehr bildhaft. Man wandelt als Leser in den Szenen, die Todd Lockwood auferstehen lässt. Maia ist eine Figur mit viel Herz und Kampfgeist. Sie wandelt in dieser Welt der Drachen fast schwerelos. Die Drachen hat Todd Lockwood so beschrieben, als ob er selbst jahrelang unter ihnen gelebt hätte. „Die Ewigen Gezeiten“ – Drachen-Fantasy at its best!
Tor, 655 Seiten; 16,99 Euro
Nicolas Obregon
Schatten der schwarzen Sonne
Eine ganze Familie, hingeschlachtet von einem grausamen Mörder. Am Tatort finden sich merkwürdige rituelle Spuren, darunter die Zeichnung einer schwarzen Sonne. Als Kommissar Kosuke Iwata an das Tokioter Polizeipräsidium versetzt wird, übernimmt er einen höchst mysteriösen Fall. Einen Fall, der zudem seinen Vorgänger in den Selbstmord getrieben zu haben scheint – und an dessen Aufklärung nicht jeder im Präsidium wirklich Interesse hat. Dann schlägt der Mörder erneut zu. Und an der Seite seiner neuen Kollegin Sakai wird Iwata hineingezogen in eine gnadenlose Jagd, auf der er sich auch seinen eigenen Dämonen stellen muss …
Ein eiskalter Japan-Psychothriller, der einen in die dunkelsten Regionen der menschlichen Seele blicken lässt! Die Figuren, aber auch die Beschreibungen des Polizeiapparats und des Landes sind gut gelungen. Nicolas Obregón legt mit „Schatten der schwarzen Sonne“ einen ganz starken ersten Auftritt mit Kommissar Kosuke Iwata hin. Die Serie um Kosuke Iwata umfasst hoffentlich noch viele weitere Romane. Ein zweiter Fall ist schon in Arbeit. Gut so.
Goldmann, 479 Seiten; 16,00 Euro
Axel Ranisch
Nackt über Berlin
Jannik und Tai, von ihren Mitschülern liebevoll Fetti und Fidschi genannt, sind zwei ganz normale Sechzehnjährige. Bis sie eines Tages ihren Rektor sturzbetrunken auf der Straße auflesen und in seiner eigenen Wohnung einsperren. Aus dem Scherz wird schnell eine handfeste Entführung. Tai genießt es, „Gott“ zu spielen und zwingt den Lehrer zu einem Seelenstriptease. Ein Höllentrip für Jannik, der schnell bemerkt, dass Tai seine zarte Verliebtheit nur ausnutzt. Er muss handeln.
Zum brüllen komisch und trotzdem sehr tiefgründig. Axel Ranisch ist dieses Kunststück mit seiner besonderen Lebens- und Leidenskomödie „Nackt über Berlin“ gelungen. Schule ist nicht einfach, Erwachsenwerden auch nicht. Und dann auch noch das Leben an sich meistern. Puh, das kann einen dann schon mal auf eine aberwitzige Idee bringen, wenn sie sich einem bietet. Mit Jannik und Tai geht man diesen Weg, und es wird kein leichter sein. Axel Ranisch ist Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler. Besonders bekannt machte ihn seine großartig interpretierte Rolle der Figur „Schröder“ in den von der ARD verfilmten „Zorn“-Krimis.
Ullstein, 383 Seiten; 20,00 Euro
Hörbuch der Woche
Eva Völler
Auf ewig mein – Time School 2
Neue Herausforderungen für Anna und Sebastiano! Ein Unbekannter hat die Zeitmaschine gestohlen und im Jahr 1873 rund um die Welt neue Portale geschaffen. Menschen aus der Zukunft drohen so, für immer in der Kolonialzeit zu stranden. Der Fremde verstrickt Anna gegen ihren Willen in ein teuflisches Spiel, bei dem sie und ihre Freunde von der Time School eine historische Reise rund um die Welt machen und die Portale schließen müssen – in achtzig Tagen! Gewinnen sie, bekommen sie die Zeitmaschine zurück. Scheitern sie, ist nicht nur das Spiel verloren. Denn dann erwartet auch Sebastiano ein schreckliches Schicksal …
Eva Völler hat mit ihrer „Zeitenzauber“-Trilogie einen großen Erfolg gefeiert. Mit ihrer neuen Trilogie „Time School“ schließ sie daran an. „Auf ewig mein“ ist der zweite Teil der Trilogie – und was für einer! Oft sind die Mittelteile einer Trilogie etwas träger, doch davon ist hier keine Spur. „Auf ewig mein“ ist ein großes Abenteuer! Es erinnert, wenn wundert’s, ein wenig an den Klassiker „In 80 Tagen um die Welt“, aber genau das macht den Roman so lesens- und hörenswert. Eva Völler hat dem Klassiker so einen neuen, frischen Wind eingehaucht. Klasse! Gelesen wird dieses große Abenteuer von Merete Brettschneider. Und sie lässt sich von der Geschichte mitreißen. Ihre Lesung ist lebendig und voller Elan. Hörprobe
Auch als Hardcover erhältlich bei One, 15,00 Euro.
Lübbe Audio, 6 CDs, 440 Minuten; 15,00 Euro
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