BuchKolumne 23.09.2024 Nr. 840
Nicholas Sparks – Unsere Zeit der Wunder
Elli Kolb – 9 Grad
Walter Moers – Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte
Peter Huth – Der Honigmann
Mohammad Sarhangi – Jahre der Angst, Momente der Hoffnung
Hörbuch der Woche:
Matt Haig –
Die Unmöglichkeit des Lebens
Nicholas Sparks – Unsere Zeit der Wunder
Erst am Sterbebett seiner Großmutter erfährt Tanner Hughes den Namen seines Vaters. Er macht sich auf nach Asheboro, North Carolina, um ihn zu finden. Dort kreuzt sich sein Weg mit dem der alleinerziehenden Kaitlyn. Die beiden fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Doch schon bald muss Tanner beruflich zurück nach Kamerun, und beide fürchten, dass ihre Liebe keine Zukunft hat. Währenddessen versucht der 83-jährige Jasper, in den Wäldern von Asheboro einen seltenen weißen Hirsch zu schützen. Eine Begegnung mit Wilderern endet in der Katastrophe. Können Kaitlyn und Tanner ihn retten – und damit auch sich selbst?
Nicholas Sparks ist zurück. Das ist für alle, die hervorragende Liebesromane schätzen immer eine gute Nachricht! Nach zuletzt „Im Traum bin ich bei dir“ folgt nun „Unsere Zeit der Wunder“. Es bedarf nur wenige Seite und sofort kehrt wieder das ganz besondere Nicholas-Sparks-Gefühl ein. Die Geschichte bietet viel. Der herumziehende Weltenbummler und Ex-Army-Kämpfer Tanner und die sesshafte Ärztin und alleinerziehende Mutter Kaitlyn wachsen einen sofort ans Herz. Wie soll es auch anders sein, wenn Nicholas Sparks die Charaktere entwirft. Und auch die Figuren um die beiden herum haben viel zu bieten. Allem voran Jasper, der alte, gezeichnete Mann, der alleine im Wald lebt. Jede der Figuren hat eine lebendige, teils aufwühlende Geschichte. Dabei ist Jaspers tragische Familiengeschichte kaum zu ertragen. So viel Leid und Schmerz. Da flossen bei mir die Tränen. Wie können sich diese Figuren finden? Wie die Geschichte vorantreiben? Das und viel mehr erfährt man in einer Zeit voller Wunder, die zuvor aber keineswegs mit Wundern gesät war. Und nun ein ganz forscher Vergleich von mir: Was Coca-Cola für kultige Softdrinks ist, ist Nicholas Sparks für hochemotionale und romantische Liebesromane!
Heyne, 416 Seiten; 22,00 Euro
Elli Kolb – 9 Grad
9 Grad hat das Wasser, als Josie sich zum ersten Mal in den Fluss wagt, um ihrer schwer kranken Freundin Rena einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht betäubt der Kälteschmerz ja auch die Angst, sie zu verlieren. Doch was Josie dann erlebt, übersteigt alles, was sie sich erhofft hat. Beim Eisbaden spürt sie sich zum ersten Mal selbst, erlebt ihren Körper, mit dem sie immer gehadert hat, ganz neu. Und noch etwas ist neu: ihre Beziehung zu Lee, den sie über Tinder kennengelernt hat. Doch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen, ist depressiv. Was bedeutet das für ihre Liebe – und was machen Grenzerfahrungen mit einem?
Elli Kolb hat mit „9 Grad“ einen mutigen Roman geschrieben! Eine Geschichte über das nicht ganz normale Leben, den harten Kampf, den das Leben von einem fordert, auch der Liebe und von Freundschaft, aber eben auch über Depression, dass sich wieder neu finden, auch mit Grenzerfahrungen. Dazu zählt Eisbaden bzw. Winterschwimmen, dem die Autorin am Ende noch einmal Platz im Buch einräumt. Das war das Positive. Aber im Ganzen konnte mich die Geschichte nicht überzeugen. Zu wenig baut Eli Kolb die Charaktere und deren Verbindungen aus, und auch das langsame Dahinfließen der Geschichte, ober und unter Wasser, trägt nicht dazu bei, immer gespannt auf das nächste Kapitel zu sein. Bei „9 Grad“ fühlte ich mich literarisch manchmal wie bei frostigen –1 Grad und bei sonnigen 25 Grad. Die Bandbreite des Romans ist groß.
Lübbe, 251 Seiten; 22,00 Euro
Walter Moers – Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte
Ein Einhörnchen, das lieber rückwärts leben möchte; ein Werwolf, der ein Wiewolf sein will; eine fleischfressende Pflanze, die gern Vegetarierin wäre; zwei Vampirgeierbrüder, die Aas verachten – etliche Bewohner des Kontinentes Zamonien haben Probleme mit ihrer Identität und daher kein leichtes Leben. Aber ob Dummwolf oder Schlaufuchs, ob Schmiegehäschen oder Halbtagsfliege, ob Froschling oder Buchling, sie alle finden ihren Weg in dieser Welt, in der die Fantasie und der Humor völlig außer Kontrolle geraten sind.
Walters Moers lädt die LeserInnen wieder ein, mit ihm nach Zamonien zu reisen. Eine flabelhafte Reise, die Sie nicht mehr vergessen werden! Denn in „Das Einhörnchen, das rückwärts leben wollte“ geht es um Fabeln, ähm, Flabeln. Und aus der Geschichte wissen wir, Fabeln sind meist nicht allzu lang, aber dafür sehr einprägsam mit der vermittelten Klarheit auf die Dinge. So auch bei den Flabeln aus Zamonien. Ob es nun um das Alter geht, um den Klimawandel, Menschen, ähm Biber, die trotz guter Ausbildung keinen Job finden, schlecht bezahlten Paketzustellern (ob nun aus dem Lager der Biber oder der Skorpione), ein unschuldig aussehendes Häschen, das eigentlich ein reißerischer Killer ist, oder es geht auch um Verträge, bei denen man immer das Kleingedruckte lesen sollte, sonst steht man am Ende mit nichts da. Mehr sei nun nicht verraten, was in Zamonien noch so alles für Flabeln auf die LeserInnen warten. Gewiss ist aber, dass einen freudige Geschichten erwarten, bei der Walters Moers die Heimtücke aber oft durchblicken lässt. Mal mit Krawumm, mal leiser, wie die Tiere, die Menschen halt so sind. Ein lehrreiches Buch, das zum Schmunzeln und zum Staunen anregt, dabei flott und spannend erzählt ist. Walter Moers liefert Flabeln, die uns Zamonien, ähm, unsere Welt tierisch nachdenklich präsentieren.
Penguin, 163 Seiten; 28,00 Euro
Für Fine und Tim ist das malerische Fischbach vor den Toren der Großstadt das Familienparadies, von dem sie geträumt haben. Unter den anderen Eigenheimbesitzern finden sie schnell Freunde für sich und ihre Tochter. Als ein älterer Herr einen kleinen Laden für Honig, Tee und Deko eröffnet, scheint er das letzte Mosaiksteinchen im Idyll zu sein: Immer hat er ein offenes Ohr für die Mütter und einen Kakao für die Kinder. Jeder in Fischbach liebt den Honigmann – bis ein schockierendes Gerücht über seine Vergangenheit die Runde macht. Plötzlich steht alles, das so sicher schien, zur Disposition: Freundschaften, Beziehungen, Wohlstand. Wie weit wird Fine gehen, um ihre Vorortidylle zu beschützen?
„Der Honigmann“ ist ein besonderes Buch, eine besondere Geschichte, von sprachlicher Eleganz und einem ruhigen und familiären Landleben, das in einer Katastrophe biblischen Ausmaßes endet! Die Geschichte beginnt mit vielsagenden Andeutungen, aber einer Seele-baumeln-lassenden-Ruhe. Doch diese Stimmung ändert sich von Seite zu Seite. Maßgebend hierfür ist „Der Honigmann“. Der Autor seziert nach und nach das Innenleben der befreundeten Familien. Und die heile Welt, die nach außen getragen wird, wird immer mehr von dunklen Wolken überzogen. Peter Huth ist mit „Der Honigmann“ ein literarisches Kunststück gelungen! Spannend, aufwühlend, aktuell und trotzdem zeitlos.
Droemer, 255 Seiten; 22,00 Euro
London: Ein Serienmörder hält die Stadt in Atem. Seine Opfer sind ausschließlich Studentinnen. Er foltert und vergewaltigt sie und präsentiert die grausam zugerichteten Leichen den Behörden. Am Tatort hinterlässt er zudem einen Strauß Rosen und mit Blut geschriebene Botschaften.
Der Privatdetektiv Vincent und die Polizistin Lucy heften sich an seine Fersen, doch der Mörder ist ihnen immer einen Schritt voraus und spielt mit ihnen. Die Presse nennt ihn bald darauf „den Schänder“. Vincent und Lucy werden immer verzweifelter, da die Opfer keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Jede Studentin könnte sein nächstes Ziel sein. Doch dann finden sie eine mögliche Spur zu ihm. Sie entscheiden sich zu einem riskanten Plan…
Mohammad Sarhangi – Jahre der Angst, Momente der Hoffnung
Eine kleine Geschichte: „Vom Balkon aus schaute ich auf einen Spielplatz, auf dem Kinder meines Alters umherliefen und sich amüsiert rauften. Nach kurzem Zaudern fragte ich sie, ob ich mitspielen dürfte. Die Antwort war: -Nein, mit Ausländerkindern spielen wir nicht.- Ich weiß nicht mehr, was ich damals empfunden habe. Im Nachhinein war klar: Künftig würde ich in den Spiegel sehen und einen Ausländer erkennen.“ Es sind Ereignisse wie diese, die Gefühle der Ausgrenzung produzieren: Angst, Scham, Wut, Verzweiflung, aber auch Sehnsucht und Hoffnung. Der Historiker Mohammad Sarhangi analysiert, inwieweit die vielfältigen Erfahrungen der Migration die Gefühle von MigrantInnen prägen und formen – auch über Generationen hinweg.
Migration ist das Dauerthema in unserer Gesellschaft! Ein einfühlsames Buch darüber zu schreiben, ist ein Beitrag dazu, dass Seiten, die denken, sich nicht verstehen zu können, aufeinander zugehen. Nur wird wohl eine gewisse Seite der Gesellschaft dieses Buch gar nicht lesen, was sehr schade ist, denn es zeigt, wie Migrationsgeschichte in Deutschland überwiegend ist. Das Böse gibt es leider immer, aber Migration an sich ist nicht das Böse, sondern es ist ein fester und wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, der so viele freundliche und liebe Menschen mit in Sittenhaft nimmt. Dieses Buch – lesen, fühlen, erleben, und dann, nachdenken!
S. Fischer, 319 Seiten; 26,00 Euro